Erstes Stück.

Von der Einwohnung des bösen Prinzips neben dem Guten: oder Über das radikale Böse in der menschlichen Natur

[665] Daß die Welt im Argen liege: ist eine Klage, die so alt ist, als die Geschichte, selbst als die noch ältere Dichtkunst, ja gleich alt mit der ältesten unter allen Dichtungen, der Priesterreligion. Alle lassen gleichwohl die Welt vom Guten anfangen: vom goldenen Zeitalter, vom Leben im Paradiese, oder von einem noch glücklichern, in Gemeinschaft mit himmlischen Wesen. Aber dieses Glück lassen sie bald wie einen Traum verschwinden; und nun den Verfall ins Böse (das Moralische, mit welchem das Physische immer zu gleichen Paaren ging) zum Ärgern mit akzeleriertem Falle eilen:3 so daß wir jetzt (dieses Jetzt aber ist so alt, als die Geschichte) in der letzten Zeit leben, der jüngste Tag und der Welt Untergang vor der Tür ist, und in einigen Gegenden von Hindostan der Weltrichter und Zerstörer Ruttren (sonst auch Siba oder Siwen genannt) schon als der jetzt machthabende Gott verehrt wird, nachdem der Welterhalter Wischnu, seines Amts, das er vom Weltschöpfer Brahma übernahm, müde, es schon seit Jahrhunderten niedergelegt hat.

Neuer, aber weit weniger ausgebreitet, ist die entgegengesetzte heroische Meinung, die wohl allein unter Philosophen, und in unsern Zeiten vornehmlich unter Pädagogen, Platz gefunden hat: daß die Welt gerade in umgekehrter Richtung, nämlich vom Schlechten zum Bessern, unaufhörlich (obgleich kaum merklich) fortrücke, wenigstens die Anlage dazu in der menschlichen Natur anzutreffen sei. Diese Meinung aber haben sie sicherlich nicht aus der Erfahrung[665] geschöpft, wenn vom Moralisch-Guten oder Bösen (nicht von der Zivilisierung) die Rede ist; denn da spricht die Geschichte aller Zeiten gar zu mächtig gegen sie; sondern es ist vermutlich bloß eine gutmütige Voraussetzung der Moralisten von Seneca bis zu Rousseau, um zum unverdrossenen Anbau des vielleicht in uns liegenden Keimes zum Guten anzutreiben, wenn man nur auf eine natürliche Grundlage dazu im Menschen rechnen könne. Hiezu kömmt noch: daß, da man doch den Menschen von Natur (d.i. wie er gewöhnlich geboren wird) als, dem Körper nach, gesund annehmen muß, keine Ursache sei, ihn nicht auch der Seele nach eben so wohl von Natur für gesund und gut anzunehmen. Diese sittliche Anlage zum Guten in uns auszubilden, sei uns also die Natur selbst beförderlich. Sanabilibus aegrotamus malis, nosque in rectum genitos natura, si sanari velimus, adiuvat: sagt Seneca.

Weil es aber doch wohl geschehen sein könnte, daß man sich in beider angeblichen Erfahrung geirret hätte: so ist die Frage: ob nicht ein Mittleres wenigstens möglich sei, nämlich: daß der Mensch in seiner Gattung weder gut noch böse, oder allenfalls auch eines sowohl als das andere, zum Teil gut, zum Teil böse sein könne? – Man nennt aber einen Menschen böse, nicht darum, weil er Handlungen ausübt, welche böse (gesetzwidrig) sind; sondern weil diese so beschaffen sind, daß sie auf böse Maximen in ihm schließen lassen. Nun kann man zwar gesetzwidrige Handlungen durch Erfahrung bemerken, auch (wenigstens an sich selbst), daß sie mit Bewußtsein gesetzwidrig sind; aber die Maximen kann man nicht beobachten, sogar nicht allemal in sich selbst, mithin das Urteil, daß der Täter ein böser Mensch sei, nicht mit Sicherheit auf Erfahrung gründen. Also müßte sich aus einigen, ja aus einer einzigen mit Bewußtsein bösen Handlung, a priori auf eine böse zum Grunde liegende Maxime, und aus dieser auf einen in dem Subjekt allgemein liegenden Grund aller besondern moralisch-bösen Maximen, der selbst wiederum Maxime ist, schließen lassen, um einen Menschen böse zu nennen.[666]

