Fünftes Kapitel
Die Meteore

[297] Demokrits astronomische Ansichten mögen scharfsinnig sein für den Standpunkt seiner Zeit. Philosophisches Interesse ist ihnen nicht abzugewinnen.[297] Weder verlassen sie den Kreis empirischer Reflexion, noch stehen sie in bestimmterem innern Zusammenhang mit der Atomenlehre.

Dagegen Epikurs Theorie von den Himmelskörpern und den mit ihnen zusammenhängenden Prozessen oder von den Meteoren (in welchem einen Ausdruck er dies zusammenfaßt) steht im Gegensatz nicht nur zur Meinung Demokrits, sondern zur Meinung der griechischen Philosophie. Die Verehrung der Himmelskörper ist ein Kultus, den alle griechischen Philosophen feiern. Das System der Himmelskörper ist die erste naive und naturbestimmte Existenz der wirklichen Vernunft. Dieselbe Stellung hat das griechische Selbstbewußtsein im Reich des Geistes. Es ist das geistige Sonnensystem. Die griechischen Philosophen beteten daher in den Himmelskörpern ihren eigenen Geist an.

Anaxagoras selbst, der zuerst den Himmel physisch erklärte und ihn so in einem andern Sinne als Sokrates auf die Erde herabzog, antwortete, als man ihn fragte, wozu er geboren sei: eis theôrian hêliou kai selênês kai ouranou Xenophanes aber schaute zum Himmel und sagte: Das Eine sei der Gott. Von den Pythagoreern und Plato, von Aristoteles ist die religiöse Beziehung zu den Himmelskörpern bekannt.

Ja, der Anschauung des ganzen griechischen Volks tritt Epikur entgegen.

Es scheint mannigmal, sagt Aristoteles, der Begriff für die Phänomene zu zeugen und die Phänomene für den Begriff. So haben alle Menschen eine Vorstellung von den Göttern und schreiben dem Göttlichen den obersten Sitz zu, sowohl Barbaren als Hellenen, überhaupt alle, so viele an das Dasein der Götter glauben, offenbar das Unsterbliche dem Unsterblichen verknüpfend; denn anders ist es unmöglich. Wenn also ein Göttliches ist – wie es denn wirklich ist: so ist auch unsere Behauptung über die Substanz der Himmelskörper richtig. Es entspricht dies aber auch der sinnlichen Wahrnehmung, um für menschliche Überzeugung zu sprechen. Denn in der ganzen vergangenen Zeit scheint, nach der wechselseitig überlieferten Erinnerung, sich nichts verändert zu haben, weder an dem ganzen Himmel noch an irgendeinem seiner Teile. Auch der Name scheint von den Alten überliefert zu sein bis zur Jetztwelt, indem sie dasselbe annahmen, was auch wir sagen. Denn nicht einmal, nicht zweimal, sondern unendlichmal sind dieselben Ansichten zu uns gelangt. Weil nämlich der erste Körper etwas anderes ist, außer der Erde und dem Feuer und der Luft und dem Wasser: benannten sie den obersten Ort »Äther« von thein aei,[298] die ewige Zeit ihm als Beiname gebend. Den Himmel aber und den obern Ort teilten die Alten den Göttern zu, weil er allein unsterblich ist. Die jetzige Lehre bezeugt aber, daß er unzerstörbar, unentstanden, unteilhaft ist alles sterblichen Mißgeschickes. Auf diese Weise entsprechen zugleich unsere Begriffe der Wahrsagung über den Gott. Daß aber einA45 Himmel ist, ist offenbar. Überliefert ist von den Vorfahren und Alten, zurückgeblieben in der Gestalt des Mythos der Spätern, daß die Himmelskörper Götter sind und daß das Göttliche die ganze Natur umfängt. Das andere wurde mythisch hinzugetan für den Glauben der vielen, als nützlich für die Gesetze und das Leben. Denn menschenähnlich und einigen der andern Lebendigen ähnlich machen sie die Götter und erdichten dergleichen hiermit Zusammenhängendes und Verwandtes. Wenn Jemand hiervon das übrige abtrennt und nur das erste festhält, ihren Glauben, daß die ersten Substanzen Götter seien: so muß er es für göttlich gesagt halten, und daß, nachdem, wie es sich traf, jede mögliche Kunst und Philosophie erfunden und wieder verlorengegangen war, diese Meinungen, Reliquien gleich, auf die Jetztwelt gelangt seien.

