Zweites Hauptstück.
Der metaphysischen Anfangsgründe der Dynamik
Erklärung 1

[47] Materie ist das Bewegliche, so fern es einen Raum erfüllt. Einen Raum erfüllen heißt allem Beweglichen widerstehen, das durch seine Bewegung in einen gewissen Raum einzudringen bestrebt ist. Ein Raum, der nicht erfüllt ist, ist ein leerer Raum.


Anmerkung

Dieses ist nun die dynamische Erklärung des Begriffs der Materie. Sie setzt die phoronomische voraus, aber tut eine Eigenschaft hinzu, die sich als Ursache auf eine Wirkung bezieht, nämlich das Vermögen, einer Bewegung innerhalb eines gewissen Raumes zu widerstehen, wovon in der vorhergehenden Wissenschaft gar nicht die Rede sein mußte, selbst nicht, wenn man es mit Bewegungen eines und desselben Punktes in entgegengesetzten Richtungen zu tun hatte. Diese Erfüllung des Raums hält einen gewissen Raum von dem Eindringen irgend eines anderen beweglichen frei, wenn seine Bewegung auf irgend einen Ort in diesem Raume hingerichtet ist. Worauf nun der nach allen Seiten gerichtete Widerstand der Materie beruhe und was er sei, muß noch untersucht werden. So viel sieht man aber schon aus der obigen Erklärung: daß die Materie hier nicht so betrachtet wird, wie sie widersteht, wenn sie aus ihrem Orte getrieben und also selbst bewegt werden soll (dieser Fall wird künftig, als mechanischer Widerstand, noch in Erwägung kommen), sondern wenn bloß der Raum ihrer eigenen Ausdehnung verringert werden soll. Man bedient sich des Worts: einen Raum einnehmen, d.i. in allen Punkten desselben unmittelbar gegenwärtig sein, um die Ausdehnung[47] eines Dinges im Raume dadurch zu bezeichnen. Weil aber in diesem Begriffe nicht bestimmt ist, welche Wirkung oder ob gar überall eine Wirkung aus dieser Gegenwart entspringe, ob andern zu widerstehen, die hineinzudringen bestrebt sein, oder ob es bloß einen Raum ohne Materie bedeute, so fern er ein Inbegriff mehrerer Raume ist, wie man von jeder geometrischen Figur sagen kann, sie nimmt einen Raum ein (sie ist ausgedehnt), oder ob wohl gar im Raume etwas sei, was ein anderes Bewegliche nötigt, tiefer in denselben einzudringen (andere anzieht), weil, sage ich, durch den Begriff des Einnehmens eines Raumes dieses alles unbestimmt ist, so ist: einen Raum erfüllen eine nähere Bestimmung des Begriffs: einen Raum einnehmen.


Lehrsatz 1

Die Materie erfüllt einen Raum, nicht durch ihre bloße Existenz, sondern durch eine besondere bewegende Kraft.


Beweis

Das Eindringen in einen Raum (im Anfangsaugenblicke heißt solches die Bestrebung einzudringen) ist eine Bewegung. Der Widerstand gegen Bewegung ist die Ursache der Verminderung, oder auch Veränderung derselben in Ruhe. Nun kann mit keiner Bewegung etwas verbunden werden, was sie vermindert oder aufhebt, als eine andere Bewegung eben desselben Beweglichen in entgegengesetzter Richtung (Phoron. Lehrs.). Also ist der Widerstand, den eine Materie in dem Raum, den sie erfüllt, allem Eindringen anderer leistet, eine Ursache der Bewegung der letzteren in entgegengesetzter Richtung. Die Ursache einer Bewegung heißt aber bewegende Kraft. Also erfüllet die Materie ihren Raum durch bewegende Kraft, und nicht durch ihre bloße Existenz.[48]


Anmerkung

Lambert und andere nannten die Eigenschaft der Materie, da sie einen Raum erfüllt, die Solidität (ein ziemlich vieldeutiger Ausdruck), und wollen, man müsse sie an jedem Dinge, was existiert (Substanz), annehmen, wenigstens in der äußeren Sinnenwelt. Nach ihren Begriffen müßte die Anwesenheit von etwas Reellem, im Raume, diesen Widerstand schon durch seinen Begriff, mithin nach dem Satze des Widerspruchs bei sich führen, und es machen, daß nichts anderes in dem Raume der Anwesenheit eines solchen Dinges zugleich sein könne. Allein der Satz des Widerspruchs treibt keine Materie zurück, welche anrückt, um in einen Raum einzudringen, in welchem eine andere anzutreffen ist. Nur alsdann, wenn ich dem, was einen Raum einnimmt, eine Kraft beilege, alles äußere Bewegliche, welches sich annähert, zurück zu treiben, verstehe ich, wie es einen Widerspruch enthalte, daß in den Raum, den ein Ding einnimmt, noch ein anderes von derselben Art eindringe. Hier hat der Mathematiker etwas als ein erstes Datum der Konstruktion des Begriffs einer Materie, welches sich selbst nicht weiter konstruieren lasse, angenommen. Nun kann er zwar von jedem beliebigen Dato seine Konstruktion eines Begriffs anfangen, ohne sich darauf einzulassen, dieses Datum auch wiederum zu erklären; darum aber ist er doch nicht befugt, jenes für etwas aller mathematischen Konstruktion ganz Unfähiges zu erklären, um dadurch das Zurückgehen zu den ersten Prinzipien in der Naturwissenschaft zu hemmen.


Erklärung 2

Anziehungskraft ist diejenige bewegende Kraft, wodurch eine Materie die Ursache der Annäherung anderer zu ihr sein kann (oder, welches einerlei ist, dadurch sie der Entfernung anderer von ihr widersteht).

Zurückstoßungskraft ist diejenige, wodurch eine Materie Ursache sein kann, andere von sich zu entfernen[49] (oder, welches einerlei ist, wodurch sie der Annäherung anderer zu ihr widersteht). Die letztere werden wir auch zuweilen treibende, so wie die erstere ziehende Kräfte nennen.




Zusatz

Es lassen sich nur diese zwei bewegende Kräfte der Materie denken. Denn alle Bewegung, die eine Materie einer anderen eindrücken kann, da in dieser Rücksicht jede derselben nur wie ein Punkt betrachtet wird, muß jederzeit als in der geraden Linie zwischen zweien Punkten erteilt angesehen werden. In dieser geraden Linie aber sind nur zweierlei Bewegungen möglich: die eine, dadurch sich jene Punkte von einander entfernen, die zweite, dadurch sie sich einander nähern. Die Kraft aber, die die Ursache der ersteren Bewegung ist, heißt Zurückstoßungs– und die der zweiten Anziehungskraft. Also können nur diese zwei Arten von Kräften, als solche, worauf alle Bewegungskräfte in der materiellen Natur zurückgeführt werden müssen, gedacht werden.




Lehrsatz 2

Die Materie erfüllet ihre Räume durch repulsive Kräfte aller ihrer Teile, d.i. durch eine ihr eigene Ausdehnungskraft, die einen bestimmten Grad hat, über den kleinere oder größere ins Unendliche können gedacht werden.


Beweis

Die Materie erfüllet einen Raum nur durch bewegende Kraft (Lehrs. 2) und zwar eine solche, die dem Eindringen anderer, d.i. der Annäherung widersteht. Nun ist diese eine zurückstoßende Kraft (Erklärung 2). Also erfüllet die Materie ihren Raum nur durch zurückstoßende Kräfte und zwar aller ihrer Teile, weil sonst ein Teil ihres Raums (wider die Voraussetzung) nicht erfüllet, sondern nur eingeschlossen sein würde. Die Kraft aber eines Ausgedehnten[50] vermöge der Zurückstoßung aller seiner Teile ist eine Ausdehnungskraft (expansive). Also erfüllet die Materie ihren Raum nur durch eine ihr eigene Ausdehnungskraft; welches das erste war. Über jede gegebene Kraft muß eine größere gedacht werden können, denn die, über welche keine größere möglich ist, würde eine solche sein, wodurch in einer endlichen Zeit ein unendlicher Raum zurückgelegt werden würde (welches unmöglich ist). Es muß ferner unter jeder gegebenen bewegenden Kraft eine kleinere gedacht werden können (denn die kleinste würde die sein, durch deren unendliche Hinzutuung zu sich selbst eine jede gegebene Zeit hindurch keine endliche Geschwindigkeit erzeugt werden könnte, welches aber den Mangel aller bewegenden Kraft bedeutet). Also muß unter einem jeden gegebenen Grad einer bewegenden Kraft immer noch ein kleinerer gegeben werden können, welches das zweite ist. Mithin hat die Ausdehnungskraft, womit jede Materie ihren Raum erfüllt, ihren Grad, der niemals der größte oder kleinste ist, sondern über den ins Unendliche sowohl größere als kleinere können gefunden werden.


Zusatz 1

Die expansive Kraft einer Materie nennt man auch Elastizität. Da nun jene der Grund ist, worauf die Erfüllung des Raumes, als eine wesentliche Eigenschaft aller Materie, beruht, so muß diese Elastizität ursprünglich heißen; weil sie von keiner anderen Eigenschaft der Materie abgeleitet werden kann. Alle Materie ist demnach ursprünglich elastisch.


Zusatz 2

Weil über jede ausdehnende Kraft eine größere bewegende Kraft gefunden werden kann: diese aber auch jener entgegen würken kann, wodurch sie alsdenn den Raum der letzteren verengen würde, den diese zu erweitern trachtet, in welchem Falle die erstere eine zusammendrückende Kraft heißen würde, so muß auch für jede Materie eine zusammendrückende[51] Kraft gefunden werden können, die sie von einem jeden Raum, den sie erfüllt, in einen engeren Raum zu treiben vermag.


Erklärung 5

Eine Materie durchdringt in ihrer Bewegung eine andere, wenn sie durch Zusammendrückung den Raum ihrer Ausdehnung völlig aufhebt.




Anmerkung

Wenn in einem mit Luft angefüllten Stiefel einer Luftpumpe der Kolben dem Boden immer näher getrieben wird, so wird die Luftmaterie zusammengedrückt. Könnte nun diese Zusammendrückung so weit getrieben werden, daß der Kolben den Boden völlig berührte (ohne daß das mindeste von Luft entwischt wäre), so würde die Luftmaterie durchdrungen sein; denn die Materien, zwischen denen sie ist, lassen keinen Raum für sie übrig, und sie wäre also zwischen dem Kolben und Boden anzutreffen, ohne doch einen Raum einzunehmen. Diese Durchdringlichkeit der Materie durch äußere zusammendrückende Kräfte, wenn jemand eine solche annehmen oder auch nur denken wollte, würde die mechanische heißen können. Ich habe Ursache, durch eine solche Einschränkung diese Durchdringlichkeit der Materie von einer andern zu unterscheiden, deren Begriff vielleicht eben so unmöglich, als der erstere ist, von der ich aber doch künftig etwas anzumerken Anlaß haben möchte.




Lehrsatz 5

Die Materie kann ins Unendliche zusammengedrückt, aber niemals von einer Materie, wie groß auch die drückende Kraft derselben sei, durchdrungen werden.


Beweis

[52] Eine ursprüngliche Kraft, womit eine Materie sich über einen gegebenen Raum, den sie einnimmt, allerwärts auszudehnen trachtet, muß, in einen kleineren Raum eingeschlossen, größer, und, in einen unendlich kleinen Raum zusammengepreßt, unendlich sein. Nun kann für gegebene ausdehnende Kraft der Materie eine größere zusammendrückende gefunden werden, die diese in einen engeren Raum zwingt, und so ins Unendliche; welches das erste war. Zum Durchdringen der Materie aber würde eine Zusammentreibung derselben in einen unendlich kleinen Raum, mithin eine unendlich zusammendrückende Kraft erfodert, welche unmöglich ist. Also kann eine Materie durch Zusammendrückung von keiner anderen durchdrungen werden; welches das zweite ist.


Anmerkung

Ich habe in diesem Beweise gleich zu Anfangs angenommen, daß eine ausdehnende Kraft, je mehr sie in die Enge getrieben worden, desto stärker entgegenwirken müsse. Dieses würde nun zwar nicht so für jede Art elastischer Kräfte, die nur abgeleitet sind, gelten; aber bei der Materie, so fern ihr als Materie überhaupt, die einen Raum erfüllt, wesentliche Elastizität zukommt, läßt sich dieses postulieren. Denn expansive Kraft, aus allen Punkten nach allen Seiten hin ausgeübt, macht sogar den Begriff derselben aus. Eben dasselbe Quantum aber, von ausspannenden Kräften in einen engeren Raum gebracht, muß in jedem Punkte desselben so viel stärker zurücktreiben, so viel umgekehrt der Raum kleiner ist, in welchem ein gewisses Quantum von Kraft seine Wirksamkeit verbreitet.




Erklärung 4

Die Undurchdringlichkeit der Materie, die auf dem Widerstande beruht, der mit den Graden der Zusammendrückung[53] proportionierlich wächst, nenne ich die relative; diejenige aber, welche auf der Voraussetzung beruht, daß die Materie, als solche, gar keiner Zusammendrückung fähig sei, heißt die absolute Undurchdringlichkeit. Die Erfüllung des Raumes mit absoluter Undurchdringlichkeit kann die mathematische, die mit bloß relativer die dynamische Erfüllung des Raums heißen.


Anmerkung 1

Nach dem bloß mathematischen Begriffe der Undurchdringlichkeit (der keine bewegende Kraft als ursprünglich der Materie eigen voraussetzt) ist keine Materie einer Zusammendrückung fähig, als so fern sie leere Räume in sich enthält; mithin die Materie als Materie widersteht allem Eindringen schlechterdings und mit absoluter Notwendigkeit. Nach unserer Erörterung dieser Eigenschaft aber beruht die Undurchdringlichkeit auf einem physischen Grunde; denn die ausdehnende Kraft macht sie selbst, als ein Ausgedehntes, das seinen Raum erfüllt, allererst möglich. Da aber diese Kraft einen Grad hat, welcher überwältigt, mithin der Raum der Ausdehnung verringert, d.i. in denselben bis auf ein gewisses Maß von einer gegebenen zusammendrückenden Kraft eingedrungen werden kann, doch so, daß die gänzliche Durchdringung, weil sie eine unendliche zusammendrückende Kraft erfordern würde, unmöglich ist: so muß die Erfüllung des Raums nur als relative Undurchdringlichkeit angesehen werden.


