3. Der konstante Kapitalteil

[372] Sehn wir nun, wie A. Smith den konstanten Wertteil des Kapitals aus dem Warenwert wegzuhexen sucht.

[372] »In dem Preis des Korns z.B. zahlt ein Teil die Rente des Grundbesitzers.«

Der Ursprung dieses Wertbestandteils hat ebensowenig mit dem Umstand zu schaffen, daß er dem Grundbesitzer gezahlt wird und für ihn Revenue unter der Form der Rente bildet, wie der Ursprung der andern Wertbestandteile damit zu schaffen hat, daß sie als Profit und Arbeitslohn Revenuequellen bilden.

»Ein andrer Teil zahlt den Lohn und Unterhalt der Arbeiter« 〈und des Arbeitsviehs! setzt er hinzu}, »die in seiner Produktion beschäftigt waren, und der dritte Teil zahlt den Profit des Pächters. Diese drei Teile scheinen« 〈seem, in der Tat scheinen sie} »entweder unmittelbar oder in letzter Instanz den ganzen Preis des Korns auszumachen.«46

Dieser ganze Preis, d.h. seine Größenbestimmung, ist absolut unabhängig von seiner Verteilung unter drei Sorten von Personen.

»Ein vierter Teil mag notwendig scheinen, um das Kapital des Pächters zu ersetzen oder um den Verschleiß seines Arbeitsviehs und seiner andern Ackergeräte zu ersetzen. Aber es muß in Betracht gezogen werden, daß der Preis irgendwelches Ackergeräts, z.B. eines Arbeitspferds, selbst wieder aus obigen drei Teilen sich zusammensetzt: der Rente des Bodens, auf dem es gezüchtet, der Arbeit der Züchtung und dem Profit des Pächters, der beides, die Rente dieses Bodens und den Lohn dieser Arbeit, vorschießt. Obwohl daher der Preis des Korns sowohl den Preis wie die Unterhaltungskosten des Pferdes ersetzen mag, so löst sich doch der ganze Preis immer noch, unmittelbar oder in letzter Instanz, auf in dieselben drei Teile: Bodenrente, Arbeit« 〈er meint Arbeitslohn} »und Profit.« (B. I, ch. 6, p. 42.)

Das ist wörtlich alles, was A. Smith zur Begründung seiner erstaunlichen Doktrin vorbringt. Sein Beweis besteht einfach in der Wiederholung derselben Behauptung. Er gibt beispielsweise zu, daß der Preis des Korns nicht nur besteht aus v + m, sondern ebenfalls aus dem Preis der in der Kornproduktion verzehrten Produktionsmittel, also aus einem Kapitalwert, den der Pächter nicht in Arbeitskraft angelegt hat. Aber, sagt er, die Preise aller dieser Produktionsmittel selbst zerfallen, wie der Kornpreis, auch in v + m; nur vergißt A. Smith hinzuzusetzen: außerdem in den Preis der in ihrer eignen Erzeugung verzehrten Produktionsmittel. Er verweist von einem Produktionszweig auf den andern und von dem andern wieder[373] auf einen dritten. Daß der ganze Preis der Waren sich »unmittelbar« oder »in letzter Instanz« (ultimately) in v + m auflöst, wäre nur dann keine hohle Ausflucht, wenn nachgewiesen worden, daß die Warenprodukte, deren Preis sich unmittelbar auflöst in c (Preis verzehrter Produktionsmittel) + v + m, schließlich kompensiert werden durch Warenprodukte, welche jene »verzehrten Produktionsmittel« ihrem ganzen Umfang nach ersetzen und die ihrerseits dagegen hergestellt werden durch bloße Auslage von variablem, d.h. in Arbeitskraft ausgelegtem Kapital. Der Preis der letztren wäre dann unmittelbar = v + m. Daher auch der Preis der erstern, c + v + m, wo c als konstanter Kapitalteil figuriert, schließlich auflösbar in v + m. A. Smith glaubte selbst nicht, solchen Nachweis geliefert zu haben durch sein Beispiel mit den Scotch-pebbles-Sammlern, die aber nach ihm 1. keinen Mehrwert irgendeiner Art liefern, sondern nur ihren eignen Arbeitslohn produzieren; 2. keine Produktionsmittel anwenden (wohl doch auch in Form von Körben, Säcken und andern Gefäßen zum Wegtragen der Steinchen).