Epikur dagegen:

Zu diesem allen ist das hinzuzudenken, daß die größte Verwirrung der menschlichen Seele dadurch entsteht, daß sie die Himmelskörper für selig und unzerstörbar halten und ihnen entgegengesetzte Wünsche und Handlungen haben und Verdacht schöpfen nach den Mythen. Was die Meteore betrifft, muß man glauben, daß in ihnen Bewegung und Lage und Eklipsis und Aufgang und Niedergang und diesen Verwandtes nicht entsteht, indem Einer regiert und anordnet oder angeordnet hat, der zugleich alle Seligkeit neben der Unzerstörbarkeit besäße. Denn nicht stimmen Handlungen mit der Seligkeit überein, sondern, der Schwäche, der Furcht und dem Bedürfnis am meisten verwandt, geschehen sie. Noch ist zu meinen, daß einige feuerartige Körper, die Seligkeit besitzen, willkürlich diesen Bewegungen sich unterziehen. Stimmt man nun hiermit nicht überein: so bereitet dieser Gegensatz selbst die größte Verwirrung den Seelen.

Wenn Aristoteles daher den Alten vorgeworfen hatA46, sie glaubten, der Himmel bedürfe zu seiner Stütze des Atlas, der: pros hesperous topous/hestêke kion' ouranou te kai chthonos/ômoin ereidôn (Aeschyl. Prometh. v. 348 sqq.),[299] so tadelt Epikur dagegen die, die glauben, der Mensch bedürfe des Himmels; und den Atlas selbst, auf den sich der Himmel stützt, findet er in der menschlichen Dummheit und dem Aberglauben. Auch die Dummheit und der Aberglaube sind Titanen.

Der ganze Brief des Epikur an den Pythokles handelt von der Theorie der Himmelskörper, die letzte Sektion ausgenommen. Sie beschließt die Epistel mit ethischen Sentenzen. Und passendA47 werden der Lehre von den Meteoren sittliche Maximen angehängt. Diese Lehre ist dem Epikur eine Gewissensangelegenheit. Unsere Betrachtung wird sich daher hauptsächlich auf dies Schreiben an den Pythokles stützen. Wir werden es ergänzen aus dem Brief an den Herodot, auf den sich Epikur selbst beim Pythokles beruft.

Erstens ist nicht zu glauben, daß ein ander Ziel aus der Erkenntnis der Meteore, werde sie im ganzen oder im besondern gefaßt, sich erreichen lasse als die Ataraxie und feste Zuversicht, wie aus der übrigen Naturwissenschaft. Nicht der Ideologie und der leeren Hypothesen hat unser Leben not, sondern des, daß wir ohne Verwirrung leben. Wie es das Geschäft der Physiologie überhaupt ist, die Gründe des Hauptsächlichsten zu erforschen: so beruht auch hierin die Glückseligkeit in der Erkenntnis der Meteore. An und für sich enthält die Theorie vom Untergang und Aufgang, von der Lage und Eklipsis keinen besondern Grund der Glückseligkeit; nur daß Schrecken die innehat, die dies sehen, ohne seine Natur zu erkennen und seine Hauptursachen. Bis hierher wird nur der Vorrang, den die Theorie der Meteore vor den andern Wissenschaften haben sollte, verneint und sie in dasselbe Niveau gestellt.

Allein die Theorie der Meteore unterscheidet sich auch spezifisch, sowohl von der Weise der Ethik als der übrigen physischen Probleme, z.B., daß es unteilbare Elemente gibt u.dgl., wo nur eine einzige Erklärung den Phänomenen entspricht. Denn dies findet bei den Meteoren nicht statt. Diese haben keine einfache Ursache der Entstehung und mehr als eine Kategorie des Wesens, welche den Phänomenen entspricht. Denn nicht nach leeren Axiomen und Gesetzen ist die Physiologie zu betreiben. EsA48 wird stets wiederholt, daß nicht haplôs (einfach, absolut), sondern pollachôs (vielfach) die Meteore zu erklären seien. So über Aufgang und Untergang von Sonne und Mond, über das Wachsen und Abnehmen des Mondes, über den Schein des Gesichts im Monde, über den Wechsel der Tag- und Nachtlänge und die übrigen zölestischen Erscheinungen.

Wie soll denn nun erklärt werden?[300]

Jede Erklärung genügt. Nur der Mythos sei entfernt. Er wird aber entfernt sein, wenn man, den Phänomenen folgend, von ihnen auf das Unsichtbare schließt. An die Erscheinung ist sich festzuhalten, an die sinnliche Wahrnehmung. Die Analogie ist daher anzuwenden. So kann man sich die Furcht wegerklären und sich von derselben befreien. Gründe angebend über Meteore und das übrige, was immer zutrifft und die andern Menschen am meisten bestürzt.

