15. Wirkung der Umschlagszeit auf die Größe des Kapitalvorschusses

[260] In diesem und dem nächstfolgenden sechzehnten Kapitel behandeln wir den Einfluß der Umschlagszeit auf die Verwertung des Kapitals.

Nehmen wir das Warenkapital, welches das Produkt einer Arbeitsperiode ist, z.B. von neun Wochen. Sehn wir einstweilen ab sowohl von dem Wertteil des Produkts, der ihm durch den Durchschnittsverschleiß des fixen Kapitals zugesetzt ist, wie von dem während des Produktionsprozesses ihm zugesetzten Mehrwert, so ist der Wert dieses Produkts gleich dem Wert des zu seiner Produktion vorgeschoßnen flüssigen Kapitals, d.h. des Arbeitslohns und der in seiner Produktion aufgezehrten Roh- und Hilfsstoffe. Dieser Wert sei = 900 Pfd. St., so daß die Wochenauslage 100 Pfd. St. beträgt. Die periodische Produktionszeit, welche hier mit der Arbeitsperiode zusammenfällt, beträgt also 9 Wochen. Es ist dabei gleichgültig, ob man annimmt, es handle sich hier um eine Arbeitsperiode für ein kontinuierliches Produkt oder um eine kontinuierliche Arbeitsperiode für ein diskretes Produkt, sofern nur das Quantum von diskretem Produkt, welches auf einmal zu Markte geschafft wird, 9 Wochen Arbeit kostet. Die Umlaufszeit daure 3 Wochen. Die ganze Umschlagsperiode daure also 12 Wochen. Nach Verlauf von 9 Wochen ist das vorgeschoßne produktive Kapital in Warenkapital verwandelt, aber es haust nun drei Wochen in der Zirkulationsperiode. Der neue Produktionstermin kann also erst wieder beginnen Anfang der 13. Woche, und die Produktion wäre für drei Wochen stillgesetzt oder für ein Viertel der ganzen Umschlagsperiode. Es ist wieder gleichgültig, ob man voraussetzt, es daure im Durchschnitt so lange bis die Ware verkauft ist oder es sei diese Zeit durch die Entfernung des Markts bedingt oder durch die Zahlungstermine für die verkaufte Ware. Während je 3 Monaten stände die Produktion 3 Wochen still, also während des Jahres 4 * 3 = 12 Wochen = 3 Monaten = 1/4 der jährlichen Umschlagsperiode.[260] Soll die Produktion daher kontinuierlich sein und Woche aus, Woche ein auf demselben Maßstab betrieben werden, so ist nur zweierlei möglich.

Entweder muß der Maßstab der Produktion verkürzt werden, so daß also die 900 Pfd. St. reichen, um die Arbeit in Gang zu halten, sowohl während der Arbeitsperiode wie während der Umlaufszeit des ersten Umschlags. Mit der 10. Woche wird dann eine zweite Arbeitsperiode, also auch Umschlagsperiode, eröffnet, bevor die erste Umschlagsperiode beendet ist, denn die Umschlagsperiode ist zwölfwöchentlich, die Arbeitsperiode neunwöchentlich. 900 Pfd. St. auf 12 Wochen verteilt gibt 75 Pfd. St. wöchentlich. Zunächst ist klar, daß eine solche verkürzte Stufenleiter des Geschäfts veränderte Dimensionen des fixen Kapitals, also überhaupt eine verkürzte Geschäftsanlage voraussetzt. Zweitens ist es fraglich, ob diese Verkürzung überhaupt stattfinden kann, da der Entwicklung der Produktion in den verschiednen Geschäften gemäß ein Normalminimum der Kapitalanlage besteht, unterhalb dessen das einzelne Geschäft konkurrenzunfähig wird. Dies Normalminimum selbst wächst beständig mit der kapitalistischen Entwicklung der Produktion, ist also kein fixes. Zwischen dem jedesmal gegebnen Normalminimum und dem sich stets ausdehnenden Normalmaximum finden aber zahlreiche Zwischenstufen statt – eine Mitte, die sehr verschiedne Grade der Kapitalanlage zuläßt. Innerhalb der Grenzen dieser Mitte kann daher auch Verkürzung stattfinden, deren Grenze das jedesmalige Normalminimum selbst ist. – Bei Hemmung der Produktion, Überfüllung der Märkte, Teurung des Rohstoffs etc. findet Beschränkung der normalen Auslage von zirkulierendem Kapital bei gegebner Grundlage des fixen Kapitals statt durch Beschränkung der Arbeitszeit, indem z.B. nur halbe Tage gearbeitet wird; wie ebenso in Zeiten der Prosperität aufgegebner Grundlage des fixen Kapitals anormale Ausdehnung des zirkulierenden Kapitals stattfindet, teils durch Verlängrung der Arbeitszeit, teils durch Intensifikation derselben. Bei Geschäften, die von vornherein auf solche Schwankungen berechnet sind, hilft man sich teils durch die obigen Mittel, teils durch die gleichzeitige Anwendung einer größeren Arbeiteranzahl, verbunden mit Anwendung von Reserve-Fixkapital, z.B. Reservelokomotiven bei der Eisenbahn etc. Solche anormalen Schwankungen bleiben aber hier, wo wir normale Verhältnisse voraussetzen, außer Betracht.

