Achtes Capitel.

Von den vier Methoden der experimentellen Forschung.

[453] §. 1. Es giebt zwei einfache und augenfällige Methoden, um von den Umständen, welche einer Naturerscheinung vorhergehen oder ihr folgen, diejenigen abzusondern, welche durch ein unveränderliches Gesetz damit zusammenhängen. Die eine besteht darin, dass man verschiedene Fälle, in denen die Naturerscheinung stattfindet, mit einander vergleicht; die andere, dass man Fälle, in denen die Erscheinung stattfindet, mit in anderer Beziehung ähnlichen Fällen vergleicht, worin sie nicht stattfindet. Diese zwei Methoden kann man beziehungsweise die Methode der Uebereinstimmung und die Methode des Unterschieds (Differenzmethode) nennen.

Bei der Erläuterung dieser Methoden ist es nöthig, dass man sich des zweifachen Charakters der Erforschung von Gesetzen der Naturerscheinungen erinnere; man sucht nämlich entweder nach der Ursache einer gegebenen Wirkung, oder nach den Wirkungen oder Eigenschaften einer gegebenen Ursache. Wir werden diese Methoden in ihrer Anwendung auf beide Arten der Untersuchung betrachten, und unsere Beispiele aus beiden wählen.

Bezeichnen wir die Antecedentien mit den grossen Buchstaben des Alphabets und die entsprechenden Folgen mit den kleinen. Es sei also A ein Agens oder eine Ursache, und es sei ferner der Gegenstand unserer Untersuchung: zu bestimmen, welches die Wirkungen dieser Ursache sind. Wenn wir das Agens A in einer solchen Mannigfaltigkeit von Umständen finden oder hervorbringen können, dass die verschiedenen Fälle keinen Umstand gemein haben, ausgenommen A, so muss, welche Wirkung wir bei allen unseren Versuchen auch gefunden haben mögen, dieselbe die Wirkung[453] von A sein. Nehmen wir z.B. an, wir hätten A mit B und C untersucht, und dass die Wirkung a b c wäre; nehmen wir ferner an, A sei zusammen mit D und E, aber ohne B und C geprüft worden, und die Wirkung sei a d e. Wir müssen nun in folgender Weise schliessen: b und c sind nicht die Wirkungen von A, denn sie wurden bei dem zweiten Experiment nicht von ihm hervorgebracht, auch nicht d und e, denn sie fehlten in dem ersten Versuch. Die wahre Wirkung von A muss in beiden Fällen hervorgebracht worden sein, und diese Bedingung wird durch keinen Umstand ausser a erfüllt. Das Phänomen a kann nicht die Wirkung von B oder C gewesen sein, indem es da hervorgebracht wurde, wo jene nicht vorhanden waren; noch von D oder E, da es eintrat wo diese nicht waren. Es ist also die Wirkung von A.

Lassen wir z.B. das Antecedens A den Contact einer alkalischen Substanz mit einem Oel sein. Wenn diese Combination unter verschiedenen Veränderungen von Umständen, die sich in nichts Anderm gleichen, untersucht wird, so wird man als Resultat jedesmal eine fettige und reinigende, oder seifige Substanz finden; man schliesst daher, dass die Verbindung eines Oels mit einem Alkali die Erzeugung einer Seife verursacht. Auf diese Weise forschen wir durch die Methode der Uebereinstimmung nach den Wirkungen einer gegebenen Ursache.

In einer ähnlichen Art können wir nach der Ursache einer gegebenen Wirkung forschen. Es sei a die Wirkung. Wie in dem vorhergehenden Capitel gezeigt wurde, besitzen wir hier kein anderes Mittel, als die Beobachtung ohne Experiment; wir können keine Naturerscheinung, deren Ursprung uns unbekannt ist, nehmen und nach ihrer Entstehungsart suchen, indem wir sie selbst hervorbringen; wenn uns dies bei einem solchen Versuche aufs Geradewohl gelingt, so ist es eben nur ein Zufall. Wenn wir dagegen a in zwei verschiedene Verbindungen a b c und a d c beobachten können, und wenn wir wissen oder entdecken können, dass die vorhergehenden Umstände in diesen Fällen beziehungsweise A B C und A D E waren, so können wir durch einen ähnlichen Schluss wie in dem vorher gehenden Beispiel schliessen, dass A das durch das Causalgesetz mit der Wirkung a verbundene Antecedens ist. B und C, dürfen wir sagen, sind nicht die[454] Ursachen von a, denn bei seinem Eintreffen waren sie nicht gegenwärtig; D und E sind sie ebenfalls nicht, denn sie fehlten bei dem ersten Eintreffen. Von allen fünf Umständen wurde in beiden Fällen a allein unter den Antecedentien gefunden.