Anmerkung 2

Die absolute Undurchdringlichkeit ist in der Tat nichts mehr, oder weniger, als qualitas occulta. Denn man frägt, was die Ursache sei, daß Materien einander in ihrer Bewegung nicht durchdringen können, und bekommt die Antwort: weil sie undurchdringlich sind. Die Berufung auf zurücktreibende Kraft ist von diesem Vorwurfe frei. Denn, ob diese gleich ihrer Möglichkeit nach auch nicht weiter erklärt[54] werden kann, mithin als Grundkraft gelten muß, so gibt sie doch einen Begriff von einer wirkenden Ursache und ihren Gesetzen, nach welchen die Wirkung, nämlich der Widerstand in dem erfülleten Raum, ihren Graden nach geschätzt werden kann.


Erklärung 5

Materielle Substanz ist dasjenige im Raume, was für sich, d.i. abgesondert von allem anderen, was außer ihm im Raume existiert, beweglich ist. Die Bewegung eines Teils der Materie, dadurch sie aufhört, ein Teil zu sein, ist die Trennung. Die Trennung der Teile einer Materie ist die physische Teilung.


Anmerkung

Der Begriff einer Substanz bedeutet das letzte Subjekt der Existenz, d.i. dasjenige, was selbst nicht wiederum bloß als Prädikat zur Existenz eines anderen gehört. Nun ist Materie das Subjekt alles dessen, was im Raume zur Existenz der Dinge gezählt werden mag; denn außer ihr würde sonst kein Subjekt gedacht werden können, als der Raum selbst; welcher aber ein Begriff ist, der noch gar nichts Existierendes, sondern bloß die notwendigen Bedingungen der äußeren Relation möglicher Gegenstände äußerer Sinne enthält. Also ist Materie, als das Bewegliche im Raume, die Substanz in demselben. Aber eben so werden auch alle Teile derselben, so fern man von ihnen nur sagen kann, daß sie selbst Subjekte und nicht bloß Prädikate von anderen Materien sein, Substanzen, mithin selbst wiederum Materie heißen müssen. Sie sind aber selbst Subjekte, wenn sie für sich beweglich und also auch außer der Verbindung mit anderen Nebenteilen etwas im Raume Existierendes sind. Also ist die eigene Beweglichkeit der Materie, oder irgend eines Teils derselben, zugleich ein Beweis dafür, daß dieses Bewegliche, und ein jeder beweglicher Teil desselben, Substanz sei.


Lehrsatz 4

[55] Die Materie ist ins Unendliche teilbar, und zwar in Teile, deren jeder wiederum Materie ist.


Beweis

Die Materie ist undurchdringlich, und zwar durch ihre ursprüngliche Ausdehnungskraft (Lehrs. 3), diese aber ist nur die Folge der repulsiven Kräfte eines jeden Punkts in einem von Materie erfüllten Raum. Nun ist der Raum, den die Materie erfüllet, ins Unendliche mathematisch teilbar, d.i. seine Teile können ins Unendliche unterschieden, obgleich nicht bewegt, folglich auch nicht getrennt werden (nach Beweisen der Geometrie). In einem mit Materie erfüllten Raume aber enthält jeder Teil desselben repulsive Kraft, allen übrigen nach allen Seiten entgegen zu wirken, mithin sie zurück zu treiben und von ihnen eben so wohl zurückgetrieben, d.i. zur Entfernung von denselben bewegt zu werden. Mithin ist ein jeder Teil eines durch Materie erfüllten Raums für sich selbst beweglich, folglich trennbar von den übrigen als materielle Substanz durch physische Teilung. So weit sich also die mathematische Teilbarkeit des Raumes, den eine Materie erfüllt, erstreckt, so weit erstreckt sich auch die mögliche physische Teilung der Substanz, die ihn erfüllt. Die mathematische Teilbarkeit aber geht ins Unendliche, folglich auch die physische, d.i. alle Materie ist ins Unendliche teilbar, und zwar in Teile, deren jeder selbst wiederum materielle Substanz ist.


Anmerkung 1

Durch den Beweis der unendlichen Teilbarkeit des Raums ist die der Materie lange noch nicht bewiesen, wenn nicht vorher dargetan worden: daß in jedem Teile des Raumes materielle Substanz sei, d.i. für sich bewegliche Teile anzutreffen sind. Denn, wollte ein Monadist annehmen, die Materie bestände aus physischen Punkten, deren ein jeder[56] zwar (eben darum) keine bewegliche Teile habe, aber dennoch durch bloße repulsive Kraft einen Raum erfüllete: so würde er gestehen können, daß zwar dieser Raum, aber nicht die Substanz, die in ihm wirkt, mithin zwar die Sphäre der Wirksamkeit der letzteren, aber nicht das wirkende bewegliche Subjekt selbst durch die Teilung des Raums zugleich geteilt werde. Also würde er die Materie aus physisch unteilbaren Teilen zusammensetzen, und sie doch auf dynamische Art einen Raum einnehmen lassen.

Durch den obigen Beweis aber ist dem Monadisten diese Ausflucht gänzlich benommen. Denn daraus ist klar: daß in einem erfülleten Raume kein Punkt sein könne, der nicht selbst nach allen Seiten Zurückstoßung ausübete, so wie er zurückgestoßen wird, mithin als ein außer jedem anderen zurückstoßenden Punkte befindliches gegenwirkendes Subjekt an sich selbst beweglich wäre, und daß die Hypothese eines Punkts, der durch bloße treibende Kraft, und nicht vermittelst anderer gleichfalls zurückstoßenden Kräfte, einen Raum erfüllete, gänzlich unmöglich sei. Um dieses und dadurch auch den Beweis des vorhergehenden Lehrsatzes anschaulich zu machen,

2. Der metaphysischen Anfangsgründe der Dynamik

nehme man an, A sei der Ort einer Monas im Raume, ab sei der Durchmesser der Sphäre ihrer repulsiven Kraft, mithin aA der Halbmesser derselben, so ist zwischen a, wo dem Eindringen einer äußeren Monade in den Raum, den jene Sphäre einnimmt, widerstanden wird, und dem Mittelpunkte derselben A, ein Punkt c anzugeben möglich (laut der unendlichen Teilbarkeit des Raumes). Wenn nun A demjenigen, was in a einzudringen trachtet, widersteht, so muß auch c den beiden Punkten A und a widerstehen. Denn wäre dieses nicht, so würden sie sich einander ungehindert nähern, folglich A und a im Punkte c zusammentreffen, d.i. der Raum würde durchdrungen werden. Also muß in c etwas sein, was dem Eindringen von A und a widersteht und also die Monas[57] A zurücktreibt, so wie es auch von ihr zurückgetrieben wird. Da nun Zurücktreiben ein Bewegen ist, so ist c etwas Bewegliches im Raum, mithin Materie, und der Raum zwischen A und a konnte nicht durch die Sphäre der Wirksamkeit einer einzigen Monade angefüllt sein, also auch nicht der Raum zwischen c und A, und so ins Unendliche.

Wenn Mathematiker die repulsiven Kräfte der Teile elastischer Materien, bei größerer oder kleinerer Zusammendrückung derselben, als nach einer gewissen Proportion ihrer Entfernungen von einander abnehmend oder zunehmend sich vorstellen, z.B. daß die kleinsten Teile der Luft sich in umgekehrtem Verhältnis ihrer Entfernungen von einander zurücktreiben, weil die Elastizität derselben in umgekehrtem Verhältnis der Räume steht, darin sie zusammengedrückt werden: so verfehlt man gänzlich ihren Sinn und mißdeutet ihre Sprache, wenn man das, was zum Verfahren der Konstruktion eines Begriffs notwendig gehört, dem Begriffe im Objekt selbst beilegt. Denn nach jenem kann eine jede Berührung als eine unendlich kleine Entfernung vorgestellt werden; welches in solchen Fällen auch notwendig geschehen muß, wo ein großer oder kleiner Raum durch eben dieselbe Quantität der Materie, d.i. einerlei Quantum repulsiver Kräfte, als ganz erfüllt vorgestellt werden soll. Bei einem ins Unendliche Teilbaren darf darum dennoch keine wirkliche Entfernung der Teile, die bei aller Erweiterung des Raums des Ganzen immer ein Kontinuum ausmachen, angenommen werden, obgleich die Möglichkeit dieser Erweiterung nur unter der Idee einer unendlich kleinen Entfernung anschaulich gemacht werden kann.




Anmerkung 2

Die Mathematik kann zwar in ihrem inneren Gebrauche in Ansehung der Schikane einer verfehlten Metaphysik ganz gleichgültig sein, und im sicheren Besitz ihrer evidenten Behauptungen von der unendlichen Teilbarkeit des Raumes beharren, was für Einwürfe auch eine an bloßen Begriffen klaubende Vernünftelei dagegen auf die Bahn[58] bringen mag; allein in der Anwendung ihrer Sätze, die vom Raume gelten, auf Substanz, die sie erfüllt, muß sie sich doch auf Prüfung nach bloßen Begriffen, mithin auf Metaphysik einlassen. Obiger Lehrsatz ist schon ein Beweis davon. Denn es folgt nicht notwendig, daß Materie ins Unendliche physisch teilbar sei, wenn sie es gleich in mathematischer Absicht ist, wenn gleich ein jeder Teil des Raums wiederum ein Raum ist, und also immer Teile außerhalb einander in sich faßt, woferne nicht bewiesen werden kann, daß in jedem aller möglichen Teile dieses erfülleten Raumes auch Substanz sei, die folglich auch, abgesondert von allen übrigen, als für sich beweglich existiere. Also fehlete doch bisher dem mathematischen Beweise noch etwas, ohne welches er auf die Naturwissenschaft keine sichere Anwendung haben konnte, und diesem Mangel ist in obstehendem Lehrsatz abgeholfen worden. Was nun aber die übrigen Angriffe der Metaphysik auf den nunmehro physischen Lehrsatz der unendlichen Teilbarkeit der Materie betrifft, so muß sie der Mathematiker gänzlich dem Philosophen überlassen, der ohnedem durch diese Einwürfe sich selbst in ein Labyrinth begibt, woraus es ihm schwer wird, auch in denen ihn unmittelbar angehenden Fragen herauszufinden, und also mit sich selbst genug zu tun hat, ohne daß der Mathematiker sich in dieses Geschäfte dürfte einflechten lassen. Wenn nämlich die Materie ins Unendliche teilbar ist, so (schließt der dogmatische Metaphysiker) besteht sie aus einer unendlichen Menge von Teilen; denn ein Ganzes muß doch alle die Teile zum voraus insgesamt schon in sich enthalten, in die es geteilt werden kann. Der letztere Satz ist auch von einem jeden Ganzen, als Dinge an sich selbst, ungezweifelt gewiß, mithin, da man doch nicht einräumen kann, die Materie, ja gar selbst nicht einmal der Raum, bestehe aus unendlich viel Teilen (weil es ein Widerspruch ist, eine unendliche Menge, deren Begriff es schon mit sich führt, daß sie niemals vollendet vorgestellt werden könne, sich als ganz vollendet zu denken), so müsse man sich zu einem entschließen, entweder[59] dem Geometer zum Trotz zu sagen: der Raum ist nicht ins Unendliche teilbar, oder dem Metaphysiker zur Ärgernis: der Raum ist keine Eigenschaft eines Dinges an sich selbst, und also die Materie kein Ding an sich selbst, sondern bloße Erscheinung unserer äußeren Sinne überhaupt, so wie der Raum die wesentliche Form derselben.

Hier gerät nun der Philosoph in ein Gedränge zwischen den Hörnern eines gefährlichen Dilemms. Den ersteren Satz: daß der Raum ins Unendliche teilbar sei, abzuleugnen, ist ein leeres Unterfangen, denn Mathematik läßt sich nichts wegvernünfteln; Materie aber als Ding an sich selbst, mithin den Raum als Eigenschaft der Dinge an sich selbst ansehen, und dennoch jenen Satz ableugnen, ist einerlei. Er sieht sich also notgedrungen, von der letzteren Behauptung, so gemein und dem gemeinen Verstande gemäß sie auch sei, abzugehen, aber natürlicher Weise nur unter dem Beding, daß man ihn auf den Fall, daß er Materie und Raum nur zur Erscheinung (mithin letzteren nur zur Form unserer äußerer sinnlichen Anschauung, also beide nicht zu Sachen an sich, sondern nur zu subjektiven Vorstellungsarten uns an sich unbekannter Gegenstände) machte, alsdenn auch aus jener Schwierigkeit, wegen unendlicher Teilbarkeit der Materie, wobei sie doch nicht aus unendlich viel Teilen bestehe, heraushelfe. Dieses letztere läßt sich nun ganz wohl durch die Vernunft denken, obgleich unmöglich anschaulich machen und konstruieren. Denn, was nur dadurch wirklich ist, daß es in der Vorstellung gegeben ist, davon ist auch nicht mehr gegeben, als so viel in der Vorstellung angetroffen wird, d.i. so weit der Progressus der Vorstellungen reicht. Also von Erscheinungen, deren Teilung ins Unendliche geht, kann man nur sagen, daß der Teile der Erscheinung so viel sind, als wir deren nur geben, d.i. so weit wir nur immer teilen mögen. Denn die Teile, als zur Existenz einer Erscheinung gehörig, existieren nur in Gedanken, nämlich in der Teilung selbst. Nun geht zwar die Teilung ins Unendliche, aber sie ist doch niemals als unendlich gegeben: also folgt daraus nicht, daß das Teilbare eine unendliche Menge Teile an sich selbst und außer unserer[60] Vorstellung in sich enthalte, darum weil seine Teilung ins Unendliche geht. Denn es ist nicht das Ding, sondern nur diese Vorstellung desselben, deren Teilung, ob sie zwar ins Unendliche fortgesetzt werden kann, und im Objekte (das an sich unbekannt ist) dazu auch ein Grund ist, dennoch niemals vollendet, folglich ganz gegeben werden kann, und also auch keine wirkliche unendliche Menge im Objekte (als die ein ausdrücklicher Widerspruch sein würde) beweiset. Ein großer Mann, der, vielleicht mehr als sonst jemand, das Ansehen der Mathematik in Deutschland zu erhalten beiträgt, hat mehrmalen die metaphysischen Anmaßungen, Lehrsätze der Geometrie von der unendlichen Teilbarkeit des Raums umzustoßen, durch die gegründete Erinnerung abgewiesen: daß der Raum nur zu der Erscheinung äußerer Dinge gehöre; allein er ist nicht verstanden worden. Man nahm diesen Satz so, als ob er sagen wollte: der Raum erscheine uns selbst, sonst sei er eine Sache oder Verhältnis der Sachen an sich selbst, der Mathematiker betrachtete ihn aber nur, wie er erscheint; anstatt daß sie darunter hätten verstehen sollen, der Raum sei gar keine Eigenschaft, die irgend einem Dinge außer unseren Sinnen an sich anhängt, sondern nur die subjektive Form unserer Sinnlichkeit, unter welcher uns Gegenstände äußerer Sinne, die wir, wie sie an sich beschaffen sind, nicht kennen, erscheinen, welche Erscheinung wir denn Materie nennen. Bei jener Mißdeutung dachte man sich den Raum immer noch als eine den Dingen auch außer unserer Vorstellungskraft anhängende Beschaffenheit, die sich aber der Mathematiker nur nach gemeinen Begriffen, d.i. verworren denkt (denn so erklärt man gemein hin Erscheinung), und schrieb also den mathematischen Lehrsatz von der unendlichen Teilbarkeit der Materie, einen Satz, der die höchste Deutlichkeit in dem Begriffe des Raums voraussetzt, einer verworrenen Vorstellung vom Raume, die der Geometer zum Grunde legte, zu, wobei es denn dem Metaphysiker unbenommen blieb, den Raum aus Punkten und die Materie aus einfachen Teilen zusammen zu setzen und so (seiner Meinung nach) Deutlichkeit in diesen Begriff zu bringen. Der Grund dieser Verirrung[61] liegt in einer übelverstandenen Monadologie, die gar nicht zur Erklärung der Naturerscheinungen gehört, sondern ein von Leibnizen ausgeführter, an sich richtiger platonischer Begriff von der Welt ist, so fern sie, gar nicht als Gegenstand der Sinne, sondern als Ding an sich selbst betrachtet, bloß ein Gegenstand des Verstandes ist, der aber doch den Erscheinungen der Sinne zum Grunde liegt. Nun muß freilich das Zusammengesetzte der Dinge an sich selbst aus dem Einfachen bestehen; denn die Teile müssen hier vor aller Zusammensetzung gegeben sein. Aber das Zusammengesetzte in der Erscheinung besteht nicht aus dem Einfachen, weil in der Erscheinung, die niemals anders als zusammengesetzt (ausgedehnt) gegeben werden kann, die Teile nur durch Teilung und also nicht vor dem Zusammengesetzten, sondern nur in demselben gegeben werden können. Daher war Leibnizens Meinung, so viel ich einsehe, nicht, den Raum durch die Ordnung einfacher Wesen neben einander zu erklären, sondern ihm vielmehr diese als korrespondierend, aber zu einer bloß intelligibeln (für uns unbekannten) Welt gehörig zur Seite zu setzen, und nichts anders zu behaupten, als was anderwärts gezeigt worden, nämlich daß der Raum, samt der Materie, davon er die Form ist, nicht die Welt von Dingen an sich selbst, sondern nur die Erscheinung derselben enthalte, und selbst nur die Form unserer äußern sinnlichen Anschauung sei.


