1. Kauf- und Verkaufszeit

[131] Die Formverwandlungen des Kapitals aus Ware in Geld und aus Geld in Ware sind zugleich Händel des Kapitalisten, Akte des Kaufs und Verkaufs. Die Zeit, worin diese Formverwandlungen des Kapitals sich vollziehn, sind subjektiv, vom Standpunkt des Kapitalisten, Verkaufszeit und Kaufzeit, die Zeit, während deren er auf dem Markt als Verkäufer und Käufer fungiert. Wie die Umlaufszeit des Kapitals einen notwendigen Abschnitt seiner Reproduktionszeit bildet, so bildet die Zeit, während deren der Kapitalist kauft und verkauft, sich auf dem Markt herumtreibt, einen notwendigen Abschnitt seiner Funktionszeit als Kapitalist, d.h. als personifiziertes Kapital. Sie bildet Teil seiner Geschäftszeit.

〈Da angenommen wurde, daß die Waren zu ihren Werten gekauft und verkauft werden, so handelt es sich bei diesen Vorgängen nur um die Umsetzung desselben Werts aus einer Form in die andre, aus Warenform in Geldform, und aus Geldform in Warenform – um eine Zustandsänderung. Werden die Waren zu ihren Werten verkauft, so bleibt die Wertgröße in der Hand sowohl des Käufers wie des Verkäufers unverändert; nur seine Daseinsform hat sich verändert. Werden die Waren nicht zu ihren Werten verkauft, so bleibt die Summe der umgesetzten Werte unverändert; was auf der einen Seite plus, ist auf der andern minus.

Die Metamorphosen W – G und G – W sind aber Händel, die zwischen Käufer und Verkäufer vorgehn; sie brauchen Zeit, um handelseinig zu werden, um so mehr, als hier ein Kampf vorgeht, worin jede Seite die andre zu übervorteilen sucht, und sich Geschäftsleute gegenüberstehn, so: »when Greek meets Greek then comes the tug of war«. Die Zustandsänderung kostet Zeit und Arbeitskraft, aber nicht um Wert zu schaffen, sondern um[131] die Umsetzung des Werts aus einer Form in die andre hervorzubringen, wobei der wechselseitige Versuch, bei dieser Gelegenheit ein überschüssiges Quantum Wert sich anzueignen, nichts ändert. Diese Arbeit, vergrößert durch die beiderseitigen böswilligen Absichten, schafft so wenig Wert, wie die Arbeit, die bei einem gerichtlichen Prozeß stattfindet, die Wertgröße des streitigen Objekts vermehrt. Es verhält sich mit dieser Arbeit – die ein notwendiges Moment des kapitalistischen Produktionsprozesses in seiner Totalität, wo er auch die Zirkulation einschließt, oder von ihr eingeschlossen wird – wie etwa mit der Verbrennungsarbeit eines Stoffs, der zur Erzeugung von Wärme verwandt wird. Diese Verbrennungsarbeit erzeugt keine Wärme, obgleich sie ein notwendiges Moment des Verbrennungsprozesses ist. Um z.B. Kohle als Heizmaterial zu verbrauchen, muß ich sie mit Sauerstoff verbinden und dazu sie aus dem festen in den gasförmigen Zustand überführen (denn im Kohlensäuregas, dem Resultat der Verbrennung, ist die Kohle im Gaszustand), also eine physikalische Daseinsform- oder Zustandsveränderung bewirken. Die Lostrennung der Kohlenstoffmoleküle, die zu einem festen Ganzen verbunden sind, und die Zersprengung des Kohlenstoffmoleküls selbst in seine einzelnen Atome, muß der Neuverbindung vorhergehn, und dies kostet einen gewissen Kraftaufwand, der sich also nicht in Wärme verwandelt, sondern von dieser abgeht. Sind die Warenbesitzer daher keine Kapitalisten, sondern selbständige unmittelbare Produzenten, so ist die zu Kauf und Verkauf verwendete Zeit ein Abzug von ihrer Arbeitszeit, und suchten sie daher stets (im Altertum wie im Mittelalter) solche Operationen auf Festtage zu verlegen.

Die Dimensionen, die der Warenumsatz in den Händen der Kapitalisten annimmt, können natürlich diese, keinen Wert schaffende, sondern nur Formwechsel des Werts vermittelnde Arbeit nicht in wertschaffende verwandeln. Ebensowenig kann das Mirakel dieser Transsubstantiation durch eine Transposition vorgehn, d.h. dadurch, daß die industriellen Kapitalisten, statt selbst jene »Verbrennungsarbeit« zu vollziehn, sie zum ausschließlichen Geschäft dritter von ihnen bezahlter Personen machen. Diese dritten Personen werden ihnen natürlich nicht aus Liebe für ihre beaux yeux ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Dem Rentenkollekteur eines Grundbesitzers oder dem Hausknecht einer Bank ist es ebenfalls gleichgültig, daß ihre Arbeit die Wertgröße weder der Rente, noch der zu einer andern Bank sackweise getragnen Goldstücke um einen Deut vermehrt.}14[132]

