Der transzendentalen Logik erste Abteilung
Die transzendentale Analytik

[107] Diese Analytik ist die Zergliederung unseres gesamten Erkenntnisses a priori in die Elemente der reinen Verstandeserkenntnis. Es kommt hiebei auf folgende Stücke an. 1. Daß die Begriffe reine und nicht empirische Begriffe sein. 2. Daß sie nicht zur Anschauung und zur Sinnlichkeit, sondern zum Denken und Verstande gehören. 3. Daß sie Elementarbegriffe sein und von den abgeleiteten, oder daraus zusammengesetzten, wohl unterschieden werden. 4. Daß ihre Tafel vollständig sei, und sie das ganze Feld des reinen Verstandes gänzlich ausfüllen. Nun kann diese Vollständigkeit einer Wissenschaft nicht auf den Überschlag, eines bloß durch Versuche zu Stande gebrachten Aggregats, mit Zuverlässigkeit angenommen werden; daher ist sie nur vermittelst einer Idee des Ganzen der Verstandeserkenntnis a priori und durch die daraus bestimmte Abteilung der Begriffe, welche sie ausmachen, mithin nur durch ihren Zusammenhang in einem System möglich. Der reine Verstand sondert sich nicht allein von allem Empirischen, sondern so gar von aller Sinnlichkeit völlig aus. Er ist also eine vor sich selbst beständige, sich selbst gnugsame, und durch keine äußerlich hinzukommende Zusätze zu vermehrende Einheit. Daher wird der Inbegriff seiner Erkenntnis ein unter einer Idee zu befassendes und zu bestimmendes System ausmachen, dessen Vollständigkeit und Artikulation zugleich einen Probierstein der Richtigkeit und Echtheit aller hineinpassenden Erkenntnisstücke abgeben kann. Es besteht aber dieser ganze Teil der transzendentalen Logik aus zwei Büchern, deren das eine die Begriffe, das andere die Grundsätze des reinen Verstandes enthält.[107]

Quelle:
Immanuel Kant: Werke in zwölf Bänden. Band 3, Frankfurt am Main 1977, S. 107-108.
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