VIII. Einleitung. Wichtigkeit der Untersuchung. – Ueber das Basedowsche Principium der Glaubenspflicht. – Axiomata.

[67] Da ich nunmehr dem Ziele näher schreite, meine Kinder und Mitforscher der Wahrheit! da ich itzt das Vorhaben auszuführen denke, die Lehre von Gott und seinen Eigenschaften mit euch gemeinschaftlich zu untersuchen; so befinde ich mich in einer Verlegenheit, die ich, nach der Art, wie ich mit euch umzugehen gewohnt bin, euch nicht bergen mag.

Soll ich euch die Wichtigkeit dieser Lehre, und den Einfluß, den sie auf die Glückseligkeit und auf die Ruhe des Menschen hat, völlig so vorstellen, wie ich davon überzeugt zu seyn glaube? Wahrlich, was mich betrifft, so hat, ohne Ueberzeugung von dieser Wahrheit, das Leben für mich keinen Genuß, und das Glück selbst keine Freuden. So wie ich jetzt denke und empfinde, ist es nur diese Ueberzeugung, der ich alle meine Heiterkeit in frohen, glücklichen Tagen, und wenn ihr bey den Widerwärtigkeiten des menschlichen Lebens, noch einige Beruhigung des Gemüths an mir wahrgenommen habt; der ich auch diese Beruhigung einzig und allein zu verdanken habe. Ohne Gott, Vorsehung und Unsterblichkeit haben alle Güter des Lebens in meinen Augen einen verächtlichen Werth, scheinet mir das Leben hienieden, um mich eines bekannten und oft gemisbrauchten Gleichnisses zu bedienen, wie eine Wanderschaft in Wind und Wetter, ohne den Trost, Abends in einer Herberge Schirm und Obdach zu finden; oder wie ein Voltaire sagt, ohne diese tröstliche Aussicht schwimmen wir alle in den Fluthen; haben unaufhörlich mit Wellen zu kämpfen, und keine Hoffnung, das Ufer je zu erreichen.

Soll ich nun eure Gemüther in eben die Stimmung zu bringen suchen; so bin ich in Gefahr, die Lage des Gleichgewichts zu verrücken, in welche wir uns versetzen müssen, wenn wir die Wahrheit untersuchen wollen. Unsre Neigung verändert das Gewicht der Wahrheitsgründe.[68] Der Antheil, den wir an dem Resultate nehmen, legt den Gründen zuweilen einiges Gewicht zu, und nimmt zu einer andern Zeit von denselben etwas ab. Es ist schwer, in unsrer eigenen Sache das Richteramt mit Unpartheylichkeit zu führen; aber eben so schwer ist es von der andern Seite, uns selbst, als Parthey, Genüge zu thun, so bald der Richter verdächtig zu werden anfängt. Alles hängt von der Laune ab, in welcher wir uns befinden. In heitern, jovialischen Stunden, sind wir leicht zu befriedigen. Wir glauben, was wir hoffen. In einer traurigen Gemüthslage hingegen, sind wir mehr geneigt das zu glauben, was wir fürchten. Aber der Areopagus der Vernunft, vor dessen Richterstuhle wir hier unsre Sache auszumachen haben, soll nicht nach der Neigung, sondern nach der Strenge der Wahrheit, die Gründe abwägen und Urtheil fällen.

Basedow versuchte es einst, ein neues Principium der Erkenntniß in die Philosophie einzuführen, das er die Glaubenspflicht nennet. Wenn es einen Satz giebt, spricht er, der mit der Glückseligkeit des Menschen so verknüpft ist, daß sie ohne dessen Wahrheit nicht bestehen kann; so ist der Mensch verpflichtet, denselben als wahr anzunehmen und ihm Beyfall zu geben. Hiernächst suchet er zu beweisen, daß ohne Gott, Vorsehung und Unsterblichkeit keine Glückseligkeit des Menschen statt haben könne; und damit glaubt er diese drey trostreiche Lehren hinlänglich dargethan und wider alle Zweifel in Sicherheit gebracht zu haben.