Um die Produktion kontinuierlich zu machen, ist also hier die Ausgabe desselben zirkulierenden Kapitals über eine größre Zeitlänge verteilt, über 12 Wochen statt über 9. In jedem gegebnen Zeitabschnitt fungiert also ein verkürztes produktives Kapital; der flüssige Teil des produktiven Kapitals ist verkürzt von 100 auf 75 oder um ein Viertel. Die Gesamtsumme, um welche[261] das während der Arbeitsperiode von 9 Wochen fungierende produktive Kapital verkürzt wird, ist = 9 * 25 = 225 Pfd. St., oder 1/4 von 900 Pfd. St. Aber das Verhältnis der Umlaufszeit zur Umschlagsperiode ist ebenfalls 3/12 = 1/4. Es folgt daher: Soll die Produktion nicht unterbrochen werden während der Umlaufszeit des in Warenkapital verwandelten produktiven Kapitals, soll sie vielmehr gleichzeitig und kontinuierlich Woche für Woche fortgesetzt werden, und ist hierfür kein besondres zirkulierendes Kapital gegeben, so kann dies nur erreicht werden durch Vermindrung des Produktionsbetriebs, durch Verkürzung des flüssigen Bestandteils des fungierenden produktiven Kapitals. Der so für die Produktion während der Umlaufszeit freigesetzte flüssige Kapitalteil verhält sich zum vorgeschoßnen flüssigen Gesamtkapital wie die Umlaufszeit zur Umschlagsperiode. Es gilt dies, wie bereits bemerkt, nur für Produktionszweige, in denen der Arbeitsprozeß Woche ein, Woche aus, auf derselben Stufenleiter ausgeführt wird, wo also nicht zu verschiednen Arbeitsperioden wechselnde Kapitalsummen auszulegen sind, wie in der Agrikultur.

Nehmen wir aber umgekehrt an, die Anlage des Geschäfts schließe eine Verkürzung der Stufenleiter der Produktion und daher auch des wöchentlich vorzuschießenden flüssigen Kapitals aus, so kann die Kontinuität der Produktion nur erreicht werden durch ein zuschüssiges flüssiges Kapital, im obigen Fall von 300 Pfd. St. Während der Umschlagsperiode von 12 Wochen werden sukzessive 1200 Pfd. St. vorgeschossen, davon 300 der vierte Teil, wie 3 Wochen von 12. Nach der Arbeitsperiode von 9 Wochen ist der Kapitalwert von 900 Pfd. St. aus der Form von produktivem Kapital in die Form von Warenkapital verwandelt. Seine Arbeitsperiode ist beschlossen, aber sie kann nicht mit demselben Kapital erneuert werden. Während der drei Wochen, worin es die Zir kulationssphäre behaust, als Warenkapital fungiert, befindet es sich mit Bezug auf den Produktionsprozeß in demselben Zustand, als wenn es überhaupt nicht existierte. Es wird hier von allen Kreditverhältnissen abgesehn und daher unterstellt, daß der Kapitalist nur mit eignem Kapital wirtschaftet. Während aber das für die erste Arbeitsperiode vorgeschoßne Kapital, nach vollbrachtem Produktionsprozeß, sich während 3 Wochen im Zirkulationsprozeß aufhält, fungiert ein zuschüssig ausgelegtes Kapital von 300 Pfd. St., so daß die Kontinuität der Produktion nicht unterbrochen wird.

