Sechste Betrachtung.
Verbesserte Methode der Physikotheologie
1. Ordnung und Anständigkeit, wenn sie gleich notwendig ist, bezeichnet einen verständigen Urheber

[690] Es kann nichts dem Gedanken von einem göttlichen Urheber des Universum nachteiliger und zugleich unvernünftiger sein, als wenn man bereit ist, eine große und fruchtbare Regel der Anständigkeit, Nutzbarkeit und Übereinstimmung dem ungefähren Zufall beizumessen; dergleichen das Clinamen der Atomen in dem Lehrgebäude des Democritus und Epikurs war. Ohne daß ich mich bei der Ungereimtheit und vorsetzlichen Verblendung dieser Art zu urteilen[690] verweile, da sie genugsam von andern ist augenscheinlich gemacht worden, so bemerke ich dagegen: Daß die wahrgenommene Notwendigkeit in Beziehung der Dinge auf regelmäßige Verknüpfungen, und der Zusammenhang nützlicher Gesetze mit einer notwendigen Einheit, eben so wohl als die zufälligste und willkürlichste Anstalt einen Beweistum von einem weisen Urheber abgebe; obgleich die Abhängigkeit von ihm in diesem Gesichtspunkte auf andere Art muß vorgestellt werden. Um dieses gehörig einzusehen, so merke ich an: daß die Ordnung und vielfältige vorteilhafte Zusammenstimmung überhaupt einen verständigen Urheber bezeichnet, noch ehe man daran denkt, ob diese Beziehung denen Dingen notwendig oder zufällig sei. Nach den Urteilen der gemeinen gesunden Vernunft hat die Abfolge der Weltveränderungen, oder diejenige Verknüpfung, an deren Stelle eine andere möglich war, ob sie gleich einen klaren Beweisgrund der Zufälligkeit an die Hand gibt, wenig Wirkung, dem Verstande die Vermutung eines Urhebers zu veranlassen. Es wird dazu Philosophie erfodert und selbst deren Gebrauch ist in diesem Falle verwickelt und schlüpferig. Dagegen macht große Regelmäßigkeit und Wohlgereimtheit in einem vielstimmichten Harmonischen stutzig, und die gemeine Vernunft selbst kann sie ohne einem verständigen Urheber nimmer möglich finden. Die eine Regel der Anständigkeit mag in der andern schon wesentlich liegen, oder willkürlich damit verbunden sein, so findet man es gerade zu unmöglich, daß Ordnung und Regelmäßigkeit entweder von Ohngefähr, oder auch unter viel Dingen, die ihr verschiedenes Dasein haben, so von selbst sollte statt finden, denn nimmermehr ist ausgebreitete Harmonie ohne einen verständigen Grund ihrer Möglichkeit nach zureichend gegeben. Und hier äußert sich alsbald ein großer Unterschied zwischen der Art, wie man die Vollkommenheit ihrem Ursprunge nach zu beurteilen habe.


2. Notwendige Ordnung der Natur bezeichnet selbst einen Urheber der Materie, die so geordnet ist

[691] Die Ordnung in der Natur, in so ferne sie als zufällig und aus der Willkür eines verständigen Wesens entspringend angesehen wird, ist gar kein Beweis davon, daß auch die Dinge der Natur, die in solcher Ordnung nach Weisheit verknüpft sein, selbst von diesem Urheber ihr Dasein haben. Denn lediglich diese Verbindung ist so bewandt, daß sie einen verständigen Plan voraussetzt; daher auch Aristoteles und viele andere Philosophen des Altertums nicht die Materie oder den Stoff der Natur, sondern nur die Form von der Gottheit herleiteten. Vielleicht nur seit der Zeit, als uns die Offenbarung eine vollkommene Abhängigkeit der Welt von Gott gelehret hat, hat auch allererst die Weltweisheit die gehörige Bemühung daran gewandt, den Ursprung der Dinge selbst, die den rohen Zeug der Natur ausmachen, als so etwas zu betrachten, was ohne einen Urheber nicht möglich sei. Ich zweifle, daß es jemanden hiemit gelungen sei, und ich werde in der letzten Abteilung Gründe meines Urteils anführen. Zum mindesten kann die zufällige Ordnung der Teile der Welt, in so ferne sie einen Ursprung aus Willkür anzeigt, gar nichts zum Beweise davon beitragen. Z. E. An dem Bau eines Tiers sind Gliedmaßen der sinnlichen Empfindung mit denen der willkürlichen Bewegung und der Lebensteile so künstlich verbunden, daß man boshaft sein muß (denn so unvernünftig kann ein Mensch nicht sein), so bald man darauf geführt wird, einen weisen Urheber zu verkennen, der die Materie, daraus ein tierischer Körper zusammen gesetzt ist, in so vortreffliche Ordnung gebracht hat. Mehr folgt hieraus gar nicht. Ob diese Materie vor sich ewig und unabhängig, oder auch von eben demselben Urheber hervorgebracht sei, das ist darin gar nicht entschieden. Ganz anders aber fällt das Urteil aus, wenn man wahrnimmt, daß nicht alle Naturvollkommenheit künstlich, sondern Regeln von großer Nutzbarkeit auch mit notwendiger Einheit verbunden sind, und diese Vereinbarung in den Möglichkeiten der[692] Dinge selbst liegt. Was soll man bei dieser Wahrnehmung urteilen? Ist diese Einheit, diese fruchtbare Wohlgereimtheit ohne Abhängigkeit von einem weisen Urheber möglich? Das Formale so großer und vielfältiger Regelmäßigkeit verbietet dieses. Weil indessen diese Einheit gleichwohl selbst in den Möglichkeiten der Dinge gegründet ist, so muß ein weises Wesen sein, ohne welches alle diese Naturdinge selbst nicht möglich sind, und in welchem als einem großen Grunde sich die Wesen so mancher Naturdinge zu so regelmäßigen Beziehungen vereinbaren. Alsdenn aber ist klar, daß nicht allein die Art der Verbindung, sondern die Dinge selbst nur durch dieses Wesen möglich sein, das ist, nur als Wirkungen von ihm existieren können, welches die völlige Abhängigkeit der Natur von Gott allererst hinreichend zu erkennen gibt. Fragt man nun, wie hängen diese Naturen von solchem Wesen ab, damit ich daraus die Übereinstimmung mit den Regeln der Weisheit verstehen könne? Ich antworte: sie hängen von demjenigen in diesem Wesen ab, was, indem es den Grund der Möglichkeit der Dinge enthält, auch der Grund seiner eigenen Weisheit ist; denn diese setzet überhaupt jene voraus.8 Bei dieser Einheit aber des Grundes, so wohl des Wesens aller Dinge, als der Weisheit, Güte und Macht, ist es notwendig: daß alle Möglichkeit mit diesen Eigenschaften harmoniere.


