Des öffentlichen Rechts zweiter Abschnitt.
Das Völkerrecht
§ 53

[466] Die Menschen, welche ein Volk ausmachen, können, als Landeseingeborne, nach der Analogie der Erzeugung von einem gemeinschaftlichen Elternstamm (congeniti) vorgestellt werden, ob sie es gleich nicht sind: dennoch aber, in intellektueller und rechtlicher Bedeutung, als von einer gemeinschaftlichen Mutter (der Republik) geboren, gleichsam eine Familie (gens, natio) ausmachen, deren Glieder (Staatsbürger) alle ebenbürtig sind, und mit denen, die neben ihnen im Naturzustande leben möchten, als unedlen keine Vermischung eingehen, obgleich diese (die Wilden) ihrerseits sich wiederum wegen der gesetzlosen Freiheit, die sie gewählt haben, sich vornehmer dünken, die gleichfalls Völkerschaften, aber nicht Staaten, ausmachen. Das Recht der Staaten in Verhältnis zu einander (welches nicht ganz richtig im Deutschen das Völkerrecht genannt wird, sondern vielmehr das Staatenrecht (ius publicum civitatum) heißen sollte) ist nun dasjenige, was wir unter dem Namen des Völkerrechts zu betrachten haben: wo ein Staat, als eine moralische Person, gegen einen anderen im Zustande der natürlichen Freiheit, folglich auch dem des beständigen Krieges betrachtet, teils das Recht zum Kriege, teils das im Kriege, teils das, einander zu nötigen, aus diesem Kriegszustande herauszugehen, mithin eine den beharrlichen Frieden gründende Verfassung, d.i. das Recht nach dem Kriege zur Aufgabe macht, und führt nur das Unterscheidende von dem des Naturzustandes einzelner Menschen oder Familien (im Verhältnis gegen einander) von dem der Völker bei sich, daß im Völkerrecht nicht bloß ein Verhältnis eines Staats gegen den anderen im ganzen, sondern auch einzelner Personen des einen gegen einzelne des anderen, imgleichen gegen den ganzen anderen Staat selbst in Betrachtung kommt; welcher Unterschied aber vom Recht einzelner im[466] bloßen Naturzustande nur solcher Bestimmungen bedarf, die sich aus dem Begriffe des letzteren leicht folgern lassen.


§ 54

Die Elemente des Völkerrechts sind: 1) daß Staaten, im äußeren Verhältnis gegen einander betrachtet, (wie gesetzlose Wilde) von Natur in einem nicht-rechtlichen Zustande sind; 2) daß dieser Zustand ein Zustand des Krieges (des Rechts des Stärkeren), wenn gleich nicht wirklicher Krieg und immerwährende wirkliche Befehdung (Hostilität) ist, welche (indem sie es beide nicht besser haben wollen), obzwar dadurch keinem von dem anderen unrecht geschieht, doch an sich selbst im höchsten Grade unrecht ist, und aus welchem die Staaten, welche einander benachbart sind, auszugehen verbunden sind; 3) daß ein Völkerbund, nach der Idee eines ursprünglichen gesellschaftlichen Vertrages, notwendig ist, sich zwar einander nicht in die einheimische Mißhelligkeiten derselben zu mischen, aber doch gegen Angriffe der äußeren zu schützen; 4) daß die Verbindung doch keine souveräne Gewalt (wie in einer bürgerlichen Verfassung), sondern nur eine Genossenschaft (Föderalität) enthalten müsse; eine Verbündung, die zu aller Zeit aufgekündigt werden kann, mithin von Zeit zu Zeit erneuert werden muß, – ein Recht, in subsidium eines anderen und ursprünglichen Rechts, den Verfall in den Zustand des wirklichen Krieges derselben untereinander von sich abzuwehren (foedus Amphictyonum).




§ 55

Bei jenem ursprünglichen Rechte zum Kriege freier Staaten gegen einander im Naturzustande (um etwa einen dem rechtlichen sich annähernden Zustand zu stiften) erhebt sich zuerst die Frage: welches Recht hat der Staat gegen seine eigene Untertanen, sie zum Kriege gegen andere Staaten zu brauchen, ihre Güter, ja ihr Leben dabei aufzuwenden,[467] oder aufs Spiel zu setzen: so, daß es nicht von dieser ihrem eigenen Urteil abhängt, ob sie in den Krieg ziehen wollen oder nicht, sondern der Oberbefehl des Souveräns sie hineinschicken darf?

