[56] 8. Der Fährmann

[56] Yän Hui fragte den Dschung Ni und sprach: »Ich fuhr über die Untiefe von Tschang Schen (tiefer Becher). Der Fährmann lenkte das Boot wie ein Gott. Ich fragte ihn und sprach: ›Kann man das Lenken der Boote lernen?‹ Er sprach: ›Ja, wer schwimmen kann, den kann man es lehren; ein tüchtiger Schwimmer kann es von selber. Was aber ein Taucher ist: der erblickt zum erstenmal ein Boot und kann es sofort lenken.‹ Wonach ich gefragt hatte, das hat er mir aber nicht gesagt. Darf ich fragen: Was meinte er mit seinen Worten?«

Dschung Ni sprach: »Wie oft habe ich mit dir schon diese Ideen behandelt, und nun sie dir wirklich vor Augen treten, so verstehst du sie doch nicht. Was muß ich nun erst wieder die ganze Sache bereden!

Die, die schwimmen können, kann man es lehren; denn sie fürchten das Wasser nicht. Ein guter Schwimmer lernt es von selber; denn er kümmert sich nicht um das Wasser. Was aber ein Taucher ist, der erblickt zum erstenmal ein Boot und kann es sofort lenken, weil in seinen Augen die Wassertiefe ist wie das trockene Land und das Kentern des Bootes wie das Festfahren eines Wagens. Beim Kentern wie beim Festfahren liegt die Welt vor ihm da, ohne in sein Inneres eindringen zu können. Da ist es ganz natürlich, daß er sich daran macht und ganz ruhig dabei bleibt.

Es ist wie beim Auffange-Spiel. Hascht man um Ziegelsteine, so ist einer vielleicht geschickt, geht es um Gürtelspangen, so wird er zagend, geht es um gelbes Gold, so verliert er alle Besinnung. Und doch ist seine Geschicklichkeit die gleiche, aber er wird ängstlich und nimmt das Äußere wichtig. Wer aber das Äußere wichtig nimmt, der wird in seinem Inneren betört.«

Quelle:
Liä Dsi: Das wahre Buch vom quellenden Urgrund. Stuttgart 1980, S. 56-57.
Lizenz: