Verwaltungs-Verordnungen, revidiert im Einklang mit den Beschlüssen der Kongresse (1866-1869) und der Londoner Konferenz 1871

I. Der allgemeine Kongress

[443] 1. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeiter-Assoziation ist stimmfähig und wählbar bei den Delegiertenwahlen zum allgemeinen Kongreß.

2. Jede Zweiggesellschaft, welches immer die Zahl ihrer Mitglieder, kann einen Delegierten zum Kongreß senden.

3. Jeder Delegierte hat nur eine Stimme auf dem Kongreß.

4. Die Unkosten der Delegierten werden bestritten von den sie ernennenden Zweiggesellschaften oder Gruppen.

5. Ist eine Zweiggesellschaft außerstande, einen Delegierten zu senden, so kann sie sich wegen Ernennung eines gemeinsamen Delegierten mit andern benachbarten Zweigen einigen.

6. Jede Zweiggesellschaft oder Gruppe von mehr als 500 Mitgliedern kann für jede 500 zuschüssige Mitglieder weitereA2 Delegierten ernennen.

7. Sitz und Stimmrecht auf dem Kongreß wird in Zukunft nur den Delegierten solcher Gesellschaften, Zweige oder Gruppen gestattet, welche Bestandteile der Internationalen bilden und ihre Beiträge dem Generalrat entrichtet haben. Für solche Länder jedoch, wo die regelmäßige Organisation der Internationalen gesetzlich verhindert ist, werden Delegierte von Gewerksgenossenschaften und Arbeiter-Kooperativgesellschaften zugelassen zu den Kongreßdebatten über Prinzipfragen, aber nicht zur Debatte und Abstimmung über Verwaltungsangelegenheiten.[443]

8. Die Sitzungen des Kongresses sind zweifach: geschlossene Verwaltungssitzungen, und öffentliche Sitzungen, denen die Debatte und Abstimmung über die allgemeinen Fragen des Kongreßprogramms vorbehalten ist.

9. Das Kongreßprogramm besteht aus den Fragen, die der vorhergehende Kongreß auf die Tagesordnung setzte, den Fragen, die der Generalrat zufügt und den Fragen, die ihm von den verschiedenen Sektionen, Gruppen oder deren Komitees zur Annahme unterbreitet worden sind. Es wird vom Generalrat redigiert.

Jede Sektion, Gruppe oder deren Komitee, welche der Debatte des bevorstehenden Kongresses eine nicht vom vorigen Kongreß vorgeschlagene Frage unterbreiten will, hat dem Generalrat davon vor dem 31. März Kenntnis zu geben.

10. Der Generalrat ist beauftragt mit der Organisierung der Kongresse und soll den Zweiggesellschaften, vermittelst der Föderalräte oder -komitees, das Kongreßprogramm rechtzeitig mitteilen.

11. Der Kongreß ernennt für jede ihm vorliegende Frage einen besonderen Ausschuß. Jeder Delegierte bezeichnet den Ausschuß, dem er anzugehören wünscht. Jeder Ausschuß liest die von den verschiedenen Sektionen und Gruppen eingereichten Denkschriften über die Frage, womit er befaßt ist. Er verarbeitet sie in einen Gesamtbericht, welcher allein in den öffentlichen Sitzungen zu verlesen ist. Er entscheidet außerdem, welche der erwähnten Denkschriften dem amtlichen Bericht über die Kongreßverhandlungen beizufügen sind.

12. In seinen öffentlichen Sitzungen beschäftigt sich der Kongreß zunächst mit den vom Generalrat auf die Tagesordnung gestellten Fragen. Demnächst erfolgt die Debatte über die übrigen Fragen.

13. Bei allen Beschlüssen über Prinzipienfragen findet namentliche Abstimmung statt.

14. Mindestens zwei Monate vor der Zusammenkunft des jährlichen Kongresses haben die Zweiggesellschaften oder deren Föderationen dem Generalrat einen ausführlichen Bericht über ihre Tätigkeit und Entwicklung während des laufenden Jahres zu erstatten. Der Generalrat hat das Material zu einem Gesamtbericht zu verarbeiten, der allein im Kongreß verlesen wird.