Wir haben bereits vorhin gesehn, daß A. Smith selbst seine eigne Theorie später über den Haufen wirft, ohne sich indes seiner Widersprüche bewußt zu werden. Ihre Quelle ist jedoch zu suchen gerade in seinen wissenschaftlichen Ausgangspunkten. Das in Arbeit umgesetzte Kapital produziert einen größern Wert als seinen eignen. Wie? Indem, sagt A. Smith, die Arbeiter während des Produktionsprozesses den von ihnen bearbeiteten Dingen einen Wert einprägen, der außer dem Äquivalent für ihren eignen Kaufpreis einen nicht ihnen, sondern ihren Anwendern zufallenden Mehrwert bildet (Profit und Rente). Das ist aber auch alles, was sie leisten und leisten können. Was von der industriellen Arbeit eines Tages, das gilt von der durch die ganze Kapitalistenklasse während eines Jahres in Bewegung gesetzten Arbeit. Die Gesamtmasse des jährlichen gesellschaftlichen Wertprodukts kann daher nur zerfällbar sein in v + m, in ein Äquivalent, wodurch die Arbeiter den in ihrem eignen Kaufpreis verausgabten Kapitalwert ersetzen, und in den zusätzlichen Wert, den sie darüber hinaus ihrem Anwender liefern müssen. Diese beiden Wertelemente der Waren aber bilden zugleich Revenuequellen für die verschiednen in der Reproduktion beteiligten Klassen: das erste den Arbeitslohn, die Revenue der Arbeiter; das zweite den Mehrwert, wovon der industrielle Kapitalist einen Teil in Form des Profits für sich behält, einen andern abtritt als Rente, die Revenue des Grundeigentümers. Wo sollte also ein weitrer Wertbestandteil herkommen, da das jährliche Wertprodukt keine andren Elemente enthält außer v + m? Wir stehn hier auf dem Boden der einfachen Reproduktion. Da die ganze jährliche Arbeitssumme sich auflöst in Arbeit, nötig zur Reproduktion[374] des in Arbeitskraft ausgelegten Kapitalwerts, und in Arbeit, nötig zur Schöpfung eines Mehrwerts, wo sollte da überhaupt noch die Arbeit zur Produktion eines nicht in Arbeitskraft ausgelegten Kapitalwerts herkommen?

Die Sache liegt folgendermaßen:

