Fünfte Betrachtung.
Worin die Unzulänglichkeit der gewöhnlichen Methode der Physikotheologie gewiesen wird
1. Von der Physikotheologie überhaupt

[682] Alle Arten, das Dasein Gottes aus den Wirkungen desselben zu erkennen, lassen sich auf die drei folgende bringen. Entweder man gelanget zu dieser Erkenntnis durch die Wahrnehmung desjenigen, was die Ordnung der Natur unterbricht und diejenige Macht unmittelbar bezeichnet, welcher die Natur unterworfen ist, diese Überzeugung wird durch Wunder veranlaßt; oder die zufällige Ordnung der Natur, von der man deutlich einsieht, daß sie auf vielerlei andere Art möglich war, in der gleichwohl große Kunst, Macht und Güte hervorleuchtet, führet auf den göttlichen Urheber; oder drittens die notwendige Einheit, die in der Natur wahrgenommen wird, und die wesentliche Ordnung der Dinge, welche großen Regeln der Vollkommenheit gemäß ist, kurz das, was in der Regelmäßigkeit der Natur Notwendiges ist, leitet auf ein oberstes Principium nicht allein dieses Daseins sondern selbst aller Möglichkeit.

Wenn Menschen völlig verwildert sein, oder eine halsstarrige Bosheit ihre Augen verschließt, alsdenn scheinet das erstere Mittel einzig und allein einige Gewalt an sich zu haben, sie vom Dasein des höchsten Wesens zu überführen. Dagegen findet die richtige Betrachtung einer wohlgearteten Seele an so viel zufälliger Schönheit und zweckmäßiger Verbindung, wie die Ordnung der Natur darbietet, Beweistümer genug, einen mit großer Weisheit und Macht begleiteten Willen daraus abzunehmen, und es sind zu dieser Überzeugung, so ferne sie zum tugendhaften Verhalten hinlänglich, das ist, moralisch gewiß sein soll, die gemeine Begriffe des Verstandes hinreichend. Zu der dritten Art zu schließen wird notwendiger Weise Weltweisheit erfodert und es ist auch einzig und allein ein höherer Grad derselben fähig, mit einer Klarheit und Überzeugung, die der Größe der Wahrheit gemäß ist, zu dem nämlichen Gegenstande zu gelangen.[682]

Die beide letztere Arten kann man physikotheologische Methoden nennen; denn sie zeigen beide den Weg, aus den Betrachtungen über die Natur zur Erkenntnis Gottes hinauf zu steigen.




2. Die Vorteile und auch die Fehler der gewöhnlichen Physikotheologie

Das Hauptmerkmal der bis dahin gebräuchlichen physischtheologischen Methode bestehet darin: daß die Vollkommenheit und Regelmäßigkeit erstlich ihrer Zufälligkeit nach gehörig begriffen, und alsdenn die künstliche Ordnung nach allen zweckmäßigen Beziehungen darinnen gewiesen wird, um daraus auf einen weisen und gütigen Willen zu schließen, nachher aber zugleich, durch die hinzugefügte Betrachtung der Größe des Werks, der Begriff der unermeßlichen Macht des Urhebers damit vereinigt wird.

Diese Methode ist vortrefflich: erstlich, weil die Überzeugung überaus sinnlich und daher sehr lebhaft und einnehmend, und dennoch auch dem gemeinsten Verstande leicht und faßlich ist; zweitens, weil sie natürlicher ist als irgend eine andere, indem ohne Zweifel ein jeder von ihr zuerst anfängt; drittens, weil sie einen sehr anschauenden Begriff von der hohen Weisheit, Vorsorge oder auch der Macht des anbetungswürdigen Wesens verschaffet, welcher die Seele füllet, und die größeste Gewalt hat, auf Erstaunen, Demut und Ehrfurcht zu wirken.6 Diese Beweisart ist viel[683] praktischer als irgend eine andere selbst in Ansehung des Philosophen. Denn ob er gleich vor seinen forschenden oder grüblenden Verstand hier nicht die bestimmte abgezogene Idee der Gottheit antrifft und die Gewißheit selbst nicht mathematisch sondern moralisch ist, so bemächtigen sich doch so viel Beweistümer, jeder von so großem Eindruck, seiner Seele, und die Spekulation folgt ruhig mit einem gewissen Zutrauen einer Überzeugung, die schon Platz genommen hat. Schwerlich würde wohl jemand seine ganze Glückseligkeit auf die angemaßte Richtigkeit eines metaphysischen Beweises wagen, vornehmlich wenn ihm lebhafte sinnliche Überredungen entgegen stünden. Allein die Gewalt der Überzeugung, die hieraus erwächst, darum eben weil sie so sinnlich ist, ist auch so gesetzt und unerschütterlich, daß sie keine Gefahr von Schlußreden und Unterscheidungen besorget, und sich weit über die Macht spitzfündiger Einwürfe wegsetzt. Gleichwohl hat diese Methode ihre Fehler, die beträchtlich genug sind, ob sie zwar eigentlich nur dem Verfahren derjenigen zuzurechnen sind, die sich ihrer bedient haben.

