III. Transportkosten

[150] Es ist nicht nötig, hier auf alle Details der Zirkulationskosten einzugehn, wie z.B. Verpackung, Sortierung etc. Das allgemeine Gesetz ist, daß alle Zirkulationskosten, die nur aus der Formverwandlung der Ware entspringen, dieser letztren keinen Wert hinzusetzen. Es sind bloß Kosten zur Realisierung des Werts oder zu seiner Übersetzung aus einer Form in die andre. Das in diesen Kosten ausgelegte Kapital (eingeschlossen die von ihm kommandierte Arbeit) gehört zu den faux frais der kapitalistischen Produktion. Der Ersatz derselben muß aus dem Mehrprodukt geschehn und bildet, die ganze Kapitalistenklasse betrachtet, einen Abzug vom Mehrwert oder Mehrprodukt, ganz wie für einen Arbeiter die Zeit, die er zum Einkauf seiner Lebensmittel braucht, verlorne Zeit ist. Die Transportkosten spielen aber eine zu wichtige Rolle, um sie hier nicht noch kurz zu betrachten.

Innerhalb des Kreislaufs des Kapitals und der Warenmetamorphose, welche einen Abschnitt desselben bildet, vollzieht sich der Stoffwechsel der gesellschaftlichen Arbeit. Dieser Stoffwechsel mag den Raumwechsel der Produkte bedingen, ihre wirkliche Bewegung von einem Ort zum andren. Zirkulation von Waren kann aber stattfinden ohne ihre physische Bewegung und Produktentransport ohne Warenzirkulation, und selbst ohne unmittelbaren Produktenaustausch. Ein Haus, welches A an B verkauft, zirkuliert als Ware, aber es geht nicht spazieren. Bewegliche Warenwerte, wie Baumwolle oder Roheisen, hocken auf demselben Warenlager, zur selben Zeit, wo sie[150] Dutzende von Zirkulationsprozessen durchlaufen, gekauft und wieder verkauft werden von den Spekulanten.21 Was sich hier wirklich bewegt, ist der Eigentumstitel an der Sache, nicht die Sache selbst. Andrerseits spielte z.B. im Reich der Inkas die Transportindustrie eine große Rolle, obgleich das gesellschaftliche Produkt weder als Ware zirkulierte, noch auch vermittelst des Tauschhandels verteilt ward.

Wenn die Transportindustrie daher auf Grundlage der kapitalistischen Produktion als Ursache von Zirkulationskosten erscheint, so ändert diese besondre Erscheinungsform nichts an der Sache.

Produktmassen vermehren sich nicht durch ihren Transport. Auch die durch ihn etwa bewirkte Veränderung ihrer natürlichen Eigenschaften ist mit gewissen Ausnahmen kein beabsichtigter Nutzeffekt, sondern ein unvermeidliches Übel. Aber der Gebrauchswert von Dingen verwirklicht sich nur in ihrer Konsumtion, und ihre Konsumtion mag ihre Ortsveränderung nötig machen, also den zusätzlichen Produktionsprozeß der Transportindustrie. Das in dieser angelegte produktive Kapital setzt also den transportierten Produkten Wert zu, teils durch Wertübertragung von den Transportmitteln, teils durch Wertzusatz vermittelst der Transportarbeit. Dieser letztre Wertzusatz zerfällt, wie bei aller kapitalistischen Produktion, in Ersatz von Arbeitslohn und in Mehrwert.

Innerhalb jedes Produktionsprozesses spielt die Ortsveränderung des Arbeitsgegenstands und die dazu nötigen Arbeitsmittel und Arbeitskräfte – Baumwolle z.B., die aus dem Kardierraum in den Spinnraum rückt. Kohle, die aus dem Schacht auf die Oberfläche gehoben wird – große Rolle. Der Übergang des fertigen Produkts als fertige Ware aus einer selbständigen Produktionsstätte in die andre, räumlich davon entfernte, zeigt dasselbe Phänomen nur auf größrer Stufenleiter. Auf den Transport der Produkte aus einer Produktionsstätte in eine andre folgt noch der der fertigen Produkte aus der Produktionssphäre in die Konsumtionssphäre. Das Produkt ist erst fertig für die Konsumtion, sobald es diese Bewegung vollendet hat.