Dieses Recht scheint sich leicht dartun zu lassen; nämlich aus dem Rechte, mit dem Seinen (Eigentum) zu tun, was man will. Was jemand aber der Substanz nach selbst gemacht hat, davon hat er ein unbestrittenes Eigentum. – Hier ist also die Deduktion, so wie sie ein bloßer Jurist abfassen würde.

Es gibt mancherlei Naturprodukte in einem Lande, die doch, was die Menge derselben von einer gewissen Art betrifft, zugleich als Gemächsel (artefacta) des Staats angesehen werden müssen, weil das Land sie in solcher Menge nicht liefern würde, wenn es nicht einen Staat und eine ordentliche machthabende Regierung gäbe, sondern die Bewohner im Stande der Natur wären. – Haushühner (die nützlichste Art des Geflügels), Schafe, Schweine, das Rindergeschlecht u.a.m. würden, entweder aus Mangel an Futter, oder der Raubtiere wegen, in dem Lande, wo ich lebe, entweder gar nicht, oder höchst sparsam anzutreffen sein, wenn es darin nicht eine Regierung gäbe, welche den Einwohnern ihren Erwerb und Besitz sicherte. – Eben das gilt auch von der Menschenzahl, die, eben so wie in den amerikanischen Wüsten, ja selbst dann, wenn man diesen den größten Fleiß (den jene nicht haben) beilegte, nur gering sein kann. Die Einwohner würden nur sehr dünn gesäet sein, weil keiner derselben sich, mit samt seinem Gesinde, auf einem Boden weit verbreiten könnte, der immer in Gefahr ist, von Menschen oder Wilden und Raubtieren verwüstet zu werden; mithin sich für eine so große Menge von Menschen, als jetzt auf einem Lande leben, kein hinlänglicher Unterhalt finden würde. – – Sowie man nun von Gewächsen (z.B. den Kartoffeln) und von Haustieren, weil sie, was die Menge betrifft, ein Machwerk der Menschen sind, sagen kann, daß man sie gebrauchen, verbrauchen und verzehren (töten lassen) kann: so, scheint es, könne man auch von der obersten Gewalt im Staat, dem Souverän, sagen, er[468] habe das Recht, seine Untertanen, die dem größten Teil nach sein eigenes Produkt sind, in den Krieg, wie auf eine Jagd, und zu einer Feldschlacht, wie auf eine Lustpartie zu führen.

Dieser Rechtsgrund aber (der vermutlich den Monarchen auch dunkel vorschweben mag) gilt zwar freilich in Ansehung der Tiere, die ein Eigentum des Menschen sein können, will sich aber doch schlechterdings nicht auf den Menschen, vornehmlich als Staatsbürger, anwenden lassen, der im Staat immer als mit gesetzgebendes Glied betrachtet werden muß (nicht bloß als Mittel, sondern auch zugleich als Zweck an sich selbst), und der also zum Kriegführen nicht allein überhaupt, sondern auch zu jeder besondern Kriegserklärung, vermittelst seiner Repräsentanten, seine freie Beistimmung geben muß, unter welcher einschränkenden Bedingung allein der Staat über seinen gefahrvollen Dienst disponieren kann.

Wir werden also wohl dieses Recht von der Pflicht des Souveräns gegen das Volk (nicht umgekehrt) abzuleiten haben; wobei dieses dafür angesehen werden muß, daß es seine Stimme dazu gegeben habe, in welcher Qualität es, obzwar passiv (mit sich machen läßt), doch auch selbsttätig ist, und den Souverän selbst vorstellt.