3. Regeln der verbesserten Methode der Physikotheologie

Ich fasse sie in folgendem kurz zusammen: Durch das Zutrauen auf die Fruchtbarkeit der allgemeinen Naturgesetze,[693] wegen ihrer Abhängigkeit vom göttlichen Wesen, geleitet, suche man

1. Die Ursache, selbst der vorteilhaftesten Verfassungen, in solchen allgemeinen Gesetzen, die mit einer notwendigen Einheit, außer andern anständigen Folgen, auch auf die Hervorbringung dieser Wirkungen in Beziehung stehen.

2. Man bemerke das Notwendige in dieser Verknüpfung verschiedener Tauglichkeiten in einem Grunde, weil so wohl die Art, um daraus auf die Abhängigkeit von Gott zu schließen, von derjenigen verschieden ist, welche eigentlich die künstliche und gewählte Einheit zum Augenmerk hat, als auch um den Erfolg nach beständigen und notwendigen Gesetzen vom ungefähren Zufall zu unterscheiden.

3. Man vermute nicht allein in der unorganischen, sondern auch der organisierten Natur eine größere notwendige Einheit, als so gerade zu in die Augen fällt. Denn selbst im Baue eines Tieres ist zu vermuten: daß eine einzige Anlage eine fruchtbare Tauglichkeit zu viel vorteilhaften Folgen haben werde, wozu wir anfänglich vielerlei besondere Anstalten nötig finden möchten. Diese Aufmerksamkeit ist so wohl der Philosophie sehr gemäß, als auch der physischtheologischen Folgerung vorteilhaft.

4. Man bediene sich der offenbar künstlichen Ordnung, um daraus auf die Weisheit eines Urhebers als einen Grund, der wesentlichen und notwendigen Einheit aber in den Naturgesetzen, um daraus auf ein weises Wesen als einen Grund, aber nicht vermittelst seiner Weisheit, sondern vermöge desjenigen in ihm, was mit dieser harmonieren muß, zu schließen.

5. Man schließe aus den zufälligen Verbindungen der Welt auf den Urheber der Art wie das Universum zusammengefügt ist, von der notwendigen Einheit aber auf eben dasselbe Wesen als einen Urheber so gar der Materie und des Grundstoffes aller Naturdinge.

6. Man erweitere diese Methode durch allgemeine Regeln, welche die Gründe der Wohlgereimtheit desjenigen, was mechanisch oder auch geometrisch notwendig ist, mit dem Besten des Ganzen können verständlich machen, und verabsäume[694] nicht, selbst die Eigenschaften des Raumes in diesem Gesichtspunkte zu erwägen und aus der Einheit in dem großen Mannigfaltigen desselben den nämlichen Hauptbegriff zu erläutern.