Lehrsatz 5

Die Möglichkeit der Materie erfodert eine Anziehungskraft als die zweite wesentliche Grundkraft derselben.


Beweis

Die Undurchdringlichkeit, als die Grundeigenschaft der Materie, wodurch sie sich als etwas Reales im Raume unseren äußeren Sinnen zuerst offenbaret, ist nichts, als das Ausdehnungsvermögen der Materie (Lehrsatz). Nun kann eine[62] wesentliche bewegende Kraft, dadurch die Teile der Materie einander fliehen, erstlich nicht durch sich selbst eingeschränkt werden, weil die Materie dadurch vielmehr bestrebt ist, den Raum, den sie erfüllt, kontinuierlich zu erweitern, zweitens auch nicht durch den Raum allein auf eine gewisse Grenze der Ausdehnung gesetzt werden; denn dieser kann zwar den Grund davon enthalten, daß bei Erweiterung des Volumens einer sich ausdehnenden Materie die ausdehnende Kraft in umgekehrtem Verhältnisse schwächer werde, aber, weil von einer jeden bewegenden Kraft ins Unendliche kleinere Grade möglich sind, niemals den Grund enthalten, daß sie irgendwo aufhöre. Also würde die Materie durch ihre repulsive Kraft (welche den Grund der Undurchdringlichkeit enthält) allein, und, wenn ihr nicht eine andere bewegende Kraft entgegenwirkte, innerhalb keinen Grenzen der Ausdehnung gehalten sein, d.i. sich ins Unendliche zerstreuen, und in keinem anzugebenden Raume würde eine anzugebende Quantität Materie anzutreffen sein. Folglich würden, bei bloß repellierenden Kräften der Materie, alle Räume leer, mithin eigentlich gar keine Materie dasein. Es erfodert also alle Materie zu ihrer Existenz Kräfte, die der ausdehnenden entgegengesetzt sind, d.i. zusammendrückende Kräfte. Diese können aber ursprünglich nicht wiederum in der Entgegenstrebung einer anderen Materie gesucht werden; denn diese bedarf, damit sie Materie sei, selbst einer zusammendrückenden Kraft. Also muß irgendwo eine ursprüngliche Kraft der Materie, welche in entgegengesetzter Direktion der repulsiven, mithin zur Annäherung wirkt, d.i. eine Anziehungskraft angenommen werden. Da nun diese Anziehungskraft zur Möglichkeit einer Materie, als Materie, überhaupt gehört, folglich vor allen Unterschieden derselben vorhergeht, so darf sie nicht bloß einer besonderen Gattung derselben, sondern muß jeder Materie überhaupt und zwar ursprünglich beigelegt werden. Also kommt aller Materie eine ursprüngliche Anziehung, als zu ihrem Wesen gehörige Grundkraft, zu.


Anmerkung

[63] Bei diesem Übergange von einer Eigenschaft der Materie zu einer andern spezifisch davon unterschiedenen, die zum Begriffe der Materie eben sowohl gehört, obgleich in demselben nicht enthalten ist, muß das Verhalten unseres Verstandes in nähere Erwägung gezogen werden. Wenn Anziehungskraft selbst zur Möglichkeit der Materie ursprünglich erfodert wird, warum bedienen wir uns ihrer nicht eben sowohl, als der Undurchdringlichkeit, zum ersten Kennzeichen einer Materie? warum wird die letztere unmittelbar mit dem Begriffe einer Materie gegeben, die erstere aber nicht in dem Begriffe gedacht, sondern nur durch Schlüsse ihm beigefügt? Daß unsere Sinne uns diese Anziehung nicht so unmittelbar wahrnehmen lassen, als die Zurückstoßung und das Widerstreben der Undurchdringlichkeit, kann die Schwierigkeit noch nicht hinlänglich beantworten. Denn, wenn wir auch ein solches Vermögen hätten, so ist doch leicht einzusehen, daß unser Verstand sich nichts destoweniger die Erfüllung des Raumes wählen würde, um dadurch die Substanz im Raume, d.i. die Materie zu bezeichnen, wie denn eben in dieser Erfüllung, oder, wie man sie sonst nennt, der Solidität das Charakteristische der Materie, als eines vom Raume unterschiedenen Dinges, gesetzt wird. Anziehung, wenn wir sie auch noch so gut empfänden, würde uns doch niemals eine Materie von bestimmten Volumen und Gestalt offenbaren, sondern nichts als die Bestrebung unseres Organs, sich einem Punkte außer uns (dem Mittelpunkt des anziehenden Körpers) zu nahem. Denn die Anziehungskraft aller Teile der Erde kann auf uns nichts mehr, auch nichts anderes wirken, als wenn sie gänzlich in dem Mittelpunkte derselben vereinigt wäre, und dieser allein auf unsern Sinn einflösse, eben so die Anziehung eines Berges, oder jeden Steins etc. Nun bekommen wir dadurch keinen bestimmten Begriff von irgend einem Objekte im Raume, da weder Gestalt, noch Größe, ja nicht einmal der Ort, wo er sich befände, in unsere Sinne fallen kann (die bloße Direktion der Anziehung würde wahrgenommen[64] werden können, wie bei der Schwere: der anziehende Punkt würde unbekannt sein, und ich sehe nicht einmal wohl ein, wie er selbst durch Schlüsse, ohne Wahrnehmung der Materie, so fern sie den Raum erfüllt, sollte ausgemittelt werden). Also ist klar: daß die erste Anwendung unserer Begriffe von Größen auf Materie, durch die es uns zuerst möglich wird, unsere äußere Wahrnehmungen in dem Erfahrungsbegriffe einer Materie als Gegenstandes überhaupt zu verwandeln, nur auf ihrer Eigenschaft, dadurch sie einen Raum erfüllt, gegründet sei, welche, vermittelst des Sinnes des Gefühls, uns die Größe und Gestalt eines Ausgedehnten, mithin von einem bestimmten Gegenstande im Raume einen Begriff verschafft, der allem übrigen, was man von diesem Dinge sagen kann, zum Grunde gelegt wird. Eben dieses ist ohne Zweifel die Ursache, weswegen man bei den klarsten anderweitigen Beweisen, daß Anziehung eben sowohl zu den Grundkräften der Materie gehören müsse, als Zurückstoßung, sich gleichwohl gegen die erstere so sehr sträubt, und gar keine bewegende Kräfte, als nur durch Stoß und Druck (beides vermittelst der Undurchdringlichkeit) einräumen will. Denn, wodurch der Raum erfüllet ist, das ist die Substanz, sagt man, und das hat auch seine gute Richtigkeit. Da aber diese Substanz ihr Dasein uns nicht anders, als durch den Sinn, wodurch wir ihre Undurchdringlichkeit wahrnehmen, nämlich das Gefühl, offenbart, mithin nur in Beziehung auf Berührung, deren Anfang (in der Annäherung einer Materie zur andern) der Stoß, die Fortdauer aber ein Druck heißt: so scheint es, als ob alle unmittelbare Wirkung einer Materie auf die andere niemals was anders, als Druck, oder Stoß sein könne, zwei Einflüsse, die wir allein unmittelbar empfinden können, dagegen Anziehung, die uns an sich entweder gar keine Empfindung, oder doch keinen bestimmten Gegenstand derselben geben kann, uns als Grundkraft so schwer in den Kopf will.


Lehrsatz 6

Durch bloße Anziehungskraft, ohne Zurückstoßung, ist keine Materie möglich.


Beweis

[65] Anziehungskraft ist die bewegende Kraft der Materie, wodurch sie eine andere treibt, sich ihr zu nähern, folglich, wenn sie zwischen allen Teilen der Materie angetroffen wird, ist die Materie vermittelst ihrer bestrebt, die Entfernung ihrer Teile von einander, mithin auch den Raum, den sie zusammen einnehmen, zu verringern. Nun kann nichts die Wirkung einer bewegenden Kraft hindern, als eine andere ihr entgegengesetzte bewegende Kraft; diese aber, welche der Attraktion entgegengesetzt ist, ist die repulsive Kraft. Also würden, ohne repulsive Kräfte durch bloße Annäherung, alle Teile der Materie sich ohne Hindernis einander nähern, und den Raum, den diese einnimmt, verringern. Da nun in dem angenommenen Falle keine Entfernung der Teile ist, in welcher eine größere Annäherung durch Anziehung vermittelst einer zurückstoßenden Kraft unmöglich gemacht wurde, so würden sie sich so lange zu einander bewegen, bis gar keine Entfernung zwischen ihnen angetroffen würde, d.i. sie würden in einen mathematischen Punkt zusammenfließen, und der Raum würde leer, mithin ohne alle Materie sein. Dennoch ist Materie durch bloße Anziehungskräfte ohne zurückstoßende unmöglich.


Zusatz

Diejenige Eigenschaft, auf welcher als Bedingung selbst die innere Möglichkeit eines Dinges beruht, ist ein wesentliches Stück derselben. Also gehört die Zurückstoßungskraft zum Wesen der Materie eben so wohl, wie die Anziehungskraft, und keine kann von der anderen im Begriff der Materie getrennt werden.




Anmerkung

Weil überall nur zwei bewegende Kräfte im Raum gedacht werden können, die Zurückstoßung und Anziehung, so war es, um beider ihre Vereinigung im Begriffe einer Materie[66] überhaupt a priori zu beweisen, vorher nötig, daß jede für sich allein erwogen würde, um zu sehen, was sie, allein genommen, zur Darstellung einer Materie leisten könnte. Es zeigt sich nun, daß, sowohl wenn man keine von beiden zum Grunde legt, als auch wenn man bloß eine von ihnen annimmt, der Raum allemal leer bleibe und keine Materie in demselben angetroffen werde.


Erklärung 6

Berührung im physischen Verstande ist die unmittelbare Wirkung und Gegenwirkung der Undurchdringlichkeit. Die Wirkung einer Materie auf die andere außer der Berührung ist die Wirkung in die Ferne (actio in distans). Diese Wirkung in die Ferne, die auch ohne Vermittelung zwischen inne liegender Materie möglich ist, heißt die unmittelbare Wirkung in die Ferne, oder auch die Wirkung der Materie auf einander durch den leeren Raum.


Anmerkung

Die Berührung in mathematischer Bedeutung ist die gemeinschaftliche Grenze zweier Räume, die also weder innerhalb dem einen, noch dem anderen Raume ist. Daher können gerade Linien einander nicht berühren, sondern, wenn sie einen Punkt gemein haben, so gehört er sowohl innerhalb die eine, als die andere dieser Linien, wenn sie fortgezogen werden, d.i. sie schneiden sich. Aber Zirkel und gerade Linie, Zirkel und Zirkel, berühren sich in einem Punkte, Flächen in einer Linie und Körper in Flächen. Die mathematische Berührung wird bei der physischen zum Grunde gelegt, aber sie macht sie allein noch nicht aus, zu ihr muß, damit die letztere daraus entspringe, noch ein dynamisches Verhältnis und zwar nicht der Anziehungskräfte, sondern der zurückstoßenden, d.i. der Undurchdringlichkeit hinzugedacht werden. Physische Berührung ist Wechselwirkung der repulsiven Kräfte in der gemeinschaftlichen Grenze zweier Materien.
[67]



Lehrsatz 7

Die aller Materie wesentliche Anziehung ist eine unmittelbare Wirkung derselben auf andere durch den leeren Raum.