§ 56

Im natürlichen Zustande der Staaten ist das Recht zum Kriege (zu Hostilitäten) die erlaubte Art, wodurch ein Staat sein Recht gegen einen anderen Staat verfolgt, nämlich, wenn er von diesem sich lädiert glaubt, durch eigene Gewalt; weil es durch einen Prozeß (als durch den allein die Zwistigkeiten im rechtlichen Zustande ausgeglichen werden) in jenem Zustande nicht geschehen kann. – Außer der tätigen Verletzung (der ersten Aggression, welche von der ersten Hostilität unterschieden ist) ist es die Bedrohung. Hiezu gehört entweder eine zuerst vorgenommene Zurüstung, worauf sich das Recht des Zuvorkommens (ius praeventionis) gründet, oder auch bloß die fürchterlich (durch Ländererwerbung) anwachsende Macht (potentia tremenda) eines[469] anderen Staats. Diese ist eine Läsion des Mindermächtigen, bloß durch den Zustand vor aller Tat des Übermächtigen, und im Naturzustande ist dieser Angriff allerdings rechtmäßig. Hierauf gründet sich also das Recht des Gleichgewichts aller einander tätig berührenden Staaten.

Was die tätige Verletzung betrifft, die ein Recht zum Kriege gibt, so gehört dazu die selbstgenommene Genugtuung für die Beleidigung des einen Volks durch das Volk des anderen Staats, die Wiedervergeltung (retorsio), ohne eine Erstattung (durch friedliche Wege) bei dem anderen Staate zu suchen, womit, der Förmlichkeit nach, der Ausbruch des Krieges, ohne vorhergehende Aufkündigung des Friedens (Kriegsankündigung), eine Ähnlichkeit hat; weil, wenn man einmal ein Recht im Kriegszustande finden will, etwas Analogisches mit einem Vertrag angenommen werden muß, nämlich Annahme der Erklärung des anderen Teils, daß beide ihr Recht auf diese Art suchen wollen.


§ 57

Das Recht im Kriege ist gerade das im Völkerrecht, wobei die meiste Schwierigkeit ist, um sich auch nur einen Begriff davon zu machen, und ein Gesetz in diesem gesetzlosen Zustande zu denken (inter arma silent leges), ohne sich selbst zu widersprechen; es müßte denn dasjenige sein: den Krieg nach solchen Grundsätzen zu führen, nach welchen es immer noch möglich bleibt, aus jenem Naturzustande der Staaten (im äußeren Verhältnis gegen einander) herauszugehen, und in einen rechtlichen zu treten.

Kein Krieg unabhängiger Staaten gegen einander kann ein Strafkrieg (bellum punitivum) sein, denn Strafe findet nur im Verhältnisse eines Obern (imper antis) gegen den Unterworfenen (subditum) statt, welches Verhältnis nicht das der Staaten gegen einander ist, – aber auch weder ein Ausrottungs– (bellum internecinum) noch Unterjochungskrieg (bellum subiugatorium), der eine moralische[470] Vertilgung eines Staats (dessen Volk nun mit dem des Überwinders entweder in eine Masse verschmelzt, oder in Knechtschaft verfällt) sein würde. Nicht als ob dieses Notmittel des Staats, zum Friedenszustande zu gelangen, an sich dem Rechte eines Staats widerspräche, sondern weil die Idee des Völkerrechts bloß den Begriff eines Antagonismus nach Prinzipien der äußeren Freiheit bei sich führt, um sich bei dem Seinen zu erhalten, aber nicht eine Art zu erwerben, als welche, durch Vergrößerung der Macht des einen Staats, für den anderen bedrohend sein kann.

Verteidigungsmittel aller Art sind dem bekriegten Staat erlaubt, nur nicht solche, deren Gebrauch die Untertanen desselben, Staatsbürger zu sein, unfähig machen würde; denn alsdann machte er sich selbst zugleich unfähig, im Staatenverhältnisse nach dem Völkerrecht für eine Person zu gelten (die gleicher Rechte mit andern teilhaftig wäre). Darunter gehört: seine eigne Untertanen zu Spionen, diese, ja auch Auswärtige zu Meuchelmördern, Giftmischern (in welche Klasse auch wohl die sogenannten Scharfschützen, welche einzelnen im Hinterhalte auflauern, gehören möchten), oder auch nur zur Verbreitung falscher Nachrichten, zu gebrauchen: mit einem Wort, sich solcher heimtückischen Mittel zu bedienen, die das Vertrauen, welches zur künftigen Gründung eines dauerhaften Friedens erforderlich ist, vernichten würden.