Die Wirkung a sei z.B. die Krystallisation. Wir vergleichen Fälle mit einander, wo Körper krystallisiren, die in anderen Punkten keine Uebereinstimmung besitzen, und finden, dass sie, so weit wir sie beobachten können, nur ein einziges Antecedens gemein haben: aus einem flüssigen Zustande der Schmelzung oder der Auflösung [oder auch aus einem dampfförmigen Zustand. J. S.] findet ein Uebergang in einen festen Körper Statt. Wir schliessen daher, dass das Festwerden einer Substanz aus dem flüssigen Zustande das unveränderliche Antecedens der Krystallisation ist.

Wir können bei diesem Beispiel weiter gehen und sagen, dass es nicht bloss das beständige Antecedens, sondern dass es die Ursache war; denn wir sind in diesem Falle, nachdem wir das Antecedens A entdeckt haben, im Stande, es künstlich hervorzubringen und das Resultat unserer Induction zu bestätigen, indem wir finden, dass es von a begleitet wird. Die Wichtigkeit einer solchen Umkehrung des Beweises zeigte sich nie auffallender, als in dem Falle, wo ein Chemiker (ich glaube Dr. Wollaston) ein Glas, das mit kieselerdehaltigem Wasser gefüllt war, mehrere Jahre lang unberührt stehen liess, wodurch es ihm gelang, Krystalle von Quarz zu erhalten; und in dem gleich interessanten Versuche, wodurch James Hall durch Abkühlung von geschmolzenen Substanzen unter einem immensen Drucke künstlichen Marmor erzeugte; zwei bewunderungswürdige Beispiele, welche zeigen, welches Licht auf die geheimsten Processe der Natur geworfen werden kann, wenn man dieselbe wohl zu fragen versteht.

Wenn wir dagegen die Naturerscheinung A nicht künstlich hervorbringen können, so bleibt der Schluss, dass sie die Ursache von a ist, sehr zweifelhaft. Sie kann ein unveränderliches, nicht aber ein unbedingtes Antecedens von a sein; sie kann ihm vorausgehen wie der Tag der Nacht, oder die Nacht dem Tag. Diese Ungewissheit entspringt aus der Unmöglichkeit, uns zu versichern, dass A das einzige beiden Fällen gemeinschaftliche Antecedens ist. Wenn wir die Gewissheit haben könnten, alle beständigen Antecedentien erforscht zu haben, so könnten wir auch sicher sein,[455] dass das unbedingte, beständige Antecedens oder die Ursache irgendwo unter ihnen zu finden ist. Unglücklicherweise ist es kaum jemals möglich, alle Antecedentien zu bestimmen, es sei denn, dass die Naturerscheinung sich künstlich hervorbringen Hesse. Sogar dann noch ist die Schwierigkeit nicht beseitigt, sondern nur verringert; man verstand das Wasser durch Pumpen zu. heben, lange bevor man den wirksamen Umstand in den angewandten Mitteln erkannte, den Druck nämlich, den die Atmosphäre auf die Oberfläche des Wassers ausübt. Es ist indessen viel leichter, eine ganze Reihe von Anordnungen, die wir selbst gemacht haben, zu analysiren, als die ganze complexe Masse von Agentien, welche die Natur anwendet, wenn sie ein gegebenes Phänomen erzeugen will. Wir können bei einem Experiment mit der Elektrisirmaschine einige wichtige Umstände übersehen, aber in allen Fällen werden wir besser damit bekannt werden, als mit den Umständen eines Gewitters.