Beweis

Die ursprüngliche Anziehungskraft enthält selbst den Grund der Möglichkeit der Materie, als desjenigen Dinges, was einen Raum in bestimmtem Grade erfüllt, mithin selbst sogar von der Möglichkeit einer physischen Berührung derselben. Sie muß also vor dieser vorhergehen, und ihre Wirkung muß folglich von der Bedingung der Berührung unabhängig sein. Nun ist die Wirkung einer bewegenden Kraft, die von aller Berührung unabhängig ist, auch von der Erfüllung des Raums zwischen dem Bewegenden und dem Bewegten unabhängig, d.i. sie muß auch, ohne daß der Raum zwischen beiden erfüllt ist, Statt finden, mithin als Wirkung durch den leeren Raum. Also ist die ursprüngliche und aller Materie wesentliche Anziehung eine unmittelbare Wirkung derselben auf andere durch den leeren Raum.


Anmerkung 1

Daß man die Möglichkeit der Grundkräfte begreiflich machen sollte, ist eine ganz unmögliche Foderung; denn sie heißen eben darum Grundkräfte, weil sie von keiner anderen abgeleitet, d.i. gar nicht begriffen werden können. Es ist aber die ursprüngliche Anziehungskraft nicht im mindesten unbegreiflicher, als die ursprüngliche Zurückstoßung. Sie bietet sich nur nicht so unmittelbar den Sinnen dar, als die Undurchdringlichkeit, uns Begriffe von bestimmten Objekten im Raume zu liefern. Weil sie also nicht gefühlt, sondern nur geschlossen werden will, so hat sie so fern den Anschein einer abgeleiteten Kraft, gleich als ob sie nur ein verstecktes Spiel der bewegenden Kräfte durch Zurückstoßung wäre. Näher erwogen sehen wir: daß sie gar nicht weiter irgend wovon abgeleitet werden könne, am wenigsten[68] von der bewegenden Kraft der Materien durch ihre Undurchdringlichkeit, da ihre Wirkung gerade das Widerspiel der letzteren ist. Der gemeinste Einwurf wider die unmittelbare Wirkung in die Ferne ist: daß eine Materie doch nicht da, wo sie nicht ist, unmittelbar wirken könne. Wenn die Erde den Mond unmittelbar treibt, sich ihr zu nähern, so wirkt die Erde auf ein Ding, das viele tausend Meilen von ihr entfernt ist, und dennoch unmittelbar; der Raum zwischen ihr und dem Monde mag auch als völlig leer angesehen werden. Denn obgleich zwischen beiden Körpern Materie läge, so tut diese doch nichts zu jener Anziehung. Sie wirkt also an einem Orte, wo sie nicht ist, unmittelbar: etwas was dem Anscheine nach widersprechend ist. Allein es ist so wenig widersprechend, daß man vielmehr sagen kann, ein jedes Ding im Raume wirkt auf ein anderes nur an einem Ort, wo das Wirkende nicht ist. Denn sollte es an demselben Orte, wo es selbst ist, wirken, so würde das Ding, worauf es wirkt, gar nicht außer ihm sein; denn dieses Außerhalb bedeutet die Gegenwart in einem Orte, darin das andere nichts ist. Wenn Erde und Mond einander auch berührten, so wäre doch der Punkt der Berührung ein Ort, in dem weder die Erde noch der Mond ist; denn beide sind um die Summe ihrer Halbmesser von einander entfernt. Auch würde im Punkte der Berührung so gar kein Teil, weder der Erde, noch des Mondes, anzutreffen sein, denn dieser Punkt liegt in der Grenze beider erfülleten Räume, die keinen Teil weder von dem einen noch dem anderen ausmacht. Daß also Materien in einander in der Entfernung nicht unmittelbar wirken können, würde so viel sagen, als: sie können in einander nicht unmittelbar wirken, ohne Vermittelung der Kräfte der Undurchdringlichkeit. Nun würde dieses eben so viel sein, als ob ich sagte: die repulsiven Kräfte sind die einzigen, damit Materien wirksam sein können, oder sie sind wenigstens die notwendigen Bedingungen, unter denen allein Materien auf einander wirken können, welches entweder die Anziehungskraft für ganz unmöglich oder doch immer von der Wirkung der repulsiven[69] Kräfte abhängig erklären würde; beides sind aber Behauptungen ohne allen Grund. Die Verwechselung der mathematischen Berührung der Räume und der physischen durch zurücktreibende Kräfte macht hier den Grund des Mißverstandes aus. Sich unmittelbar außer der Berührung anziehen heißt sich einander nach einem beständigen Gesetze nähern, ohne daß eine Kraft der Zurückstoßung dazu die Bedingung enthalte, welches doch eben so gut sich muß denken lassen, als einander unmittelbar zurückstoßen, d.i. sich einander nach einem beständigen Gesetze fliehen, ohne daß die Anziehungskraft daran irgend einigen Anteil habe. Denn beide bewegende Kräfte sind von ganz verschiedener Art, und es ist nicht der mindeste Grund dazu, eine von der anderen abhängig zu machen, und ihr, ohne Vermittelung der andern, die Möglichkeit abzustreiten.




Anmerkung 2

Aus der Anziehung in der Berührung kann ganz keine Bewegung entspringen; denn die Berührung ist Wechselwirkung der Undurchdringlichkeit, welche also alle Bewegung abhält. Also muß doch irgend eine unmittelbare Anziehung außer der Berührung und mithin in der Entfernung angetroffen werden; denn sonst könnten selbst die drückenden und stoßenden Kräfte, welche die Bestrebung zur Annäherung hervorbringen sollen, da sie in entgegengesetzter Richtung mit der repulsiven Kraft der Materie wirken, keine, wenigstens nicht in der Natur der Materie ursprünglich liegende, Ursache haben. Man kann diejenige Anziehung, die ohne Vermittelung der repulsiven Kräfte geschieht, die wahre Anziehung, diejenige, welche bloß auf jene Art vor sich geht, die scheinbare nennen; denn eigentlich übt der Körper, dem ein anderer sich bloß darum zu nähern bestrebt ist, weil dieser anderweitig durch Stoß zu ihm getrieben worden, gar keine Anziehungskraft auf diesen aus. Aber selbst diese scheinbare Anziehungen müssen doch zuletzt eine wahre zum Grunde haben, weil Materie, deren Druck[70] oder Stoß statt Anziehung dienen soll, ohne anziehende Kräfte nicht einmal Materie sein würde (Lehrsatz 5) und folglich die Erklärungsart aller Phänomenen der Annäherung durch bloß scheinbare Anziehung sich im Zirkel herumdreht. Man hält gemeiniglich dafür, Newton habe zu seinem System gar nicht nötig gefunden, eine unmittelbare Attraktion der Materien anzunehmen, sondern, mit der strengsten Enthaltsamkeit der reinen Mathematik, hierin den Physikern volle Freiheit gelassen, die Möglichkeit derselben zu erklären, wie sie es gut finden möchten, ohne seine Sätze mit ihrem Hypothesenspiel zu bemengen. Allein wie konnte er den Satz gründen, daß die allgemeine Anziehung der Körper, die sie in gleichen Entfernungen um sich ausüben, der Quantität ihrer Materie proportioniert sei, wenn er nicht annahm, daß alle Materie, mithin bloß als Materie und durch ihre wesentliche Eigenschaft, diese Bewegungskraft ausübe? Denn obgleich freilich zwischen zweien Körpern, sie mögen der Materie nach gleichartig sein, oder nicht, wenn der eine den anderen zieht, die wechselseitige Annäherung (nach dem Gesetze der Gleichheit der Wechselwirkung) immer in umgekehrtem Verhältnis der Quantität der Materie geschehen muß, so macht dieses Gesetz doch nur ein Prinzip der Mechanik, aber nicht der Dynamik, d.i. es ist ein Gesetz der Bewegungen, die aus anziehenden Kräften folgen, nicht der Proportion der Anziehungskräfte selbst, und gilt von allen bewegenden Kräften überhaupt. Wenn daher ein Magnet einmal durch einen anderen gleichen Magnet, ein andermal durch eben denselben, der aber in einer zweimal schwereren hölzernen Büchse eingeschlossen wäre, gezogen wird, so wird dieser im letzteren Falle dem ersteren mehr relative Bewegung erteilen, als im ersteren, obgleich das Holz, welches die Quantität der Materie des letzteren vermehrt, zur Anziehungskraft desselben gar nichts hinzutut und keine magnetische Anziehung der Büchse beweiset. Newton sagt (Cor. 2. Prop. 6. Lib. III. Princip. Phil. N.): ›wenn der Äther, oder irgend ein anderer Körper ohne Schwere wäre, so würde, da jener von jeder anderen Materie doch in nichts, als der Form, unterschieden[71] ist, er nach und nach durch allmähliche Veränderung dieser Form in eine Materie von der Art, wie die, so auf Erden die meiste Schwere haben, verwandelt werden können, und diese letztere also umgekehrt, durch allmähliche Veränderung ihrer Form, alle ihre Schwere verlieren können, welches der Erfahrung zuwider ist etc.‹ Er schloß also selbst nicht den Äther (wieviel weniger andere Materien) vom Gesetze der Anziehung aus. Was konnte ihm denn nun noch für eine Materie übrigbleiben, um durch deren Stoß die Annäherung der Körper zu einander als bloße scheinbare Anziehung anzusehen? Also kann man diesen großen Stifter der Attraktionstheorie nicht als seinen Vorgänger anführen, wenn man sich die Freiheit nimmt, der wahren Anziehung, die dieser behauptete, eine scheinbare zu unterschieben, und die Notwendigkeit des Antriebs durch den Stoß anzunehmen, um das Phänomen der Annäherung zu erklären. Er abstrahierte mit Recht von allen Hypothesen, die Frage wegen der Ursache der allgemeinen Attraktion der Materie zu beantworten; denn diese Frage ist physisch, oder metaphysisch, nicht aber mathematisch, und ob er gleich in der Vorerinnerung zur zweiten Ausgabe seiner Optik sagt: ne quis gravitatem inter essentiales corporum proprietates me habere existimet, quaestionem unam de eius causa investiganda subieci, so merkt man wohl, daß der Anstoß, den seine Zeitgenossen, und vielleicht er selbst, am Begriffe einer ursprünglichen Anziehung nahmen, ihn mit sich selbst uneinig machte: denn er konnte schlechterdings nicht sagen, daß sich die Anziehungskräfte zweier Planeten, z.B. des Jupiters und Saturns, die sie in gleichen Entfernungen ihrer Trabanten (deren Masse man nicht kennt) beweisen, wie die Quantität der Materie jener Weltkörper verhalten, wenn er nicht annahm, daß sie bloß als Materie, mithin nach einer allgemeinen Eigenschaft derselben, andere Materie anzögen.
[72]



Erklärung 7

Eine bewegende Kraft, dadurch Materien nur in der gemeinschaftlichen Fläche der Berührung unmittelbar auf einander wirken können, nenne ich eine Flächenkraft; diejenige aber, wodurch eine Materie auf die Teile der andern auch über die Fläche der Berührung hinaus unmittelbar wirken kann, eine durchdringende Kraft.


Zusatz

Die Zurückstoßungskraft, vermittelst deren die Materie einen Raum erfüllt, ist eine bloße Flächenkraft. Denn die einander berührende Teile begrenzen einer den Wirkungsraum der anderen, und die repulsive Kraft kann keinen entferntem Teil bewegen, ohne vermittelst der dazwischen liegenden, und eine quer durch diese gehende unmittelbare Wirkung einer Materie auf eine andere durch Ausdehnungskräfte ist unmöglich. Dagegen einer Anziehungskraft, vermittelst deren eine Materie einen Raum einnimmt, ohne ihn zu erfüllen, dadurch sie also auf andere entfernte wirkt durch den leeren Raum, deren Wirkung setzt keine Materie, die dazwischen liegt, Grenzen. So muß nun die ursprüngliche Anziehung, welche die Materie selbst möglich macht, gedacht werden, und also ist sie eine durchdringende Kraft, und dadurch allein jederzeit der Quantität der Materie proportioniert.


Lehrsatz 8

Die ursprüngliche Anziehungskraft, worauf selbst die Möglichkeit der Materie, als einer solchen beruht, erstreckt sich im Weltraume von jedem Teile derselben auf jeden andern unmittelbar ins Unendliche.


Beweis

Weil die ursprüngliche Anziehungskraft zum Wesen der Materie gehört, so kommt sie auch jedem Teil derselben zu,[73] nämlich unmittelbar auch in die Ferne zu wirken. Setzet nun: es sei eine Entfernung, über welche heraus sie sich nicht erstreckte, so würde diese Begrenzung der Sphäre ihrer Wirksamkeit entweder auf der innerhalb dieser Sphäre liegenden Materie, oder bloß auf der Größe des Raumes, auf welchen sie diesen Einfluß verbreitet, beruhen. Das erstere findet nicht statt; denn diese Anziehung ist eine durchdringende Kraft, und wirkt unmittelbar in der Entfernung, unerachtet aller dazwischen liegenden Materien, durch jeden Raum, als einen leeren Raum. Das zweite findet gleichfalls nicht statt. Denn, weil eine jede Anziehung eine bewegende Kraft ist, die einen Grad hat, unter dem ins Unendliche noch immer kleinere gedacht werden können: so würde in der größeren Entfernung zwar ein Grund liegen, den Grad der Attraktion, nach dem Maße der Ausbreitung der Kraft, in umgekehrtem Verhältnisse zu vermindern, niemals aber, sie völlig aufzuheben. Da nun also nichts ist, was die Sphäre der Wirksamkeit der ursprünglichen Anziehung jedes Teils der Materie irgendwo begrenzte, so erstreckt sie sich über alle anzugebende Grenzen auf jede andere Materie, mithin im Weltraume ins Unendliche.


Zusatz 1

Aus dieser ursprünglichen Anziehungskraft, als einer durchdringenden, von aller Materie, mithin in Proportion der Quantität derselben, ausgeübten, und auf alle Materie, in alle mögliche Weiten, ihre Wirkung erstreckenden Kraft, müßte nun, in Verbindung mit der ihr entgegenwirkenden, nämlich zurücktreibenden Kraft, die Einschränkung der letzteren, mithin die Möglichkeit eines in einem bestimmten Grade erfülleten Raumes, abgeleitet werden können, und so würde der dynamische Begriff der Materie, als des Beweglichen, das seinen Raum (in bestimmtem Grade) erfüllt, konstruiert werden. Aber hiezu bedarf man eines Gesetzes des Verhältnisses, sowohl der ursprünglichen Anziehung, als Zurückstoßung, in verschiedenen Entfernungen der Materie und ihrer Teile von einander, welches, da es nun lediglich[74] auf dem Unterschiede der Richtung dieser beiden Kräfte (da ein Punkt getrieben wird, sich entweder andern zu nähern, oder sich von ihnen zu entfernen) und auf der Größe des Raumes beruht, in den sich jede dieser Kräfte in verschiedenen Weiten verbreitet, eine reine mathematische Aufgabe ist, die nicht mehr für die Metaphysik gehört, selbst nicht, was die Verantwortung betrifft, wenn es etwa nicht gelingen sollte, den Begriff der Materie auf diese Art zu konstruieren. Denn sie verantwortet bloß die Richtigkeit der unserer Vernunfterkenntnis vergönneten Elemente der Konstruktion, die Unzulänglichkeit und die Schranken unserer Vernunft in der Ausführung verantwortet sie nicht.