Im Kriege ist es erlaubt, dem überwältigten Feinde Lieferungen und Kontribution aufzulegen, aber nicht, das Volk zu plündern, d.i. einzelnen Personen das Ihrige abzuzwingen (denn das wäre Raub; weil nicht das überwundene Volk, sondern der Staat, unter dessen Herrschaft es war, durch dasselbe Krieg führete): sondern durch Ausschreibungen gegen ausgestellte Scheine, um bei nachfolgendem Frieden die dem Lande oder der Provinz aufgelegte Last proportionierlich zu verteilen.


§ 58

Das Recht nach dem Kriege, d.i. im Zeitpunkte des Friedensvertrags und in Hinsicht auf die Folgen desselben,[471] besteht darin: der Sieger macht die Bedingungen, über die mit dem Besiegten übereinzukommen und zum Friedensschluß zu gelangen Traktaten gepflogen werden, und zwar nicht gemäß irgend einem vorzuschützenden Recht, was ihm wegen der vorgeblichen Läsion seines Gegners zustehe, sondern, indem er diese Frage auf sich beruhen läßt, sich stützend auf seine Gewalt. Daher kann der Überwinder nicht auf Erstattung der Kriegskosten antragen; weil er den Krieg seines Gegners alsdann für ungerecht ausgeben müßte: sondern, ob er sich gleich dieses Argument denken mag, so darf er es doch nicht anführen, weil er ihn sonst für einen Bestrafungskrieg erklären, und so wiederum eine Beleidigung ausüben würde. Hiezu gehört auch die (auf keinen Loskauf zu stellende) Auswechselung der Gefangenen, ohne auf Gleichheit der Zahl zu sehen.

Der überwundene Staat, oder dessen Untertanen, verlieren durch die Eroberung des Landes nicht ihre staatsbürgerliche Freiheit, so, daß jener zur Kolonie, diese zu Leibeigenen abgewürdigt würden; denn sonst wäre es ein Strafkrieg gewesen, der an sich selbst widersprechend ist. – Eine Kolonie oder Provinz ist ein Volk, das zwar seine eigene Verfassung, Gesetzgebung, Boden hat, auf welchem die zu einem anderen Staat Gehörige nur Fremdlinge sind, der dennoch über jenes die oberste ausübende Gewalt hat. Der letztere heißt der Mutterstaat. Der Tochterstaat wird von jenem beherrscht, aber doch von sich selbst (durch sein eigenes Parlament, allenfalls unter dem Vorsitz eines Vizekönigs) regiert (civitas hybrida). Dergleichen war Athen in Beziehung auf verschiedene Inseln, und ist jetzt Großbritannien in Ansehung Irlands.

Noch weniger kann Leibeigenschaft und ihre Rechtmäßigkeit von der Überwältigung eines Volks durch Krieg abgeleitet werden, weil man hiezu einen Strafkrieg annehmen müßte. Am allerwenigsten eine erbliche Leibeigenschaft, die überhaupt absurd ist, weil die Schuld aus jemandes Verbrechen nicht anerben kann.

Daß mit dem Friedensschlusse auch die Amnestie verbunden sei, liegt schon im Begriffe desselben.


§ 59

[472] Das Recht des Friedens ist 1) das, im Frieden zu sein, wenn in der Nachbarschaft Krieg ist, oder das der Neutralität; 2) sich die Fortdauer des geschlossenen Friedens zusichern zu lassen, d.i. das der Garantie; 3) zu wechselseitiger Verbindung (Bundsgenossenschaft) mehrerer Staaten, sich gegen alle äußere oder innere etwanige Angriffe gemeinschaftlich zu verteidigen; nicht ein Bund zum Angreifen und innerer Vergrößerung.




§ 60

Das Recht eines Staats gegen einen ungerechten Feind hat keine Grenzen (wohl zwar der Qualität, aber nicht der Quantität, d.i. dem Grade nach): d.i. der beeinträchtigte Staat darf sich zwar nicht aller Mittel, aber doch der an sich zulässigen in dem Maße bedienen, um das Seine zu behaupten, als er dazu Kräfte hat. – Was ist aber nun nach Begriffen des Völkerrechts, in welchem, wie überhaupt im Naturzustande, ein jeder Staat in seiner eigenen Sache Richter ist, ein ungerechter Feind? Es ist derjenige, dessen öffentlich (es sei wörtlich oder tätlich) geäußerter Wille eine Maxime verrät, nach welcher, wenn sie zur allgemeinen Regel gemacht würde, kein Friedenszustand unter Völkern möglich, sondern der Naturzustand verewigt werden müßte. Dergleichen ist die Verletzung öffentlicher Verträge, von welcher man voraussetzen kann, daß sie die Sache aller Völker betrifft, deren Freiheit dadurch bedroht wird, und die dadurch aufgefordert werden, sich gegen einen solchen Unfug zu vereinigen und ihm die Macht dazu zu nehmen; – aber doch auch nicht, um sich in sein Land zu teilen, einen Staat gleichsam auf der Erde verschwinden zu machen, denn das wäre Ungerechtigkeit gegen das Volk, welches sein ursprüngliches Recht, sich in ein gemeines Wesen zu verbinden, nicht verlieren kann, sondern es eine neue Verfassung annehmen zu lassen, die, ihrer Natur nach, der Neigung zum Kriege ungünstig ist.[473]