Die Methode, Naturgesetze zu entdecken und zu beweisen, die wir in dem Vorhergehenden untersucht haben, verfährt also nach folgendem Axiom: ein jeder Umstand, den man ohne Nachtheil für die Naturerscheinung ausschliessen kann, oder der trotz seiner Gegenwart abwesend sein kann, ist durch kein Causalverhältniss damit verknüpft. Wenn die zufälligen Umstände auf diese Weise entfernt sind und nur ein einziger übrig bleibt, so ist dieser eine die Ursache, welche wir suchen; bleiben mehr als einer, so sind sie entweder, oder sie enthalten die Ursache; dies gilt mutatis mutandis von der Wirkung. Da diese Methode in der Weise verfährt, dass sie verschiedene Fälle mit einander vergleicht, um zu erforschen, was in ihnen Uebereinstimmendes ist, so habe ich sie die Methode der Uebereinstimmung genannt, und wir können als leitendes Princip derselben die Regel annehmen:


Erste Regel.

Wenn zwei oder mehr Fälle einer zu erforschenden Naturerscheinung nur einen einzigen Umstand gemein haben, so ist nur der Umstand, in welchem alle Fälle übereinstimmen, die Ursache (oder die Wirkung) einer gegebenen Naturerscheinung.

Indem wir jetzt die Methode der Uebereinstimmung verlassen, um bald wieder zu ihr zurückzukehren, wollen wir uns zu einem[456] noch mächtigeren Mittel der Naturforschung, zu der Methode des Unterschieds, wenden.

§. 2. Bei der Methode der Uebereinstimmung sachten wir nach Fällen, welche in dem gegebenen Umstande übereinstimmten, in allen anderen aber differirten; die gegenwärtige Methode verlangt zwei Fälle, die sich in jeder andern Beziehung gleichen und sich nur durch die Abwesenheit oder Gegenwart eines Phänomens, das wir studiren wollen, unterscheiden. Wenn wir die Wirkungen des Agens A entdecken wollen, müssen wir uns A in einer Reihe von erforschten Umständen wie A B C verschaffen, und nachdem wir die erzeugten Wirkungen beobachtet haben, müssen wir dieselben mit den bei Abwesenheit von A übrigbleibenden Umständen B C vergleichen. Die Wirkung von A B C sei a b c und die Wirkung von B C sei b c, so ist klar, dass die Wirkung von A, a ist. Wollen wir an dem andern Ende anfangen und die Ursache einer Wirkung erforschen, so müssen wir ein Beispiel wie a b c wählen, in welchem die Wirkung eintrifft und die Antecedentien A B C sind; sodann müssen wir einen andern Fall suchen, in welchem die übrigen Umstände b c ohne a zusammentreffen. Wenn die Antecedentien in diesem Falle B C sind, so wissen wir, dass A die Ursache von a sein muss; nämlich A allein oder in Verbindung mit anderen anwesenden Umständen.

Es wird kaum nöthig sein, Beispiele von dem logischen Verfahren zu geben, dem wir fast alle die inductiven Schlüsse, die wir täglich machen, verdanken. Wird Jemand durchs Herz geschossen, so erfahren wir durch die Methode, dass es der Schuss war, der ihn tödtete, denn der Geschossene war unmittelbar vorher in der Fülle des Lebens und alle Umstände blieben gleich, mit Ausnahme der Wunde.

Die Axiome, welche man in dieser Methode als zu gegeben betrachten kann, sind offenbar die folgenden: irgend ein Antecedens, welches nicht ausgeschlossen werden kann ohne die Naturerscheinung zu verhindern, ist die Ursache oder eine Bedingung dieser Naturerscheinung; irgend eine Folge (Consequens), die durch die Abwesenheit eines einzigen von allen Antecedentien ausgeschlossen werden kann, ist die Wirkung dieses einen Antecedens. Statt verschiedene Beispiele eines Phänomens mit einander zu vergleichen,[457] um zu entdecken, worin sie übereinstimmen, vergleicht diese Methode einen Fall des Eintreffens mit einem Fall seines Nichteintreffens, um zu entdecken, worin sie differiren. Die Regel, welche das leitende Princip der Differenzmethode ist, kann in folgender Weise ausgedrückt werden.