Es ist nun hierbei folgendes zu bemerken:

Erstens: Die Arbeitsperiode des zuerst vorgeschoßnen Kapitals von 900 Pfd. St. ist beendet nach 9 Wochen, und es fließt zurück nicht vor 3 Wochen, also erst im Beginn der 13. Woche. Aber eine neue Arbeitsperiode[262] wird sofort wieder eröffnet mit dem zuschüssigen Kapital von 300 Pfd. St. Eben dadurch ist die Kontinuität der Produktion hergestellt.

Zweitens: Die Funktionen des ursprünglichen Kapitals von 900 Pfd. St. und des am Schluß der ersten Arbeitsperiode von 9 Wochen neu zugeschoßnen Kapitals von 300 Pfd. St., das die zweite Arbeitsperiode nach Schluß der ersten ohne Unterbrechung eröffnet, sind in der ersten Umschlagsperiode genau geschieden, oder können es wenigstens sein, während sie da gegen im Verlauf der zweiten Umschlagsperiode einander durchkreuzen.

Stellen wir uns die Sache sinnlich vor:

Erste Umschlagsperiode von 12 Wochen. Erste Arbeitsperiode von 9 Wochen; der Umschlag des hierin vorgeschoßnen Kapitals wird vollendet im Anfang der 13. Woche. Während der letzten 3 Wochen fungiert das zusätzliche Kapital von 300 Pfd. St. und eröffnet die zweite Arbeitsperiode von 9 Wochen.

Zweite Umschlagsperiode. Anfang der 13. Woche sind 900 Pfd. St. zurückgeflossen und fähig, einen neuen Umschlag zu beginnen. Aber die zweite Arbeitsperiode ist bereits durch die zuschüssigen 300 Pfd. St. in der 10. Woche eröffnet worden; im Beginn der 13. Woche ist durch dasselbe bereits ein Drittel der Arbeitsperiode vollendet, 300 Pfd. St. aus produktivem Kapital in Produkt verwandelt. Da nur noch 6 Wochen zur Beendigung der zweiten Arbeitsperiode nötig, können nur zwei Drittel des zurückgefloßnen Kapitals von 900 Pfd. St., nämlich nur 600 Pfd. St., in den Produktionsprozeß der zweiten Arbeitsperiode eingehn. 300 Pfd. St. sind freigesetzt von den ursprünglichen 900 Pfd. St., um dieselbe Rolle zu spielen, welche das zugeschoßne Kapital von 300 Pfd. St. in der ersten Arbeitsperiode spielte. Ende der 6. Woche der zweiten Umschlagsperiode ist die zweite Arbeitsperiode absolviert. Das in ihr ausgelegte Kapital von 900 Pfd. St. fließt zurück nach 3 Wochen, also Ende der 9. Woche der zweiten zwölfwöchentlichen Umschlagsperiode. Während der 3 Wochen seiner Umlaufszeit tritt ein das freigesetzte Kapital von 300 Pfd. St. Damit beginnt die dritte Arbeitsperiode eines Kapitals von 900 Pfd. St. in der 7. Woche der zweiten Umschlagsperiode oder der 19. Jahreswoche.

Dritte Umschlagsperiode. Ende der 9. Woche der zweiten Umschlagsperiode neuer Rückfluß von 900 Pfd. St. Aber die dritte Arbeitsperiode hat bereits begonnen in der 7. Woche der vorigen Umschlagsperiode, und 6 Wochen sind bereits zurückgelegt. Sie dauert also nur noch 3 Wochen. Von den zurückgefloßnen 900 Pfd. St. gehn also nur 300 Pfd. St. in den Produktionsprozeß ein. Die vierte Arbeitsperiode füllt die übrigen 9 Wochen[263] dieser Umschlagsperiode aus, und so beginnt mit der 37. Woche des Jahres gleichzeitig die vierte Umschlagsperiode und die fünfte Arbeitsperiode.