Es ist, wie früher gezeigt, allgemeines Gesetz der Warenproduktion: Die Produktivität der Arbeit und ihre Wertschöpfung stehn im umgekehrten Verhältnis. Wie von jeder andren, gilt dies von der Transportindustrie. Je kleiner die Arbeitsmenge, tote und lebendige, welche der Transport der[151] Ware für gegebne Entfernung erheischt, desto größer die Produktivkraft der Arbeit, und umgekehrt.22

Die absolute Wertgröße, welche der Transport den Waren zusetzt, steht unter sonst gleichbleibenden Umständen im umgekehrten Verhältnis zur Produktivkraft der Transportindustrie und im direkten Verhältnis zu den zu durchlaufenden Entfernungen.

Der relative Wertteil, den die Transportkosten, unter sonst gleichbleibenden Umständen, dem Preis der Ware zusetzen, steht in direktem Verhältnis zu ihrer Raumgröße und ihrem Gewicht. Die modifizierenden Umstände sind jedoch zahlreich. Der Transport erheischt z.B. größre oder geringre Vorsichtsmaßregeln, daher größre oder geringre Ausgabe von Arbeit und Arbeitsmitteln, je nach der relativen Zerbrechlichkeit, Vergänglichkeit, Explodierbarkeit des Artikels. Hier entwickeln die Eisenbahnmagnaten größres Genie in phantastischer Speziesbildung als Botaniker oder Zoologen. Die Klassifikation der Güter auf englischen Eisenbahnen z.B. füllt Bände und beruht dem allgemeinen Prinzip nach auf der Tendenz, die buntverschiednen natürlichen Eigenschaften der Güter in ebenso zahlreiche Transportgebresten und obligate Prellereivorwände umzuwandeln.

»Glas, welches früher 11 Pfd. St. per crate« (eine Packkiste von bestimmtem Rauminhalt) »wert war, ist jetzt infolge industrieller Fortschritte und der Abschaffung der Glassteuer nur 2 Pfd. St. wert, aber die Transportkosten stehn so hoch wie früher, und höher bei Kanaltransport. Früher wurden Glas und Glaswaren für Bleiarbeiten innerhalb 50 Meilen von Birmingham zu 10 sh. per Tonne verführt. Jetzt ist der Transportpreis auf das Dreifache erhöht unter dem Vorwand des Risikos von wegen Zerbrechlichkeit des Artikels. Wer aber nicht zahlt, was wirklich bricht, ist die Eisenbahndirektion.«23[152]

Daß ferner der relative Wertteil, den die Transportkosten einem Artikel zusetzen, im umgekehrten Verhältnis zu seinem Wert steht, wird für die Eisenbahnmagnaten zum besondren Grund, einen Artikel im direkten Verhältnis zu seinem Wert zu besteuern. Die Klagen der Industriellen und Kaufleute über diesen Punkt kehren auf jeder Seite der Zeugenaussagen des angeführten Berichts wieder.

Die kapitalistische Produktionsweise vermindert die Transportkosten für die einzelne Ware durch die Entwicklung der Transport- und Kommunikationsmittel wie durch die Konzentration – die Größe der Stufenleiter – des Transports. Sie vermehrt den Teil der gesellschaftlichen Arbeit, lebendiger und vergegenständlichter, der im Warentransport verausgabt wird, zuerst durch Verwandlung der großen Mehrzahl aller Produkte in Waren, und sodann durch die Ersetzung lokaler durch entfernte Märkte.

Das Zirkulieren, d.h. tatsächliche Umlaufen der Waren im Raum löst sich auf in den Transport der Ware. Die Transportindustrie bildet einerseits einen selbständigen Produktionszweig, und daher eine besondre Anlagesphäre des produktiven Kapitals. Andrerseits unterscheidet sie sich dadurch, daß sie als Fortdauer eines Produktionsprozesses innerhalb des Zirkulationsprozesses und für den Zirkulationsprozeß erscheint.[153]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1963, Band 24, S. 150-154.
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