Die Masse der Erklärungen, die Vielheit der Möglichkeiten soll nicht nur das Bewußtsein beruhigen und die Gründe der Angst entfernen, sondern zugleich die Einheit, das sich gleiche und absolute Gesetz in den Himmelskörpern selbst negieren. Bald so, bald anders könnten sie sich verhalten; diese gesetzlose Möglichkeit sei der Charakter ihrer Wirklichkeit; alles in ihnen sei unbeständig und unstet. Die Vielheit der Erklärungen soll zugleich die Einheit des Objekts aufheben.

Während also Aristoteles in Übereinstimmung mit den andern griechischen Philosophen die Himmelskörper ewig und unsterblich macht, weil sie immer auf dieselbe Weise sich verhalten; während er ihnen selbst ein eigenes, höheres, der Macht der Schwere nicht unterworfenes Element zuschreibt: behauptet Epikur im direkten Gegensatz, gerade umgekehrt verhalte es sich. Dadurch sei die Theorie der Meteore spezifisch unterschieden von aller übrigen physischen Doktrin, daß in ihnen alles mehrfach und ungeregelt geschehe, daß alles in ihnen durch mannigfaltige, unbestimmt viele Gründe zu erklären sei. Ja, erzürnt und heftig eifernd, verwirft er die Gegenmeinung: Die sich an einer Erklärungsweise halten und alle andern ausschließen, die ein Einiges, daher Ewiges und Göttliches in den Meteoren annehmen, verfallen in eitle Erklärerei und den sklavischen Kunststücken der Astrologen; sie überschreiten die Grenzen der Physiologie und werfen sich dem Mythos in die Arme; Unmögliches suchen sie zu vollbringen, und mit Sinnlosem mühen sie sich ab; nicht einmal wissen sie, wo die Ataraxie selbst in Gefahr kömmt. Ihr Geschwätz ist zu verachten. Fern muß man sich halten von dem Vorurteil, als sei die Forschung über jene Gegenstände nicht gründlich und subtil genug, soweit sie nur auf unsere Ataraxie und Glückseligkeit hinzielt. Absolute Norm dagegen ist, daß nichts einer unzerstörbaren und ewigen Natur zukommen kann, was die Ataraxie störe, was Gefahr hervorbringe. Das Bewußtsein muß fassen, daß dies ein absolutes Gesetz ist.

Epikur schließt also: Weil die Ewigkeit der Himmelskörper die Ataraxie des Selbstbewußtseins stören wurde, ist es eine notwendige, stringente Konsequenz, daß sie nicht ewig sind.[301]

Wie ist nun diese eigentümliche Ansicht des Epikur zu begreifen?

Alle Auctoren, die über epikureische Philosophie geschrieben, haben diese Lehre als inkohärent mit der übrigen Physik, mit der Atomenlehre, dargestellt. Der Kampf gegen die Stoiker, den Aberglauben, die Astrologie seien zureichende Gründe.

Und wir haben gehört, Epikur selbst unterscheidet die Methode, die in der Theorie der Meteore angewandt wird, von der Methode der übrigen Physik. Allein in welcher Bestimmung seines Prinzips liegt die Notwendigkeit dieser Unterscheidung? Wie kömmt er auf den Einfall?

Und nicht nur gegen die Astrologie, gegen die Astronomie selbst, gegen das ewige Gesetz und die Vernunft im Himmelssystem kämpft er an. Endlich der Gegensatz gegen die Stoiker erklärt nichts. Ihr Aberglaube und ihre ganze Ansicht war schon widerlegt, wenn die zölestischen Körper als zufällige Komplexionen der Atome, ihre Prozesse als zufällige Bewegungen derselben ausgesprochen wurden. Ihre ewige Natur war damit vernichtet, – eine Konsequenz, die aus jener Prämisse zu ziehen Demokrit sich begnügte. Ja, ihr Dasein selbst war damit aufgehoben. Es bedurfte also für den Atomistiker keiner neuen Methode.

Dies ist noch nicht die ganze Schwierigkeit. Eine rätselvollere Antinomie erhebt sichA49.