Um den Fall für die Berechnung zu vereinfachen, wollen wir annehmen: Arbeitsperiode 5 Wochen, Umlaufszeit 5 Wochen, also Umschlagsperiode von 10 Wochen; das Jahr zu 50 Wochen gerechnet, Kapitalauslage per Woche 100 Pfd. St. Die Arbeitsperiode erfordert also ein flüssiges Kapital von 500 Pfd. St., und die Umlaufszeit ein zuschüssiges Kapital von fernern 500 Pfd. St. Arbeitsperioden und Umschlagszei ten stellen sich dann wie folgt:


Arbeits-WochePfd. St.retourniert

periodeWare

1.1.-5.500Ende der 10.Woche

2.6.-10.50015.

3.11.-15.50020.

4.16.-20.50025.

5.21.-25.50030.

usw.


Wenn die Umlaufszeit = 0, die Umschlagsperiode also gleich der Arbeitsperiode, so ist die Anzahl der Umschläge gleich der Anzahl der Arbeitsperioden im Jahr. Bei fünfwöchentlicher Arbeitsperiode also 50/5 Wochen = 10, und der Wert des umgeschlagnen Kapitals wäre = 500 * 10 = 5000. In der Tabelle, wo eine Umlaufszeit von 5 Wochen angenommen, werden jährlich ebenfalls Waren zum Wert von 5000 Pfd. St. produziert, wovon aber 1/10 = 500 Pfd. St. sich stets in Gestalt von Warenkapital befindet und erst nach 5 Wochen zurückfließt. Am Ende des Jahrs hat dann das Produkt der zehnten Arbeitsperiode (46.-50. Arbeitswoche) seine Umschlagszeit nur zur Hälfte vollendet, indem deren Umlaufszeit in die ersten 5 Wochen des nächsten Jahres fällt.

Wir wollen noch ein drittes Beispiel nehmen: Arbeitsperiode 6 Wochen, Umlaufszeit 3 Wochen, wöchentlicher Vorschuß im Arbeitsprozeß 100 Pfd. St.

1. Arbeitsperiode: 1.-6. Woche. Am Ende der 6. Woche ein Warenkapital von 600 Pfd. St., retourniert Ende der 9. Woche.

2. Arbeitsperiode: 7.-12. Woche. Während der 7.-9. Woche 300 Pfd. St. zuschüssiges Kapital vorgeschossen. Ende der 9. Woche Rückfluß von 600 Pfd. St. Davon 10-12. Woche vorgeschossen 300 Pfd. St.; am Ende der 12. Woche also flüssig 300 Pfd. St., in Warenkapital vorhanden 600 Pfd. St., retourniert am Ende der 15. Woche.[264]

3. Arbeitsperiode: 13.-18. Woche. 13.-15. Woche Vorschuß der obigen 300 Pfd. St., dann Rückfluß von 600 Pfd. St., wovon 300 Pfd. St. vorgeschossen für 16-18. Woche. Am Ende der 18. Woche 300 Pfd. St. flüssig in Geld; 600 Pfd. St. in Warenkapital vorhanden, das Ende der 21. Woche zurückfließt. (Siehe die eingehendere Darstellung dieses Falls unter II weiter unten.)

Es werden also in 9 Arbeitsperioden (= 54 Wochen) 600 * 9 = 5400 Pfd. St. Ware produziert. Am Ende der neunten Arbeitsperiode besitzt der Kapitalist 300 Pfd. St. in Geld und 600 Pfd. St. in Ware, die ihre Umlaufszeit noch nicht zurückgelegt hat.

Bei Vergleichung dieser drei Beispiele finden wir erstens, daß nur beim zweiten Beispiel eine sukzessive Ablösung des Kapitals I von 500 Pfd. St. und des Zuschußkapitals II von ebenfalls 500 Pfd. St. stattfindet, so daß diese zwei Kapitalteile sich getrennt voneinander bewegen, und zwar nur deswegen, weil hier die ganz ausnahmsweise Unterstellung gemacht ist, daß Arbeitsperiode und Umlaufszeit zwei gleiche Hälften der Umschlagsperiode bilden. In allen andern Fällen, welches auch immer die Ungleichheit zwischen den beiden Perioden der Umschlagsperiode sei, durchkreuzen sich die Bewegungen der beiden Kapitale, wie in Beispiel I und III, schon von der zweiten Umschlagsperiode an. Es bildet dann das zuschüssige Kapital II zusammen mit einem Teil des Kapitals I das in der zweiten Umschlagsperiode fungierende Kapital, während der Rest des Kapitals I für die ursprüngliche Funktion des Kapitals II freigesetzt wird. Das während der Umlaufszeit des Warenkapitals tätige Kapital ist hier nicht identisch mit dem ursprünglich für diesen Zweck vorgeschoßnen Kapital II, aber es ist ihm gleich an Wert und bildet dieselbe Aliquote des vorgeschoßnen Gesamtkapitals.