II. Der Generalrat

[444] 1. Die Bezeichnung: Generalrat wird dem Zentralrat der Internationalen Arbeiter-Assoziation vorbehalten. Die Zentralräte der verschiedenen Länder, wo die Internationale regelmäßig organisiert ist, haben sich zu bezeichnen als Föderalräte oder Föderalkomitees mit Beifügung der Namen ihrer betreffenden Länder.

2. Der Generalrat ist gehalten, die Kongreßbeschlüsse auszuführen.

3. Sooft seine Mittel es erlauben, wird der Generalrat einen Bericht veröffentlichen, der sich über alles erstreckt, was von allgemeinem Interesse für die Internationale Arbeiter-Assoziation ist.

Zu diesem Zweck sammelt er die ihm von den Föderalräten oder -komitees der verschiedenen Länder übersandten und auf andern Wegen ihm zukommenden Materialien.

Der Bericht wird in verschiedenen Sprachen aufgesetzt und gratis an die Föderalräte oder -komitees versandt, welche jeder ihrer Sektionen ein Exemplar davon übermachen.

Sollte der Generalrat außerstande sein, den erwähnten Bericht zu veröffentlichen, so hat er alle drei Monate eine schriftliche Mitteilung an die verschiedenen Föderalräte oder -komitees zu machen, welche diese ihrerseits in den Zeitungen ihrer betreffenden Länder und namentlich in den Organen der Internationalen veröffentlichen werden.

4. Jede neue Sektion oder Arbeitergesellschaft, welche den Anschluß an die Internationale beabsichtigt, hat den Generalrat sofort davon zu benachrichtigen.

5. Der Generalrat hat das Recht, den Anschluß jeder neuen Sektion oder Gruppe zuzulassen oder zu verweigern, vorbehaltlich der Berufung an den nächsten Kongreß.

Wo jedoch Föderalräte oder -komitees bestehn, muß der Generalrat sie zu Rate ziehn vor Zulassung oder Verweigerung des Anschlusses einer neuen Sektion oder Gesellschaft innerhalb ihres Bereichs; unbeschadet jedoch seines Rechts der vorläufigen Entscheidung.

6. Der Generalrat hat ebenfalls das Recht, jede Sektion der Internationalen bis zum nächsten Kongreß zu suspendieren.

7. Im Fall von Zwistigkeiten zwischen Gesellschaften oder Sektionen derselben nationalen Gruppe, oder zwischen Gruppen verschiedener Nationalität,[445] hat der Generalrat das Recht der Entscheidung, vorbehaltlich der Berufung an den nächsten Kongreß, der endgültig entscheidet.

8. Alle vom Generalrat zu bestimmten Sendungen ernannten Delegierten haben das Recht, allen Versammlungen der Föderalräte oder -komitees, Distrikts- und Lokalkomitees und Lokalsektionen beizuwohnen und daselbst gehört zu werden, ohne jedoch daselbst Stimmrecht zu haben.

9. Englische, französische und deutsche Ausgaben der Allgemeinen Statuten und Anordnungen sind nach der amtlichen Ausgabe des Generalrats zu veranstalten.

Alle Übersetzungen der Allgemeinen Statuten und Verordnungen in andere Sprachen müssen vor ihrer Veröffentlichung dem Generalrat zur Genehmigung vorgelegt werden.


III. Beiträge zahlbar an den Generalrat

1. Ein allgemeiner Beitrag von einem Penny (Groschen) pro Mitglied an den Generalrat wird von allen Sektionen und verbündeten Gesellschaften erhoben. Dieser Beitrag ist bestimmt zur Deckung der Kosten des Generalrats wie z.B. für die Besoldung des Generalsekretärs, Ausgaben für Korrespondenz, Druckschriften, Vorbereitungen für Kongresse usw.