So sehr sich diese Methode durch ihre Leichtigkeit, und durch den Nutzen, den sie in vielen Fällen würklich hat, zu empfehlen scheint; so wenig brauchbar ist sie doch, wenn von dem Daseyn eines höchsten Wesens die Rede ist. Ueberhaupt erkenne ich keine Pflicht in Absicht auf Meynung, keine Verbindlichkeit, wenn Wahrheit von Unwahrheit unterschieden werden soll. Man scheint die beiden Seelenvermögen, die wir im Vorhergehenden so sorgfältig unterschieden haben, mit einander zu verwechseln; nimmt einen Billigungsgrund für einen Grund der Erkenntniß an, und hält das für wahr, was man gut und begehrlich gefunden hat. Nun haben wir in unsern Vorerkenntnissen gesehen, daß unser Billigungsvermögen von uns selbst ausgehet, und sein Ziel in den Gegenständen hat, die wir nach unserm Wunsch umzubilden streben; da hingegen das Erkenntnißvermögen von den Gegenständen und ihrer objectiven Wahrheit ausgehet, und zum Ziele hat, unsre Gedanken und Vorstellungen[69] mit denselben übereinstimmig zu machen. Es ist also offenbar ein fehlerhafter Uebergang aus dem einen Seelenvermögen in das andere, wenn wir für Wahrheit erkennen, was unserer Billigung gemäß ist; wenn wir glauben und annehmen, was wir hoffen und wünschen.

Pflicht und Verbindlichkeit findet nur Statt, in Absicht auf das Billigungsvermögen. Wir sind verbunden, das zu thun, was unserer Glückseligkeit gemäß ist; das zu lassen, was derselben zuwider ist. In Absicht auf Erkenntniß hingegen haben wir keine andere Pflicht, als die Pflicht zu untersuchen. Das Untersuchen der Wahrheit ist eine freywillige Handlung, die durch Erkenntniß des Guten und Bösen regiert wird, und also eine sittliche Nothwendigkeit anerkennt, eine Verpflichtung zuläßt. Das Erkennen und Annehmen aber ist von unserm Willen nicht abhängig. Die Nothwendigkeit, anzunehmen, ist keine sittliche, sondern eine physische Nothwendigkeit. Wir geben dem für wahr Erkannten nicht Beyfall, weil wir wollen oder sollen; sondern weil wir schlechterdings nicht anders können.

Der Erkenntnißgrund des Herrn Basedow kann indessen zugelassen werden, wenn wir von dem Daseyn eines höchstgütigen Wesens, und daß seine Vorsehung über das Schicksal der Menschen waltet, vorher aus andern Gründen überführt sind. Wenn es wahr ist, daß ein allgütiges und ein allweises Wesen uns hervorgebracht hat, so kann es, vermöge seiner unveränderlichen Eigenschaften, uns nicht anders als zur Glückseligkeit bestimmt haben. Kann also diese Glückseligkeit nicht bestehen, wenn der Mensch nicht zur ewigen Dauer berufen ist; so streitet seine Zernichtung mit den anerkannten Eigenschaften Gottes, und man hat gültigen Grund, die Seele des Menschen für unsterblich zu halten. Und so wird es mit jeder Wahrheit beschaffen seyn, von welcher wir darthun können, daß ohne dieselbe der Mensch nicht glücklich seyn, Gott nicht die Eigenschaften haben könne, von deren Würklichkeit wir überzeugt sind. Nur in diesem Falle kann der Billigungsgrund auch zum Erkenntnißgrunde werden. Ein höchstgütiges Wesen kann nur dasjenige gebilliget und als den Gegenstand seines Willens hervorgebracht haben, was nach seiner Allwissenheit das Beste und Vollkommenste ist. Wenn aber vom Daseyn dieses allgütigen Wesens selbst die Rede ist; so trennt sich die Quelle der Erkenntniß von der Quelle der[70] Billigung. Jedes Principium gehet seinen eigenen Weg und führet zu einem andern Ziele. Wenn wir beides, unsere Billigung des Guten und Schönen, und unser Anerkennen der Wahrheit, durch die Worte, Beyfall geben, auszudrücken pflegen; so ist es eine Zweydeutigkeit der Sprache, vor der sich der Weltweise in Acht zu nehmen hat.