Zweite Regel.

Wenn ein Fall, in welchem die zu erforschende Naturerscheinung eintrifft, und ein Fall worin sie nicht eintrifft, alle Umstände, mit Ausnahme eines einzigen, gemein haben, und dieser eine nur in dem ersten Falle vorkommt, so ist der Umstand, durch welchen allein die zwei Fälle sich unterscheiden, die Wirkung, oder Ursache, oder ein nothwendiger Theil der Ursache der Naturerscheinung.

§. 3. Die zwei angeführten Methoden haben viele Aehnlichkeiten mit einander, sie unterscheiden sich aber auch in vielen Punkten. Sie sind beide Eliminationsmethoden. Dieser Ausdruck (der in der Theorie der Gleichungen dasjenige Verfahren bezeichnet, wodurch man die Elemente einer Aufgabe successive ausschliesst und die Auflösung nur von den noch übrigbleibenden Elementen abhängig macht) ist wohl geeignet, das Verfahren zu bezeichnen, welches demjenigen analog ist, das seit Bacon als das Fundament der experimentellen Forschung angesehen worden ist; es ist die successive Ausschliessung der verschiedenen Umstände, welche eine Naturerscheinung in einem gegebenen Falle begleiten, um dadurch zu bestimmen, welche von ihnen unbeschadet der Erscheinung abwesend sein können. Die Methode der Uebereinstimmung gründet sich darauf, dass Alles, was eliminirt werden kann, mit der Naturerscheinung durch kein Gesetz verknüpft ist; der Fundamentalsatz der Differenzmethode ist: Alles, was nicht eliminirt werden kann, ist durch ein Gesetz mit der Naturerscheinung verknüpft.

Die Differenzmethode ist nun vorzüglich die Methode des künstlichen Experimentirens, während wir zur Methode der Uebereinstimmung unsere Zuflucht dann nehmen, wenn das Experiment[458] unmöglich ist. Einige wenige Betrachtungen werden diese Thatsache beweisen und den Grund davon zeigen.