Zusatz 2

Da alle gegebene Materie mit einem bestimmten Grade der repulsiven Kraft ihren Raum erfüllen muß, um ein bestimmtes materielles Ding auszumachen, so kann nur eine ursprüngliche Anziehung im Konflikt mit der ursprünglichen Zurückstoßung einen bestimmten Grad der Erfüllung des Raums, mithin Materie möglich machen; es mag nun sein, daß der erstere von der eigenen Anziehung der Teile der zusammengedrückten Materie unter einander, oder von der Vereinigung derselben mit der Anziehung aller Weltmaterie herrühre.

Die ursprüngliche Anziehung ist der Quantität der Materie proportional und erstreckt sich ins Unendliche. Also kann die dem Maße nach bestimmte Erfüllung eines Raumes durch Materie am Ende nur von der ins Unendliche sich erstreckenden Anziehung derselben bewirkt, und jeder Materie nach dem Maße ihrer Zurückstoßungskraft erteilt werden.

Die Wirkung von der allgemeinen Anziehung, die alle Materie auf alle und in allen Entfernungen unmittelbar ausübt, heißt die Gravitation; die Bestrebung, in der Richtung der größeren Gravitation sich zu bewegen, ist die Schwere. Die Wirkung von der durchgängigen repulsiven Kraft der Teile jeder gegebenen Materie heißt dieser ihre ursprüngliche Elastizität. Diese also und die Schwere[75] machen die einzigen a priori einzusehenden allgemeinen Charaktere der Materie, jene innerlich, diese im äußeren Verhältnisse aus; denn auf den Gründen beider beruht die Möglichkeit der Materie selbst: Zusammenhang, wenn er als die wechselseitige Anziehung der Materie, die lediglich auf die Bedingung der Berührung eingeschränkt ist, erklärt wird, gehört nicht zur Möglichkeit der Materie überhaupt, und kann daher a priori als damit verbunden nicht erkannt werden. Diese Eigenschaft würde also nicht metaphysisch, sondern physisch sein, und daher nicht zu unsern gegenwärtigen Betrachtungen gehören.


Anmerkung 1

Eine kleine Vorerinnerung zum Behufe des Versuchs einer solchen vielleicht möglichen Konstruktion kann ich doch nicht unterlassen beizufügen.

1) Von einer jeden Kraft, die in verschiedene Welten unmittelbar wirkt, und, in Ansehung des Grades, womit sie auf einen jeden in gewisser Weite gegebenen Punkt bewegende Kraft ausübet, nur durch die Größe des Raumes, in welchem sie sich ausbreiten muß, um auf jenen Punkt zu wirken, eingeschränkt wird, kann man sagen: daß sie in allen Räumen, in die sie sich verbreitet, so klein oder groß sie auch sein mögen, immer ein gleiches Quantum ausmache, daß aber der Grad ihrer Wirkung auf jenen Punkt in diesem Raume jederzeit im umgekehrten Verhältnis des Raumes stehe, in welchen sie sich hat verbreiten müssen, um auf ihn wirken zu können. So breitet sie z.B. von einem leuchtenden Punkt das Licht allerwärts in Kugelflächen aus, die mit den Quadraten der Entfernung immer wachsen, und das Quantum der Erleuchtung ist in allen diesen ins Unendliche größeren Kugelflächen im Ganzen immer dasselbe, woraus aber folgt: daß ein in dieser Kugelfläche angenommener gleicher Teil dem Grade nach desto weniger erleuchtet sein müsse, als jene Fläche der Verbreitung eben desselben Lichtquantum größer ist, und so bei allen anderen[76] Kräften und Gesetzen, nach welchen sie sich entweder in Flächen, oder auch körperlichen Raum verbreiten müssen, um ihrer Natur nach auf entfernte Gegenstände zu wirken. Es ist besser, die Verbreitung einer bewegenden Kraft aus einem Punkt in alle Weiten so vorzustellen, als auf die gewöhnliche Art, wie es unter andern in der Optik geschieht, durch von einem Mittelpunkt auseinanderlaufende Zirkelstrahlen. Denn da auf solche Art gezogene Linien niemals den Raum, durch den sie gehen, und also auch nicht die Fläche, auf die sie treffen, füllen können, so viel deren auch gezogen oder angelegt werden, welches die unvermeidliche Folge ihrer Divergenz ist, so geben sie nur zu beschwerlichen Folgerungen, diese aber zu Hypothesen Anlaß, die gar wohl vermieden werden könnten, wenn man bloß die Größe der ganzen Kugelfläche in Betrachtung zöge, die von derselben Quantität Licht gleichförmig erleuchtet werden soll, und den Grad der Erleuchtung derselben in jeder Stelle, wie natürlich, in umgekehrtem Verhältnisse ihrer Größe zum Ganzen nimmt, und so bei aller anderer Verbreitung einer Kraft durch Räume von verschiedener Größe.

2) Wenn die Kraft eine unmittelbare Anziehung in der Ferne ist, so muß um desto mehr die Richtungslinie der Anziehung nicht, als ob sie von dem ziehenden Punkte wie Strahlen ausliefen, sondern so, wie sie von allen Punkten der umgebenden Kugelfläche (deren Halbmesser jene gegebene Weite ist) zum ziehenden Punkt zusammenlaufen, vorgestellt werden. Denn selbst die Richtungslinie der Bewegung zum Punkte hin, der die Ursache und Ziel derselben ist, gibt schon den terminus a quo an, von wo die Linien anfangen müssen, nämlich von allen Punkten der Oberfläche, von dem sie zum ziehenden Mittelpunkte und nicht umgekehrt ihre Richtung haben: denn jene Größe der Fläche bestimmt allein die Menge der Linien, der Mittelpunkt läßt sie unbestimmt.4[77]

3) Wenn die Kraft eine unmittelbare Zurückstoßung ist, dadurch ein Punkt (in der bloß mathematischen Darstellung) einen Raum dynamisch erfüllt, und es ist die Frage, nach welchem Gesetze der unendlich kleinen Entfernungen (die hier den Berührungen gleich gelten) eine ursprüngliche repulsive Kraft (deren Einschränkung folglich lediglich auf dem Raum beruht, in dem sie verbreitet worden) in verschiedenen Entfernungen wirke: so kann man noch weniger diese Kraft durch divergierende Zurückstoßungsstrahlen aus dem angenommenen repellierenden Punkte vorstellig machen, obgleich die Richtung der Bewegung ihn zum terminus a quo hat, weil der Raum, in welchem die Kraft verbreitet werden muß, um in der Entfernung zu wirken, ein[78] körperlicher Raum ist, der als erfüllt gedacht werden soll (wovon die Art, wie nämlich ein Punkt durch bewegende Kraft dieses, d.i. dynamisch, einen Raum körperlich erfüllen könne, freilich keiner weiteren mathematischen Darstellung fähig ist), und divergierende Strahlen aus einem Punkte die repellierende Kraft eines körperlichen erfülleten Raumes unmöglich vorstellig machen können: sondern man würde die Zurückstoßung, bei verschiedenen unendlich kleinen Entfernungen dieser einander treibenden Punkte, schlechterdings bloß in umgekehrtem Verhältnisse der körperlichen Räume, die jeder dieser Punkte dynamisch erfüllt, mithin des Kubus der Entfernungen derselben von einander, schätzen, ohne sie konstruieren zu können.

4) Also würde die ursprüngliche Anziehung der Materie in umgekehrtem Verhältnis der Quadrate der Entfernung in alle Weiten, die ursprüngliche Zurückstoßung in umgekehrtem Verhältnis der Würfel der unendlich kleinen Entfernungen wirken, und durch eine solche Wirkung und Gegenwirkung beider Grundkräfte würde Materie von einem bestimmten Grade der Erfüllung ihres Raumes möglich sein; weil, da die Zurückstoßung bei Annäherung der Teile in größerem Maße wächst, als die Anziehung, die Grenze der Annäherung, über die durch gegebene Anziehung keine größere möglich ist, mithin auch jener Grad der Zusammendrückung bestimmt ist, der das Maß der intensiven Erfüllung des Raumes ausmacht.


Anmerkung 2

Ich sehe wohl die Schwierigkeit dieser Erklärungsart der Möglichkeit einer Materie überhaupt, die darin besteht, daß, wenn ein Punkt durch repulsive Kraft unmittelbar keinen anderen treiben kann, ohne zugleich den ganzen körperlichen Raum bis zu der gegebenen Entfernung durch seine Kraft zu erfüllen, dieser alsdenn, wie zu folgen scheint, mehrere treibende Punkte enthalten müßte, welches der Voraussetzung widerspricht, und oben (Lehrsatz 4), unter dem Namen einer Sphäre der Zurückstoßung des Einfachen[79] im Raume, widerlegt waren. Es ist aber ein Unterschied zwischen dem Begriffe eines wirklichen Raumes, der gegeben werden kann, und der bloßen Idee von einem Raume, der lediglich zur Bestimmung des Verhältnisses gegebener Räume gedacht wird, in der Tat aber kein Raum ist, zu machen. In dem angeführten Falle einer vermeinten physischen Monadologie sollten es wirkliche Räume sein, welche von einem Punkte dynamisch, nämlich durch Zurückstoßung, erfüllt wären; denn sie existierten, als Punkte, vor aller daraus möglichen Erzeugung der Materie, und bestimmten durch die ihnen eigene Sphäre ihrer Wirksamkeit den Teil des zu erfüllenden Raumes, der ihnen angehören könnte. Daher kann in gedachter Hypothese die Materie auch nicht als ins Unendliche teilbar und als quantum continuum angesehen werden; denn die Teile, die unmittelbar einander zurückstoßen, haben doch eine bestimmte Entfernung von einander (die Summe der Halbmesser der Sphäre ihrer Zurückstoßung); dagegen, wenn wir, wie es wirklich geschieht, die Materie als stetige Größe denken, ganz und gar keine Entfernung der einander unmittelbar zurückstoßenden Teile stattfindet, folglich auch keine größer oder kleiner werdende Sphäre ihrer unmittelbaren Wirksamkeit. Nun können sich aber Materien ausdehnen, oder zusammengedrückt werden (wie die Luft), und da stellt man sich eine Entfernung ihrer nächsten Teile vor, die da wachsen und abnehmen können. Weil aber die nächsten Teile einer stetigen Materie einander berühren, sie mag nun weiter ausgedehnt oder zusammengedrückt sein, so denkt man sich jene Entfernungen von einander als unendlich-klein, und diesen unendlich kleinen Raum als im größeren oder kleineren Grade von ihrer Zurückstoßungskraft erfüllt vor. Der unendlich kleine Zwischenraum ist aber von der Berührung gar nicht unterschieden, also nur die Idee vom Raume, die dazu dient, um die Erweiterung einer Materie, als stetiger Größe, anschaulich zu machen, ob sie zwar wirklich, so, gar nicht begriffen werden kann.[80] Wenn es also heißt: die zurückstoßenden Kräfte der einander unmittelbar treibenden Teile der Materie stehen in umgekehrtem Verhältnisse der Würfel ihrer Entfernungen, so bedeutet das nur: sie stehen in umgekehrtem Verhältnisse der körperlichen Räume, die man sich zwischen Teilen denkt, die einander dennoch unmittelbar berühren, und deren Entfernung eben darum unendlich klein genannt werden muß, damit sie von aller wirklichen Entfernung unterschieden werde. Man muß also aus den Schwierigkeiten der Konstruktion eines Begriffs, oder vielmehr aus der Mißdeutung derselben, keinen Einwurf wider den Begriff selber machen; denn sonst würde er die mathematische Darstellung der Proportion, mit welcher die Anziehung in verschiedenen Entfernungen geschieht, eben so wohl, als diejenigen, wodurch ein jeder Punkt in einem sich ausdehnenden oder zusammengedrückten Ganzen von Materie den andern unmittelbar zurückstößt, treffen. Das allgemeine Gesetz der Dynamik würde in beiden Fällen dieses sein: die Wirkung der bewegenden Kraft, die von einem Punkte auf jeden anderen außer ihm ausgeübt wird, verhält sich umgekehrt wie der Raum, in welchem dasselbe Quantum der bewegenden Kraft sich hat ausbreiten müssen, um auf diesen Punkt unmittelbar in der bestimmten Entfernung zu wirken.

Aus dem Gesetze der ursprünglich einander zurückstoßenden Teile der Materie in umgekehrtem kubischen Verhältnisse ihrer unendlich kleinen Entfernungen müßte also notwendig ein ganz anderes Gesetz der Ausdehnung und Zusammendrückung derselben, als das Mariottische der Luft, folgen; denn dieses beweiset fliehende Kräfte ihrer nächsten Teile, die in umgekehrtem Verhältnisse ihrer Entfernungen stehen, wie Newton dartut (Princ. Ph. N. Lib. II. Propos. 23. Schol.). Allein man kann die Ausspannungskraft der letzteren auch nicht als die Wirkung ursprünglich zurückstoßender Kräfte ansehen, sondern sie beruht auf der Wärme, die nicht bloß als eine in sie eingedrungene Materie, sondern allem Ansehen nach durch ihre Erschütterungen die eigentlichen Luftteile (denen man überdem wirkliche Entfernungen von einander zugestehen kann)[81] nötigt, einander zu fliehen. Daß aber diese Bebungen der einander nächsten Teile eine Fliehkraft, die in umgekehrtem Verhältnisse ihrer Entfernungen steht, erteilen müsse, läßt sich nach den Gesetzen der Mitteilung der Bewegung durch Schwingung elastischer Materien wohl begreiflich machen.

Noch erkläre ich, daß ich nicht wolle, daß gegenwärtige Exposition des Gesetzes einer ursprünglichen Zurückstoßung als zur Absicht meiner metapyhsischen Behandlung der Materie notwendig gehörig angesehen, noch die letztere (welcher es genug ist, die Erfüllung des Raums als dynamische Eigenschaft derselben dargestellt zu haben) mit den Streitigkeiten und Zweifeln, welche die erste treffen könnten, bemengt werde.




Allgemeiner Zusatz zur Dynamik

Wenn wir nach allen Verhandlungen derselben zurücksehen, so werden wir bemerken: daß darin zuerst das Reelle im Raume (sonst genannt das Solide), in der Erfüllung desselben durch Zurückstoßungskraft, zweitens das, was in Ansehung des ersteren, als des eigentlichen Objekts unserer äußeren Wahrnehmung, negativ ist, nämlich die Anziehungskraft, durch welche, so viel an ihr ist, aller Raum würde durchdrungen, mithin das Solide gänzlich aufgehoben werden, drittens die Einschränkung der ersteren Kraft durch die zweite und die daher rührende Bestimmung des Grades einer Erfüllung des Raumes in Betrachtung gezogen, mithin die Qualität der Materie unter den Titeln der Realität, Negation und Limitation, so viel es einer metaphysischen Dynamik zukommt, vollständig abgehandelt worden.




Allgemeine Anmerkung zur Dynamik

Das allgemeine Prinzip der Dynamik der materiellen Natur ist: daß alles Reale der Gegenstände äußerer Sinne, die[82] das, was nicht bloß Bestimmung des Raums (Ort, Ausdehnung und Figur) ist, als bewegende Kraft angesehen werden müsse; wodurch also das so genannte Solide oder die absolute Undurchdringlichkeit, als ein leerer Begriff, aus der Naturwissenschaft verwiesen und an ihrer Statt zurücktreibende Kraft gesetzt, dagegen aber die wahre und unmittelbare Anziehung gegen alle Vernünfteleien einer sich selbst mißverstehenden Metaphysik verteidigt, und, als Grundkraft, selbst zur Möglichkeit des Begriffs von Materie für notwendig erklärt wird. Hieraus entspringt nun die Folge: daß der Raum, wenn man es nötig finden sollte, auch ohne leere Zwischenräume innerhalb der Materie auszustreuen, allenfalls durchgängig und gleichwohl in verschiedenem Grade erfüllt angenommen werden könne. Denn es kann nach dem ursprünglich verschiedenen Grade der repulsiven Kräfte, auf denen die erste Eigenschaft der Materie, nämlich die, einen Raum zu erfüllen, beruht, ihr Verhältnis zur ursprünglichen Anziehung (es sei einer jeden Materie für sich selbst, oder zur vereinigten Anziehung aller Materie des Universum) unendlich verschieden gedacht werden; weil die Anziehung auf der Menge der Materie in einem gegebenen Raume beruht, da hingegen die expansive Kraft derselben auf dem Grade, ihn zu erfüllen, der spezifisch sehr unterschieden sein kann (wie etwa dieselbe Quantität Luft in demselben Volumen nach ihrer größeren oder minderen Erwägung mehr oder weniger Elastizität beweiset); wovon der allgemeine Grund dieser ist: daß durch wahre Anziehung alle Teile der Materie unmittelbar auf alle Teile der andern, durch expansive Kraft aber nur die in der Berührungsfläche wirken, wobei es einerlei ist, ob hinter dieser viel oder wenig von dieser Materie angetroffen werde. Hieraus allein entspringt nun schon ein großer Vorteil für die Naturwissenschaft, weil ihr dadurch die Last abgenommen wird, aus dem Vollen und Leeren eine Welt bloß nach der Phantasie zu zimmern, vielmehr alle Räume voll und doch in verschiednem Maße erfüllt gedacht werden können, wodurch[83] der leere Raum wenigstens seine Notwendigkeit verliert und auf den Wert einer Hypothese zurückgesetzt wird, da er sonst, unter dem Verwande einer zu Erklärung der verschiedentlichen Grade der Erfüllung des Raums notwendigen Bedingung, sich des Titels eines Grundsatzes anmaßen konnte.

Bei allem diesem ist der Vorteil einer hier methodisch-gebrauchten Metaphysik, in Abstellung gleichfalls metaphysischer, aber nicht auf die Probe der Kritik gebrachter Prinzipien, augenscheinlich nur negativ. Indirekt wird gleichwohl dadurch dem Naturforscher sein Feld erweitert; weil die Bedingungen, durch die er es vorher selbst einschränkte, und wodurch alle ursprüngliche Bewegungskräfte wegphilosophiert wurden, jetzt ihre Gültigkeit verlieren. Man hüte sich aber, über das, was den allgemeinen Begriff einer Materie überhaupt möglich macht, hinaus zu gehen, und die besondere oder so gar spezifische Bestimmung und Verschiedenheit derselben a priori erklären zu wollen. Der Begriff der Materie wird auf lauter bewegende Kräfte zurückgeführt, welches man auch nicht anders erwarten konnte, weil im Raume keine Tätigkeit, keine Veränderung, als bloß Bewegung gedacht werden kann. Allein wer will die Möglichkeit der Grundkräfte einsehen? sie können nur angenommen werden, wenn sie zu einem Begriff, von dem es erweislich ist, daß er ein Grundbegriff sei, der von keinem anderen weiter abgeleitet werden kann (wie der der Erfüllung des Raums), unvermeidlich gehören, und dieses sind Zurückstoßungs- und ihnen entgegenwirkende Anziehungskräfte überhaupt. Von dieser ihren Verknüpfung und Folgen können wir allenfalls noch wohl a priori urteilen, welche Verhältnisse derselben untereinander man sich, ohne sich selbst zu widersprechen, denken könne, aber sich darum doch nicht anmaßen, eine derselben als wirklich anzunehmen, weil zur Befugnis, eine Hypothese zu errichten, unnachlaßlich gefodert wird: daß die Möglichkeit dessen, was man annimmt, völlig gewiß sei, bei Grundkräften aber die Möglichkeit derselben niemals eingesehen werden kann. Und hierin hat die mathematisch-mechanische Erklärungsart über die metaphysisch-dynamische einen Vorteil, der ihr[84] nicht abgewonnen werden kann, nämlich aus einem durchgehends gleichartigen Stoffe, durch die mannigfaltige Gestalt der Teile, vermittelst eingestreuter leerer Zwischenräume, eine große spezifische Mannigfaltigkeit der Materien, so wohl ihrer Dichtigkeit, als Wirkungsart nach, (wenn fremde Kräfte hinzukommen) zu Stande zu bringen. Denn die Möglichkeit der Gestalten sowohl als der leeren Zwischenräume läßt sich mit mathematischer Evidenz dartun; dagegen, wenn der Stoff selbst in Grundkräfte verwandelt wird (deren Gesetze a priori zu bestimmen, noch weniger aber eine Mannigfaltigkeit derselben, welche zu Erklärung der spezifischen Verschiedenheit der Materie zureichte, zuverlässig anzugeben, wir nicht im Stande sind), uns alle Mittel abgehen, diesen Begriff der Materie zu konstruieren, und, was wir allgemein dachten, in der Anschauung als möglich darzustellen. Aber jenen Vorteil büßet dagegen eine bloß mathematische Physik auf der anderen Seite doppelt ein, indem sie erstlich einen leeren Begriff (der absoluten Undurchdringlichkeit) zum Grunde legen, zweitens alle der Materie eigene Kräfte aufgeben muß, und überdem noch mit ihren ursprünglichen Konfigurationen des Grundstoffs und Einstreuung der leeren Räume, nachdem es das Bedürfnis zu erklären erfodert, der Einbildungskraft im Felde der Philosophie mehr Freiheit, ja gar rechtmäßigen Anspruch verstatten muß, als sich wohl mit der Behutsamkeit der letzteren zusammen reimen läßt.

Statt einer hinreichenden Erklärung der Möglichkeit der Materie und ihrer spezifischen Verschiedenheit aus jenen Grundkräften, die ich nicht zu leisten vermag, will ich die Momente, worauf ihre spezifische Verschiedenheit sich insgesamt a priori bringen (obgleich nicht eben so ihrer Möglichkeit nach begreifen) lassen muß, wie ich hoffe, vollständig darstellen. Die zwischen die Definitionen geschobene Anmerkungen werden die Anwendung derselben erläutern.

1. Ein Körper, in physischer Bedeutung, ist eine Materie zwischen bestimmten Grenzen (die also eine Figur hat). Der Raum zwischen diesen Grenzen, seiner Größe nach betrachtet, ist der Raumesinhalt[85] (volumen). Der Grad der Erfüllung eines Raumes von bestimmtem Inhalt heißt Dichtigkeit. (Sonst wird der Ausdruck dicht auch absolut gebraucht, für das, was nicht hohl (blasicht, löchericht) ist.) In dieser Bedeutung gibt es eine absolute Dichtigkeit in dem System der absoluten Undurchdringlichkeit, und zwar, wenn eine Materie gar keine leere Zwischenräume enthält. Nach diesem Begriffe von Erfüllung des Raumes stellt man Vergleichungen an, und nennt eine Materie dichter als die andere, die weniger Leeres in sich enthält, bis endlich die, in der kein Teil des Raumes leer ist, vollkommen dicht heißt. Des letzteren Ausdrucks kann man sich nur nach dem bloß mathematischen Begriffe der Materie bedienen, allein im dynamischen System einer bloß relativen Undurchdringlichkeit gibt es kein Maximum oder Minimum der Dichtigkeit, und gleichwohl kann jede noch so dünne Materie doch völlig dicht heißen, wenn sie ihren Raum ganz erfüllt, ohne leere Zwischenräume zu enthalten, mithin ein Kontinuum, nicht ein Interruptum ist; allein sie ist doch in Vergleichung mit einer andern weniger dicht, in dynamischer Bedeutung, wenn sie ihren Raum zwar ganz, aber nicht in gleichem Grade erfüllt. Allein auch in dem letzteren System ist es unschicklich, sich ein Verhältnis der Materien ihrer Dichtigkeit nach zu denken, wenn man sie sich nicht untereinander als spezifisch gleichartig vorstellt, so daß eine aus der andern durch bloße Zusammendrückung erzeugt werden kann. Da nun das letztere nicht eben notwendig zur Natur aller Materie an sich erforderlich zu sein scheint, so kann zwischen ungleichartigen Materien keine Vergleichung in Ansehung ihrer Dichtigkeit füglich stattfinden, z.B. zwischen Wasser und Quecksilber, obzwar es im Gebrauche ist.