Übrigens ist der Ausdruck, eines ungerechten Feindes im Naturzustande, pleonastisch; denn der Naturzustand ist selbst ein Zustand der Ungerechtigkeit. Ein gerechter Feind würde der sein, welchem meinerseits zu widerstehen ich unrecht tun würde; dieser würde aber alsdann auch nicht mein Feind sein.


§ 61

Da der Naturzustand der Völker, eben so wohl als einzelner Menschen, ein Zustand ist, aus dem man herausgehen soll, um in einen gesetzlichen zu treten: so ist, vor dieser Ereignis, alles Recht der Völker und alles durch den Krieg erwerbliche oder erhaltbare äußere Mein und Dein der Staaten bloß provisorisch, und kann nur in einem allgemeinen Staatenverein (analogisch mit dem, wodurch ein Volk Staat wird) peremtorisch geltend und ein wahrer Friedenszustand werden. Weil aber, bei gar zu großer Ausdehnung eines solchen Völkerstaats über weite Landstriche, die Regierung desselben, mithin auch die Beschützung eines jeden Gliedes endlich unmöglich werden muß, eine Menge solcher Korporationen aber wiederum einen Kriegszustand herbeiführt: so ist der ewige Friede (das letzte Ziel des ganzen Völkerrechts) freilich eine unausführbare Idee. Die politische Grundsätze aber, die darauf abzwecken, nämlich solche Verbindungen der Staaten einzugehen, als zur kontinuierlichen Annäherung zu demselben dienen, sind es nicht, sondern, so wie diese eine auf der Pflicht, mithin auch auf dem Recht der Menschen und Staaten gegründete Aufgabe ist, allerdings ausführbar.

Man kann einen solchen Verein einiger Staaten, um den Frieden zu erhalten, den permanenten Staatenkongreß nennen, zu welchem sich zu gesellen jedem benachbarten unbenommen bleibt; dergleichen (wenigstens was die Förmlichkeiten des Völkerrechts, in Absicht auf Erhaltung des Friedens, betrifft) in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts in der Versammlung der Generalstaaten im Haag noch statt fand; wo die Minister der meisten europäischen Höfe, und selbst der kleinsten Republiken, ihre Beschwerden[474] über die Befehdungen, die einem von dem anderen widerfahren waren, anbrachten, und so sich ganz Europa als einen einzigen föderierten Staat dachten, den sie in jener ihren öffentlichen Streitigkeiten gleichsam als Schiedsrichter annahmen, statt dessen späterhin das Völkerrecht bloß in Büchern übrig geblieben, aus Kabinetten aber verschwunden, oder, nach schon verübter Gewalt, in Form der Deduktionen, der Dunkelheit der Archive anvertrauet worden ist.

Unter einem Kongreß wird hier aber nur eine willkürliche, zu aller Zeit ablösliche Zusammentretung verschiedener Staaten, nicht eine solche Verbindung, welche (so wie die der amerikanischen Staaten) auf einer Staatsverfassung gegründet, und daher unauflöslich ist, verstanden; – durch welchen allein die Idee eines zu errichtenden öffentlichen Rechts der Völker, ihre Streitigkeiten auf zivile Art, gleichsam durch einen Prozeß, nicht auf barbarische (nach Art der Wilden), nämlich durch Krieg zu entscheiden, realisiert werden kann.

Quelle:
Immanuel Kant: Werke in zwölf Bänden. Band 8, Frankfurt am Main 1977, S. 466-475.
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