2. Der Generalrat läßt anheftbare Marken, wovon jede den Wert eines Penny vorstellt, drucken, und den Föderalräten oder -komitees jährlich in der verlangten Anzahl zukommen.

3. Die Föderalräte oder -komitees übermachen den Lokalkomitees, und, in deren Abwesenheit, den lokalen Zweigen eine der Anzahl ihrer Mitglieder entsprechende Anzahl von Marken.A3

4. Diese Marken sind alsdann auf das Exemplar der Statuten anzuheftenA4, welches jedes Mitglied zu besitzen gehalten ist.

5. Am 1. März jedes Jahres haben die Föderalräte oder -komitees der verschiedenen Länder den Erlös aus den verkauften Marken dem Generalrat zu übermachen und zugleich die unverkauften Marken zurückzusenden.

6. Diese Marken, die den Wert der Einzelbeiträge vorstellen, tragen das Datum des laufenden Jahres.


IV. Föderalräte oder -komitees

[446] 1. Die Ausgaben der Föderalräte oder -komitees werden von ihren betreffenden Sektionen bestritten.

2. Die Föderalräte oder -komitees haben mindestens monatlich einen Bericht an den Generalrat zu senden.

3. Sie haben dem Generalrat alle drei Monate Bericht über die Verwaltung und den Finanzzustand ihrer betreffenden Sektionen zu erstatten.

4. Jede Föderation kann Gesellschaften oder Sektionen zulassen oder aus ihrer Mitte ausschließen. Sie ist jedoch nicht ermächtigt, sie ihres internationalen Charakters zu berauben, kann aber beim Generalrat ihre Suspension beantragen.


V. Lokal-Gesellschaften, Sektionen und Gruppen

1. Jede Sektion hat das Recht, sich Sonderstatuten für ihre lokale Verwaltung, je nach den Lokalumständen und Landesgesetzen, zu geben. Die Sonderstatuten dürfen jedoch nichts den Allgemeinen Statuten und Verwaltungs-Verordnungen Widersprechendes enthalten.

2. Alle lokalen Zweige, Sektionen, Gruppen und deren Komitees sollen sich in Zukunft einfach und ausschließlich bezeichnen und konstituieren als Zweige usw. der Internationalen Arbeiter-Assoziation mit Beifügung der Namen ihrer bezüglichen Örtlichkeit.

3. Demgemäß ist es den Zweigen, Gruppen und deren Komitees von nun an untersagt, Sektennamen anzunehmen, z.B. die Namen Positivisten, Mutualisten, Kollektivisten, Kommunisten usw., oder Sonderkörper zu bilden, welche unter Bezeichnungen wie: Propagandasektion usw. sich eine besondere, von den gemeinsamen Zwecken der Assoziation verschiedene Mission zuschreiben.

4. Art. 2 findet jedoch keine Anwendung auf die mit der Internationalen verbündeten Gewerksgenossenschaften.

5. Alle Sektionen, Zweige und mit der Internationalen verbündeten Arbeitergesellschaften sind eingeladen, das Präsidentenamt für ihre bezügliche Sektion oder Gesellschaft abzuschaffen.[447]

6. Die Bildung weiblicher Zweiggesellschaften innerhalb der Arbeiterklasse wird anempfohlen. Dieser Artikel richtet sich selbstredend nicht gegen die Zusammensetzung von Zweiggesellschaften aus Arbeitern und Arbeiterinnen.

7. Wo Angriffe gegen die Internationale veröffentlicht werden, ist die nächste Sektion oder ihr Komitee gehalten, dem Generalrat sofort ein Exemplar solcher Druckschrift zu überschicken.

8. Die Adressen der Geschäftslokale aller internationalen Komitees und des Generalrats sind alle drei Monate in den Organen der Assoziation zu veröffentlichen.


VI. Allgemeine Statistik der Arbeiterklasse

1. Der Generalrat hat Art. 6 der Statuten, soweit er sich auf eine allgemeine Statistik der Arbeiterklasse bezieht, in Kraft zu setzen, ebenso wie die Beschlüsse des Genfer Kongresses (1866) über denselben Gegenstand.

