33. Kapitel
Guan Sung - [130] Die Männerweihe

Die Zeremonie der Männerweihe, die etwa einer Mündigkeitserklärung gleichkam, spielte im Leben jedes Mannes eine große Rolle. Sie ist in der alten Literatur verschiedentlich beschrieben, u.a. im 79. Kapitel des Da Dai Li Gi, Buch der Sitte S. 337–338. Die hier vorliegende Abhandlung geht aber über ähnliche Beschreibungen in verschiedenen Punkten hinaus.


Fürst Yin von Dschu hatte schon den Thron bestiegen und sollte den Männerhut empfangen. Er ließ einen Würdenträger durch Vermittlung des Mong I Dsï nach den Sitten dafür bei Meister Kung anfragen.

Der Meister sprach: »Die zu befolgenden Sitten sind dieselben wie bei der Überreichung des Männerhutes an einen Thronfolger: Er empfängt den Hut auf der östlichen Stufe, um damit anzudeuten, daß er ein bedeutender Nachfolger seiner Vorfahren werden möge. Er trinkt den Wein auf dem Platz des Gastes, dann erfolgt die Mündigkeitserklärung. Er empfängt der Reihe nach drei Hüte, einer vornehmer als der andere, um dadurch sein Streben nach Höherem anzuleiten. Nach der Übergabe des Huts wird er mit seinem Ehrennamen genannt, als Zeichen der Ehrfurcht vor seinem Rufnamen1. Selbst der erstgeborene Sohn des Königs[130] wird wie ein gewöhnlicher Ritter behandelt. Ein Unterschied in den Sitten besteht nicht, weil auf der ganzen Welt niemand durch seine bloße Geburt vornehmer ist als die anderen.

Die Handlung der Hutübergabe findet unter allen Umständen im Ahnentempel statt. Man bringt dabei eine Trankspende für die Ahnen dar, die von der Musik der Glocken und Klingsteine begleitet wird. Durch die Einfachheit der religiösen Handlung erniedrigt man sich und gibt die Ehre den verstorbenen Ahnen, indem man zeigt, daß man nicht wagt, anspruchsvoll zu sein.«

Mong I Dsï fragte: »Wenn ein König vor seiner Männerweihe auf den Thron kommt, empfängt er dann, wenn er erwachsen ist, auch den Männerhut?«

Meister Kung sprach: »Vor alters herrschte die Anschauung, daß, wenn der Thronfolger bei seiner Thronbesteigung auch jung war, er doch als Herrscher geehrt wurde. Ein Herrscher hat erwachsene Menschen zu beherrschen, wozu bedurfte er da noch des Empfangs des Männerhuts?« Mong I Dsï sprach: »Dann herrschte also bei den Landesfürsten in betreff des Empfangs des Männerhuts ein anderer Brauch als beim König?«

Meister Kung sprach: »Wenn ein Landesfürst gestorben war, hatte der Thronfolger bei der Bestattung den Vorsitz zu führen. Das war gleichbedeutend mit dem Empfang des Männerhuts. Die Sache stand beim Landesfürsten nicht anders als beim König.«

Mong I Dsï sprach: »Dann entspricht also der Empfang des Männerhuts bei dem Fürsten von Dschu nicht den Sitten?«