1. Sie betrachtet alle Vollkommenheit, Harmonie und Schönheit der Natur als zufällig, und als eine Anordnung durch Weisheit, da doch viele derselben mit notwendiger Einheit aus den wesentlichsten Regeln der Natur abfließen. Das, was der Absicht der Physikotheologie hiebei am schädlichsten ist, besteht darin, daß sie diese Zufälligkeit der Naturvollkommenheit als höchstnötig zum Beweise eines weisen Urhebers ansieht, daher alle notwendige Wohlgereimtheiten der Dinge der Welt bei dieser Voraussetzung gefährliche Einwürfe werden.

Um sich von diesem Fehler zu überzeugen, merke man auf nachstehendes. Man siehet, wie die Verfasser nach dieser Methode geflissen sein, die an unzähligen Endabsichten reiche Produkte des Pflanzen- und Tierreichs nicht allein der Macht des Ohngefährs, sondern auch der mechanischen Notwendigkeit nach allgemeinen Gesetzen der materialen Natur zu entreißen. Und hierin kann es ihnen auch nicht im mindesten schwer werden. Das Übergewicht der Gründe auf[684] ihrer Seite ist gar zu sehr entschieden. Allein wenn sie sich von der organischen Natur zur unorganischen wenden, so beharren sie noch immer auf eben derselben Methode, allein sie finden sich daselbst fast jederzeit durch die veränderte Natur der Sachen in Schwierigkeiten befangen, denen sie nicht ausweichen können. Sie reden noch immer von der durch große Weisheit getroffenen Vereinbarung so vieler nützlichen Eigenschaften des Luftkreises, denen Wolken, dem Regen, den Winden, der Dämmerung etc. etc., als wenn die Eigenschaft, wodurch die Luft zu Erzeugung der Winde auferlegt ist, mit derjenigen, wodurch sie Dünste aufzieht, oder wodurch sie in großen Hohen dünner wird, eben so vermittelst einer weisen Wahl wäre vereinigt worden, wie etwa bei einer Spinne die verschiedene Augen, womit sie ihrem Raube auflauert, mit den Warzen, woraus die Spinnenseide als durch Ziehlöcher gezogen wird, mit den feinen Klauen oder auch den Ballen ihrer Füße, dadurch sie sie zusammenklebt oder sich daran erhält, in einem Tiere verknüpft sind. In diesem letzteren Fall ist die Einheit bei allen verbundenen Nutzbarkeiten (als in welcher die Vollkommenheit besteht) offenbar zufällig, und einer weisen Willkür beizumessen, da sie im Gegenteil im ersteren Fall notwendig ist; und wenn nur eine Tauglichkeit von denen erwähnten der Luft beigemessen wird, die andere unmöglich davon zu trennen ist. Eben dadurch daß man keine andere Art, die Vollkommenheit der Natur zu beurteilen einräumt, als durch die Anstalt der Weisheit, so wird eine jede ausgebreitete Einheit, in so ferne sie offenbar als notwendig erkannt wird, einen gefährlichen Einwurf ausmachen. Wir werden bald sehen, daß nach unserer Methode aus einer solchen Einheit gleichwohl auch auf die göttliche Weisheit geschlossen wird, aber nicht so, daß sie von der weisen Wahl als ihrer Ursache, sondern von einem solchen Grunde in einem obersten Wesen hergeleitet wird, welcher zugleich ein Grund einer großen Weisheit in ihm sein muß, mithin wohl von einem weisen Wesen, aber nicht durch seine Weisheit.