Wollen wir also bey der wichtigen Untersuchung, die wir vorhaben, von der Wahrheit versichert seyn; so müssen wir vielmehr den Antheil aus der Acht lassen, den wir an dem Resultate nehmen, und unsern Wünschen keinen Einfluß auf unsere Ueberzeugung einräumen. Um uns der Evidenz der Mathematiker zu nähern, müssen wir auch ihre Gleichmüthigkeit nachzuahmen suchen. Unbekümmert, was das Resultat sey, opfert der Geometer Hekatomben, wenn er nur überzeugende Gewißheit erlangt hat; er wünschet bloß annehmen zu müssen; nimmt aber nicht an, weil er wünscht. Freilich wird ihm diese ungetheilte Liebe zur Wahrheit so schwer nicht, da sie ihn keine Ueberwindung, keine Selbstverläugnung kostet. Das Resultat ändert nichts in dem System seiner Glückseligkeit, und sein Wunsch ist erfüllt, wenn er nur gefunden! rufen kann. In unserm! Falle hingegen hänget von dem Resultate unserer Untersuchung; unser ganzes Wohl ab. Wir zittern vor der Wahrheit selbst, wenn sie nicht mit unserm Wohl übereinstimmt. Mit jedem Zweifel drohet unsere Ruhe zu verschwinden, unser ganzes System von Glückseligkeit einzustürzen. Wer kann mit ruhigem Auge die Schale schwanken sehn, wenn der Ausschlag Leben oder Tod ist? Wer trauet seiner Hand Festigkeit genug zu, in dem Fleische seines geliebten Sohnes Einschnitte zu machen, um den Sitz einer Krankheit aufzusuchen? Dank sey es der Vorsehung, daß sie von Zeit zu Zeit einigen Freunden der Wahrheit die Stärke des Geistes giebt, mit Aufopferung und Selbstverläugnung die Sätze zu prüfen, von denen ihre eigene Glückseligkeit abhänget! Sie strengen ihre Kräfte an, um Zweifel zu erregen, die ihnen ihre eigene Ruhe kosten; um wider angenommene Lehrsätze Einwürfe ans Licht zu bringen, wodurch sie sich vielleicht ihr ganzes Leben hienieden verbittern. Ohne dieses Opfer der Wahrheit würde alles Erkenntniß derselben gar bald in Vorurtheil und blinden Glauben ausarten. Der Geist der Untersuchung muß immer von neuem rege gemacht und unterhalten werden, wenn die Wahrheit, die wir anerkennen, einigen Werth[71] haben soll. Erkenntniß ohne Untersuchung ist zuweilen von weit schlimmern Folgen, als Untersuchen ohne Erkenntniß; oder vielmehr, es hört auf, Erkenntniß der Wahrheit zu seyn, sobald der Satz als ausgemacht angenommen und populär wird, ohne daß man es ferner nöthig findet, die Gründe zu prüfen, auf welchen er beruhet. Es ist wahr, die Zweifel, die von jenem erregt worden, führen zuweilen zur Verläugnung aller Grundsätze und haben nicht selten auf die Sittlichkeit und Handlungen der Menschen fürchterlichen Einfluß. Allein die Vorurtheile, in welche, durch Trägheit im Untersuchen, die Wahrheit selbst verwandelt wird; der blinde Glaube, mit welchem wir gewissen Sätzen anhängen, ohne sie zu prüfen, führet zu Aberglauben und Schwärmerey, die der Glückseligkeit des Menschen nicht weniger gefährlich sind. Atheismus und Aberglaube, Zweifelsucht und Schwärmerey, sind beides Krankheiten der Seele, die ihr den sittlichen Tod androhen. Nicht selten verordnet die Vorsehung eine Krankheit, um eine ihr entgegengesetzte zu heben, um dem Körper seine Gesundheit wieder zu schenken. Wir müssen also jeden Zweifel, der uns gemacht wird, mit Gelassenheit anhören, jeden Einwurf willkommen seyn lassen, wenn er auch unser ganzes System zu zerrütten droht. Nach dem natürlichen Zirkellauf der Dinge führet Wahrheit zur Beruhigung, Beruhigung zur Trägheit und Trägheit zum Aberglauben. Alsdann ist es eine Wohlthat der Vorsehung, wenn der Geist des Zweifels und der spitzfündigsten Untersuchung rege gemacht wird, um durch Verwerfung aller Grundsätze den Rückweg zur Wahrheit wieder hinzuführen.