Damit man sich aber nicht sofort am Ausdrucke Natur stoße, welcher, wenn er (wie gewöhnlich) das Gegenteil des Grundes der Handlungen aus Freiheit bedeuten sollte, mit den Prädikaten moralisch-gut oder böse in geradem Widerspruch stehen würde: so ist zu merken: daß hier unter der Natur des Menschen nur der subjektive Grund des Gebrauchs seiner Freiheit überhaupt (unter objektiven moralischen Gesetzen), der vor aller in die Sinne fallenden Tat vorhergeht, verstanden werde; dieser Grund mag nun liegen, worin er wolle. Dieser subjektive Grund muß aber immer wiederum selbst ein Actus der Freiheit sein (denn sonst könnte der Gebrauch, oder Mißbrauch der Willkür des Menschen, in Ansehung des sittlichen Gesetzes, ihm nicht zugerechnet werden, und das Gute oder Böse in ihm nicht moralisch heißen). Mithin kann in keinem die Willkür durch Neigung bestimmenden Objekte, in keinem Naturtriebe, sondern nur in einer Regel, die die Willkür sich selbst für den Gebrauch ihrer Freiheit macht, d.i. in einer Maxime, der Grund des Bösen liegen. Von dieser muß nun nicht weiter gefragt werden können, was der subjektive Grund ihrer Annehmung, und nicht vielmehr der entgegengesetzten Maxime, im Menschen sei. Denn wenn dieser Grund zuletzt selbst keine Maxime mehr, sondern ein bloßer Naturtrieb wäre: so würde der Gebrauch der Freiheit ganz auf Bestimmung durch Natursachen zurückgeführt werden können: welches ihr aber widerspricht. Wenn wir also sagen: der Mensch ist von Natur gut, oder, er ist von Natur böse: so bedeutet dieses nur so viel, als: er enthält einen (uns unerforschlichen) ersten Grund4 der Annehmung guter,[667] oder der Annehmung böser (gesetzwidriger) Maximen; und zwar allgemein als Mensch, mithin so, daß er durch dieselbe zugleich den Charakter seiner Gattung ausdrückt.

Wir werden also von einem dieser Charaktere (der Unterscheidung des Menschen von andern möglichen vernünftigen Wesen) sagen; er ist ihm angeboren; und doch dabei uns immer bescheiden, daß nicht die Natur die Schuld derselben (wenn er böse ist), oder das Verdienst (wenn er gut ist) trage, sondern daß der Mensch selbst Urheber desselben sei. Weil aber der erste Grund der Annehmung unsrer Maximen, der selbst immer wiederum in der freien Willkür liegen muß, kein Faktum sein kann, das in der Erfahrung gegeben werden könnte: so heißt das Gute oder Böse im Menschen (als der subjektive erste Grund der Annehmung dieser oder jener Maxime, in Ansehung des moralischen Gesetzes) bloß in dem Sinne angeboren, als es vor allem in der Erfahrung gegebenen Gebrauche der Freiheit (in der frühesten Jugend bis zur Geburt zurück) zum Grunde gelegt wird, und so, als mit der Geburt zugleich im Menschen vorhanden, vorgestellt wird: nicht daß die Geburt eben die Ursache davon sei.


Anmerkung

Dem Streite beider oben aufgestellten Hypothesen liegt ein disjunktiver Satz zum Grunde: der Mensch ist (von Natur) entweder sittlich gut oder sittlich böse. Es fällt aber jedermann leicht bei, zu fragen: ob es auch mit dieser Disjunktion seine Richtigkeit habe; und ob nicht jemand behaupten könne, der Mensch sei von Natur keines von beiden; ein andrer aber: er sei beides zugleich, nämlich in einigen Stücken gut, in andern böse. Die Erfahrung scheint sogar dieses Mittlere zwischen beiden Extremen zu bestätigen.