2. Diese Methode ist nicht genugsam philosophisch und hat auch öfters die Ausbreitung der philosophischen Erkenntnis[685] sehr gehindert. So bald eine Naturanstalt nützlich ist, so wird sie gemeiniglich unmittelbar aus der Absicht des göttlichen Willens, oder doch durch eine besonders durch Kunst veranstaltete Ordnung der Natur erklärt; entweder weil man einmal sich in den Kopf gesetzt hat: die Wirkungen der Natur, gemäß ihren allgemeinsten Gesetzen, könnten auf solche Wohlgereimtheit nicht auslaufen, oder wenn man einräumete, sie hätten auch solche Folgen, so würde dieses heißen: die Vollkommenheit der Welt einem blinden Ohngefähr zuzutrauen, wodurch der göttliche Urheber sehr würde verkannt werden. Daher werden in einem solchen Falle der Naturforschung Grenzen gesetzt. Die erniedrigte Vernunft stehet gerne von einer weiteren Untersuchung ab, weil sie solche hier als Vorwitz ansieht, und das Vorurteil ist desto gefährlicher, weil es den Faulen einen Vorzug vor dem unermüdeten Forscher gibt durch den Vorwand der Andacht und der billigen Unterwerfung unter den großen Urheber, in dessen Erkenntnis sich alle Weisheit vereinbaren muß. Man erzählt z. E. die Nutzen der Gebirge, deren es unzählige gibt, und so bald man deren recht viel, und unter diesen solche die das menschliche Geschlecht nicht entbehren kann, zusammen gebracht hat, so glaubt man Ursache zu haben, sie als eine unmittelbare göttliche Anstalt anzusehen. Denn sie als eine Folge aus allgemeinen Bewegungsgesetzen zu betrachten, (weil man von diesen gar nicht vermutet, daß sie auf schöne und nützliche Folgen sollten eine Beziehung haben, es müßte denn etwa von ohngefähr sein) das würde ihrer Meinung nach heißen, einem wesentlichen Vorteil des Menschengeschlechts auf den blinden Zufall ankommen lassen. Eben so ist es mit der Betrachtung der Flüsse der Erde bewandt. Wenn man die physischtheologischen Verfasser hört, so wird man dahin gebracht, sich vorzustellen, ihre Laufrinnen wären alle von Gott ausgehöhlt. Es heißt auch nicht philosophieren: wenn man, indem man einen jeden einzelnen Berg, oder jeden einzelnen Strom als eine besondere Absicht Gottes betrachtet, die nach allgemeinen Gesetzen nicht würde erreicht worden sein, wenn man, sage[686] ich, alsdenn sich diejenige Mittel ersinnet, deren besonderen Vorkehrung sich etwa Gott möchte bedient haben, um diese Individual-Wirkungen heraus zu bringen. Denn nach demjenigen, was in der dritten Betrachtung dieser Abteilung gezeigt worden, ist dergleichen Produkt dennoch in so ferne immer übernatürlich, ja, weil es nicht nach einer Ordnung der Natur (indem es nur als eine einzelne Begebenheit durch eigene Anstalten entstand) erklärt werden kann, so gründet sich ein solches Verfahren zu urteilen auf eine verkehrte Vorstellung vom Vorzuge der Natur an sich selber, wenn sie auch durch Zwang auf einen einzelnen Fall sollte gelenkt werden müssen, welches nach aller unserer Einsicht als ein Mittel des Umschweifs und nicht als ein Verfahren der Weisheit kann angesehen werden.7 Als Newton durch untriegliche Beweise sich überzeugt hatte: daß der Erdkörper diejenige Figur habe, auf der alle durch den Drehungsschwung veränderte Richtungen der Schwere senkrecht stünden, so schloß er: die Erde sei im Anfange flüssig gewesen, und habe nach den Gesetzen der Statik vermittelst der Umdrehung gerade diese Gestalt angenommen. Er kannte so gut wie sonst jemand die Vorteile, die in der Kugelrundung eines Weltkörpers liegen und auch die höchst nötige Abplattung, um den nachteiligen Folgen der Achsendrehung vorzubeugen. Dieses sind insgesamt Anordnungen, die eines weisen Urhebers würdig sein. Gleichwohl trug er kein Bedenken, sie den notwendigsten mechanischen Gesetzen als eine Wirkung beizumessen, und besorgte nicht, dabei den großen Regierer aller Dinge aus den Augen zu verlieren.

Es ist also auch sicher zu vermuten: daß er nimmermehr in Ansehung des Baues der Planeten, ihrer Umläufe und der[687] Stellung ihrer Kreise, unmittelbar zu einer göttlichen Anstalt seine Zuflucht würde genommen haben, wenn er nicht geurteilt hätte: daß hier ein mechanischer Ursprung unmöglich sei, nicht wegen der Unzulänglichkeit derselben zur Regelmäßigkeit und Ordnung überhaupt (denn warum besorgte er nicht diese Untauglichkeit in dem vorher erwähnten Falle?), sondern weil die Himmelsräume leer sind, und keine Gemeinschaft der Wirkungen der Planeten ineinander, ihre Kreise zu stellen, in diesem Zustande möglich ist. Wenn es ihm indessen beigefallen wäre zu fragen: ob sie denn auch jederzeit leer gewesen, und ob nicht wenigstens im allerersten Zustande, da diese Räume vielleicht im Zusammenhange erfüllet waren, diejenige Wirkung möglich gewesen, deren Folgen sich seitdem erhalten haben, wenn er von dieser allerältesten Beschaffenheit eine gegründete Vermutung gehabt hätte, so kann man versichert sein, daß er auf eine der Philosophie geziemende Art in den allgemeinen mechanischen Gesetzen die Gründe von der Beschaffenheit des Weltbaues gesucht haben würde, ohne desfalls in Sorgen zu sein, daß diese Erklärung den Ursprung der Welt aus den Händen des Schöpfers der Macht des Ohngefährs überlieferte. Das berühmte Beispiel des Newton darf demnach nicht dem faulen Vertrauen zum Vorwande dienen, eine übereilte Berufung auf eine unmittelbare göttliche Anstalt vor eine Erklärung in philosophischem Geschmacke auszugeben.

Überhaupt haben freilich unzählbare Anordnungen der Natur, da sie nach den allgemeinsten Gesetzen immer noch zufällig sind, keinen andern Grund als die weise Absicht desjenigen der gewollt hat, daß sie so und nicht anders verknüpft werden sollten. Aber man kann nicht umgekehrt schließen: wo eine natürliche Verknüpfung mit demjenigen übereinstimmt, was einer weisen Wahl gemäß ist, da ist sie auch nach den allgemeinen Wirkungsgesetzen der Natur zufällig, und durch künstliche Fügung außerordentlich fest gesetzt worden. Es kann bei dieser Art zu denken sich öfters zutragen, daß die Zwecke der Gesetze, die man sich einbildet, unrichtig sind, und denn hat man außer diesem Irrtume noch den Schaden, daß man die wirkende Ursachen vorbeigegangen[688] ist und unmittelbar an eine Absicht, die nur erdichtet ist, gehalten hat. Süßmilch hatte ehedem vermeinet, den Grund, warum mehr Knäbchen als Mägdchen geboren werden, in dieser Absicht der Vorsehung zu finden, damit durch die größere Zahl derer vom Mannsgeschlechte der Verlust ergänzt werde, den dieses Geschlecht durch Krieg und gefährlichere Arten des Gewerbes vor dem andern erleidet. Allein durch spätere Beobachtungen wurde eben dieser sorgfältige und vernünftige Mann belehrt: daß dieser Überschuß der Knäbchen in den Jahren der Kindheit durch den Tod so weggenommen werde, daß noch eine geringere Zahl männlichen als die des weiblichen in die Jahre gelangen, wo die vorher erwähnte Ursachen allererst Gründe des Verlusts enthalten können. Man hat Ursache zu glauben, daß diese Merkwürdigkeit ein Fall sei, der unter einer viel allgemeinern Regel stehen mag, nämlich, daß der Stärkere Teil der Menschenarten auch einen größeren Anteil an der Zeugungstätigkeit habe, um in den beiderseitigen Produkten seine eigene Art überwiegend zu machen, daß aber dagegen, weil mehr dazu gehört, daß etwas, welches die Grundlage zu größerer Vollkommenheit hat, auch in der Ausbildung alle zu Erreichung derselben gehörige Umstände antreffe, eine größere Zahl derer von minder vollkommenen Art den Grad der Vollständigkeit erreichen werde, als derjenigen, zu deren Vollständigkeit mehr Zusammentreffung von Gründen erfodert wird. Es mag aber mit dieser Regel eine Beschaffenheit haben welche es wolle, so kann man hiebei wenigstens die Anmerkung machen: daß es die Erweiterung der philosophischen Einsicht hindere, sich an die moralische Gründe, das ist, an die Erläuterung aus Zwecken zu wenden, da wo; es noch zu vermuten ist, daß physische Gründe durch eine Verknüpfung mit notwendigen allgemeineren Gesetzen die Folge bestimmen.

