11. Die verschiednen Teile, in die der Mehrwert zerfällt

[136] Den Mehrwert oder den Teil des Gesamtwerts der Ware, worin die Mehrarbeit oder unbezahlte Arbeit des Arbeiters vergegenständlicht ist, nenne ich Profit. Es ist nicht die Gesamtsumme dieses Profits, die der industrielle Kapitalist einsteckt. Das Bodenmonopol setzt den Grundeigentümer in den Stand, einen Teil dieses Mehrwerts unter dem Namen Rente an sich zu ziehn, sei es, daß der Boden für Agrikultur oder Baulichkeiten oder Eisenbahnen, sei es, daß er für irgendeinen andern produktiven Zweck benutzt wird. Andrerseits, gerade die Tatsache, daß der Besitz der Arbeitsmittel den industriellen Kapitalisten befähigt, einen Mehrwert zu produzieren, oder, was auf dasselbe hinausläuft, sich eine bestimmte Menge[136] unbezahlter Arbeit anzueignen, befähigt den Eigentümer der Arbeitsmittel, die er ganz oder teilweise dem industriellen Kapitalisten leiht – befähigt, in einem Wort, den geldverleihenden Kapitalisten, einen andern Teil dieses Mehrwerts unter dem Namen Zins für sich in Anspruch zu nehmen, so daß dem industriellen Kapitalisten als solchem nur verbleibt, was man industriellen oder kommerziellen Profit nennt.

Welche Gesetze diese Teilung der Gesamtmenge des Mehrwerts unter die drei Menschenkategorien regulieren, ist eine Frage, die unserm Gegenstand gänzlich fernliegt. Soviel resultiert indes aus dem bisher Entwickelten.

Rente, Zins und industrieller Profit sind bloß verschiedne Namen für verschiedne Teile des Mehrwerts der Ware oder der in ihr vergegenständlichten unbezahlten Arbeit und leiten sich in gleicher Weise aus dieser Quelle und nur aus ihr her. Sie leiten sich nicht aus dem Boden als solchem her oder aus dem Kapital als solchem, sondern Boden und Kapital setzen ihre Eigentümer in den Stand, ihre respektiven Anteile an dem von dem industriellen Kapitalisten aus seinem Arbeiter herausgepreßten Mehrwert zu erlangen. Für den Arbeiter selbst ist es eine Angelegenheit von untergeordneter Bedeutung, ob jener Mehrwert, der das Resultat seiner Mehrarbeit oder unbezahlten Arbeit ist, ganz von dem industriellen Kapitalisten eingesteckt wird oder ob letzterer Teile davon unter den Namen Rente und Zins an dritte Personen weiterzuzahlen hat. Unterstellt, daß der industrielle Kapitalist nur sein eignes Kapital anwendet und sein eigner Grundeigentümer ist. In diesem Fall wanderte der ganze Mehrwert in seine Tasche.

Es ist der industrielle Kapitalist, der unmittelbar Mehrwert aus dem Arbeiter herauspreßt, welchen Teil auch immer er schließlich zu behalten imstande ist. Um dies Verhältnis zwischen industriellem Kapitalisten und Lohnarbeiter dreht sich daher das ganze Lohnsystem und das ganze gegenwärtige Produktionssystem. Einige Bürger, die an unsrer Debatte teilnahmen, taten daher unrecht, als sie versuchten, die Dinge zu beschönigen und dies grundlegende Verhältnis zwischen industriellem Kapitalisten und Arbeiter als eine zweitrangige Frage zu behandeln, obgleich sie recht hatten mit der Feststellung, daß unter gegebnen Umständen ein Steigen der Preise in sehr ungleichen Graden den industriellen Kapitalisten, den Grundeigentümer, den Geldkapitalisten und, wenn es beliebt, den Steuereinnehmer berührt.

Aus dem bisher Entwickelten folgt nun noch etwas andres.

Der Teil des Werts der Ware, der nur den Wert der Rohstoffe, der Maschinerie, kurz den Wert der verbrauchten Produktionsmittel repräsentiert, bildet überhaupt kein Einkommen, sondern ersetzt nur Kapital. Aber[137] abgesehn hiervon ist es falsch, daß der andre Teil des Werts der Ware, der Einkommen bildet oder in Form von Arbeitslohn, Profit, Rente, Zins verausgabt werden kann, sich aus dem Wert des Arbeitslohns, dem Wert der Rente, dem Wert des Profits usw. konstituiert. Wir wollen zunächst einmal den Arbeitslohn aus dem Spiel lassen und nur den industriellen Profit, Zins und Rente behandeln. Eben sahen wir, daß der in der Ware enthaltne Mehrwert, oder der Teil ihres Werts, worin unbezahlte Arbeit vergegenständlicht, sich auflöst in verschiedne Teile mit drei verschiednen Namen. Aber es hieße die Wahrheit in ihr Gegenteil verkehren, wollte man sagen, daß ihr Wert sich aus den selbständigen Werten dieser drei Bestandteile zusammensetzt oder sich durch deren Zusammenzählung bildet.

