IX. Rückblick auf A. Smith, Storch und Ramsay

[431] Der Gesamtwert des gesellschaftlichen Produkts beträgt 9000 = 6000c + 1500v + 1500m, mit andren Worten: 6000 reproduzierenden Wert der Produktionsmittel und 3000 den Wert der Konsumtionsmittel. Der Wert der gesellschaftlichen Revenue (v + m) beträgt also nur 1/3 des Gesamtproduktenwerts, und nur zum Wertbetrag dieses Drittels kann die Gesamtheit der Konsumenten, Arbeiter wie Kapitalisten, Waren, Produkte, dem gesellschaftlichen Gesamtprodukt entziehn und ihrem Konsumtionsfonds einverleiben. Dagegen sind 6000 = 2/3 des Produktenwerts Wert des konstanten Kapitals, das in natura ersetzt werden muß. Produktionsmittel zu diesem Betrag müssen also dem Produktionsfonds wieder einverleibt werden. Dies ist es, was Storch als notwendig einsieht, ohne es beweisen zu können:

[431] »Il est clair que la valeur du produit annuel se distribue partie en capitaux et partie en profits, et que chacune de ces parties de la valeur du produit annuel va régulièrement acheter les produits dont la nation a besoin, tant pour entretenir son capital que pour remplacer son fonds consommable... les produits qui constituent le capital d'une nation, ne sont point consommables.« (Storch, »Considérations sur la nature du revenu national«, Paris 1824, p. 134, 135, 150.)

A. Smith jedoch hat dieses fabelhafte Dogma aufgestellt, das ihm bis heute geglaubt wird, nicht nur in der bereits erwähnten Form, wonach der gesamte gesellschaftliche Produktenwert sich in Revenue auflöst, in Arbeitslohn plus Mehrwert, oder wie er es ausdrückt, in Arbeitslohn plus Profit (Zins) plus Grundrente. Sondern auch in der noch populäreren Form, daß die Konsumenten in letzter Instanz (ultimately) den ganzen Produktenwert den Produzenten zahlen müssen. Dies ist bis heute einer der bestbeglaubigten Gemeinplätze oder vielmehr ewigen Wahrheiten der sogenannten Wissenschaft der politischen Ökonomie. Dies wird in folgender plausiblen Weise veranschaulicht. Nimm irgendeinen Artikel, z.B. leinene Hemden. Erst hat der Spinner von Leinengarn dem Flachsbauer den ganzen Wert des Flachses zu zahlen, also Flachssamen, Düngmittel, Arbeitsviehfutter etc., nebst dem Wertteil, den das fixe Kapital des Flachsbauers, wie Baulichkeiten, Ackergeräte usw., an dies Produkt abgibt; den in der Produktion des Flachses gezahlten Arbeitslohn; den Mehrwert (Profit, Grundrente), der im Flachs steckt; endlich die Frachtkosten des Flachses von seiner Produktionsstätte zur Spinnerei. Dann hat der Weber dem Spinner des Leinengarns nicht nur diesen Preis des Flachses zurückzuerstatten, sondern auch den Wertteil der Maschinerie, Baulichkeiten etc., kurz des fixen Kapitals, der auf den Flachs übertragen wird, ferner alle während des Spinnprozesses verzehrten Hilfsstoffe, Arbeitslohn der Spinner, Mehrwert etc., und so gehts weiter mit dem Bleicher, den Transportkosten der fertigen Leinwand, endlich dem Hemdenfabrikanten, der den ganzen Preis aller frühern Produzenten bezahlt hat, die ihm nur sein Rohmaterial geliefert haben. In seiner Hand findet nun fernerer Wertzusatz statt, durch Wert teils des konstanten Kapitals, das in der Form von Arbeitsmitteln, Hilfsstoffen etc. in der Hemdenfabrikation verzehrt wird, teils durch die darin verausgabte Arbeit, die den Wert des Arbeitslohns der Hemdenmacher plus dem Mehrwert des[432] Hemdenfabrikanten zusetzt. Dies ganze Hemdenprodukt koste nun schließlich 100 Pfd. St., und dies sei der Anteil am ganzen jährlichen Produktenwert, den die Gesellschaft in Hemden verausgabt. Die Konsumenten der Hemden zahlen die 100 Pfd. St., also den Wert aller in den Hemden enthaltnen Produktionsmittel wie den Arbeitslohn plus Mehrwert des Flachsbauers, Spinners, Webers, Bleichers, Hemdenfabrikanten sowie sämtlicher Transporteure. Dies ist vollständig richtig. Es ist in der Tat das, was jedes Kind sieht. Aber dann heißt es weiter: So verhält es sich mit dem Wert aller andern Waren. Es sollte heißen: So verhält es sich mit dem Wert aller Konsumtionsmittel, mit dem Wert des gesellschaftlichen Produktenteils, der in den Konsumtionsfonds eingeht, also mit dem Teil des gesellschaftlichen Produktenwerts, der als Revenue verausgabt werden kann. Die Wertsumme aller dieser Waren ist allerdings gleich dem Wert aller in ihnen aufgezehrten Produktionsmittel (konstanten Kapitalteile) plus dem Wert, den die letzt zugefügte Arbeit geschaffen hat (Arbeitslohn plus Mehrwert). Die Gesamtheit der Konsumenten kann also diese ganze Wertsumme zahlen, weil zwar der Wert jeder einzelnen Ware aus c + v + m besteht, aber die Wertsumme aller in den Konsumtionsfonds eingehenden Waren zusammengenommen, dem Maximum nach, nur gleich sein kann dem Teil des gesellschaftlichen Produktenwerts, der sich in v + m auflöst, d.h. gleich dem Wert, den die während des Jahrs verausgabte Arbeit den vorgefundnen Produktionsmitteln – dem konstanten Kapitalwert – zugesetzt hat. Was aber den konstanten Kapitalwert angeht, so haben wir gesehn, daß er aus der gesellschaftlichen Produktenmasse auf doppelte Weise ersetzt wird. Erstens durch Austausch der Kapitalisten II, die Konsumtionsmittel produzieren, mit den Kapitalisten I, welche die Produktionsmittel dafür produzieren. Und hier ist die Quelle der Phrase, daß, was für den einen Kapital, für den andern Revenue ist. Aber so verhält sich die Sache nicht. Die 2000 IIc, die in Konsumtionsmitteln zum Wert von 2000 existieren, bilden für die Kapitalistenklasse II konstanten Kapitalwert. Sie können ihn also nicht selbst konsumieren, obgleich das Produkt nach seiner Naturalform konsumiert werden muß. Andrerseits sind 2000 I(v + m) der von der Kapitalisten- und Arbeiterklasse I produzierte Arbeitslohn plus Mehrwert. Sie existieren in der Naturalform von Produktionsmitteln, von Dingen, in denen ihr eigner Wert nicht konsumiert werden kann. Wir haben hier also eine Wertsumme von 4000, von denen vor wie nach dem Austausch die Hälfte nur konstantes Kapital ersetzt und die Hälfte nur Revenue bildet. – Zweitens aber wird das konstante Kapital der Abteilung I in natura ersetzt, teils durch Austausch unter den Kapitalisten I, teils durch Ersatz in natura in jedem einzelnen Geschäft.[433]

