13. Abscheu vor Beschämung[14] 1

Gnade ist beschämend durch die Furcht.

Ehre ist ein großes Übel durch das Ich.

[Was heißt das: »Gnade ist beschämend durch die Furcht?«

Gnade ist etwas Erniedrigendes;

bekommt man sie, so muß man sich wie fürchten,

verliert man sie, so muß man sich wie fürchten.

Das heißt: »Gnade ist beschämend durch die Furcht.«

Was heißt das: »Ehre ist ein großes Übel durch das Ich?«

Der Grund, warum ich große Übel erfahre, ist,

daß ich ein Ich habe.

Wenn ich kein Ich habe,

welches Übel gibt es dann noch?]

Darum: Wer in seinem Ich die Welt ehrt,

dem kann man wohl die Welt anvertrauen.

Wer in seinem Ich die Welt liebt,

dem kann man wohl die Welt übergeben.


Erklärung

1 Dieser Abschnitt ist textlich ziemlich schlimm mitgenommen. Hinter Zeile 2 ist offenbar ein Stück eines alten Kommentars mit in den Text hineingeraten. Wir haben seine Auffassung für die Übersetzung der beiden ersten Zeilen verwandt. Dem Wortlaut nach steht statt »durch« eigentlich »wie«, was aber keinen befriedigenden Sinn gibt. Der Schlußsatz ist in doppelter Version wiederholt.

Quelle:
Laotse: Tao Te King – Das Buch des Alten vom Sinn und Leben. Düsseldorf/Köln 1952, S. 14-15.