II. Akkumulation in Abteilung II

[497] Wir haben bisher vorausgesetzt, daß die A, A', A'' (I) ihr Mehrprodukt verkaufen an die B, B', B'' etc., die derselben Abteilung I angehören. Gesetzt aber, A (I) vergolde sein Mehrprodukt durch Verkauf an einen B aus Abteilung II. Dies kann nur dadurch geschehn, daß, nachdem A (I) an B (II) Produktionsmittel verkauft, er nicht hinterher Konsumtionsmittel kauft; also nur durch einseitigen Verkauf seinerseits. Sofern nun IIc aus Form von Warenkapital in die Naturalform von produktivem konstantem Kapital nur umsetzbar dadurch, daß nicht nur Iv, sondern auch wenigstens ein Teil von Im sich umsetzt gegen einen Teil von IIc, welches IIc in Form von Konsumtionsmitteln existiert; nun aber A sein Im dadurch vergoldet, daß dieser Umsatz nicht vollzogen wird, unser A vielmehr das im Verkauf seines Im von II gelöste Geld der Zirkulation entzieht, statt es in Kauf von Konsumtionsmitteln IIc umzusetzen – so findet zwar auf Seite des A (I) Bildung von zusätzlichem virtuellem Geldkapital statt; aber auf der andren Seite liegt ein dem Wertumfang nach gleicher Teil des konstanten Kapitals von B (II) fest in der Form von Warenkapital, ohne sich in die Naturalform von produktivem, konstantem Kapital umsetzen zu können. In andern[497] Worten: Ein Teil der Waren des B (II), und zwar prima facie ein Teil, ohne dessen Verkauf er sein konstantes Kapital nicht ganz in produktive Form rückverwandeln kann, ist unverkäuflich geworden; mit Bezug auf ihn findet daher Überproduktion statt, welche ebenfalls mit Bezug auf ihn die Reproduktion – selbst auf gleichbleibender Stufenleiter – hemmt.

In diesem Fall ist also das zusätzliche virtuelle Geldkapital auf seiten von A (I) zwar vergoldete Form von Mehrprodukt (Mehrwert); aber Mehrpro dukt (Mehrwert) als solches betrachtet ist hier Phänomen einfacher Reproduktion, noch nicht Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter. I(v+m), wo dies jedenfalls von einem Teil von m gilt, muß sich umsetzen schließlich gegen IIc, damit die Reproduktion von IIc auf gleichbleibender Stufenleiter vor sich gehe. A (I), durch den Verkauf seines Mehrprodukts an B (II), hat diesem einen entsprechenden Wertteil konstanten Kapitals in Naturalform geliefert, aber zugleich durch Entziehung des Geldes aus der Zirkulation – durch unterlaßne Vervollständigung seines Verkaufs mittelst nachfolgendem Kauf – einen dem Wert nach gleichen Warenteil des B (II) unverkäuflich gemacht. Fassen wir also die gesamte gesellschaftliche Reproduktion ins Auge – die gleichmäßig die Kapitalisten I und II umschließt –, so drückt die Verwandlung des Mehrprodukts von A (I) in virtuelles Geldkapital die Nicht-Rückverwandelbarkeit eines dem Wertumfang nach gleichen Warenkapitals von B (II) in produktives (konstantes) Kapital aus; also nicht virtuell Produktion auf erweiterter Stufenleiter, sondern Hemmung der einfachen Reproduktion, also Defizit in der einfachen Reproduktion. Da die Bildung und der Verkauf des Mehrprodukts von A (I) selbst normale Phänomene der einfachen Reproduktion sind, so haben wir hier auf Grundlage schon der einfachen Reproduktion folgende einander bedingende Phänomene: Bildung von virtuell zuschüssigem Geldkapital bei Klasse I (daher Unterkonsumtion vom Standpunkt von II); Festsetzung von Warenvorräten bei Klasse II, die nicht rückverwandelbar in produktives Kapital (also relative Überproduktion bei II); überschüssiges Geldkapital bei I und Defizit in der Reproduktion bei II.