Meister Kung sprach: »Die Sitte, daß die Landesfürsten auch den Männerhut empfingen, kam gegen Ende der Hia-dynastie auf. Sie hat sich seither erhalten, und es ist kein Grund, sich darüber aufzuhalten. Auch bei einem König kam der Empfang des Männerhuts vor. Als König Wu verschieden war, kam König Tscheng im Alter von dreizehn[131] Jahren auf den Thron. Der Herzog von Dschou verwaltete als Verweser die Regierung des Reiches. Im darauffolgenden Jahre im sechsten Monat fand die Beerdigung statt. Der Herzog ließ inzwischen den König Tscheng den Männerhut nehmen und im Ahnentempel die Lehnsfürsten empfangen, um ihnen ihren Herrscher zu zeigen. Der Herzog von Dschou befahl dem Oberpriester Yung, einen Spruch zu machen, indem er sprach: Segnet den König, aber macht es kurz und bündig. Der Oberpriester Yung gab folgenden Segen: Möge der König nahe sein dem Volk und ferne Jahre erreichen, möge er sparsam sein mit der Zeit und freigebig mit Gütern, möge er sich an die Weisen halten und die Fähigen mit Ämtern betrauen. Sein Spruch lautete: In diesem Monat an einem günstigen Tag trägt der König zum erstenmal das dunkle Kleid. Möge die jugendliche Gesinnung des Königs schwinden und möge er die Verantwortung, die mit der Krone verbunden ist, auf sich nehmen. Möge er verehren den erhabenen Himmel, so daß alle Länder ihn zum Vorbild haben. Möge er seinen erhabenen Ahnen folgen von nun an bis in Ewigkeit. Das war vom Fürsten von Dschou so angeordnet.«

Mong I Dsï fragte: »Wer ist bei dem Hutempfang der Landesfürsten Gast und wer Herr?«

Meister Kung sprach: »Beim Hutempfang eines Herzogs ist der höchste Würdenträger Gast. Er hat keinen Genossen. Der Herzog ist selbst der Herr. Er empfängt den Gast und geleitet ihn mit einer Verbeugung empor, er selbst besteigt die östliche Treppe. Er wartet ihm auf, nördlich von seinem Platz stehend. Er bietet ihm an, nach der Sitte eines Ritters mit dreimaligem Anbieten. Nach dem Trunk steigt er wieder auf der östlichen Treppe herab. Die Fürsten ohne Herzogsrang sind ebenfalls selbst Herren, der Unterschied besteht nur darin, daß sie die westlichen Stufen herabsteigen. Die dunkle Kleidung und der Lederhut sind dieselben wie bei den Audienzen, nur daß die weiße Schürze fehlt.[132]

Ein Herzog empfängt vier Hüte, als letzten erhält er den Fransenhut, den er bei den Opferfeiern trägt. Er macht dem Gast ein Geschenk an Seide. Die Seidenrollen werden von vier Pferden getragen.

Der Hutempfang des Kronprinzen und der übrigen königlichen Prinzen findet in derselben Weise statt. Der König ist selbst der Herr bei der Feier. Die Sitten sind dieselben wie bei den Rittern. Auch die Mahlzeit für den Gast ist dieselbe.«

Mong I Dsï sprach: »Was hat es für einen Sinn, daß beim Empfang des Hutes stets ein schwarzer Tuchhut verwendet wird?«

Meister Kung sprach: »Es soll zeigen, daß man die alten Sitten hochhält. Im Altertum trug man einen Tuchhut, der zur Fastenzeit vor den Opfern dunkel gefärbt wurde. Wann die Fransen aufgekommen sind, das weiß ich nicht. Heutzutage ist es angängig, daß man ihn nach der Feier des Hutempfangs auf die Seite legt.«

Mong I Dsï sprach: »Worin bestanden die Unterschiede in der Kopfbedeckung der drei Dynastien?«

Meister Kung sprach: »Der Hut der Dschoudynastie heißt Biën, der der Yindynastie heißt Sü, der der Hiadynastie Schou; die Bedeutung ist dieselbe. Die drei Dynastien stimmen überein im Lederhut und der weißen Schürze. Der Hut We-Mau ist eine Sitte der Dschouzeit, der Hut Dschang-Fu der Yinzeit, der Hut Wu-Dschui der Zeit der Herrscher von Hia.«

1

Nur Eltern, Lehrer und nahe Freunde haben das Recht, den Rufnamen auszusprechen.

Quelle:
KKungfutse: Gia Yü, Schulgespräche. Düsseldorf/Köln 1961, S. 130-133.
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