4. Erläuterung dieser Regeln

Ich will einige Beispiele anführen, um die gedachte Methode verständlicher zu machen. Die Gebirge der Erde sind eine der nützlichsten Verfassungen auf derselben, und Burnet, der sie vor nichts Bessers, als eine wilde Verwüstung zur Strafe unserer Sünde ansieht, hat ohne Zweifel Unrecht. Nach der gewöhnlichen Methode der Physikotheologie werden die ausgebreitete Vorteile dieser Bergstrecken erzählt, und darauf werden sie als eine göttliche Anstalt durch große Weisheit um so vielfältig abgezielter Nutzen willen angesehen. Nach einer solchen Art zu urteilen wird man auf die Gedanken gebracht: daß allgemeine Gesetze, ohne eine eigene künstliche Anordnung auf diesen Fall, eine solche Gestalt der Erdfläche nicht zuwege gebracht hätten, und die Berufung auf den allmächtigen Willen gebietet der forschenden Vernunft ein ehrerbietiges Schweigen. Dagegen ist, nach einer besser unterwiesenen Denkungsart, der Nutze und die Schönheit dieser Naturanstalt gar kein Grund, die allgemeine und einfältige Wirkungsgesetze der Materie vorbei zu gehen, um diese Verfassung nicht als eine Nebenfolge derselben anzusehen. Es möchte vielleicht schwer auszumachen sein: ob die Kugelfigur der Erde überhaupt nicht von noch beträchtlicherem Vorteile und wichtigern Folgen sei, als diejenigen Unebenheiten, die ihre Oberfläche von dieser abgemessenen Rundung etwas abweichen machen. Gleichwohl findet kein Philosoph einiges Bedenken, sie als eine Wirkung der allgemeinsten statischen Gesetze in der allerältesten Epoche der Welt anzusehen. Warum sollten die Ungleichheiten und Hervorragungen nicht auch zu solchen natürlichen und ungekünstelten Wirkungen gehören? Es scheinet: daß bei einem jeden großen Weltkörper der Zustand, da er aus der Flüssigkeit in die Festigkeit allmählich[695] übergeht, sehr notwendig mit der Erzeugung weitläuftiger Höhlen verbunden sei, die sich unter seiner schon gehärteten Rinde finden müssen, wenn die leichtesten Materien seines inwendigen noch flüssigen Klumpens, darunter auch die Luft ist, mit allmählicher Absonderung unter diese empor steigen, und daß, da die Weitläuftigkeit dieser Höhlen ein Verhältnis zu der Größe des Weltkörpers haben muß, die Einsinkungen der festen Gewölbe eben so weit ausgebreitet sein werden. Selbst eine Art von Regelmäßigkeit, wenigstens die Kettenreihe dieser Unebenheiten, darf bei einer solchen Erzeugungsart nicht fremd und unerwartet scheinen. Denn man weiß, daß das Aufsteigen der leichten Arten in einem großen Gemische an einem Orte einen Einfluß auf die nämliche Bewegung in dem benachbarten Teile des Gemengsels habe. Ich halte mich bei dieser Erklärungsart nicht lange auf; wie ich denn allhier keine Absicht habe, einige Ergebenheit in Ansehung derselben zu bezeigen, sondern nur eine kleine Erläuterung der Methode zu urteilen durch dieselbe darzulegen.

Das ganze feste Land der Erde ist mit den Laufrinnen der Ströme als mit Furchen auf eine sehr vorteilhafte Art durchzogen. Es sind aber auch so viel Unebenheiten, Täler und flache Gegenden auf allem festen Lande: daß es beim ersten Anblick scheint notwendig zu sein, daß die Kanäle, darin die Wasser derselben rinnen, besonders gebauet und geordnet sein müssen, widrigenfalls, nach der Unregelmäßigkeit alles übrigen Bodens, die von den Höhen laufende Wasser weit und breit ausschweifen, viele Flächen überschwemmen, in Tälern Seen machen, und das Land eher wild und unbrauchbar als schön und wohlgeordnet machen müßten. Wer wird nicht hier einen großen Anschein zu einer nötigen außerordentlichen Veranstaltung gewahr? Indessen würde aller Naturforschung über die Ursache der Ströme durch einer angenommenen übernatürlichen Anordnung ein Ende gemacht werden. Weil ich mich hingegen diese Art der Regelmäßigkeit nicht irre machen lasse, und nicht so gleich[696] ihre Ursache außer dem Bezirk allgemeiner mechanischer Gesetze erwarte, so folge ich der Beobachtung, um daraus etwas auf die Erzeugungsart dieser Ströme abzunehmen. Ich werde gewahr: daß viele Flutbetten der Ströme sich noch bis jetzo ausbilden, und daß sie ihre eigene Ufer erhöhen, bis sie das umliegende Land nicht mehr so sehr wie ehedem überschwemmen. Ich werde gewiß, daß alle Strome vor alters wirklich so ausgeschweift haben, als wir besorgten, daß sie es ohne eine außerordentliche Anstalt tun müßten, und ich nehme daraus ab, daß keine solche außerordentliche Einrichtung jemals vorgegangen sei. Der Amazonenstrom zeiget in einer Strecke von einigen hundert Meilen deutliche Spuren, daß er ehedem kein eingeschränktes Flutbette gehabt, sondern weit und breit das Land überschwemmt haben müsse; denn das Erdreich zu beiden Seiten ist bis in große Weiten flach wie ein See, und bestehet aus Flußschlamm, wo ein Kiesel eben so selten ist wie ein Demant. Eben dasselbe findet man beim Mississippi. Und überhaupt zeigen der Nil und andere Ströme, daß diese Kanäle mit der Zeit viel weiter verlängert worden, und da, wo der Strom seinen Ausfluß zu haben schien, weil er sich nahe zur See über den flachen Boden ausbreitete, bauet er allmählich seine Laufrinne aus und fließt weiter in einem verlängerten Flutbette. Alsdenn aber, nachdem ich durch Erfahrungen auf die Spur gebracht worden, glaube ich die ganze Mechanik von der Bildung der Flutrinnen aller Ströme auf folgende einfältige Gründe bringen zu können. Das von den Höhen laufende Quell- oder Regenwasser ergoß sich anfänglich nach dem Abhang des Bodens unregelmäßig, füllete manche Täler an und breitete sich über manche flache Gegenden aus. Allein in demjenigen Striche, wo irgend der Zug des Wassers am schnellesten war, konnte es der Geschwindigkeit wegen seinen Schlamm nicht so wohl absetzen, den es hergegen zu beiden Seiten viel häufiger fallen ließ. Dadurch wurden die Ufer erhöhet, indessen daß der stärkste Zug des Wassers seine Rinne erhielte. Mit der Zeit, als der Zufluß des Wassers selber geringer wurde (welches in der Folge der Zeit endlich geschehen mußte, aus Ursachen, die den Kennern[697] der Geschichte der Erde bekannt sein), so überschritt der Strom diejenige Ufer nicht mehr, die er sich selbst aufgeführt hatte, und aus der wilden Unordnung entsprang Regelmäßigkeit und Ordnung. Man sieht offenbar, daß dieses noch bis auf diese Zeit, vornehmlich bei den Mündungen der Ströme, die ihre jüngsten Teile sind, vorgeht, und gleichwie nach diesem Plane das Absetzen des Schlammes nahe bei den Stellen, wo der Strom anfangs seine neue Ufer überschritt, häufiger als weiter davon geschehen mußte, so wird man auch noch gewahr, daß wirklich an viel Orten, wo ein Strom durch flache Gegenden läuft, sein Rinnsal höher liegt als die umliegende Ebenen.