Zweitens: Das Kapital, welches während der Arbeitsperiode fungiert hat, liegt während der Umlaufszeit brach. Im zweiten Beispiel fungiert das Kapital während 5 Wochen Arbeitsperiode und liegt brach während 5 Wochen Umlaufszeit. Die gesamte Zeit also, während deren Kapital I hier im Verlauf des Jahres brachliegt, beträgt ein halbes Jahr. Für diese Zeit tritt dann das Zuschußkapital II ein, das also im vorliegenden Fall seinerseits auch ein halbes Jahr brachliegt. Aber das zuschüssige Kapital, erforderlich, um die Kontinuität der Produktion während der Umlaufszeit zu bewirken, ist nicht bestimmt durch den Gesamtumfang, resp. durch die Summe der Umlaufszeiten innerhalb des Jahres, sondern nur durch das Verhältnis der Umlaufszeit zur Umschlagsperiode. (Es ist hier natürlich vorausgesetzt, daß sämtliche Umschläge unter denselben Bedingungen[265] vorgehn.) Es sind daher im Beispiel II 500 Pfd. St. Zusatzkapital nötig, nicht 2500 Pfd. St. Es rührt dies einfach daher, daß das Zusatzkapital ebensogut in den Umschlag eintritt, wie das ursprünglich vorgeschoßne, und also ganz wie dieses durch die Zahl seiner Umschläge seine Masse ersetzt.

Drittens: Ob die Produktionszeit länger ist als die Arbeitszeit, ändert an den hier betrachteten Umständen nichts. Es werden dadurch allerdings die Gesamtumschlagsperioden verlängert, aber wegen dieses verlängerten Umschlags wird kein zuschüssiges Kapital für den Arbeitsprozeß erheischt. Das zuschüssige Kapital hat nur den Zweck, die durch die Umlaufszeit entstehenden Lücken im Arbeitsprozeß auszufüllen; es soll also die Produktion nur vor Störungen schützen, die aus der Umlaufszeit entspringen; Störungen, die aus den eignen Bedingungen der Produktion entstehn, sind auf andre, hier nicht zu betrachtende Weise, auszugleichen. Es gibt dagegen Geschäfte, in denen nur stoßweis, auf Bestellung gearbeitet wird, wo also zwischen den Arbeitsperioden Unterbrechungen eintreten können. Bei solchen fällt die Notwendigkeit des zusätzlichen Kapitals pro tanto weg. Andrerseits ist in den meisten Fällen von Saisonarbeit auch eine gewisse Grenze für die Zeit des Rückflusses gegeben. Dieselbe Arbeit kann mit demselben Kapital nächstes Jahr nicht erneuert werden, wenn inzwischen die Zirkulationszeit dieses Kapitals nicht abgelaufen. Dagegen kann die Umlaufszeit auch kürzer sein als der Abstand von einer Produktionsperiode bis zur nächsten. In diesem Fall liegt das Kapital brach, wenn es nicht in der Zwischenzeit anderweitig angewandt wird.

Viertens: Das für eine Arbeitsperiode vorgeschoßne Kapital, z.B. die 600 Pfd. St. im Beispiel III, werden teils in Roh- und Hilfsstoffen ausgelegt, in produktivem Vorrat für die Arbeitsperiode, in konstantem zirkulierendem Kapital, teils in variablem zirkulierendem Kapital, in Zahlung der Arbeit selbst. Der in konstantem zirkulierendem Kapital ausgelegte Teil mag nicht für dieselbe Zeitlänge in der Form von produktivem Vorrat existieren, z.B. das Rohmaterial nicht für die ganze Arbeitsperiode daliegen, die Kohlen nur alle zwei Wochen beschafft werden. Indes – da hier Kredit noch ausgeschlossen – muß dieser Teil des Kapitals, soweit er nicht in Form von produktivem Vorrat disponibel ist, in der Form von Geld disponibel bleiben, um nach Bedarf in produktiven Vorrat verwandelt zu werden. Es ändert dies nichts an der Größe des für 6 Wochen vorgeschoßnen konstanten zirkulierenden Kapitalwerts. Dagegen – abgesehn von dem Geldvorrat für unvorhergesehene Ausgaben, dem eigentlichen Reservefonds zur Ausgleichung von Störungen – wird der Arbeitslohn in kürzern[266] Perioden, meist wöchentlich gezahlt. Falls also nicht der Kapitalist den Arbeiter zwingt, ihm längre Vorschüsse seiner Arbeit zu machen, muß das für Arbeitslohn nötige Kapital in Geldform vorhanden sein. Beim Rückfluß des Kapitals muß also ein Teil in Geldform festgehalten werden zur Zahlung der Arbeit, während der andre Teil in produktiven Vorrat verwandelt werden kann.