Die Phrase, daß der ganze jährliche Produktenwert schließlich von den Konsumenten bezahlt werden muß, wäre nur dann richtig, wenn man unter Konsumenten zwei ganz verschiedne Sorten einbegriffe, individuelle Konsumenten und produktive Konsumenten. Aber daß ein Teil des Produkts produktiv konsumiert werden muß, heißt ja weiter nichts, als daß er als Kapital fungieren muß und nicht als Revenue verzehrt werden kann.

Wenn wir den Wert des Gesamtprodukts = 9000 einteilen in 6000c + 1500v + 1500m und die 3000(v + m) nur in ihrer Eigenschaft als Revenue betrachten, so scheint umgekehrt das variable Kapital zu verschwinden und das Kapital, gesellschaftlich betrachtet, nur aus konstantem Kapital zu bestehn. Denn was ursprünglich als 1500v erschien, hat sich in einen Teil der gesellschaftlichen Revenue, in Arbeitslohn, Revenue der Arbeiterklasse, aufgelöst, und sein Kapitalcharakter ist damit verschwunden. In der Tat wird diese Folgerung von Ramsay gezogen. Nach ihm besteht, gesellschaftlich betrachtet, das Kapital nur aus fixem Kapital, aber unter fixem Kapital versteht er konstantes Kapital, die in Produktionsmitteln bestehende Wertmasse, seien diese Produktionsmittel nun Arbeitsmittel oder Arbeitsmaterial, wie Rohstoff, Halbfabrikat, Hilfsstoff etc. Er nennt das variable Kapital zirkulierendes:

»Circulating capital consists only of subsistence and other necessaries advanced to the workmen, previous to the completion of the produce of their labour.... Fixed capital alone, not circulating, is properly speaking a source of national wealth.... Circulating capital is not an immediate agent in production, nor essential to it at all, but merely a convenience rendered necessary by the deplorable poverty of the mass of the people.... Fixed capital alone constitutes an element of cost of production in a national point of view.« (Ramsay, I. c. p. 23-26 passim.)

Ramsay erklärt fixes Kapital, worunter er konstantes versteht, näher wie folgt:

»The length of time during which any portion of the product of that labour« (nämlich labour bestowed on any commodity) »has existed as fixed capital, i.e. in a form in which, though assisting to raise the future commodity, it does not maintain labourers« (p. 59).[434]

Hier sieht man wieder das Unheil, das A. Smith angerichtet, indem der Unterschied von konstantem und variablem Kapital bei ihm ertränkt ist in dem Unterschied von fixem und zirkulierendem Kapital. Das konstante Kapital Ramsays besteht aus Arbeitsmitteln, sein zirkulierendes aus Lebensmitteln; beide sind Waren von gegebnem Wert; die einen können so wenig einen Mehrwert produzieren wie die andern.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1963, Band 24, S. 431-435.
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