Es gibt gewisse allgemeine Regeln, nach denen die Wirkungen der Natur geschehen, und die einiges Licht in der Beziehung der mechanischen Gesetze auf Ordnung und Wohlgereimtheit geben können, deren eine ist: die Kräfte der Bewegung und des Widerstandes wirken so lange auf einander, bis sie sich die mindeste Hindernis leisten. Die Gründe dieses Gesetzes lassen sich sehr leicht einsehen; allein die Beziehung, die dessen Folge auf Regelmäßigkeit und Vorteil hat, ist bis zur Bewunderung weitläuftig und groß. Die Epizykloide, eine algebraische Krümmung, ist von dieser Natur: daß Zähne und Getriebe nach ihr abgerundet die mindest mögliche Reibung an einander erleiden. Der berühmte Herr Prof. Kästner erwähnet an einem Orte: daß ihm von einem erfahrnen Bergwerksverständigen an den Maschinen, die lange im Gebrauche gewesen, gezeiget worden, daß sich wirklich diese Figur endlich durch lange Bewegung abschleife; eine Figur, die eine ziemlich verwickelte Konstruktion zum Grunde hat, und die mit aller ihrer Regelmäßigkeit eine Folge von einem gemeinen Gesetze der Natur ist.

Um etwas aus den schlechten Naturwirkungen anzuführen, was, indem es unter dem eben erwähnten Gesetze steht, um deswillen einen Ausschlag auf Regelmäßigkeit an sich zeiget, führe ich eine von den Wirkungen der Flüsse an. Es ist wegen der großen Verschiedenheiten des Abschusses aller Gegenden des festen Landes sehr zu erwarten, daß die Ströme,[698] die auf diesem Abhange laufen, hin und wieder steile Stürze und Wasserfälle haben würden, deren auch wirklich einige ob zwar selten vorkommen, und eine große Unregelmäßigkeit und Unbequemlichkeit enthalten. Allein es fällt leicht in die Augen: daß, wenn gleich (wie zu vermuten) in dem ersten verwilderten Zustande dergleichen Wasserfälle häufig waren, dennoch die Gewalt des Absturzes das lockere Erdreich, ja selbst einige noch nicht genugsam gehärtete Felsarten werde eingegraben und weggewaschen haben, bis der Strom seinen Rinnsal zu einem ziemlich gleichförmichten Abhang gesenkt hatte, daher, wo auch noch Wasserfalle sind, der Boden felsicht ist und in sehr viel Gegenden der Strom zwischen zwei steil abgeschnittenen Ufern läuft, wozwischen er sein tief liegendes Bette vermutlich selbst eingeschnitten hat. Man findet es sehr nützlich, daß fast alle Ströme in dem größesten Teile ihres Laufes einen gewissen Grad Geschwindigkeit nicht überschreiten, der ziemlich mäßig ist und wodurch sie schiffbar sind. Obgleich nun dieses im Anfange von der so sehr verschiedenen Abschießigkeit des Bodens worüber sie laufen kaum allein ohne besondere Kunst zu erwarten stünde, so läßt sich doch leichtlich erachten, daß mit der Zeit ein gewisser Grad der Schnelligkeit sich von selbst habe finden müssen, den sie nicht leichtlich übertreffen können, der Boden des Landes mag abschießig sein wie er will, wenn er nur locker ist. Denn sie werden ihn so lange abspülen, sich hineinarbeiten und ihr Bette an einigen Orten senken an andern erhöhen, bis dasjenige, was sie vom Grunde fortreißen wenn sie angeschwollen sein, demjenigen, was sie in den Zeiten der trägeren Bewegung fallen lassen, ziemlich gleich ist. Die Gewalt wirkt hier so lange, bis sie sich selbst zum gemäßigtem Grade gebracht hat, und bis die Wechselwirkung des Anstoßes und des Widerstandes zur Gleichheit ausgeschlagen ist.