Das Zuschußkapital teilt sich ein ganz wie das ursprüngliche. Was es aber von Kapital I unterscheidet, ist, daß es (von Kreditverhältnissen abgesehn), um für seine eigne Arbeitsperiode disponibel zu sein, vorgeschossen sein muß schon während der ganzen Dauer der ersten Arbeitsperiode von Kapital I, in die es nicht eingeht. Während dieser Zeit kann es, teilweise wenigstens, schon in konstantes zirkulierendes Kapital verwandelt werden, das für die ganze Umschlags periode vorgeschossen ist. Wieweit es diese Form annimmt oder wieweit es in der Form von zuschüssigem Geldkapital verharrt, bis zum Moment, wo diese Verwandlung notwendig wird, wird abhängen teils von den besondren Produktionsbedingungen bestimmter Geschäftszweige, teils von Lokalumständen, teils von Preisschwankungen der Rohstoffe etc. Das gesellschaftliche Gesamtkapital betrachtet, wird sich stets ein mehr oder minder bedeutender Teil dieses zuschüssigen Kapitals für längre Zeit im Zustand des Geldkapitals befinden. Was dagegen den in Arbeitslohn vorzuschießenden Teil des Kapitals II betrifft, so wird er stets erst allmählich in Arbeitskraft verwandelt im Maß, wie kleinre Arbeitsperioden ablaufen und bezahlt werden. Dieser Teil des Kapitals II ist also für die ganze Dauer der Arbeitsperiode in der Form des Geldkapitals vorhanden, bis er durch Verwandlung in Arbeitskraft in die Funktion des produktiven Kapitals eingeht.

Dies Hereinkommen des zur Verwandlung der Umlaufszeit von Kapital I in Produktionszeit erheischten Zuschußkapitals vermehrt also nicht nur die Größe des vorgeschoßnen Kapitals und die Länge der Zeit, wofür das Gesamtkapital notwendig vorgeschossen wird, sondern es vermehrt auch spezifisch den Teil des vorgeschoßnen Kapitals, der als Geldvorrat existiert, also sich im Zustand von Geldkapital befindet und die Form von potentiellem Geldkapital besitzt.

Dies findet ebenso statt – sowohl, was den Vorschuß in der Form von produktivem Vorrat wie in der Form von Geldvorrat betrifft –, wenn die durch die Umlaufszeit erheischte Spaltung des Kapitals in zwei Teile: Kapital für die erste Arbeitsperiode und Ersatzkapital für die Umlaufszeit, nicht durch Vergrößrung des ausgelegten Kapitals, sondern durch Vermindrung der Stufenleiter der Produktion hervorgebracht ist. Im Verhältnis[267] zur Stufenleiter der Produktion wächst hier eher noch die Zunahme des in Geldform gebannten Kapitals.

Was durch diese Verteilung des Kapitals in ursprünglich produktives und Zuschußkapital überhaupt erreicht ist, ist die ununterbrochne Aufeinanderfolge der Arbeitsperioden, die beständige Funktion eines gleichgroßen Teils des vorgeschoßnen Kapitals als produktives Kapital.

Sehn wir uns Beispiel II an. Das beständig im Produktionsprozeß befindliche Kapital ist 500 Pfd. St. Da die Arbeitsperiode = 5 Wochen, arbeitet es während 50 Wochen (als Jahr angenommen) zehnmal. Das Produkt beträgt daher auch, abgesehn vom Mehrwert, 10 * 500 = 5000 Pfd. St. Vom Standpunkt des unmittelbar und ununterbrochen im Produktionsprozeß arbeitenden Kapitals – eines Kapitalwerts von 500 Pfd. St. – erscheint also die Umlaufszeit als gänzlich ausgelöscht. Die Umschlagsperiode fällt zusammen mit der Arbeitsperiode; die Umlaufszeit ist = 0 gesetzt.