Es ist dem eigenthümlichen Charakter der Differenzmethode inwohnend, dass die Natur der Verbindungen, welche sie erfordert, viel strenger und genauer bestimmt ist, als bei der Methode der Uebereinstimmung. Die zwei zu vergleichenden Fälle müssen sich in allen Umständen, mit Ausnahme des einen, den wir untersuchen wollen, genau ähnlich sehen; sie müssen in dem Verhältnisse von A B C zu B C und a b c zu b c stehen. Diese Aehnlichkeit der Umstände braucht sich freilich nicht auf solche zu erstrecken, von denen es bereits bekannt ist, dass sie für das Resultat nicht von Wichtigkeit sind; bei den meisten Naturerscheinungen lernen wir aber sogleich aus der gewöhnlichen Erfahrung, dass die meisten der coexistirenden Erscheinungen des Weltalls vorhanden oder abwesend sein können, ohne dass das gegebene Phänomen dadurch berührt würde, oder dass, wenn sie vorhanden sind, die Naturerscheinungen unabhängig von ihnen eintreffen oder nicht. Auch wenn die zwischen den zwei Fällen A B C und B C erforderliche Aehnlichkeit auf solche Umstände beschränkt wird, von denen bereits bekannt ist, dass sie nicht gleichgültig sind, bietet die Natur selten zwei Fälle dar, von denen wir versichert sein können, dass sie genau in diesem Verhältniss zu einander stehen. In den spontanen Wirkungen der Natur herrscht gewöhnlich eine solche Verwickelung und Dunkelheit; sie finden meistens nach einem so ungeheuer grossen oder unzugänglich kleinen Maassstabe Statt; wir sind in Beziehung auf einen grossen Theil der Thatsachen, welche wirklich stattfinden, so unwissend, und wenn wir es nicht sind, so sind die Thatsachen so mannigfaltig, und daher so selten in zwei Fällen sich ähnlich: dass ein spontanes Experiment von der Art, wie es die Differenzmethode verlangt, selten zu finden ist. Wenn wir dagegen eine Naturerscheinung durch ein künstliches Experiment erhalten, so erhalten wir auch, vorausgesetzt, dass der Process nicht zu lange dauert, zwei solche Fälle, wie sie die Methode verlangt, beinahe als eine selbstverständliche Sache. Bevor wir das Experiment anfingen, war ein gewisser Zustand der umgebenden Umstände vorhanden; dies ist B C. Wir führen A ein; dadurch z.B., dass wir von einem andern Theile des Raumes (etwa unseres Zimmers) einen Gegenstand dazubringen, ohne dass die übrigen,[459] Elemente Zeit haben, sich verändern. Kurz es ist (wie Hr. Comte bemerkt) die Natur des Experimentes, in den schon vorhandenen Zustand der Umstände eine vollkommen bestimmte Veränderung einzuführen. Wir wählen einen vorhergängigen Zustand der Dinge, mit dem wir wohl bekannt sind, so dass keine unvorhergesehene Veränderung in diesem Zustande mit Wahrscheinlichkeit unbeobachtet stattfinden kann, und hierin führen wir so schnell als möglich das Phänomen, welches wir studiren wollen, ein, so dass wir im allgemeinen die Ueberzeugung haben dürfen, dass sich der vorhergängige Zustand und der Zustand, den wir hervorgebracht haben, in Nichts als durch die Gegenwart oder Abwesenheit dieses Phänomens unterscheiden. Wenn ein Vogel in einem Käfig gefangen und sogleich in Kohlensäuregas getaucht wird, so darf sich der Experimentirende versichert halten, dass kein anderer Umstand, der eine Erstickung verursachen könnte, in der Zwischenzeit dazu gekommen ist, als die Veränderung durch Eintauchen in Kohlensäure von dem, was vorher in atmosphärischer Luft war. In einigen Fällen dieser Art kann indessen ein Zweifel entstehen, ob die Wirkung durch die Veränderung, oder durch die Mittel, wodurch wir diese Veränderung vornehmen, hervorgebracht worden ist. Die Möglichkeit der letzteren Annahme lässt indessen eine entscheidende Prüfung durch andere Experimente zu, so dass es scheint, dass wir bei dem Studium der verschiedenen Arten von Naturerscheinungen, welche wir durch unsere willkürliche Einwirkung verändern oder beherrschen können, im allgemeinen den Anforderungen der Differenzmethode Genüge leisten können, dass dagegen bei der spontanen Thätigkeit der Natur diesen Anforderungen selten entsprochen werden kann.

Das Gegentheil findet bei der Methode der Uebereinstimmung Statt. Wir suchen hier nicht Fälle einer besondern und bestimmten Art. Alle Fälle, in denen uns die Natur eine Erscheinung darbietet, können nach dieser Methode untersucht werden, und wenn alle diese Fälle in irgend Etwas übereinstimmen, so sind wir bereits zu einem werthvollen Schluss gelangt. Wir sind in der That nicht sicher, dass dieser eine Punkt der Uebereinstimmung der einzige sei, aber unsere Unwissenheit macht hier nicht, wie bei der Differenzmethode, den Schluss fehlerhaft; die Gewissheit des Resultats wird, soweit sie geht, nicht davon berührt. Wir haben ein unveränderliches[460] Antecedens oder Consequens bestimmt, wie viel deren auch noch zu bestimmen übrig bleiben. Wenn ABC, ADE, AFG alle von a begleitet sind, so ist dieses a das unveränderliche Consequens von A. Wenn abc, ade, afg alle A unter ihren Antecedentien zählen, so ist dieses A durch ein unveränderliches Gesetz als ein Antecedens mit a verknüpft. Um jedoch zu bestimmen, ob dieses unveränderliche (beständige) Antecedens eine Ursache, oder ob dieses unveränderliche Consequens eine Wirkung ist, müssen wir im Stande sein, das Eine durch das Andere hervorzubringen, oder wenigstens das zu erhalten, was uns allein die Ueberzeugung giebt, überhaupt etwas hervorgebracht zu haben, einen Fall nämlich, in welchem die Wirkung a ins Leben trat, und zwar mit keiner andern Veränderung in den vorhergehenden Umständen, als die Hinzufügung von A. Wenn wir dies können, so ist es eine Anwendung der Differenzmethode, und nicht der Methode der Uebereinstimmung.