2. Anziehung, so fern sie bloß als in der Berührung wirksam gedacht wird, heißt Zusammenhang. (Zwar tut man durch sehr gute Versuche dar, daß dieselbe Kraft, die in der Berührung Zusammenhang heißt, auch in sehr kleiner Entfernung wirksam befunden werde; allein die Anziehung heißt doch nur Zusammenhang, so fern ich sie bloß in der Berührung denke, der gemeinen Erfahrung[86] gemäß, bei welcher sie in kleinen Entfernungen kaum wahrgenommen wird. Zusammenhang wird gemeinhin für eine ganz allgemeine Eigenschaft der Materie angenommen, nicht, als ob man zu ihr schon durch den Begriff einer Materie geleitet würde, sondern weil die Erfahrung sie allerwärts dartut. Allein diese Allgemeinheit muß nicht kollektiv verstanden werden, als ob jede Materie durch diese Art der Anziehung auf jede andere im Weltraume zugleich wirkte – dergleichen die der Gravitation ist –, sondern bloß disjunktiv, nämlich auf eine oder die andere, von welcher Art Materien sie auch sein mag, die mit ihr in Berührung kommt. Um deswillen, und da diese Anziehung, wie es verschiedene Beweisgründe dartun können, nicht durchdringend, sondern nur Flächenkraft ist, da sie selbst als solche nicht einmal allerwärts nach der Dichtigkeit sich richtet, da zur völligen Stärke des Zusammenhanges ein vorhergehender Zustand der Flüssigkeit der Materien und der nachmaligen Erstarrung derselben erfoderlich ist und die allergenauste Berührung gebrochener fester Materien in eben denselben Flächen, mit denen sie vorher so stark zusammenhingen, z.B. eines Spiegelglases, wo es einen Riß hat, dennoch bei weitem den Grad der Anziehung nicht mehr verstattet, den es von seiner Erstarrung nach dem Flusse her hatte, so halte ich diese Attraktion in der Berührung für keine Grundkraft der Materie, sondern eine nur abgeleitete; wovon weiter unten ein Mehreres.) Eine Materie, deren Teile, unerachtet ihres noch so starken Zusammenhanges unter einander, dennoch von jeder noch so kleinen bewegenden Kraft an einander können verschoben werden, ist flüssig. Teile einer Materie werden aber an einander verschoben, wenn sie, ohne das Quantum der Berührung zu vermindern, nur genötigt werden, diese unter einander zu verwechseln. Teile, mithin auch Materien, werden getrennt, wenn die Berührung nicht bloß mit andern verwechselt, sondern aufgehoben, oder ihr Quantum vermindert wird. Ein fester – besser ein starrer Körper (corpus rigidum) [87] ist der, dessen Teile nicht durch jede Kraft an einander verschoben werden können – die folglich mit einem gewissen Grade von Kraft dem Verschieben widerstehen. – Das Hindernis des Verschiebens der Materien an einander ist die Reibung. Der Widerstand gegen die Trennung sich berührender Materien ist der Zusammenhang. Flüssige Materien erleiden also in ihrer Teilung keine Reibung, sondern, wo diese angetroffen wird, werden die Materien als starr – in größerem oder minderem Grade, deren die letzte Klebrigkeit (viscositas) heißt, wenigstens ihren kleineren Teilen nach, angenommen. Der starre Körper ist spröde, wenn seine Teile nicht können an einander verschoben werden, ohne zu reißen – mithin wenn der Zusammenhang derselben nicht kann verändert, ohne zugleich aufgehoben zu werden. (Man setzt sehr unrichtig den Unterschied der flüssigen und festen Materien in dem verschiedenen Grade des Zusammenhanges ihrer Teile. Denn, um eine Materie flüssig zu nennen, kommt es nicht auf den Grad des Widerstandes an, den sie dem Zerreißen, sondern nur dem Vorschieben ihrer Teile an einander entgegensetzt. Jener kann so groß sein, als man will, so ist dieser doch jederzeit in einer flüssigen Materie = 0. Man betrachte einen Tropfen Wasser. Wenn ein Teilchen innerhalb demselben durch eine noch so große Attraktion der Nebenteile, die es berühren, nach der einen Seite gezogen wird, so wird eben dasselbe doch auch gerade eben so viel nach der entgegengesetzten gezogen, und, da die Attraktionen beiderseitig ihre Wirkungen aufheben, ist das Partikelchen eben so leicht beweglich, als ob es im leeren Raume sich befände, nämlich die Kraft, die es bewegen soll, hat keinen Zusammenhang zu überwinden, sondern nur die sogenannte Trägheit, die sie bei aller Materie, wenn sie gleich gar nicht womit zusammenhinge, überwinden müßte. Daher wird ein kleines mikroskopisches Tierchen sich so leicht darin bewegen, als ob gar kein Zusammenhang zu trennen wäre. Denn es hat wirklich keinen Zusammenhang des Wassers[88] aufzuheben und die Berührung desselben unter sich zu vermindern, sondern nur zu verändern. Denket euch aber eben dieses Tierchen, als ob es sich durch die äußere Oberfläche des Tropfens durcharbeiten wollte, so ist erstlich zu merken, daß die wechselseitige Anziehung der Teile dieses Wasserklümpchens es macht, daß sie sich so lange bewegen, bis sie in die größte Berührung untereinander, mithin in die kleinste Berührung mit dem leeren Raum gekommen sind, d.i. eine Kugelgestalt gebildet haben. Wenn nun das genannte Insekt sich über die Oberfläche des Tropfens hinaus zu arbeiten bestrebt ist, so muß es die Kugelgestalt verändern, folglich mehr Berührung des Wassers mit dem leeren Raum und also auch weniger Berührung der Teile desselben untereinander bewirken, d.i. ihren Zusammenhang vermindern, und da widersteht ihm das Wasser allererst durch seinen Zusammenhang, aber nicht innerhalb dem Tropfen, wo die Berührung der Teile untereinander gar nicht vermindert, sondern nur in die Berührung mit andern Teilen verändert wird, mithin diese nicht im mindesten getrennt, sondern nur verschoben worden. Auch kann man auf das mikroskopische Tierchen und zwar aus ähnlichen Gründen anwenden, was Newton vom Lichtstrahl sagt, daß er nicht durch die dichte Materie, sondern nur durch den leeren Raum zurückgeschlagen werde. Es ist also klar: daß die Vergrößerung des Zusammenhanges der Teile einer Materie ihrer Flüssigkeit nicht den mindesten Abbruch tue. Wasser hängt in seinen Teilen weit stärker zusammen, als man gemeiniglich glaubt, wenn man sich auf den Versuch einer von der Oberfläche des Wassers losgerissenen metallenen Platte verläßt, welcher nichts entscheidet, weil hier das Wasser nicht in der ganzen Fläche der ersten Berührung, sondern in einer viel kleineren reißt, zu welcher es nämlich durch das Verschieben seiner Teile endlich gelangt ist, wie etwa ein Stab von weichem Wachse sich durch ein angehängt Gewichte erstlich dünner ziehen läßt, und alsdenn in einer weit kleineren Fläche reißen muß, als man anfänglich annahm. Was aber in Ansehung unsers Begriffs der Flüssigkeit ganz entscheidend ist, ist dieses: daß flüssige Materien auch als solche[89] erklärt werden können, deren jeder Punkt nach allen Direktionen mit eben derselben Kraft sich zu bewegen trachtet, mit welcher er nach irgend einer gedrückt wird; eine Eigenschaft, auf der das erste Gesetz der Hydrodynamik beruht, die aber einer Anhäufung von glatten und dabei festen Körperchen, wie eine ganz leichte Auflösung ihres Drucks nach Gesetzen der zusammengesetzten Bewegung zeigen kann, niemals beigelegt werden kann, und dadurch die Originalität der Eigenschaft der Flüssigkeit beweiset. Würde nun die flüssige Materie das mindeste Hindernis des Verschiebens, mithin auch nur die kleinste Reibung erleiden, so würde diese mit der Stärke des Druckes, womit die Teile derselben an einander gepreßt werden, wachsen und endlich ein Druck stattfinden, bei welchem die Teile dieser Materie sich nicht an einander durch jede kleine Kraft verschieben lassen; z.B. in einer gebogenen Röhre von zwei Schenkeln, deren der eine so weit sein mag, als man will, der andere so enge als man will, außer daß er nur nicht ein Haarröhrchen ist, – würde, wenn man beide Schenkel einige hundert Fuß hoch denkt, die flüssige Materie in der engen eben so hoch stehen als in der weiten, nach Gesetzen der Hydrostatik. Weil aber der Druck auf den Boden der Röhren und also auch auf den Teil, der beide in Gemeinschaft stehende Röhren verbindet, in Proportion der Höhen ins Unendliche immer großer gedacht werden kann, so müßte, wenn die mindeste Reibung zwischen den Teilen des Flüssigen stattfände, eine Höhe der Röhren gefunden werden können, bei der eine kleine Quantität Wasser, in die engere Röhre gegossen, das in der weiteren nicht aus seiner Lage verrücken, mithin die Wassersäule in dieser höher zu stehen kommen würde, als in jener, weil sich die unteren Teile, bei so großem Drucke derselben gegen einander, nicht mehr durch so kleine bewegende Kraft, als das zugesetzte Gewicht Wasser ist, verschieben ließen, welches der Erfahrung und selbst dem Begriffe des Flüssigen zuwider ist. Eben dasselbe gilt, wenn man statt des Drucks durch die Schwere den Zusammenhang der Teile setzt, er mag so groß sein wie er will. Die angeführte zweite[90] Definition der Flüssigkeit, worauf das Grundgesetz der Hydrostatik beruht, nämlich daß sie die Eigenschaft einer Materie sei, da ein jeder Teil derselben sich nach allen Seiten mit eben derselben Kraft zu bewegen bestrebt ist, womit er in einer gegebenen Direktion gedrückt wird, folgt aus der ersten Definition, wenn man damit den Grundsatz der allgemeinen Dynamik verbindet, daß alle Materie ursprünglich elastisch sei, da denn diese nach jeder Seite des Raums, darin sie zusammengedrückt ist, mit derselben Kraft sich zu erweitern, d.i. (wenn die Teile einer Materie sich an einander durch jede Kraft ohne Hindernis verschieben lassen, wie es bei der flüssigen so wirklich ist) sich zu bewegen bestrebt sein muß, womit der Druck in einer jeden Richtung, welche es auch sei, geschiehet. Also sind es eigentlich nur die starren Materien (deren Möglichkeit noch außer dem Zusammenhange der Teile eines anderen Erklärungsgrundes bedarf), denen man Reibung beilegen darf, und die Reibung setzt schon die Eigenschaft der Rigidität voraus. Warum aber gewisse Materien, ob sie gleich vielleicht nicht größere, vielleicht wohl gar kleinere Kraft des Zusammenhanges haben, als andere flüssige, dennoch dem Verschieben der Teile so mächtig widerstehen, und daher nicht anders, als durch Aufhebung des Zusammenhanges aller Teile in einer gegebenen Fläche zugleich, sich trennen lassen, welches denn den Schein eines vorzüglichen Zusammenhanges gibt, wie also starre Körper möglich sein, das ist immer noch ein unaufgelösetes Problem, so leicht als auch die gemeine Naturlehre damit fertig zu werden glaubt.)

3. Elastizität (Springkraft) ist das Vermögen einer Materie, ihre durch eine andere bewegende Kraft veränderte Größe oder Gestalt bei Nachlassung derselben wiederum anzunehmen. Sie ist entweder expansive, oder attraktive Elastizität; jene, um nach der Zusammendrückung das vorige größere, diese, um nach der Ausdehnung das vorige kleinere Volumen anzunehmen. (Die attraktive Elastizität ist, wie es schon der Ausdruck zeigt, offenbar abgeleitet. Ein eiserner Draht, durch angehängte Gewichte gedehnt, springt, wenn man das Band[91] abschneidet, in sein Volumen zurück. Vermöge derselben Attraktion, die die Ursache seines Zusammenhanges ist, oder bei flüssigen Materien, wenn die Wärme dem Quecksilber plötzlich entzogen würde, würde die Materie desselben eilen, um das vorige kleinere Volumen wieder anzunehmen. Die Elastizität, die bloß in Herstellung der vorigen Figur besteht, ist jederzeit attraktiv, wie an einer gebogenen Degenklinge, da die Teile, auf der konvexen Fläche auseinander gezerret, ihre vorige Naheit anzunehmen trachten, und so kann auch ein kleiner Tropfen Quecksilber elastisch genannt werden. Aber die expansive Elastizität kann eine ursprüngliche, sie kann aber auch eine abgeleitete sein. So hat die Luft eine abgeleitete Elastizität, vermittelst der Materie der Wärme, welche mit ihr innigst vereinigt ist, und deren Elastizität vielleicht ursprünglich ist. Dagegen muß der Grundstoff des Flüssigen, welches wir Luft nennen, dennoch als Materie überhaupt schon an sich Elastizität haben, welche ursprünglich heißt. Von welcher Art eine wahrgenommene Elastizität sei, ist in vorkommenden Fällen nicht möglich mit Gewißheit zu entscheiden.)

4. Die Wirkung bewegter Körper auf einander durch Mitteilung ihrer Bewegung heißt mechanisch; die der Materien aber, so fern sie auch in Ruhe durch eigene Kräfte wechselseitig die Verbindung ihrer Teile verändern, heißt chemisch. Dieser chemische Einfluß heißt Auflösung, so fern er die Trennung der Teile einer Materie zur Wirkung hat (die mechanische Teilung, z.B. durch einen Keil, der zwischen die Teile einer Materie getrieben wird, ist also, weil der Keil nicht durch eigene Kraft wirkt, von einer chemischen gänzlich unterschieden): derjenige aber, der die Absonderung zweier durch einander aufgelöseten Materien zur Wirkung hat, ist die Scheidung. Die Auflösung spezifisch verschiedener Materien durch einander, darin kein Teil der einen angetroffen wird, der nicht mit einem Teil der andern von ihr spezifisch unterschiedenen in derselben Proportion, wie die Ganzen, vereinigt wäre, ist die absolute Auflösung, und kann auch die chemische Durchdringung[92] genannt werden. Ob die auflösenden Kräfte, die in der Natur wirklich anzutreffen sind, eine vollständige Auflösung zu bewirken vermögen, mag unausgemacht bleiben. Hier ist nur die Frage davon, ob sich eine solche nur denken lasse. Nun ist offenbar, daß, so lange die Teile einer aufgelöseten Materie noch Klümpchen (moleculae) sind, nicht minder eine Auflösung derselben möglich sei, als die der größeren, ja daß diese wirklich so lange fortgehen müsse, wenn die auflösende Kraft bleibt, bis kein Teil mehr da ist, der nicht aus dem Auflösungsmittel und der aufzulösenden Materie, in der Proportion, darin beide zu einander im Ganzen stehen, zusammengesetzt wäre. Weil also in solchem Falle kein Teil von dem Volumen der Auflösung sein kann, der nicht einen Teil des auflösenden Mittels enthielte, so muß dieses, als ein Kontinuum, das Volumen ganz erfüllen. Eben so, weil kein Teil eben desselben Volumens der Solution sein kann, der nicht einen proportionierlichen Teil der aufgelöseten Materie enthielte, so muß diese auch als ein Kontinuum den ganzen Raum, der das Volumen der Mischung ausmacht, erfüllen. Wenn aber zwei Materien, und zwar jede derselben ganz, einen und denselben Raum erfüllen, so durchdringen sie einander. Also würde eine vollkommene chemische Auflösung eine Durchdringung der Materien sein, welche dennoch von der mechanischen gänzlich unterschieden wäre, indem bei der letzten gedacht wird, daß bei der großem Annäherung bewegter Materien die repulsive Kraft der einen die der andern gänzlich überwiegen, und eine, oder beide ihre Ausdehnung auf nichts bringen können; da hingegen hier die Ausdehnung bleibt, nur daß die Materien nicht außer einander, sondern in einander, d.i. durch Intussuszeption (wie man es zu nennen pflegt), zusammen einen der Summe ihrer Dichtigkeit gemäßen Raum einnehmen. Gegen die Möglichkeit dieser vollkommenen Auflösung und also der chemischen Durchdringung ist schwerlich etwas einzuwenden, obgleich sie eine vollendete Teilung ins Unendliche enthält, die in diesem Falle doch keinen Widerspruch in sich faßt, weil die Auflösung eine Zeit hindurch kontinuierlich, mithin gleichfalls durch[93] eine unendliche Reihe Augenblicke mit Akzeleration geschieht, überdem durch die Teilung die Summe der Oberflächen der noch zu teilenden Materien wachsen, und, da die auflösende Kraft kontinuierlich wirkt, die gänzliche Auflösung in einer anzugebenden Zeit vollendet werden kann. Die Unbegreiflichkeit einer solchen chemischen Durchdringung zweier Materien ist auf Rechnung der Unbegreiflichkeit der Teilbarkeit eines jeden Kontinuum überhaupt ins Unendliche zu schreiben. Geht man von dieser vollständigen Auflösung ab, so muß man annehmen, sie ginge nur bis gewissen kleinen Klumpen der aufzulösenden Materie, die in dem Auflösungsmittel in gesetzten Weiten von einander schwimmen, ohne daß man den mindesten Grund angeben kann, warum diese Klümpchen, da sie doch immer teilbare Materien sind, nicht gleichfalls aufgelöset werden, Denn, daß das Auflösungsmittel nicht weiter wirke, mag immer in der Natur, so weit Erfahrung reicht, seine gute Richtigkeit haben; es ist hier aber nur die Rede von der Möglichkeit einer auflösenden Kraft, die auch dieses Klümpchen und so ferner jedes andere, was noch übrig bleibt, auflöse, bis die Solution vollendet ist. Das Volumen, was die Auflösung einnimmt, kann der Summe der Räume, die die einander auflösende Materien vor der Mischung einnahmen, gleich, oder kleiner, oder auch größer sein, nachdem die anziehenden Kräfte gegen die Zurückstoßungen in Verhältnis stehen. Sie machen in der Auflösung jedes für sich und beide vereinigt ein elastisches Medium aus. Dieses kann auch allein einen hinreichenden Grund angeben, warum die aufgelösete Materie sich durch ihre Schwere nicht wiederum vom auflösenden Mittel scheide. Denn die Anziehung des letzteren, da sie nach allen Seiten gleich stark geschieht, hebt ihren Widerstand selbst auf, und eine gewisse Klebrigkeit im Flüssigen anzunehmen, stimmt auch gar nicht mit der großen Kraft, die dergleichen aufgelösete Materien, z.B. die Säuren, mit Wasser verdünnt, auf metallische Körper ausüben, an die sie sich nicht bloß anlegen, wie es geschehen müßte, wenn sie bloß in ihrem Medium[94] schwömmen, sondern die sie mit großer Anziehungskraft von einander trennen, und im ganzen Raume des Vehikels verbreiten. Gesetzt auch, daß die Kunst keine chemische Auflösungskräfte dieser Art, die eine vollständige Auflösung bewirkten, in ihrer Gewalt hätte, so könnte doch vielleicht die Natur sie in ihren vegetabilischen und animalischen Operationen beweisen, und dadurch vielleicht Materien erzeugen, die, ob sie zwar gemischt sind, doch keine Kunst wiederum scheiden kann. Diese chemische Durchdringung könnte auch selbst da angetroffen werden, wo die eine beider Materien durch die andere eben nicht zertrennt und im buchstäblichen Sinne aufgelöset wird, so wie etwa der Wärmestoff die Körper durchdringt, da, wenn er sich nur in leere Zwischenräume derselben verteilete, die feste Substanz selbst kalt bleiben würde, weil diese nichts von ihr einnehmen könnte. Imgleichen könnte man sich so gar einen scheinbarlich freien Durchgang gewisser Materien durch andere auf solche Weise denken, z.B. der magnetischen Materie, ohne ihr dazu offene Gänge und leere Zwischenräume in allen selbst den dichtesten Materien vorzubereiten. Doch es ist hier nicht der Ort, Hypothesen zu besonderen Erscheinungen, sondern nur das Prinzip, wornach sie alle zu beurteilen sind, ausfindig zu machen. Alles, was uns der Bedürfnis überhebt, zu leeren Räumen unsere Zuflucht zu nehmen, ist wirklicher Gewinn für die Naturwissenschaft. Denn diese geben gar zu viel Freiheit der Einbildungskraft, den Mangel der inneren Naturkenntnis durch Erdichtung zu ersetzen. Das absolut Leere und das absolut Dichte sind in der Naturlehre ohngefähr das, was der blinde Zufall und das blinde Schicksal in der metaphysischen Weltwissenschaft sind, nämlich ein Schlagbaum für die herrschende Vernunft, damit entweder Erdichtung ihre Stelle einnehme, oder sie auf dem Polster dunkler Qualitäten zur Ruhe gebracht werde.