Für den Kapitalisten, der andre für sich arbeiten läßt, wird Kauf und Verkauf eine Hauptfunktion. Da er das Produkt vieler auf größrem gesellschaftlichen Maßstab aneignet, so hat er es auch auf solchem zu verkaufen und später wieder aus Geld in die Produktionselemente zurückzuverwandeln. Nach wie vorschafft Kauf- und Verkaufszeit keinen Wert. Eine Illusion kommt herein durch die Funktion des Kaufmannskapitals. Aber, ohne hier noch näher darauf einzugehn, ist so viel von vornherein klar: Wenn durch Teilung der Arbeit eine Funktion, die an und für sich unproduktiv, aber ein notwendiges Moment der Reproduktion ist, aus einer Nebenverrichtung vieler in die ausschließliche Verrichtung weniger verwandelt wird, in ihr besondres Geschäft, so verwandelt sich nicht der Charakter der Funktion selbst. Ein Kauf mann (hier als bloßer Agent der Formverwandlung der Waren, als bloßer Käufer und Verkäufer betrachtet) mag durch seine Operationen die Kauf- und Verkaufszeit für viele Produzenten abkürzen. Er ist dann als eine Maschine zu betrachten, die nutzlosen Kraftaufwand vermindert oder Produktionszeit freisetzen hilft.15

Wir wollen, um die Sache zu vereinfachen (da wir erst später den Kaufmann als Kapitalisten und das Kaufmannskapital betrachten), annehmen, dieser Agent zum Kaufen und Verkaufen sei ein Mann, der seine Arbeit verkauft. Er verausgabt seine Arbeitskraft und seine Arbeitszeit in diesen Operationen W – G und G – W. Und er lebt daher davon, wie ein andrer z.B. vom Spinnen oder Pillendrehn. Er verrichtet eine notwendige Funktion,[133] weil der Reproduktionsprozeß selbst unproduktive Funktionen einschließt. Er arbeitet so gut wie ein andrer, aber der Inhalt seiner Arbeit schafft weder Wert noch Produkt. Er selbst gehört zu den faux frais der Produktion. Sein Nutzen besteht nicht darin, eine unproduktive Funktion in eine produktive zu verwandeln, oder unproduktive Arbeit in produktive. Es wäre ein Wunder, wenn dergleichen Verwandlung durch solche Übertragung der Funktion bewerkstelligt werden könnte. Sein Nutzen besteht vielmehr darin, daß ein geringrer Teil der Arbeitskraft und Arbeitszeit der Gesellschaft in dieser unproduktiven Funktion gebunden wird. Noch mehr. Wir wollen annehmen, er sei bloßer Lohnarbeiter, meinetwegen besser bezahlter. Welches immer seine Zahlung, als Lohnarbeiter arbeitet er einen Teil seiner Zeit umsonst. Er erhält vielleicht täglich das Wertprodukt von acht Arbeitsstunden und fungiert während zehn. Die zwei Stunden Mehrarbeit, die er verrichtet, produzieren ebensowenig Wert wie seine acht Stunden notwendige Arbeit, obgleich vermittelst dieser letztren ein Teil des gesellschaftlichen Produkts auf ihn übertragen wird. Erstens wird nach wie vor, gesellschaftlich betrachtet, eine Arbeitskraft während zehn Stunden in dieser bloßen Zirkulationsfunktion vernutzt. Sie ist für nichts andres verwendbar, nicht für produktive Arbeit. Zweitens aber zahlt die Gesellschaft diese zwei Stunden Mehrarbeit nicht, obgleich sie von dem Individuum, das sie verrichtet, verausgabt werden. Die Gesellschaft eignet sich dadurch kein überschüssiges Produkt oder Wert an. Aber die Zirkulationskosten, die er repräsentiert, vermindern sich um ein Fünftel, von zehn Stunden auf acht. Die Gesellschaft zahlt kein Äquivalent für ein Fünftel dieser aktiven Zirkulationszeit, deren Agent er ist. Ist es aber der Kapitalist, der diesen Agenten anwendet, so vermindern sich durch Nichtzahlung der zwei Stunden die Zirkulationskosten seines Kapitals, die einen Abzug von seiner Einnahme bilden. Für ihn ist es ein positiver Gewinn, weil sich die negative Schranke der Verwertung seines Kapitals enger zieht. Solange kleine selbständige Warenproduzenten einen Teil ihrer eignen Zeit in Kauf und Verkauf verausgaben, stellt sich dies nur dar entweder als Zeit, verausgabt in den Intervallen ihrer produktiven Funktion, oder als Abbruch an ihrer Produktionszeit.

Unter allen Umständen ist die hierauf verwandte Zeit eine Zirkulationskost, die den umgesetzten Werten nichts zuführt. Es ist die Kost, erforderlich, sie aus Warenform in Geldform zu übersetzen. Soweit der kapitalistische Warenproduzent als Zirkulationsagent erscheint, unterscheidet er sich vom unmittelbaren Warenproduzenten nur dadurch, daß er auf größrer Stufenleiter verkauft und kauft, und daher in größrem Umfang als Zirkulationsagent[134] fungiert. Sobald der Umfang seines Geschäfts ihn aber zwingt oder befähigt, eigne Zirkulationsagenten als Lohnarbeiter zu kaufen (dingen), so ist das Phänomen der Sache nach nicht verändert. Arbeitskraft und Arbeitszeit muß zu gewissem Grad im Zirkulationsprozeß (soweit er bloße Formverwandlung) verausgabt werden. Aber dies erscheint jetzt als zusätzliche Kapitalauslage; ein Teil des variablen Kapitals muß ausgelegt werden im Ankauf dieser nur in der Zirkulation fungierenden Arbeitskräfte. Dieser Kapitalvorschuß schafft weder Produkt noch Wert. Er vermindert pro tanto den Umfang, worin das vorgeschoßne Kapital produktiv fungiert. Es ist dasselbe, als würde ein Teil des Produkts in eine Maschine verwandelt, welche den übrigen Teil des Produkts kauft und verkauft. Diese Maschine verursacht einen Abzug von Produkt. Sie wirkt nicht mit im Produktionsprozeß, obgleich sie die in der Zirkulation verausgabte Arbeitskraft etc. vermindern kann. Sie bildet bloß einen Teil der Zirkulationskosten.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1963, Band 24, S. 131-135.
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