[171] 18. Unter Räubern

Niu Küo war ein großer Gelehrter aus dem Oberland. Er ging einmal hinunter nach Gan Dan. Da fiel er unter die Räuber in der Gegend der Sanddünen (Ou Scha). Sie nahmen ihm alle seine Kleider, sein Gepäck und seinen Wagen weg. Niu ging zu Fuß weiter und sah fröhlich aus und zeigte weder Kummer noch Bedauern. Die Räuber gingen ihm nach und fragten nach dem Grund.

Er sprach: »Der Edle bringt nicht um der Mittel des Lebens willen sein Leben zu Schaden.«

Die Räuber sprachen: »Hi! Das ist ein Heiliger!«

Darauf redeten sie untereinander und sprachen: »Wenn der mit seiner Heiligkeit hingeht und vor den Herrn von Dschau tritt, so bringt er sicher große Not über uns. Da bringen wir ihn lieber um.«

So fielen sie miteinander über ihn her und brachten ihn um. Ein Mann aus Yän hörte die Geschichte und versammelte[171] seinen ganzen Stamm, um ihn zu warnen, und sprach: »Wenn ihr Räubern begegnet, so macht es ja nicht wie Niu Küo vom Oberland!«

Und alle nahmen seine Belehrung zu Herzen.

Nun ging einmal sein jüngerer Bruder nach Tsin, und als er an den Grenzpaß kam, begegnete er wirklich den Räubern. Er gedachte der Mahnungen seines Bruders und wehrte sich kräftig seiner Haut. Doch ward er nicht mit den Räubern fertig. Darauf lief er ihnen nach und bat mit flehentlichen Worten, ihm seine Sachen zurückzugeben.

Da wurden die Räuber zornig und sprachen: »Ist's nicht schon viel, daß wir dich am Leben gelassen haben! Nun läufst du uns auch noch unablässig nach! Dadurch kommt die Geschichte sicher noch ans Licht! Da wir doch Räuber sind, was geht die Nächstenliebe uns an!«

Darauf töteten sie ihn und verwundeten außerdem noch vier oder fünf seiner Leute.

Quelle:
Liä Dsi: Das wahre Buch vom quellenden Urgrund. Stuttgart 1980, S. 171-172.
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