3. Diese Methode kann nur dazu dienen, einen Urheber der Verknüpfungen und künstlichen Zusammenfügungen der Welt, aber nicht der Materie selbst und den Ursprung[689] der Bestandteile des Universum zu beweisen. Dieser beträchtliche Fehler muß alle diejenige, die sich ihrer allein bedienen, in Gefahr desjenigen Irrtums lassen, den man den feineren Atheismus nennt, und nach welchem Gott im eigentlichen Verstande als ein Werkmeister und nicht als ein Schöpfer der Welt, der zwar die Materie geordnet und geformet, nicht aber hervorgebracht und erschaffen hat, angesehen werde. Da ich diese Unzulänglichkeit in der nächsten Betrachtung erwägen werde, so begnüge ich mich, sie hier nur angemerkt zu haben.

Übrigens bleibt die gedachte Methode jederzeit eine derjenigen, die so wohl der Würde als auch der Schwäche des menschlichen Verstandes am meisten gemäß sind. Es sind in der Tat unzählbare Anordnungen in der Natur, deren nächster Grund eine Endabsicht ihres Urhebers sein muß, und es ist der leichtste Weg, der auf ihn führt, wenn man diejenige Anstalten erwägt, die seiner Weisheit unmittelbar untergeordnet sein. Daher ist es billig, seine Bemühungen vielmehr darauf zu wenden, sie zu ergänzen als anzufechten, ihre Fehler zu verbessern als sie um deswillen geringschätzig zu halten. Die folgende Betrachtung soll sich mit dieser Absicht beschäftigen.

6

Wenn ich unter andern die mikroskopische Beobachtungen des Doktor Hill, die man im Hamb. Magaz. antrifft, erwäge, und seht zahlreiche Tiergeschlechter in einem einzigen Wassertropfen, räuberische Arten, mit Werkzeugen des Verderbens ausgerüstet, die von noch mächtigern Tyrannen dieser Wasserwelt zerstört werden, indem sie geflissen sein, andre zu verfolgen; wenn ich die Ränke, die Gewalt und die Szene des Aufruhrs in einem Tropfen Materie ansehe, und erhebe von da meine Augen in die Höhe, um den unermeßlichen Kaum von Welten wie von Stäubchen wimmeln zu sehen, so kann keine menschliche Sprache das Gefühl ausdrücken, was ein solcher Gedanke erregt, und alle subtile metaphysische Zergliederung weichet sehr weit der Erhabenheit und Würde; die einer solchen Anschauung eigen ist.

7

Es wäre zu wünschen, daß in dergleichen Fällen, wo die Offenbarung Nachricht gibt, daß eine Weltbegebenheit ein außerordentliches göttliches Verhängnis sei, der Vorwitz der Philosophen möchte gemäßiget werden, ihre physische Einsichten auszukramen; denn sie tun der Religion gar keinen Dienst, und machen es nur zweifelhaft, ob die Begebenheit nicht gar ein natürlicher Zufall sei; wie in demjenigen Fall, da man die Vertilgung des Heeres unter Sanherib dem Winde Samyel beimißt. Die Philosophie kommt hiebei gemeiniglich ins Gedränge, wie in der Whistonschen Theorie, die astronomische Kometenkenntnis zur Bibelerklärung zu gebrauchen.

Quelle:
Immanuel Kant: Werke in zwölf Bänden. Band 2, Frankfurt am Main 1977, S. 682-690.
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