15. Der Geist der Lebenskunst

[101] Der Meister sprach: »Nach außen dem Fürsten und Vorgesetzten dienen, nach innen dem Vater und älteren Bruder dienen, bei Trauerfällen gewissenhaft alle Gerechtigkeit erfüllen, (bei Festen) sich vom Wein nicht überkommen lassen: was kann ich dazu tun?«


Die wahre Lebenskunst hat nur der erreicht, der in allen Situationen Takt besitzt und auf diese Weise ganz von selbst sich richtig benimmt. Dieser Takt wird ihn leiten in der Öffentlichkeit bei seinem amtlichen Verkehr mit Fürsten und Vorgesetzten. Dieser feine Takt ist aber ebenso nötig im häuslichen Kreise im Verkehr mit Eltern und Brüdern. Dieser selbe Takt gibt den Ernst der Gesinnung, der in Trauerfällen den Heimgegangenen die letzten Liebespflichten gewissenhaft widmet. Durch diesen Takt, der die Schranken des Geziemenden kennt, wird man bewahrt, sich vom Rausch der Festfreude und des Weins überwältigen zu lassen. Aber[101] wie gesagt: dieser Takt ist etwas, das im Menschen selber leben muß. Er kann ihm nicht mechanisch von außen beigebracht werden.

Quelle:
Kungfutse: Lun Yu. Gespräche. Düsseldorf/Köln 1975, S. 101-102.
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