Die Natur bietet unzählige Beispiele von einer ausgebreiteten Nutzbarkeit einer und eben derselben Sache zu einem vielfältigen Gebrauche dar. Es ist sehr verkehrt, diese Vorteile so gleich als Zwecke, und als diejenigen Erfolge anzusehen, welche die Bewegungsgründe enthielten, weswegen[699] die Ursachen derselben durch göttliche Willkür in der Welt angeordnet würden. Der Mond schaffet unter andern Vorteilen auch diesen, daß Ebbe und Flut Schiffe auch wider oder ohne Winde vermittelst der Ströme in den Straßen und nahe beim festen Lande in Bewegung setzen. Vermittelst seiner und der Jupiters-Trabanten findet man die Länge des Meers. Die Produkte aus allen Naturreichen haben ein jedes eine große Nutzbarkeit, wovon man einige auch zum Gebrauche macht. Es ist eine widersinnige Art zu urteilen, wenn man, wie es gemeiniglich geschieht, diese alle zu den Bewegungsgründen der göttlichen Wahl zählt und sich wegen des Vorteils der Jupitersmonde auf die weise Anstalt des Urhebers beruft, die den Menschen dadurch ein Mittel, die Länge der Örter zu bestimmen, hat an die Hand geben wollen. Man hüte sich, daß man die Spötterei eines Voltaire nicht mit Recht auf sich ziehe, der in einem ähnlichen Tone sagt: sehet da warum wir Nasen haben; ohne Zweifel damit wir Brillen, darauf stecken könnten. Durch die göttliche Willkür wird noch nicht genugsamer Grund angegeben, weswegen eben dieselbe Mittel, die einen Zweck zu erreichen, allein nötig wären, noch in so viel anderer Beziehung vorteilhaft sein. Diejenige bewundernswürdige Gemeinschaft, die unter dem Wesen alles Erschaffenen herrscht, daß ihre Naturen einander nicht fremd sind, sondern in vielfacher Harmonie verknüpft sich zu ein ander von selbst schicken, und eine ausgebreitete notwendige Vereinbarung zur gesamten Vollkommenheit in ihren Wesen enthalten, das ist der Grund so mannigfaltiger Nutzbarkeiten, die man nach unserer Methode als Beweistümer eines höchst weisen Urhebers, aber nicht in allen Fällen als Anstalten, die durch besondere Weisheit mit den übrigen um der besondern Nebenvorteile willen verbunden worden, ansehen kann. Ohne Zweifel sind die Bewegungsgründe, weswegen Jupiter Monde haben sollte, vollständig, wenn gleich niemals durch die Erfindung der Sehrohre dieselbe zu Messung der Länge genutzt würden. Diese Nutzen, die als Nebenfolgen anzusehen sind, kommen gleichwohl mit in Anschlag,[700] um die unermeßliche Größe des Urhebers aller Dinge daraus abzunehmen. Denn sie sind nebst Millionen anderen ähnlicher Art, Beweistümer von der großen Kette, die selbst in den Möglichkeiten der Dinge die Teile der Schöpfung vereinbart, die einan der nichts anzugehen scheinen; denn sonst kann man auch nicht allemal die Nutzen, die der Erfolg einer freiwilligen Anstalt nach sich zieht und die der Urheber kennt und in seinem Ratschlusse mit befaßt, um deswillen zu den Bewegungsgründen solcher Wahl zählen, wenn diese nämlich auch unangesehen solcher Nebenfolgen schon vollständig waren. Ohne Zweifel hat das Wasser darum nicht die Natur, sich waagrecht zu stellen, damit man sich darin spiegeln könne. Dergleichen beobachtete Nutzbarkeiten können, wenn man mit Vernunft urteilen will, nach der eingeschränkten physischtheologischen Methode die im Gebrauche ist gar nicht zu der Absicht, die man hier vor Augen hat, genutzt werden. Nur einzig und allein der Zusatz, den wir ihr zu geben gesucht haben, kann solche gesammelte Beobachtungen zu Gründen der wichtigen Folgerung auf die allgemeine Unterordnung aller Dinge unter ein höchst weises Wesen tüchtig machen. Erweitert eure Absichten so viel ihr könnt über die unermeßliche Nutzen, die ein Geschöpf in tausendfacher Beziehung wenigstens der Möglichkeit nach darbietet (der einzige Kokosbaum schaffet dem Indianer unzählige), verknüpfet in dergleichen Beziehungen die entlegensten Glieder der Schöpfung mit einander. Wenn ihr die Produkte der unmittelbar künstlichen Anstalten geziemend bewundert habt, so unterlasset nicht, auch in dem ergötzenden Anblick der fruchtbaren Beziehung, die die Möglichkeiten der erschaffenen Dinge auf durchgängige Harmonie haben, und der ungekünstelten Abfolge so mannigfaltiger Schönheit, die sich von selbst darbietet, diejenige Macht zu bewundern und anzubeten, in deren ewigen Grundquelle die Wesen der Dinge zu einem vortrefflichen Plane gleichsam bereit darliegen.