Sollen überredende Gründe irgend mit Nutzen angebracht werden, so geschieht dieses blos in der populären Methode, die Wahrheiten der natürlichen Religion vorzutragen; wo man nicht sowohl darauf ausgeht, Wahrheit zu finden, als der gefundenen Wahrheit Ausbreitung, Leben und Bewegungskraft zu geben. Die Grundsätze, die wir beständig brauchen, sollen uns beständig zur Hand seyn, sollen unabläßig auf unsere Neigungen, Triebe und Leidenschaften würken. Sie müssen daher durch die Kraft der Ueberredung gleichsam in den Grund der Seele hineingesenkt, und in eine Art von unmittelbarer Erkenntniß verwandelt werden, die der mathematischen Evidenz zwar an Licht nicht beykömmt, aber an Kraft und Einwürkung überlegen ist. Ich werde euch von den Gränzen sowohl, als von der Nützlichkeit dieser populären Erkenntnißart, in der Folge[72] länger zu unterhalten, Gelegenheit nehmen. Jetzt wollen wir versuchen, wie weit wir in der wissenschaftlichen Methode, über das Daseyn Gottes nachzudenken, uns der Evidenz der Mathematiker nähern und wissenschaftliche Ueberzeugung erlangen können. Hier sind einige Axiomata, die aus dem, was wir bisher abgehandelt haben, natürlich zu folgen scheinen. Ich empfehle sie euerer genauen Prüfung, damit wir in der Folge uns derselben ohne weitem Anstand bedienen, und, so oft es nützlich ist, darauf beziehen können.


Axiomata.
I.

Was wahr ist, muß durch positive Denkungskraft dafür erkannt werden können.

Dieses ist aus dem obigen klar, und gilt sowohl von Begriffen, als von Urtheilen und Schlüssen; sowohl von Vernunft- als von Erfahrungswahrheiten.

Alle Wahrheit wird erkannt, von dem allerhöchsten Verstande, wenn es einen giebt, mit der allerhöchsten Evidenz; von jedem andern verständigen Wesen nach Maaßgabe seiner Fähigkeit, und in so fern es nicht durch Irrthum oder Täuschung an der Erkenntniß verhindert wird.


II.

Wessen Daseyn durch keine positive Denkungskraft erkannt werden kann, das ist nicht würklich vorhanden. Gesetzt A sey ein Begriff in der Seele, dem also, in so weit er eine Vorstellung in einem denkenden Wesen ist, ein idealisches Daseyn zukömmt; d.h. er ist ein Accidens einer denkenden Substanz, eine Abänderung eines Denkungsvermögens. Wenn kein verständiges Wesen durch seine positive Kraft erkennen kann, daß dieses A auch würkliches objectives Daseyn habe; so ist sein vermeyntes objectivisches Würklichseyn eine Unwahrheit; entweder Irrthum oder Täuschung.


III.

Wessen Nichtseyn keinem verständigen Wesen begreiflich seyn kann, das ist würklich vorhanden.

Dessen Nichtseyn würde Unwahrheit, d.i. Irrthum oder Täuschung seyn müssen.[73]

Wenn also von einem denkbaren Begriffe A erwiesen werden könnte, daß er ohne reales objectives Daseyn nicht gedacht werden könne, so ist zugleich erwiesen, daß er objectivisch würklich seyn müsse.


IV.

Wenn ein Satz; A ist B, wahr seyn soll; so muß vermöge der positiven Denkungskraft, zwischen dem Subjecte A und dem Prädicate B eine Verbindung anerkannt werden können.


V.

Diese Verbindung beruhet entweder auf dem Materiellen in der Erkenntniß des Subjects A, oder auf dem Formalen derselben.

Der Grund, warum dem Subject A das Prädicat B zugeschrieben wird, liegt entweder in der Beschaffenheit des Subjects, als denkbar oder nicht denkbar, oder in der Beschaffenheit desselben, als gut oder böse, begehrlich oder nicht begehrlich.


VI.

Wenn also von einem Begriffe A das würkliche Daseyn ausgesagt wird, so ist A entweder deswegen würklich vorhanden, weil es nicht anders, als mit diesem Prädicate denkbar ist; oder deswegen, weil es nicht anders ein Gegenstand der Billigung und des Beyfalls werden kann.

Das Bestreben unsrer Kraft in Absicht auf Wahrheit oder das Materiale der Erkenntniß, gehet darauf aus, in uns selbst Prädicate hervorzubringen, die mit den objectiven Beschaffenheiten der Dinge übereinkommen; in Absicht auf das Gute oder das Formale der Erkenntniß, hat unsre Kraft zum Ziele, in dem Objecte derselben unter gleich denkbaren Prädicaten, das Beste zur Würklichkeit zu bringen. Dieses ist in dem Vorigen hinlänglich auseinander gesetzt worden. Wenn also der Satz: A ist B von einem denkenden Wesen als wahr erkannt und behauptet werden soll; so liegt der Erkenntniß- oder Behauptungsgrund, entweder in der Denkbarkeit des Begriffes A und ist eine ewige, nothwendige Wahrheit; A ist vorhanden, weil A ein wahrer Begriff ist; oder dieser Grund liegt in dem Formalen der Erkenntniß, in der Beschaffenheit des A, ein Gegenstand der Billigung zu werden, von einer freyen Ursache beliebt und hervorgebracht werden zu können.


VII.

[74] Hieraus folgt unmittelbar, daß wenn der Satz; A ist nicht B, eben so denkbar ist, als der Satz: A ist B; so kann dieser nicht anders wahr werden, als in so fern er das Beste ist, und von einer wählenden Ursache hat gebilliget und zur Würklichkeit gebracht werden können; oder Unter zweyen gleich denkbaren oder möglichen Dingen kann nur dasjenige würklich werden, welches das Beste ist.

Wenn der Begriff A sowohl mit der objectiven Existenz, als ohne dieselbe denkbar ist, so liegt der Grund seines Daseyns nicht in dem Materialen der Erkenntniß; sondern in der formalen Beschaffenheit, als gut und begehrlich. Diese Beschaffenheit, oder die Güte und Vollkommenheit desselben, kommt ihm entweder allezeit unveränderlich, oder nur unter gewissen Umständen und Bedingungen zu. Im ersten Falle ist der Satz eine allgemeine unveränderliche Wahrheit, ein Gesetz der Natur; im letztern hingegen kann er nur unter gewissen Umständen irgendwo und irgendwann, als zum Besten gehörig, selbst das Beste werden und zur Würklichkeit gelangen. Von dieser Art sind die einzelnen historischen Begebenheiten, die Zeitungen, die nur hier und da, irgendwo und irgendwann zum Vorschein kommen. Wenn z.B. die Körper eben sowohl eine allgemeine Schwere haben, als nicht haben könnten; so kann der Satz: Alle Körper haben eine Schwere, nicht anders wahr werden, als in so weit diese, ohne Rücksicht auf Zeit und Ort, so und nicht anders, als das Beste erkannt und gebilligt worden ist: Dieses macht die Schwere zum allgemeinen Naturgesetz. Wenn aber zu einer gewissen Zeit das Pulver erfunden wird, so muß in dem Inbegriff der Zeit und der Dinge, die damals würklich waren, der Grund enthalten seyn, warum diese Erfindung damals, unter diesen Bestimmungen der Zeit und des Raums, das Beste geworden ist. Beides sind zufällige Wahrheiten; aber jenes eine zufällige, ewige Wahrheit; dieses hingegen eine zufällige, zeitliche Wahrheit, die irgendwo und irgendwann zum Vorschein gekommen ist. Was aber anders gedacht werden kann, und unter keiner Bedingung als das Bessere gebilliget wird, kann auch unter keiner Bedingung würklich werden, und zum Vorschein kommen. Es hat keinen Grund des Daseyns, weder in dem Materialen, noch in dem Formalen der Erkenntniß, und so wird vielmehr sein Gegentheil, als Vergleichungsweise das Bessere, von dem Subjecte auszusagen seyn.[75]

Quelle:
Moses Mendelssohn. Gesammelte Schriften. Band 3.2, Berlin 1929 ff. [ab 1974: Stuttgart u. Bad Cannstatt], S. 67-76.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Flucht in die Finsternis

Flucht in die Finsternis

Robert ist krank und hält seinen gesunden Bruder für wahnsinnig. Die tragische Geschichte um Geisteskrankheit und Tod entstand 1917 unter dem Titel »Wahn« und trägt autobiografische Züge, die das schwierige Verhältnis Schnitzlers zu seinem Bruder Julius reflektieren. »Einer von uns beiden mußte ins Dunkel.«

74 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon