32. Das Leben der Berufenen[33] 1

Solange der SINN in seiner vorweltlichen Ewigkeit verharrt,

gibt es keine Namen.

[So unscheinbar die Einfalt ist,

so wagt doch niemand auf der Welt sie als bloßes Mittel zu verwenden.

Wenn Fürsten und Könige sie zu wahren verstehen,

so stellen sich alle Geschöpfe als Gäste zur Seite:

Himmel und Erde vereinigen sich, um süßen Tau zu träufeln.

Das Volk, ungeheißen, wird ganz von selber recht.]

Wenn die äußere Gestaltung beginnt,

Dann erst gibt es Namen.

Solange die Namen am Sein einen Maßstab haben,

weiß man auch noch, wo Einhalt zu tun ist.

Weiß man, wo Einhalt tun, so vermeidet man Verwirrung.

Man kann das Verhältnis des SINNS zur Welt vergleichen

mit den Bergbächen und Talwassern, die sich in Ströme und Meere ergießen.


Erklärung

1 Die Stelle: »So unscheinbar die Einfalt ist« bis »wird ganz von selber recht« unterbricht den Zusammenhang, sie ist wohl ähnlich wie der Schluß von Abschnitt 28 aus Abschnitt 37 versprengt.

Dieser Abschnitt, der sich in manchem mit Abschnitt 1 berührt, gibt die Anschauung Laotses zur Frage der Richtigstellung der Bezeichnungen, die offenbar ein viel erörtertes Thema der alten Zeit war. Vgl. Kungs Äußerung zur Sache Gespräche XIII, 3 (pag. 135) und O. Franke, Über die chinesische Lehre von den Bezeichnungen, Leyden 1906.

Quelle:
Laotse: Tao Te King – Das Buch des Alten vom Sinn und Leben. Düsseldorf/Köln 1952, S. 33-34.