Wäre dagegen das Kapital von 500 Pfd. St. in seiner produktiven Tätigkeit regelmäßig durch die Umlaufszeit von 5 Wochen gehemmt, so daß es erst wieder produktionsfähig wäre nach Beendigung der ganzen Umschlagsperiode von 10 Wochen, so hätten wir in den 50 Jahreswochen 5 zehnwöchentliche Umschläge; darin 5 fünfwöchentliche Produktionsperioden, also zusammen 25 Produktionswochen mit einem Gesamtprodukt von 5 * 500 = 2500 Pfd. St.; 5 fünfwöchentliche Umlaufszeiten, also Gesamtumlaufszeit ebenfalls 25 Wochen. Sagen wir hier: Das Kapital von 500 Pfd. St. hat fünfmal im Jahre umgeschlagen, so ist sichtbar und klar, daß während der Hälfte jeder Umschlagsperiode dies Kapital von 500 Pfd. St. gar nicht als produktives Kapital fungiert hat und daß, alles zusammengerechnet, es nur während eines halben Jahres fungiert hat, während des andern Halbjahrs aber gar nicht.

In unserm Beispiel tritt für die Dauer dieser fünf Umlaufszeiten das Ersatzkapital von 500 Pfd. St. ein, und dadurch wird der Umschlag von 2500 auf 5000 Pfd. St. erhöht. Aber das vorgeschoßne Kapital ist nun auch 1000 Pfd. St. statt 500 Pfd. St. 5000 dividiert durch 1000 ist gleich 5. Also statt der zehn Umschläge fünf. So wird denn auch in der Tat gerechnet. Aber indem es dann heißt, das Kapital von 1000 Pfd. St. hat fünfmal im Jahr umgeschlagen, verschwindet in den hohlen Kapitalistenschädeln die Erinnerung an die Umlaufszeit, und eine konfuse Vorstellung bildet sich, als ob dies Kapital während der sukzessiven fünf Umschläge beständig im Produktionsprozeß fungiert habe. Sagen wir aber, dies Kapital von 1000 Pfd. St. hat fünfmal umgeschlagen, so ist darin sowohl Umlaufszeit wie Produktionszeit[268] eingeschlossen. In der Tat, wären wirklich 1000 Pfd. St. im Produktionsprozeß fortwährend tätig gewesen, so müßte das Produkt unter unsern Voraussetzungen 10000 Pfd. St. statt 5000 sein. Um aber 1000 Pfd. St. fortwährend im Produktionsprozeß zu haben, müßten dann auch 2000 Pfd. St. überhaupt vorgeschossen sein. Die Ökonomen, bei denen überhaupt nichts Klares über den Mechanismus des Umschlags zu finden, übersehn fortwährend dies Hauptmoment, daß stets nur ein Teil des industriellen Kapitals tatsächlich im Produktionsprozeß engagiert sein kann, wenn die Produktion ununterbrochen vorangehn soll. Während der eine Teil sich in der Produktionsperiode, muß stets ein andrer Teil sich in der Zirkulationsperiode befinden. Oder mit andern Worten, der eine Teil kann nur als produktives Kapital fungieren unter der Bedingung, daß ein andrer Teil in der Form von Waren- oder Geldkapital der eigentlichen Produktion entzogen bleibt. Indem dies übersehn wird, wird überhaupt die Bedeutung und Rolle des Geldkapitals übersehn.

Wir haben jetzt zu untersuchen, welche Verschiedenheit im Umschlag sich herausstellt, je nachdem die beiden Abschnitte der Umschlagsperiode – Arbeitsperiode und Zirkulationsperiode – einander gleich sind, oder die Arbeitsperiode größer oder kleiner als die Zirkulationsperiode ist, und ferner, wie dies auf die Bindung von Kapital in der Form Geldkapital wirkt.

Wir nehmen an, daß das wöchentlich vorzuschießende Kapital in allen Fällen 100 Pfd. St. und die Umschlagsperiode 9 Wochen sei, also das für jede Umschlagsperiode vorzuschießende Kapital = 900 Pfd. St.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1963, Band 24, S. 260-269.
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