[177] 26. Der verstorbene Prediger der Unsterblichkeit

Vor alters gab es einen Mann, der predigte, daß er den Weg zur Unsterblichkeit kenne.

Der Fürst von Yän sandte einen Boten, um in seinen Besitz zu kommen. Der war nicht rasch genug, so daß der Prediger vorher gestorben war. Da ergrimmte der Fürst von Yän über seinen Boten und wollte ihn hinrichten lassen.

Ein Diener, der seine Gunst hatte, machte jedoch Einwendungen und sprach: »Was die Menschen am meisten fürchten, ist[177] der Tod; was sie am meisten wichtig nehmen, ist ihr eignes Leben. Jener nun hat sein eignes Leben verloren; wie wäre er imstande gewesen, Eure Hoheit vom Tode zu retten!« So wurde der Bote nicht hingerichtet.

Es war ein Meister Tsi. Der hatte auch jenen Weg lernen wollen. Als er nun hörte, daß der Prediger gestorben sei, da schlug er an die Brust und bedauerte es.

Meister Fu hörte das, lachte über ihn und sprach: »Was er lernen wollte, war doch, nicht zu sterben. Nun ist jener Mensch selbst gestorben; das bedauern kann nur einer, der nicht weiß, worin er Unterweisung suchte.«

Meister Hu sprach: »Meister Fu's Worte sind nicht richtig. Es gibt Menschen, die besitzen Überlieferungen, die sie doch nicht ausführen können. Und es gibt andere, die sie ausführen könnten, aber die Überlieferung nicht besitzen. Im Lande We lebte ein tüchtiger Rechenmeister. Als sein Tod herannahte, teilte er seine Kunst zum Abschied seinem Sohne mit. Sein Sohn behielt seine Worte, aber er konnte sie nicht anwenden. Ein anderer fragte ihn darum, und er sagte ihm die Worte seines Vaters. Der Frager benutzte die Worte und wandte die Überlieferung an, so daß er es dem Vater gleichtat. Warum also sollte es unmöglich sein, daß der Verstorbene ein Mittel zum Leben hätte verkündigen können!«

Quelle:
Liä Dsi: Das wahre Buch vom quellenden Urgrund. Stuttgart 1980, S. 177-178.
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