Ich merke im Vorübergehen an, daß die große Gegenverhältnis, die unter den Dingen der Welt in Ansehung des häufigen Anlasses, den sie zu Ähnlichkeiten, Analogien, Parallelen,[701] und wie man sie sonst nennen will, geben, nicht so ganz flüchtig verdient übersehen zu werden. Ohne mich bei dem Gebrauch, den dieses auf Spiele des Witzes hat und der mehrenteils nur eingebildet ist, aufgehalten, liegt hierin noch vor den Philosophen ein wie mir dünkt wichtiger Gegenstand des Nachdenkens verborgen, wie solche Übereinkunft sehr verschiedener Dinge in einem gewissen gemeinschaftlichen Grunde der Gleichförmigkeit so groß und weitläuftig und doch zugleich so genau sei könne. Diese Analogien sind auch sehr nötige Hülfsmittel unserer Erkenntnis, die Mathematik selber liefert deren einige. Ich enthalte mich, Beispiele anzuführen, denn es ist zu besorgen, daß, nach der verschiedenen Art wie dergleichen Ähnlichkeiten empfunden werden, sie nicht dieselbe Wirkung über jeden andern Verstand haben möchten, und der Gedanke, den ich hier einstreue, ist ohnedem unvollendet und noch nicht genugsam verständlich.

Wenn man fragen sollte, welches denn der Gebrauch sei, den man von der großen Einheit in den mancherlei Verhältnissen des Raumes, welche der Meßkünstler erforschet, machen könnte, so vermute ich, daß allgemeine Begriffe von der Einheit der mathematischen Objekte auch die Gründe der Einheit und Vollkommenheit in der Natur könnten zu erkennen geben. Z. E. Es ist unter allen Figuren die Zirkelfigur diejenige, darin eben der Umkreis den größest möglichen Raum beschließt, den ein solcher Umfang nur befassen kann, darum nämlich, weil eine genaue Gleichheit in dem Abstande dieser Umgrenzung von einem Mittelpunkte darin durchgängig herrscht. Wenn eine Figur durch gerade Linien soll eingeschlossen werden, so kann die größest mögliche Gleichheit in Ansehung des Abstandes derselben vom Mittelpunkte nur statt finden, wenn nicht allein die Entfernungen der Winkelpunkte von diesem Mittelpunkte untereinander, sondern auch die Perpendikel aus diesem auf die Seiten einander völlig gleich sein. Daraus wird nun ein regelmäßiges Polygon und es zeiget sich durch die Geometrie,[702] daß mit eben demselben Umkreise ein anderes Polygon von eben der Zahl Seiten jederzeit einen kleinem Raum einschließen würde als das reguläre. Noch ist eine und zwar die einfachste Art der Gleichheit in dem Abstande von einem Mittelpunkte möglich, nämlich wenn bloß die Entfernung der Winkelpunkte des Vielecks von demselben Mittelpunkte durchgängig gleich ist, und da zeiget sich, daß ein jedes irreguläre Polygon, welches im Zirkel stehen kann, den größesten Raum einschließt, unter allen, der von eben denselben Seiten nur immer kann beschlossen werden. Außer diesem ist zuletzt dasjenige Polygon, in welchem noch über dem die Große der Seite dem Abstande des Winkelpunkts vom Mittelpunkte gleich ist, das ist, das regelmäßige Sechseck unter allen Figuren überhaupt diejenige, die mit dem kleinsten Umfange den größesten Raum so einschließet, daß sie zugleich, äußerlich mit andern gleichen Figuren zusammengesetzt, keine Zwischenräume übrig läßt. Es bietet sich hier sehr bald diese Bemerkung dar, daß die Gegenverhältnis des Größesten und Kleinsten im Raume auf die Gleichheit ankomme. Und da die Natur sonsten viel Fälle einer notwendigen Gleichheit an die Hand gibt, so können die Regeln, die man aus den gedachten Fällen der Geometrie in Ansehung des allgemeinen Grundes solcher Gegenverhältnis des Größesten und Kleinsten zieht, auch auf die notwendige Beobachtung des Gesetzes der Sparsamkeit in der Natur angewandt werden. In den Gesetzen des Stoßes ist in so ferne jederzeit eine gewisse Gleichheit notwendig; daß nach dem Stoße, wenn sie unelastisch sein, beider Körper Geschwindigkeit jederzeit gleich sei, daß, wenn sie elastisch sind, beide durch die Federkraft immer gleich gestoßen werden und zwar mit einer Kraft womit der Stoß geschahe, daß der Mittelpunkt der Schwere beider Körper durch den Stoß in seiner Ruhe oder Bewegung gar nicht verändert wird etc. etc. Die Verhältnisse des Raums sind so unendlich mannigfaltig, und verstatten gleichwohl eine so gewisse Erkenntnis und klare Anschauung, daß, gleichwie sie schon öfters zu Symbolen der Erkenntnisse von ganz anderer[703] Art vortrefflich gedient haben (z. E. die Erwartungen in den Glücksfällen auszudrücken), also auch Mittel an die Hand geben können, die Regeln der Vollkommenheit in natürlich notwendigen Wirkungsgesetzen, in so ferne sie auf Verhältnisse ankommen, aus den einfachsten und allgemeinsten Gründen zu erkennen.