Ohne bei diesem Punkt länger zu verweilen, bemerken wir nur: Es ist bei Darstellung der einfachen Reproduktion vorausgesetzt worden, daß der ganze Mehrwert I und II als Revenue verausgabt wird. In der Tat aber wird ein Teil des Mehrwerts als Revenue verausgabt, ein andrer Teil in Kapital verwandelt. Wirkliche Akkumulation findet nur unter dieser Voraussetzung statt. Daß die Akkumulation sich auf Kosten der Konsumtion vollziehe, ist –[498] so allgemein gefaßt – selbst eine Illusion, die dem Wesen der kapitalistischen Produktion widerspricht, indem sie voraussetzt, daß ihr Zweck und treibendes Motiv die Konsumtion sei, nicht aber die Ergatterung von Mehrwert und seine Kapitalisation, d.h. Akkumulation.


Betrachten wir nun die Akkumulation in Abteilung II etwas näher.

Die erste Schwierigkeit mit Bezug auf IIc, d.h. seine Rückverwandlung aus einem Bestandteil des Warenkapitals II in die Naturalform von konstantem Kapital II, betrifft die einfache Reproduktion. Nehmen wir das frühere Schema:

(1000v + 1000m) I setzen sich um gegen:

2000 IIc.

Wird nun z.B. die Hälfte des Mehrprodukts I, also 1000/2m oder 500 Im wieder selbst als konstantes Kapital der Abteilung I einverleibt, so kann dieser in I rückbehaltne Teil des Mehrprodukts keinen Teil von IIc ersetzen. Statt in Konsumtionsmittel umgesetzt zu werden (und hier in dieser Abteilung der Zirkulation zwischen I und II findet – im Unterschied von dem durch die Arbeiter I vermittelten Ersatz von 1000 IIc durch 1000 Iv – wirklicher wechselseitiger Austausch, also doppelseitiger Stellenwechsel der Waren statt), soll es als zusätzliches Produktionsmittel in I selbst dienen. Es kann diese Funktion nicht gleichzeitig in I und II verrichten. Der Kapitalist kann den Wert seines Mehrprodukts nicht in Konsumtionsmitteln verausgaben und gleichzeitig das Mehrprodukt selbst produktiv konsumieren, d.h. seinem produktiven Kapital einverleiben. Statt 2000 I(v+m) sind also nur 1500, nämlich (1000v + 500m) I umsetzbar in 2000 IIc; es sind also 500 IIc aus ihrer Warenform nicht rückverwandelbar in produktives (konstantes) Kapital II. Es fände also in II eine Überproduktion statt, ihrem Umfang nach genau entsprechend dem Umfang der in I vorgegangnen Erweiterung der Produktion. Die Überproduktion von II würde vielleicht so sehr auf I reagieren, daß selbst der Rückfluß der von den Arbeitern I in Konsumtionsmittel II verausgabten 1000 nur teilweis stattfände, diese 1000 also nicht in Form von variablem Geldkapital in die Hände der Kapitalisten I zurückkehrten. Diese letztren fänden sich so gehemmt selbst in der Reproduktion auf gleichbleibender Stufenleiter, und zwar durch den bloßen Versuch, sie zu erweitern. Und dabei ist zu erwägen, daß in I tatsächlich nur einfache Reproduktion stattgefunden und daß nur die Elemente, wie[499] sie sich im Schema finden, zum Behuf einer Erweiterung in der Zukunft, sage im nächsten Jahr, verschieden gruppiert sind.