1. A. Smith bestimmt den Wert einer Ware durch die Masse Arbeit, die der Lohnarbeiter dem Arbeitsgegenstand zusetzt (adds). Er sagt wörtlich: »den Materialien«, da er von Manufaktur handelt, die selbst schon Arbeitsprodukte verarbeitet; dies ändert aber nichts an der Sache. Der Wert, den der Arbeiter einem Dinge zusetzt (und dies »adds« ist der Ausdruck Adams) ist ganz unabhängig davon, ob dieser Gegenstand, dem Wert zugesetzt wird, vor diesem Zusatz schon selbst Wert hat oder nicht. Der Arbeiter schafft also in Warenform ein Wertprodukt; dies ist nach A. Smith einesteils Äquivalent seines Arbeitslohns, und dieser Teil ist also bestimmt durch den Wertumfang seines Arbeitslohns; je nachdem dieser größer oder kleiner, hat er mehr Arbeit zuzusetzen, um einen Wert gleich dem seines Arbeitslohns zu produzieren oder zu reproduzieren. Andernteils aber setzt der Arbeiter über die so gezogne Grenze hinaus weitre Arbeit zu, die Mehrwert für den ihn beschäftigenden Kapitalisten bildet. Ob dieser Mehrwert ganz in den Händen des Kapitalisten bleibt oder stückweis an dritte Personen von ihm abzutreten ist, ändert absolut nichts weder an der qualitativen (daß es überhaupt Mehrwert ist) noch an der quantitativen (der Größen-)Bestimmung des vom Lohnarbeiter zugesetzten Mehrwerts. Es ist Wert wie jeder andre Wertteil des Produkts, unterscheidet sich aber dadurch, daß der Arbeiter kein Äquivalent dafür erhalten hat noch nachher erhält, dieser Wert vielmehr vom Kapitalisten ohne Äquivalent angeeignet wird. Der Gesamtwert der Ware ist bestimmt durch das Quantum Arbeit, das der Arbeiter in ihrer Produktion verausgabt hat; ein Teil dieses Gesamtwerts ist dadurch bestimmt, daß er gleich dem Wert des Arbeitslohns ist, also Äquivalent für denselben. Der zweite Teil, der Mehrwert, ist daher notwendig ebenfalls bestimmt, nämlich gleich dem Gesamtwert des Produkts minus dem Wertteil desselben, der Äquivalent des Arbeitslohns ist; also gleich dem Überschuß des in Herstellung der Ware geschaffnen Wertprodukts über den darin enthaltnen Wertteil, der gleich dem Äquivalent für seinen Arbeitslohn.

2. Was für die Ware, produziert in einem einzelnen industriellen Geschäft durch jeden einzelnen Arbeiter, gilt vom Jahresprodukt aller Geschäftszweige zusammen. Was von der Tagesarbeit eines individuellen produktiven Arbeiters, gilt von der durch die ganze produktive Arbeiterklasse[375] flüssig gemachten Jahresarbeit. Sie »fixiert« (Smithscher Ausdruck) im Jahresprodukt einen Gesamtwert, bestimmt durch das Quantum der verausgabten Jahresarbeit, und dieser Gesamtwert zerfällt in einen Teil, bestimmt durch dasjenige Stück der Jahresarbeit, worin die Arbeiterklasse ein Äquivalent ihres Jahreslohns schafft, in der Tat diesen Lohn selbst; und in einen andern Teil, bestimmt durch die zusätzliche Jahresarbeit, worin der Arbeiter einen Mehrwert für die Kapitalistenklasse schafft. Das im Jahresprodukt enthaltne jährliche Wertprodukt besteht also nur aus zwei Elementen, dem Äquivalent des von der Arbeiterklasse erhaltnen Jahreslohns und dem jährlich für die Kapitalistenklasse gelieferten Mehrwert. Der Jahreslohn bildet aber die Revenue der Arbeiterklasse, die Jahressumme des Mehrwerts die Revenue der Kapitalistenklasse; beide stellen also (und dieser Gesichtspunkt ist richtig bei Darstellung der einfachen Reproduktion) die relativen Anteile am jährlichen Konsumtionsfonds dar und realisieren sich in ihm. Und so bleibt nirgends Platz für den konstanten Kapitalwert, für die Reproduktion des in Form von Produktionsmitteln fungierenden Kapitals. Daß aber alle Teile des Warenwerts, die als Revenue fungieren, zusammenfallen mit dem für den gesellschaftlichen Konsumtionsfonds bestimmten jährlichen Arbeitsprodukt, sagt A. Smith ausdrücklich in der Einleitung seines Werks:

»Worin die Revenue des Volks überhaupt bestanden hat oder was die Natur des Fonds war, welcher... ihre jährliche Konsumtion geliefert hat (supplied), dies zu erklären ist der Zweck dieser vier ersten Bücher.« (p. 12.)

Und gleich im ersten Satz der Einleitung heißt es:

»Die jährliche Arbeit jeder Nation ist der Fonds, welcher sie ursprünglich versieht mit all den Lebensmitteln, die sie im Lauf des Jahres verzehrt und die stets bestehn entweder aus dem unmittelbaren Produkt dieser Arbeit oder in den mit diesem Produkt von andern Nationen gekauften Gegenständen.« (p. l1.)

Der erste Fehler A. Smiths besteht nun darin, daß er den jährlichen Produktenwert gleichsetzt dem jährlichen Wertprodukt. Das letztre ist nur Produkt der Arbeit des vergangnen Jahrs; der erstere schließt außerdem alle Wertelemente ein, die zur Herstellung des Jahresprodukts verbraucht, aber im vorhergehenden und zum Teil in noch früher verfloßnen Jahren produziert wurden: Produktionsmittel, deren Wert nur wiedererscheint – die, was ihren Wert betrifft, weder produziert noch reproduziert worden sind durch während des letzten Jahrs verausgabte Arbeit. Durch diese Verwechslung manipuliert A. Smith den konstanten Wertteil des Jahresprodukts hinweg. Die Verwechslung selbst beruht auf einem andern Irrtum in seiner Fundamentalauffassung:[376] er unterscheidet nicht den zwiespältigen Charakter der Arbeit selbst: der Arbeit, soweit sie als Verausgabung von Arbeitskraft Wert und soweit sie als konkrete, nützliche Arbeit Gebrauchsgegenstände (Gebrauchswert) schafft. Die Gesamtsumme der jährlich hergestellten Waren, also das ganze Jahresprodukt, ist Produkt der im letzten Jahr wirkenden nützlichen Arbeit; nur dadurch, daß gesellschaftlich angewandte Arbeit in einem vielverzweigten System nützlicher Arbeitsarten verausgabt wurde, sind alle diese Waren da; nur dadurch ist in ihrem Gesamtwert der Wert der in ihrer Produktion verzehrten Produktionsmittel erhalten, in neuer Naturalform wieder erscheinend. Das gesamte Jahresprodukt ist also Resultat der während des Jahrs verausgabten nützlichen Arbeit; aber vom jährlichen Produktenwert ist nur ein Teil während des Jahrs geschaffen worden; dieser Teil ist das jährliche Wertprodukt, worin sich die Summe der während des Jahres selbst flüssiggemachten Arbeit darstellt.

Wenn also A. Smith in der soeben zitierten Stelle sagt:

»Die jährliche Arbeit jeder Nation ist der Fonds, welcher sie ursprünglich versieht mit all den Lebensmitteln, die sie im Lauf des Jahrs verzehrt etc.«,

so stellt er sich einseitig auf den Standpunkt der bloß nützlichen Arbeit, die allerdings alle diese Lebensmittel in ihre verzehrbare Form gebracht hat. Er vergißt aber dabei, daß dies unmöglich war ohne Mithilfe der aus frühern Jahren überlieferten Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstände und daß daher die »jährliche Arbeit«, soweit sie Wert bildete, keineswegs den ganzen Wert des durch sie fertiggestellten Produkts geschaffen hat; daß das Wertprodukt kleiner ist als der Produktenwert.

Wenn man A. Smith keinen Vorwurf machen kann, in dieser Analyse nur so weit gegangen zu sein als alle seine Nachfolger (obgleich sich ein Ansatz zum Richtigen schon bei den Physiokraten vorfand), so verläuft er sich dagegen weiter in einem Chaos, und zwar hauptsächlich, weil seine »esoterische« Auffassung des Warenwerts überhaupt fortwährend durchkreuzt wird von exoterischen, die in der Breite bei ihm vorwiegen, während sein wissenschaftlicher Instinkt von Zeit zu Zeit den esoterischen Standpunkt wieder erscheinen läßt.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1963, Band 24, S. 372-377.
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