Ehe ich diese Betrachtung beschließe, will ich alle verschiedene Grade der philosophischen Erklärungsart der in der Welt vorkommenden Erscheinungen der Vollkommenheit, in so ferne man sie insgesamt unter Gott betrachtet, anführen, indem ich von derjenigen Art zu urteilen anfange, wo die Philosophie sich noch verbirgt, und bei derjenigen endige, wo sie ihre größte Bestrebung zeiget. Ich rede von der Ordnung, Schönheit und Anständigkeit, in so ferne sie der Grund ist, die Dinge der Welt auf eine der Weltweisheit anständige Art einem göttlichen Urheber unter zu ordnen.

Erstlich, man kann eine einzelne Begebenheit in dem Verlaufe der Natur als etwas unmittelbar von einer göttlichen Handlung Herrührendes ansehen, und die Philosophie hat hier kein ander Geschäfte, als nur einen Beweisgrund dieser außerordentlichen Abhängigkeit anzuzeigen.

Zweitens, man betrachtet eine Begebenheit der Welt als eine, worauf als auf einen einzelnen Fall die Mechanik der Welt von der Schöpfung her besonders abgerichtet war, wie z. E. die Sündflut nach dem Lehrgebäude verschiedener Neuern. Alsdenn ist aber die Begebenheit nicht weniger übernatürlich. Die Naturwissenschaft, wovon die gedachte Weltweise hiebei Gebrauch machen, dienet nur dazu, ihre eigene Geschicklichkeit zu zeigen, und etwas zu ersinnen, was sich etwa nach allgemeinen Naturgesetzen eräugnen könnte, und dessen Erfolg auf die vorgegebene außerordentliche Begebenheit hinausliefe. Denn sonst ist ein solches Verfahren der göttlichen Weisheit nicht gemäß, die niemalen darauf abzielt, mit unnützer Kunst zu prahlen, welche man selbst an einem Menschen tadeln würde, der, wenn ihn z. E. nichts abhielte, eine Kanone unmittelbar abzufeuren, ein Feuerschloß mit einem Uhrwerk anbringen wollte,[704] wodurch sie in dem gesetzten Augenblick durch mechanische sinnreiche Mittel losbrennen sollte.

Drittens, wenn gewisse Stücke der Natur als eine von der Schöpfung her daurende Anstalt, die unmittelbar von der Hand des großen Werkmeisters herrühret, angesehen werden; und zwar wie eine Anstalt, die als ein einzelnes Ding, und nicht wie eine Anordnung nach einem beständigen Gesetze eingeführt worden. Z. E. Wenn man behauptet, Gott habe die Gebirge, die Flüsse, die Planeten und ihre Bewegung mit dem Anfange aller Dinge zugleich unmittelbar geordnet. Da ohne Zweifel ein Zustand der Natur der erste sein muß, in welchen die Form der Dinge eben so wohl wie die Materie unmittelbar von Gott abhänget, so hat diese Art zu urteilen in so ferne einen philosophischen Grund. Indessen weil es übereilt ist, ehe und bevor man die Tauglichkeit, die den Naturdingen nach allgemeinen Gesetzen eigen ist, geprüft hat, eine Anstalt unmittelbar der Schöpfungshandlung beizumessen, darum, weil sie vorteilhaft und ordentlich ist, so ist sie in so weit nur in sehr kleinem Grade philosophisch.