Es liegt aber der Sittenlehre überhaupt viel daran, keine moralische Mitteldinge, weder in Handlungen (adiaphora) noch in menschlichen Charakteren, so lange es möglich ist, einzuräumen: weil bei einer solchen Doppelsinnigkeit alle[668] Maximen Gefahr laufen, ihre Bestimmtheit und Festigkeit einzubüßen. Man nennt gemeiniglich die, welche dieser strengen Denkungsart zugetan sind (mit einem Namen, der einen Tadel in sich fassen soll, in der Tat aber Lob ist): Rigoristen; und so kann man ihre Antipoden Latitudinarier nennen. Diese sind also entweder Latitudinarier der Neutralität, und mögen Indifferentisten, oder der Koalition, und können Synkretisten genannt werden.5

Die Beantwortung der gedachten Frage nach der rigoristischen Entscheidungsart6 gründet sich auf der für die[669] Moral wichtigen Bemerkung: die Freiheit der Willkür ist von der ganz eigentümlichen Beschaffenheit, daß sie durch keine Triebfeder zu einer Handlung bestimmt werden kann, als nur sofern der Mensch sie in seine Maxime aufgenommen hat (es sich zur allgemeinen Regel gemacht hat, nach der er sich verhalten will); so allein kann eine Triebfeder, welche sie auch sei, mit der absoluten Spontaneität der Willkür (der Freiheit) zusammen bestehen. Allein das moralische Gesetz ist für sich selbst, im Urteile der Vernunft, Triebfeder, und, wer es zu seiner Maxime macht, ist moralisch gut. Wenn nun das Gesetz jemandes Willkür, in Ansehung einer auf dasselbe sich beziehenden Handlung,[670] doch nicht bestimmt: so muß eine ihm entgegengesetzte Triebfeder auf die Willkür desselben Einfluß haben; und, da dieses vermöge der Voraussetzung nur dadurch geschehen kann, daß der Mensch diese (mithin auch die Abweichung vom moralischen Gesetze) in seine Maxime aufnimmt (in welchem Falle er ein böser Mensch ist): so ist seine Gesinnung in Ansehung des moralischen Gesetzes niemals indifferent (niemals keines von beiden, weder gut, noch böse).

Er kann aber auch nicht in einigen Stücken sittlich gut, in andern zugleich böse sein. Denn ist er in einem gut, so hat er das moralische Gesetz in seine Maxime aufgenommen; sollte er also in einem andern Stücke zugleich böse sein, so würde, weil das moralische Gesetz der Befolgung der Pflicht überhaupt nur ein einziges und allgemein ist, die auf dasselbe bezogene Maxime allgemein, zugleich aber nur eine besondere Maxime sein: welches sich widerspricht.7

Die eine oder die andere Gesinnung als angeborne Beschaffenheit von Natur haben, bedeutet hier auch nicht, daß sie von dem Menschen, der sie hegt, gar nicht erworben, d.i. er nicht Urheber sei; sondern, daß sie nur nicht in der Zeit erworben sei (daß er eines oder das andere von Jugend auf sei immerdar). Die Gesinnung, d.i. der erste subjektive[671] Grund der Annehmung der Maximen, kann nur eine einzige sein, und geht allgemein auf den ganzen Gebrauch der Freiheit. Sie selbst aber muß auch durch freie Willkür angenommen worden sein, denn sonst könnte sie nicht zugerechnet werden. Von dieser Annehmung kann nun nicht wieder der subjektive Grund, oder die Ursache, erkannt werden (obwohl darnach zu fragen unvermeidlich ist; weil sonst wiederum eine Maxime angeführt werden müßte, in welche diese Gesinnung aufgenommen worden, die eben so wiederum ihren Grund haben muß). Weil wir also diese Gesinnung, oder vielmehr ihren obersten Grund nicht von irgend einem ersten Zeit-Actus der Willkür ableiten können, so nennen wir sie eine Beschaffenheit der Willkür, die ihr (ob sie gleich in der Tat in der Freiheit gegründet ist) von Natur zukömmt. Daß wir aber unter dem Menschen, von dem wir sagen, er sei von Natur gut oder böse, nicht den einzelnen verstehen (da alsdann einer als von Natur gut, der andere als böse angenommen werden könnte), sondern die ganze Gattung zu verstehen befugt sind: kann nur weiterhin bewiesen werden, wenn es sich in der anthropologischen Nachforschung zeigt, daß die Gründe, die uns berechtigen, einem Menschen einen von beiden Charakteren als angeboren beizulegen, so beschaffen sind, daß kein Grund ist, einen Menschen davon auszunehmen, und er also von der Gattung gelte.