Man könnte diese Schwierigkeit zu umgehn versuchen – so: die 500 IIc, die auf Lager der Kapitalisten liegen und die nicht unmittelbar in produktives Kapital umsetzbar sind, sind so weit entfernt, Überproduktion zu sein, daß sie umgekehrt ein notwendiges Element der Reproduktion darstellen, welches wir bisher vernachlässigt haben. Man sah, daß Geldvorrat sich an vielen Punkten aufhäufen, also der Zirkulation entzogen werden muß, teils um die Bildung von neuem Geldkapital innerhalb I selbst zu ermöglichen, teils um den Wert des sich allmählich verzehrenden fixen Kapitals transitorisch in Geldform festzuhalten. Da aber bei der Darstellung des Schemas alles Geld und alle Waren sich von vornherein ausschließlich in den Händen der Kapitalisten I und II befinden, weder Kaufmann noch Geldhändler, noch Bankier, noch bloß konsumierende und nicht direkt in der Warenproduktion beteiligte Klassen hier existieren – so ist ebenfalls die beständige Bildung von Warenlagern, hier in den Händen ihrer respektiven Produzenten selbst, unentbehrlich, um die Maschinerie der Reproduktion in Gang zu halten. Die 500 IIc, die auf Lager der Kapitalisten II liegen, stellen also den Warenvorrat an Konsumtionsmitteln dar, der die Kontinuität des in die Reproduktion eingeschloßnen Konsumtionsprozesses vermittelt, hier also den Übergang eines Jahrs ins andre. Der Konsumtionsfonds, der hier noch in den Händen seiner Verkäufer und zugleich Produzenten befindlich ist, kann nicht dieses Jahr auf Null herabsinken, um nächstes Jahr mit Null zu beginnen, so wenig dies beim Übergang vom heutigen Tag zum folgenden der Fall sein kann. Da beständige Neubildung solcher Warenlager, wenn auch in wechselndem Umfang, statthaben muß, so müssen unsre kapitalistischen Produzenten II ein Geldreservekapital haben, das sie befähigt, mit ihrem Produktionsprozeß fortzufahren, obgleich ein Teil ihres produktiven Kapitals vorübergehend festliegt in Warenform. Sie verbinden ja der Voraussetzung nach das ganze Kaufmannsgeschäft mit dem Produktionsgeschäft; sie müssen also auch über das zusätzliche Geldkapital verfügen, das, bei Verselbständigung der einzelnen Funktionen des Reproduktionsprozesses unter verschiedne Sorten von Kapitalisten, sich in den Händen der Kaufleute befindet.

Es ist hierauf zu erwidern: 1. solche Vorratbildung und ihre Notwendigkeit gilt für alle Kapitalisten, sowohl I wie II. Als bloße Warenverkäufer betrachtet, unterscheiden sie sich nur dadurch, daß sie Waren verschiedner Sorten verkaufen. Der Vorrat in Waren II unterstellt einen frühern Vorrat in Waren I. Vernachlässigen wir diesen Vorrat auf der einen Seite, so[500] müssen wir es auch auf der andern. Ziehn wir ihn aber auf beiden Seiten in Betracht, so wird am Problem nichts geändert. – 2. Wie dies Jahr auf Seite II mit einem Warenvorrat für nächstes abschließt, so hat es begonnen mit einem Warenvorrat auf derselben Seite, überliefert vom vorigen Jahr. Bei Analyse der jährlichen Reproduktion – auf ihren abstraktesten Ausdruck reduziert – müssen wir ihn also beidemal streichen. Indem wir diesem Jahr seine ganze Produktion lassen, also auch das, was es als Warenvorrat an nächstes Jahr abgibt, nehmen wir ihm aber auch andrerseits den Warenvorrat, den es vom vorigen Jahr bekommen, und haben damit in der Tat das Gesamtprodukt eines Durchschnittsjahrs als Gegenstand der Analyse vor uns. – 3. Der einfache Umstand, daß die Schwierigkeit, die umgangen werden soll, uns nicht aufstieß bei Betrachtung der einfachen Reproduktion, beweist, daß es sich um ein spezifisches Phänomen handelt, das nur der verschiednen Gruppierung (mit Bezug auf Reproduktion) der Elemente I geschuldet ist, einer veränderten Gruppierung, ohne welche überhaupt keine Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter stattfinden könnte.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1963, Band 24, S. 497-501.
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