Viertens, wenn man einer künstlichen Ordnung der Natur etwas beimißt, bevor die Unzulänglichkeit, die sie hiezu nach gemeinen Gesetzen hat, gehörig erkannt worden, z. E wenn man etwas aus der Ordnung des Pflanzen- und Tierreichs erklärt, was vielleicht in gemeinen mechanischen Kräften liegt, bloß deswegen, weil Ordnung und Schönheit darin groß sind. Das Philosophische dieser Art zu urteilen ist alsdenn noch geringer, wenn ein jedes einzelne Tier oder Pflanze unmittelbar der Schöpfung untergeordnet wird, als wenn außer einigem unmittelbar Erschaffenen die andere Produkte demselben nach einem Gesetze der Zeugungsfähigkeit (nicht bloß des Auswickelungsvermögens) untergeordnet werden, weil im letztem Fall mehr nach der Ordnung der Natur erklärt wird; es müßte denn sein, daß dieser ihre Unzulänglichkeit in Ansehung dessen klar erwiesen werden könnte. Es gehöret aber auch zu diesem Grade der philosophischen Erklärungsart eine jede Ableitung einer Anstalt in[705] der Welt aus künstlichen und um einer Absicht willen errichteten Gesetzen überhaupt, und nicht bloß im Tier- und Pflanzenreiche.9 Z. E. Wenn man vom Schnee und den Nordscheinen so redet, als ob die Ordnung der Natur, die beide hervorbringt, um des Nutzens des Grönländers oder Lappen willen (damit er in den langen Nächten nicht ganz im Finstern sei) eingeführt wäre, obgleich es noch immer zu vermuten ist, daß dieses eine wohlpassende Nebenfolge mit notwendiger Einheit aus andern Gesetzen sei. Man ist fast jederzeit in Gefahr dieses Fehlers, wenn man einige Nutzen der Menschen zum Grunde einer besondern göttlichen Veranstaltung angibt, z. E. daß Wald und Feld mehrenteils mit grüner Farbe bedeckt ist, weil diese unter allen Farben die mittlere Stärke hat, um das Auge in mäßiger Übung zu erhalten. Hiegegen kann man einwenden, daß der Bewohner der Davisstraße vom Schnee fast blind wird und seine Zuflucht zu den Schneebrillen nehmen muß. Es ist nicht tadelhaft, daß man die nützliche Folgen aufsucht und sie einem gütigen Urheber beimißt, sondern daß die Ordnung der Natur darnach sie geschehen als künstlich und willkürlich mit andern verbunden vorgestellt wird, da sie doch vielleicht mit andern in notwendiger Einheit stehet.

Fünftens. Am mehresten enthält die Methode, über die vollkommene Anstalten der Natur zu urteilen, den Geist wahrer Weltweisheit, wenn sie, jederzeit bereit, auch übernatürliche Begebenheiten zuzulassen, imgleichen die wahrhaftig künstliche Anordnungen der Natur nicht zu verkennen, hauptsächlich die Abzielung auf Vorteile und alle Wohlgereimtheit sich nicht hindern läßt, die Gründe davon in notwendigen allgemeinen Gesetzen aufzusuchen, mit großer Achtsamkeit auf die Erhaltung der Einheit und mit einer vernünftigen Abneigung, die Zahl der Naturursachen[706] um derentwillen zu vervielfältigen. Wenn hiezu noch die Aufmerksamkeit auf die allgemeine Regeln gefügt wird, welche den Grund der notwendigen Verbindung desjenigen, was natürlicher Weise ohne besondere Anstalt vorgeht, mit den Regeln des Vorteils oder der Annehmlichkeit vernünftiger Wesen können begreiflich machen, und man alsdenn zu dem göttlichen Urheber hinauf steigt, so erfüllet diese physischtheologische Art zu urteilen ihre Pflichten gehörig.10

8

Die Weisheit setzt voraus; daß Übereinstimmung und Einheit in den Beziehungen möglich sei. Dasjenige Wesen, welches von völlig unabhängiger Natur ist, kann nur weise sein, in so ferne in ihm Gründe, selbst solcher möglichen Harmonie und Vollkommenheiten, die seiner Ausführung sich darbieten, enthalten sind. Wäre in den Möglichkeiten der Dinge keine solche Beziehung auf Ordnung und Vollkommenheit befindlich, so wäre Weisheit eine Chimäre. Wäre aber diese Möglichkeit in dem weisen Wesen nicht selbst gegründet, so konnte diese Weisheit nimmermehr in aller Absicht unabhängig sein.

9

Ich habe in der zweiten Nummer der dritten Betrachtung dieses Abschnittes unter den Beispielen der künstlichen Naturordnung bloß die aus dem Pflanzen- und Tierreiche angeführt. Es ist aber zu merken, daß eine jede Anordnung eines Gesetzes um eines besondern Nutzens willen, darum weil sie hiedurch von der notwendigen Einheit mit andern Naturgesetzen ausgenommen wird, künstlich sei, wie aus einigen hier erwähnten Beispielen zu ersehen.

10

Ich will hiemit nur sagen, daß dieses der Weg vor die menschliche Vernunft sein müsse. Denn wer wird es gleichwohl jemals verhüten können, hiebei vielfältig zu irren, nach dem Pope:

Geh, schreibe Gottes weiser Ordnung des Regimentes Regeln vor,

Denn kehre wieder in dir selber zuletzt zurück und sei ein Tor.

Quelle:
Immanuel Kant: Werke in zwölf Bänden. Band 2, Frankfurt am Main 1977, S. 690-707.
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