Das Atom ist die Materie in der Form der Selbständigkeit, der Einzelheit, gleichsam die vorgestellte Schwere. Die höchste Wirklichkeit aber der Schwere sind die Himmelskörper. In ihnen sind alle Antinomien zwischen Form und Materie, zwischen Begriff und Existenz, die die Entwickelung des Atoms bildeten, gelöst. In ihnen alle Bestimmungen, die gefordert wurden, verwirklicht. Die zölestischen Körper sind ewig und unveränderlich; ihren Schwerpunkt haben sie in sich, nicht außer sich; ihr einziger Akt ist die Bewegung, und, getrennt durch den leeren Raum, beugen sie aus von der geraden Linie, bilden ein System der Repulsion und Attraktion, in dem sie ebensosehr ihre Selbständigkeit bewahren, und erzeugen endlich die Zeit als die Form ihrer Erscheinung aus sich selbst. Die Himmelskörper sind also die wirklich gewordenen Atome. In ihnen hat die Materie in sich selbst die Einzelheit empfangen. Hier also mußte Epikur die höchste Existenz seines Prinzips, den Gipfel und Schlußpunkt seines Systems erblicken. Er gab vor, die Atome zu unterstellen, damit unsterbliche Fundamente der Natur zugrunde lägen. Er gab vor, daß es ihm um die substantiale Einzelheit der Materie zu tun sei. Wo er aber die Realität[302] seiner Natur – denn er kennt keine andere als die mechanische – vorfindet, die selbständige, unzerstörbare Materie, in den Himmelskörpern, deren Ewigkeit und Unveränderlichkeit der Glaube der Menge, das Urteil der Philosophie, das Zeugnis der Sinne bewies: da ist es sein einziges Streben, in die irdische Vergänglichkeit sie hinabzuziehen; da wendet er sich eifernd gegen die Verehrer der selbständigen, den Punkt der Einzelheit in sich besitzenden Natur. Dies ist sein größter Widerspruch.

Epikur fühlt daher, daß seine frühern Kategorien hier zusammenbrechen, daß die Methode seiner TheorieA50 eine andere wird. Und es ist die tiefste Erkenntnis seines Systems, die durchgedrungenste Konsequenz, daß er dies fühlt und bewußt ausspricht.

Wir haben nämlich gesehen, wie die ganze epikureische Naturphilosophie durchströmt ist von dem Widerspruch zwischen Wesen und Existenz, zwischen Form und Materie. In den Himmelskörpern aber ist dieser Widerspruch ausgelöscht, sind die widerstreitenden Momente versöhnt. In dem zölestischen System hat die Materie die Form in sich empfangen, die Einzelheit in sich aufgenommen und so ihre Selbständigkeit erreicht. Auf diesem Punkt aber hört sie auf, Affirmation des abstrakten Selbstbewußtseins zu sein. In der Welt der Atome, wie in der Welt der Erscheinung, kämpfte die Form mit der Materie; die eine Bestimmung hob die andere auf, und gerade in diesem Widerspruch fühlte das abstrakt-einzelne Selbstbewußtsein seine Natur vergegenständlicht. Die abstrakte Form, die mit der abstrakten Materie unter der Gestalt der Materie kämpfte, war es selbst. Jetzt aber, wo die Materie sich mit der Form versöhnt hat und verselbständigt ist, tritt das einzele Selbstbewußtsein aus seiner Verpuppung heraus und ruft sich als das wahre Prinzip aus und befeindet die selbständig gewordene Natur.

Nach einer andern Seite hin drückt sich dies so aus: Indem die Materie die Einzelheit, die Form, in sich empfangen, wie es in den zölestischen Körpern der Fall ist, hat sie aufgehört, abstrakte Einzelheit zu sein. Sie ist konkrete Einzelheit, Allgemeinheit, geworden. In den Meteoren glänzt also dem abstrakt-einzelen Selbstbewußtsein seine sachlich gewordene Widerlegung entgegen, – das Existenz und Natur gewordene Allgemeine. Es erkennt daher in ihnen seinen tödlichen Feind. Ihnen schreibt es also, wie Epikur es tut, alle Angst und Verwirrung der Menschen zu; denn die Angst und Auflösung des Abstrakt-Einzelen ist eben das Allgemeine. Hier verbirgt sich also das wahre Prinzip des Epikur, das abstrakt-einzele Selbstbewußtsein, nicht länger. Es tritt hervor aus seinem Versteck, und,[303] befreit von materieller Vermummung, sucht es, durch die Erklärung nach abstrakter Möglichkeit – was möglich ist, kann auch anders sein; von dem Möglichen ist auch das Gegenteil möglich – die Wirklichkeit der selbständig gewordenen Natur zu vernichten. Daher die Polemik gegen die, die haplôs, d.i. auf eine bestimmte Weise, die Himmelskörper erklären; denn das Eine ist das Notwendige und In-sich- Selbständige.