Wenn eine Arbeitsstunde sich vergegenständlicht in einem Wert von 6 d., wenn der Arbeitstag des Arbeiters 12 Stunden ausmacht, wenn die Hälfte dieser Zeit aus unbezahlter Arbeit besteht, wird diese Mehrarbeit der Ware einen Mehrwert von 3 sh. zusetzen, d.h. einen Wert, für den kein Äquivalent gezahlt worden ist. Dieser Mehrwert von 3 sh. konstituiert den ganzen Fonds, den sich der industrielle Kapitalist mit dem Grundeigentümer und dem Geldverleiher, in welchen Proportionen immer, teilen kann. Der Wert dieser 3 sh. konstituiert die Grenze des Werts, den sie unter sich zu verteilen haben. Es ist aber nicht der Industrielle Kapitalist, der dem Wert der Ware einen willkürlichen Wert zum Zwecke seines Profits zusetzt, dem ein weitrer Wert für den Grundeigentümer angereiht wird usw., so daß die Zusammenzählung dieser drei willkürlich festgestellten Werte den Gesamtwert konstituierte. Ihr seht daher das Trügliche der landläufigen Vorstellung, die die Spaltung eines gegebnen Werts in drei Teile mit der Bildung dieses Werts durch Zusammenzählung dreier selbständiger Werte verwechselt, indem sie so den Gesamtwert, woraus Rente, Profit und Zins sich herleiten, in eine willkürliche Größe verwandelt.

Wenn der von einem Kapitalisten realisierte Gesamtprofit gleich 100 Pfd. St. ist, so nennen wir diese Summe, als absolute Größe betrachtet, die Menge des Profits. Berechnen wir aber das Verhältnis, worin diese 100 Pfd. St. zu dem vorgeschossenen Kapital stehn, so nennen wir diese relative Größe die Rate des Profits. Es ist augenscheinlich, daß diese Profitrate auf zweierlei Art ausgedrückt werden kann.

Unterstellt, 100 Pfd. St. seien in Arbeitslohn vorgeschossenes Kapital. Wenn der erzeugte Mehrwert ebenfalls 100 Pfd. St. beträgt – was uns anzeigen würde, daß der halbe Arbeitstag des Arbeiters aus unbezahlter Arbeit besteht – und wir diesen Profit an dem in Arbeitslohn vorgeschossenen Kapital messen, so würden wir sagen, daß die Profitrate sich auf 100%[138] beliefe, weil der vorgeschossene Wert 100 und der realisierte Wert 200 wäre.

Wenn wir andrerseits nicht bloß das in Arbeitslohn vorgeschossene Kapital betrachten, sondern das vorgeschossene Gesamtkapital, sage z.B. 500 Pfd. St., wovon 400 Pfd. St. den Wert der Rohstoffe, Maschinerie usw. repräsentierten, so würden wir sagen, daß die Profitrate, sich nur auf 20% beliefe, weil der Profit von 100 nicht mehr wäre als der fünfte Teil des vorgeschossenen Gesamtkapitals.

Die erste Ausdrucksform der Profitrate ist die einzige, die euch das wirkliche Verhältnis zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit anzeigt, den wirklichen Grad der Exploitation (ihr müßt mir dies französische Wort gestatten) der Arbeit. Die andre Ausdrucksform ist die allgemein übliche, und in der Tat ist sie für bestimmte Zwecke geeignet. Jedenfalls ist sie sehr nützlich zur Verschleierung des Grads, worin der Kapitalist Gratisarbeit aus dem Arbeiter herauspreßt.

In den Bemerkungen, die ich noch zu machen habe, werde ich das Wort Profit für die Gesamtmenge des von dem Kapitalisten herausgepreßten Mehrwerts anwenden ohne jede Rücksicht auf die Teilung dieses Mehrwerts zwischen den verschiednen Personen, und wo ich das Wort Profitrate anwende, werde ich stets den Profit am Wert des in Arbeitslohn vorgeschossenen Kapitals messen.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1962, Band 16, S. 136-139.
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