Was nun aber das Verfahren in der Naturwissenschaft in Ansehung der vornehmsten aller ihrer Aufgaben, nämlich der Erklärung einer ins Unendliche möglichen spezifischen Verschiedenheit der Materien betrifft, so kann man dabei nur zwei Wege einschlagen: den mechanischen,[95] durch die Verbindung des Absolutvollen mit dem Absolutleeren, oder einen ihm entgegengesetzten dynamischen Weg, durch die bloße Verschiedenheit in der Verbindung der ursprünglichen Kräfte der Zurückstoßung und Anziehung alle Verschiedenheiten der Materien zu erklären. Der erste hat zu Materialien seiner Ableitung die Atomen und das Leere. Ein Atom ist ein kleiner Teil der Materie, der physisch unteilbar ist. Physisch unteilbar ist eine Materie, deren Teile mit einer Kraft zusammenhängen, die durch keine in der Natur befindliche bewegende Kraft überwältigt werden kann. Ein Atom, so fern er sich durch seine Figur von andern spezifisch unterscheidet, heißt ein erstes Körperchen. Ein Körper (oder Körperchen), dessen bewegende Kraft von seiner Figur abhängt, heißt Maschine. Die Erklärungsart der spezifischen Verschiedenheit der Materien durch die Beschaffenheit und Zusammensetzung ihrer kleinsten Teile, als Maschinen, ist die mechanische Naturphilosophie: diejenige aber, welche aus Materien, nicht als Maschinen, d.i. bloßen Werkzeugen äußerer bewegenden Kräfte, sondern ihnen ursprünglich eigenen bewegenden Kräften der Anziehung und Zurückstoßung die spezifische Verschiedenheit der Materie ableitet, kann die dynamische Naturphilosophie genannt werden. (Die mechanische Erklärungsart, da sie der Mathematik am fügsamsten ist, hat unter dem Namen der Atomistik oder Korpuskularphilosophie mit weniger Abänderung vom alten Demokrit an bis auf Cartesen und selbst bis zu unseren Zeiten immer ihr Ansehen und Einfluß auf die Prinzipien der Naturwissenschaft erhalten. Das Wesentliche derselben besteht in der Voraussetzung der absoluten Undurchdringlichkeit der primitiven Materie, in der absoluten Gleichartigkeit dieses Stoffs und dem allein übrig gelassenen Unterschiede in der Gestalt, und in der absoluten Unüberwindlichkeit des Zusammenhanges der Materie in diesen Grundkörperchen selbst. Dies waren die Materialien zu Erzeugung der spezifisch verschiedenen Materien, um nicht allein zu der Unveränderlichkeit der Gattungen und Arten einen unveränderlichen und gleichwohl verschiedentlich[96] gestalteten Grundstoff bei Hand zu haben, sondern auch aus der Gestalt dieser ersten Teile, als Maschinen (denen nichts weiter, als eine äußerlich eingedrückte Kraft fehlte), die mancherlei Naturwirkungen mechanisch zu erklären. Die erste und vornehmste Beglaubigung dieses Systems aber beruht auf der vorgeblich unvermeidlichen Notwendigkeit, zum spezifischen Unterschiede der Dichtigkeit der Materien leere Räume zu brauchen, die man innerhalb der Materien und zwischen jenen Partikeln verteilt, in einer Proportion, wie man sie nötig fand, zum Behuf einiger Erscheinungen gar so groß, daß der erfüllete Teil des Volumens, auch der dichtesten Materie, gegen den leeren beinahe für nichts zu halten ist, annahm. – Um nun eine dynamische Erklärungsart einzuführen (die der Experimentalphilosophie weit angemessener und beförderlicher ist, indem sie geradezu darauf leitet, die den Materien eigene bewegende Kräfte und deren Gesetze auszufinden, die Freiheit dagegen einschränkt, leere Zwischenräume und Grundkörperchen von bestimmten Gestalten anzunehmen, die sich beide durch kein Experiment bestimmen und ausfindig machen lassen), ist es gar nicht nötig, neue Hypothesen zu schmieden, sondern allein das Postulat der bloß mechanischen Erklärungsart; daß es unmöglich sei, sich einen spezifischen Unterschied der Dichtigkeit der Materien ohne Beimischung leerer Räume zu denken, durch die bloße Anführung einer Art, wie er sich ohne Widerspruch denken lasse, zu widerlegen. Denn wenn das gedachte Postulat, worauf die bloß mechanische Erklärungsart fußet, nur erst als Grundsatz für ungültig erkläret worden, so versteht es sich von selbst, daß man es als Hypothese in der Naturwissenschaft nicht aufnehmen müsse, so lange noch eine Möglichkeit übrig bleibt, den spezifischen unterschied der Dichtigkeiten sich auch ohne alle leere Zwischenräume zu denken. Diese Notwendigkeit aber beruht darauf, daß die Materie nicht (wie bloß mechanische Naturforscher annehmen) durch absolute Undurchdringlichkeit ihren Raum erfüllt, sondern durch repulsive Kraft, die ihren Grad hat, der in verschiedenen Materien[97] verschieden sein kann, und, da er für sich nichts mit der Anziehungskraft, welche der Quantität der Materie gemäß ist, gemein hat, sie bei einerlei Anziehungskraft in verschiedenen Materien dem Grade nach als ursprünglich verschieden sein könne, folglich auch der Grad der Ausdehnung dieser Materien bei derselben Quantität der Materie und umgekehrt die Quantität der Materie unter demselben Volumen, d.i. die Dichtigkeit derselben ursprünglich gar große spezifische Verschiedenheiten zulasse. Auf diese Art würde man es nicht unmöglich finden, sich eine Materie zu denken (wie man sich etwa den Äther vorstellt), die ihren Raum ohne alles Leere ganz erfüllete und doch mit ohne Vergleichung minderer Quantität der Materie unter gleichem Volumen, als alle Körper, die wir unseren Versuchen unterwerfen können. Die repulsive Kraft muß am Äther, in Verhältnis auf die eigene Anziehungskraft desselben, ohne Vergleichung größer gedacht werden, als an allen andern uns bekannten Materien. Und das ist denn auch das einzige, was wir bloß darum annehmen, weil es sich denken läßt, nur zum Widerspiel einer Hypothese (der leeren Räume), die sich allein auf das Vorgeben stützt, daß sich dergleichen ohne leere Räume nicht denken lasse. Denn außer diesem darf weder irgend ein Gesetz der anziehenden, noch zurückstoßenden Kraft auf Mutmaßungen a priori gewagt, sondern alles, selbst die allgemeine Attraktion, als Ursache der Schweren, muß samt ihrem Gesetze aus Datis der Erfahrung geschlossen werden. Noch weniger wird dergleichen bei den chemischen Verwandtschaften anders, als durch den Weg des Experiments versucht werden dürfen. Denn es ist überhaupt über den Gesichtskreis unserer Vernunft gelegen, ursprüngliche Kräfte a priori ihrer Möglichkeit nach einzusehen, vielmehr besteht alle Naturphilosophie in der Zurückführung gegebener, dem Anscheine nach verschiedener, Kräfte auf eine geringere Zahl Kräfte und Vermögen, die zu Erklärung der Wirkungen der ersten zulangen, welche Reduktion aber nur bis zu Grundkräften fortgeht, über die unsere Vernunft nicht hinaus kann. Und so ist Nachforschung[98] der Metaphysik, hinter dem, was dem empirischen Begriffe der Materie zum Grunde liegt, nur zu der Absicht nützlich, die Naturphilosophie, so weit als es immer möglich ist, auf die Erforschung der dynamischen Erklärungsgründe zu leiten, weil diese allein bestimmte Gesetze, folglich wahren Vernunftzusammenhang der Erklärungen, hoffen lassen.

Dies ist nun alles, was Metaphysik zur Konstruktion des Begriffs der Materie, mithin zum Behuf der Anwendung der Mathematik auf Naturwissenschaft, in Ansehung der Eigenschaften, wodurch Materie einen Raum in bestimmtem Maße erfüllet, nur immer leisten kann, nämlich diese Eigenschaften als dynamisch anzusehen und nicht als unbedingte ursprüngliche Positionen, wie sie etwan eine bloß mathematische Behandlung postulieren würde.

Den Beschluß kann die bekannte Frage, wegen der Zulässigkeit leerer Räume in der Welt, machen. Die Möglichkeit derselben läßt sich nicht streiten. Denn zu allen Kräften der Materie wird Raum erfodert, und, da dieser auch die Bedingungen der Gesetze der Verbreitung jener enthält, notwendig vor aller Materie vorausgesetzt. So wird der Materie Attraktionskraft beigelegt, so fern sie einen Raum um sich durch Anziehung einnimmt, ohne ihn gleichwohl zu erfüllen, der also selbst da, wo Materie wirksam ist, als leer gedacht werden kann, weil sie da nicht durch Zurückstoßungskräfte wirksam ist und ihn also nicht erfüllt. Allein leere Räume als wirklich anzunehmen, dazu kann uns keine Erfahrung, oder Schluß aus derselben, oder notwendige Hypothesis, sie zu erklären, berechtigen. Denn alle Erfahrung gibt uns nur komparativ-leere Räume zu erkennen, welche, nach allen beliebigen Graden aus der Eigenschaft der Materie, ihren Raum mit größerer oder bis ins Unendliche immer kleinerer Ausspannungskraft zu erfüllen, vollkommen erklärt werden können, ohne leere Räume zu bedürfen.[99]

4

Es ist unmöglich, nach Linien, die sich strahlenweise aus einem Punkte ausbreiten, Flächen in gegebenen Entfernungen als mit der Wirkung derselben, sie sei Erleuchtung oder Anziehung, ganz erfüllt vorzustellen. So würde bei solchen auslaufenden Lichtstrahlen die geringere Erleuchtung einer entferneten Fläche bloß darauf beruhen, daß zwischen den erleuchteten Stellen unerleuchtete, und diese desto größer, je weiter die Fläche entfernt, übrig bleiben. Eulers Hypothese vermeidet diese Unschicklichkeit, hat aber freilich desto mehr Schwierigkeit, die geradlinichte Bewegung des Lichts begreiflich zu machen. Diese Schwierigkeit aber rührt von einer gar wohl vermeidlichen mathematischen Vorstellung der Lichtmaterie, als einer Anhäufung von Kügelchen her, die freilich, nach ihrer verschiedentlich schiefen Lage gegen die Richtung des Stoßes, Seitenbewegung des Lichts geben würde, da an dessen Statt nichts hindert, diese Materie als ein ursprünglich Flüssiges und zwar durch und durch, ohne in feste Körperchen zerteilt zu sein, zu denken. Will der Mathematiker die Abnahme des Lichts bei zunehmender Entfernung anschaulich machen, so bedient er sich auslaufender Zirkelstrahlen, um auf der Kugelfläche ihrer Verbreitung die Größe des Raumes, darin dieselbe Quantität des Lichts zwischen diesen Zirkelstrahlen gleichförmig verbreitet werden soll, mithin die Verringerung des Grades der Erleuchtung darzustellen; er will aber nicht, daß man diese Strahlen als die einzig erleuchtenden ansehen solle, gleich als ob immer lichtleere Plätze, die bei größerer Weite größer würden, zwischen ihnen anzutreffen wären. Will man jede solcher Flächen als durchaus erleuchtet sich vorstellen, so muß dieselbe Quantität der Erleuchtung, die die kleinere bedeckt, auf der größeren als gleichförmig gedacht werden, und müssen also, um die geradlinichte Richtung anzuzeigen, von der Fläche und allen ihren Punkten zu dem leuchtenden gerade Linien gezogen werden. Die Wirkung und ihre Größe muß vorher gedacht sein und darauf die Ursache verzeichnet werden. Eben dieses gilt von den Anziehungsstrahlen, wenn man sie so nennen will, ja von allen Richtungen der Kräfte, die, von einem Punkte aus, einen Raum, und wäre er auch ein körperlicher, erfüllen sollen.

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Immanuel Kant: Werke in zwölf Bänden. Band 9, Frankfurt am Main 1977, S. 47-100.
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