Solange also die Natur als Atom und Erscheinung das einzele Selbstbewußtsein und seinen Widerspruch ausdrückt, tritt die Subjektivität des letztern nur unter der Form der Materie selbst hervor; wo sie dagegen selbständig wird, reflektiert es sich in sich, tritt es ihr in seiner eigenen Gestalt als selbständige Form gegenüber.

Es war von vornherein zu sagen, daß, wo das Prinzip des Epikur sich verwirklicht, es aufhören werde, Wirklichkeit für ihn zu haben. Denn würde das einzele Selbstbewußtsein realiter unter der Bestimmtheit der Natur oder die Natur unter seiner Bestimmtheit gesetzt: so hätte seine Bestimmtheit, d.h. seine Existenz, aufgehört, da nur das Allgemeine im freien Unterschiede von sich zugleich seine Affirmation wissen kann.

In der Theorie der Meteore erscheint also die Seele der epikureischen Naturphilosophie. Nichts sei ewig was die Ataraxie des einzelen Selbstbewußtseins vernichtet. Die Himmelskörper stören seine Ataraxie, seine Gleichheit mit sich, weil sie die existierende Allgemeinheit sind, weil in ihnen die Natur selbständig geworden ist.

Nicht also die Gastrologie des Archestratus, wie Chrysippus meint, sondern die Absolutheit und Freiheit des Selbstbewußtseins ist das Prinzip der epikureischen Philosophie, wenn auch das Selbstbewußtsein nur unter der Form der Einzelheit gefaßt wird.

Wird das abstrakt-einzele Selbstbewußtsein als absolutes Prinzip gesetzt: so ist zwar alle wahre und wirkliche Wissenschaft insoweit aufgehoben, als nicht die Einzelheit in der Natur der Dinge selbst herrscht. Allein zusammenstürzt auch alles, was gegen das menschliche Bewußtsein sich transzendent verhält, also dem imaginierenden Verstande angehört. Wird dagegen das Selbstbewußtsein, das sich nur unter der Form der abstrakten Allgemeinheit weiß, zum absoluten Prinzip erhoben: so ist der abergläubischen und unfreien Mystik Tür und Tor geöffnet. Der historische Beweis davon findet sich in der stoischen Philosophie. Das abstrakt-allgemeine Selbstbewußtsein hat nämlich den Trieb in sich. In den Dingen selbst sich zu affirmieren, in denen es nur affirmiert wird, indem es sie negiert.[304]

Epikur ist daher der größte griechische Aufklärer, und ihm gebührt das Lob des Lukrez:


Humana ante oculos foede quum vita jaceret,

In terreis oppressa gravi sub relligione,

Quae caput a coeli regionibus ostendebat,

Horribili super aspectu mortalibus instans:

Primum Grajus homo mortaleis tollere contra

Est oculos ausus, primusque obsistere contra;

Quem nec fama Deum nec fulmina nec minitanti

Murmure compressit coelum............

Quare relligio pedibus subjecta vicissim

Obteritur, nos exaequat victoria coelo.


Der Unterschied zwischen demokritischer und epikureischer Naturphilosophie, den wir am Schlüsse des allgemeinen Teils aufgestellt, hat sich in allen Sphären der Natur weiterentwickelt und bestätigt gefunden. Bei Epikur ist daher die Atomistik mit allen ihren Widersprüchen als die Naturwissenschaft des Selbstbewußtseins, das sich unter der Form der abstrakten Einzelheit absolutes Prinzip ist, bis zur höchsten Konsequenz, welches ihre Auflösung und bewußter Gegensatz gegen das Allgemeine ist, durchgeführt und vollendet. Dem Demokrit dagegen ist das Atom nur der allgemein objektive Ausdruck der empirischen Naturforschung überhaupt. Das Atom bleibt ihm daher reine und abstrakte Kategorie, eine Hypothese, die das Resultat der Erfahrung, nicht ihr energisches Prinzip ist, die daher ebensowohl ohne Realisierung bleibt, wie die reale Naturforschung nicht weiter von ihr bestimmt wird.[305]

A45

von Marx korrigiert aus: einer der

A46

»den Alten vorgeworfen hat« von Marx korrigiert aus: die Alten getadelt hat

A47

»passend« von Marx korrigiert aus: nicht zufällig

A48

von Marx korrigiert aus: Dies

A49

nach »sich« von Marx gestrichen: die man bisher nicht geahnt hat

A50

»Methode seiner Theorie« von Marx korrigiert aus: Theorie seiner Methode

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1968, Band 40, S. 297-306.
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