2. Jede lokale Gruppe ist verpflichtet zur Ernennung eines besondern statistischen Komitees, damit sie stets, soweit ihre Mittel gestatten, bereit sei, vom Föderalrat ihres Landes oder vom Generalrat gestellte Fragen zu beantworten.

Allen Gruppen wird empfohlen, den Sekretären der statistischen Komitees eine Vergütung zukommen zu lassen, in Anbetracht der allgemeinen Nützlichkeit ihres Werks für die Arbeiterklasse.

3. Am 1. August jedes Jahres sollen die Föderalräte oder -komitees das in ihren betreffenden Ländern gesammelte Material dem Generalrat übersenden. Letzterer wird dasselbe seinerseits zu einem allgemeinen Bericht verarbeiten, der den jährlich im September stattfindenden Kongressen vorzulegen ist.

4. Gewerksgenossenschaften und internationale Zweige, welche die verlangte Auskunft verweigern, sind dem Generalrat zur weiteren Beschlußnahme anzuzeigen.

5. Die in Art. 1 dieser Abteilung erwähnten Beschlüsse des Genfer Kongresses 1866 sind folgende:

Die statistische Untersuchung der Lage der arbeitenden Klasse aller zivilisierten Länder, unternommen von der Arbeiterklasse selbst, ist an sich schon ein großes internationales Werk. Um erfolgreich zu wirken, muß man das Material kennen, worauf man wirken will. Durch die Initiative[448] eines so großen Werks beweisen die Arbeiter zudem ihre Fähigkeit, ihr eigenes Geschick in ihre Hand zu nehmen.

Der Kongreß schlägt daher vor, daß an jedem Ort, wo ein Zweig unserer Gesellschaft besteht, das Werk sofort begonnen und Material über die verschiedenen Punkte des angeführten Untersuchungsplanes gesammelt werde.

Er ladet die Arbeiter Europas und der Vereinigten Staaten Amerikas ein, für die Zusammentragung der Elemente einer Statistik der Arbeiterklasse mitzuwirken und ihre Berichte nebst Beweismaterial dem Generalrat einzusenden. Letzterer hat sie in einen Gesamtbericht zu verarbeiten, dem er das Beweismaterial als Anhang zufügt. Dieser Bericht, nebst Anhang, ist dem nächsten jährlichen Kongreß vorzulegen und nach dessen Genehmigung auf Kosten der Assoziation zu drucken.

Untersuchungsschema, je nach Umständen zu verändern und zu ergänzen:

1. Gewerk, Name.

2. Alter und Geschlecht der Arbeiter.

3. Zahl der beschäftigten Arbeiter.

4. Löhne:

a) Lehrlinge und Gehilfen.

b) Tagelohn oder Stücklohn? Von Zwischenunternehmern gezahlte Löhne. Wöchentlicher und jährlicher Durchschnitt.

5. a) Arbeitsstunden in Fabriken.

b) Arbeitsstunden bei kleinen Meistern und in der Hausarbeit, falls das Gewerbe in diesen verschiedenen Weisen betrieben wird.

c) Nacht- und Tagesarbeit.

6. Mahlzeitsstunden und Behandlung.

7. Beschaffenheit der Werkstätten und der Arbeit, Überfüllung, mangelhafte Ventilation, Mangel an Tageslicht, Gasbeleuchtung, Reinlichkeit usw.

8. Wirkung der Arbeit auf den Körperzustand.

9. Moralitäts- und Bildungszustand, Erziehung.

10. Charakter des Geschäfts; ob mehr oder weniger gleichförmig für das ganze Jahr oder an gewisse Jahreszeiten gebunden; ob großen Schwankungen ausgesetzt, ob fremder Konkurrenz unterworfen, ob hauptsächlich für den innern oder auswärtigen Markt arbeitend.

11. Besondere Gesetzgebung über das Verhältnis zwischen Arbeiter und Meister.

12. Nahrungs- und Wohnungszustände der Arbeiter.A5[449]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1962, Band 17, S. 443-450.
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