3

Aetas parentum, peior avis, tulit

Nos nequiores, mox daturos

Progeniem vitiosiorem. Horat.

4

Daß der erste subjektive Grund der Annehmung moralischer Maximen unerforschlich sei, ist daraus schon vorläufig zu ersehen: daß, da diese Annehmung frei ist, der Grund derselben (warum ich z.B. eine böse und nicht vielmehr eine gute Maxime angenommen habe) in keiner Triebfeder der Natur, sondern immer wiederum in einer Maxime gesucht werden muß; und, da auch diese eben so wohl ihren Grund haben muß, außer der Maxime aber kein Bestimmungsgrund der freien Willkür angeführt werden soll und kann, man in der Reihe der subjektiven Bestimmungsgründe ins Unendliche immer weiter zurück gewiesen wird, ohne auf den ersten Grund kommen zu können.

5

Wenn das Gute = a ist, so ist sein kontradiktorisch Entgegengesetztes das Nichtgute. Dieses ist nun die Folge entweder eines bloßen Mangels eines Grundes des Guten = 0, oder eines positiven Grundes des Widerspiels desselben = – a. Im letztern Falle kann das Nichtgute auch das positive Böse heißen. (In Ansehung des Vergnügens und Schmerzens gibt es ein dergleichen Mittleres, so daß das Vergnügen = a, der Schmerz a = – a, und der Zustand, worin keines von beiden angetroffen wird, die Gleichgültigkeit = 0 ist.) Wäre nun das moralische Gesetz in uns keine Triebfeder der Willkür: so würde Moralischgut (Zusammenstimmung der Willkür mit dem Gesetze) = a, Nichtgut = 0, dieses aber die bloße Folge vom Mangel einer moralischen Triebfeder = a x 0 sein. Nun ist es aber in uns Triebfeder = a; folglich ist der Mangel der Übereinstimmung der Willkür mit demselben (= 0) nur als Folge von einer realiter entgegengesetzten Bestimmung der Willkür, d.i. einer Widerstrebung derselben = – a, d.i. nur durch eine böse Willkür, möglich; und zwischen einer bösen und guten Gesinnung (innerem Prinzip der Maximen), nach welcher auch die Moralität der Handlung beurteilt werden muß, gibt es also nichts Mittleres. Eine moralisch-gleichgültige Handlung (adiaphoron morale) würde eine bloß aus Naturgesetzen erfolgende Handlung sein, die also aufs sittliche Gesetz, als Gesetz der Freiheit, in gar keiner Beziehung steht; indem sie kein Faktum ist und in Ansehung ihrer weder Gebot, noch Verbot, noch auch Erlaubnis (gesetzliche Befugnis) statt findet, oder nötig ist.

6

Herr Prof. Schiller mißbilligt in seiner mit Meisterhand verfaßten Abhandlung ( Thalia 1793, 3tes Stück) über Anmut und Würde in der Moral diese Vorstellungsart der Verbindlichkeit, als ob sie eine karthäuserartige Gemütsstimmung bei sich führe; allein ich kann, da wir in den wichtigsten Prinzipien einig sind, auch in diesem keine Uneinigkeit statuieren; wenn wir uns nur unter einander verständlich machen können. – Ich gestehe gern: daß ich dem Pflichtbegriffe, gerade um seiner Würde willen, keine Anmut beigesellen kann. Denn er enthält unbedingte Nötigung, womit Anmut in geradem Widerspruch steht. Die Majestät des Gesetzes (gleich dem auf Sinai) flößt Ehrfurcht ein (nicht Scheu, welche zurückstößt, auch nicht Reiz, der zur Vertraulichkeit einladet), welche Achtung des Untergebenen gegen seinen Gebieter, in diesem Fall aber, da dieser in uns selbst liegt, ein Gefühl des Erhabenen unserer eigenen Bestimmung erweckt, was uns mehr hinreißt als alles Schöne. – Aber die Tugend, d.i. die fest gegründete Gesinnung, seine Pflicht genau zu erfüllen, ist in ihren Folgen auch wohltätig, mehr wie alles, was Natur oder Kunst in der Welt leisten mag; und das herrliche Bild der Menschheit, in dieser ihrer Gestalt aufgestellt, verstattet gar wohl die Begleitung der Grazien, die aber, wenn noch von Pflicht allein die Rede ist, sich in ehrerbietiger Entfernung hatten. Wird aber auf die anmutigen Folgen gesehen, welche die Tugend, wenn sie überall Eingang fände, in der Welt verbreiten würde, so zieht alsdann die moralisch-gerichtete Vernunft die Sinnlichkeit (durch die Einbildungskraft) mit ins Spiel. Nur nach bezwungenen Ungeheuern wird Herkules Musaget, vor welcher Arbeit jene gute Schwestern zurückbeben. Diese Begleiterinnen der Venus Urania sind Buhlschwestern im Gefolge der Venus Dione, sobald sie sich ins Geschäft der Pflichtbestimmung einmischen und die Triebfedern dazu hergeben wollen. – Frägt man nun, welcherlei ist die ästhetische Beschaffenheit, gleichsam das Temperament der Tugend, mutig, mithin fröhlich, oder ängstlich-gebeugt und niedergeschlagen? so ist kaum eine Antwort nötig. Die letztere sklavische Gemütsstimmung kann nie ohne einen verborgenen Haß des Gesetzes statt finden und das fröhliche Herz in Befolgung seiner Pflicht (nicht die Behaglichkeit in Anerkennung desselben) ist ein Zeichen der Echtheit tugendhafter Gesinnung, selbst in der Frömmigkeit, die nicht in der Selbstpeinigung des reuigen Sünders (welche sehr zweideutig ist und gemeiniglich nur innerer Vorwurf ist, wider die Klugheitsregel verstoßen zu haben), sondern im festen Vorsatz, es künftig besser zu machen, besteht, der, durch den guten Fortgang angefeuert, eine fröhliche Gemütsstimmung bewirken muß, ahne welche man nie gewiß ist, das Gute auch lieb gewonnen, d.i. es in seine Maxime aufgenommen zu haben.

7

Die alten Moralphilosophen, die so ziemlich alles erschöpften, was über die Tugend gesagt werden kann, haben obige zwei Fragen auch nicht unberührt gelassen. Die erste drückten sie so aus: Ob die Tugend erlernt werden müsse (der Mensch also von Natur gegen sie und das Laster indifferent sei)? Die zweite war: Ob es mehr als eine Tugend gebe (mithin es nicht etwa statt finde, daß der Mensch in einigen Stücken tugendhaft, in andern lasterhaft sei)? Beides wurde von ihnen mit rigoristischer Bestimmtheit verneint, und das mit Recht; denn sie betrachteten die Tugend an sich in der Idee der Vernunft (wie der Mensch sein soll). Wenn man dieses moralische Wesen aber, den Menschen, in der Erscheinung, d.i. wie ihn uns die Erfahrung kennen läßt, sittlich beurteilen will: so kann man beide angeführte Fragen bejahend beantworten; denn da wird er nicht auf der Waage der reinen Vernunft (vor einem göttlichen Gericht), sondern nach empirischem Maßstabe (von einem menschlichen Richter) beurteilt. Wovon in der Folge noch gehandelt werden wird.

Quelle:
Immanuel Kant: Werke in zwölf Bänden. Band 8, Frankfurt am Main 1977, S. 665-672.
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