3. Friede auf Erden[4] 1

Die Bedeutenden nicht bevorzugen:

so verhütet man, daß die Leute streiten.

Schwer zu erlangende Güter nicht wert halten:

so verhütet man, daß die Leute zu Dieben werden.

Auf nichts Begehrenswertes sehen:

so verhütet man, daß das Herz sich verwirrt.

Also auch ist das die Ordnung des Berufenen:

Er macht ihr Herz leer und ihren Leib tüchtig.

Er macht ihr Begehren schwach und ihre Knochen stark.

Er sorgt stets, daß die Leute ohne Erkennen und ohne Begehren sind,

und daß jene »Erkennenden« nicht zu handeln wagen.

Das Nicht-Handeln üben:

so kommt alles in Ordnung.


Erklärung

1 Zeile 8 f. Das Herz ist Sitz des Begehrens nach äußeren, fremden Dingen. In der chinesischen Aufzählung der 5 Sinne steht »Herz« für Tastsinn, »Gefühl«. Ist das Herz leer, so ist der Mensch nicht durch die Bande der Sehnsucht mit Äußerem verknüpft. Der Leib, die Knochen sind bildliche Ausdrücke für die natürliche Basis des menschlichen Daseins. Deren Bedürfnisse müssen befriedigt werden, damit nicht das Begehren durch Nichtbefriedigung geweckt wird, das sich dann naturgemäß auch auf anderes ausdehnt. »Erkenntnis« im Sinn von äußerem Wissen ist ebenfalls vom Übel; vgl. No. 2.

Quelle:
Laotse: Tao Te King – Das Buch des Alten vom Sinn und Leben. Düsseldorf/Köln 1952, S. 4-5.