Es scheint auf diese Weise, dass wir durch die Differenzmethode immer auf dem Wege des directen Experiments mit Gewissheit zu den Ursachen gelangen können. Die Methode der Uebereinstimmung führt uns nur zu den Gesetzen der Naturerscheinungen (wie einige Schriftsteller sie unpassend nennen, indem Gesetze der Ursachen auch Gesetze der Naturerscheinungen sind), d.h. zu Gleichförmigkeiten, die entweder keine Causalgesetze sind, oder in denen die Frage nach der Ursache vor der Hand noch unentschieden gelassen werden muss. Zur Methode der Uebereinstimmung sollen wir hauptsächlich als zu einem Mittel, das Anwendungen der Differenzmethode an die Hand giebt, unsere Zuflucht nehmen (wie in dem letzten Beispiele die Vergleichung von ABC, ADE, AFG angab, dass A das Antecedens ist, an dem das Experiment zu versuchen ist, ob es a hervorbringen kann), oder als zu einem untergeordneten Hülfsmittel im Fall die Differenzmethode nicht anwendbar, was gewöhnlich stattfindet, wenn das künstliche Experiment unmöglich ist. Daher trifft es sich, dass die Methode der Uebereinstimmung, obgleich dem Princip nach in allen Fällen anwendbar, die Untersuchungsmethode besonders da ist, wo das künstliche Experiment unmöglich ist; sie ist dann gewöhnlich unser einziges Mittel von einer direct inductiven Natur, während bei den Naturerscheinungen, die wir willkürlich hervorbringen können,[461] die Differenzmethode ein wirksameres Verfahren ist, und wodurch sowohl Ursachen als auch blosse Gesetze erforscht werden.

§. 4. Es giebt indessen viele Fälle, in welchen, obgleich wir die Naturerscheinung durch unsere Hülfsmittel vollständig hervorbringen können, die Differenzmethode nichts nützen kann, wenigstens nicht ohne vorhergehenden Gebrauch der Methode der Uebereinstimmung. Dieses findet statt, wenn die Einwirkung, durch welche wir die Naturerscheinung hervorbringen, nicht die eines einzigen Antecedens, sondern eine Verbindung von Antecedentien ist, die wir nicht von einander trennen und gesondert an's Licht bringen können. Nehmen wir z.B. an, der Gegenstand der Untersuchung wäre »die Ursache der doppelten Brechung des Lichtes«. Wir können dieses Phänomen willkürlich hervorbringen, indem wir eine von den vielen Substanzen anwenden, welche das Licht in dieser eigenthümlichen Weise brechen. Aber wenn wir eine von diesen Substanzen, z.B. isländischen Kalkspath nehmen, und erforschen wollen, von welchen Eigenschaften des Kalkspaths diese merkwürdige Naturerscheinung abhängig ist, so können wir zu diesem Zwecke keinen Gebrauch von der Differenzmethode machen; wir können keine andere Substanz finden, die dem isländischen Kalkspath bis auf eine Eigenschaft ähnlich wäre. Die einzige Art, die Untersuchung weiter zu führen, giebt uns daher nur die Methode der Uebereinstimmung an die Hand. Durch eine Vergleichung aller bekannten Substanzen, welche die Eigenschaft besitzen, das Licht doppelt zu brechen, wurde bestimmt, dass sie in dem einzigen Umstande übereinstimmen, krystallinische Substanzen zu sein; und obgleich der umgekehrte Schluss nicht gültig war, obgleich nicht alle krystallinische Substanzen die Eigenschaft der doppelten Lichtbrechung besitzen, so wurde doch mit Recht geschlossen, dass zwischen diesen beiden Eigenschaften ein wirklicher Zusammenhang besteht; dass entweder die krystallinische Structur, oder die Ursache, welche diese Structur erzeugt, eine der Bedingungen der doppelten Brechung des Lichts ist.

Aus diesem Gebrauche der Methode der Uebereinstimmung geht eine eigenthümliche Modification derselben hervor, die in der Naturforschung manchmal von grossem Nutzen ist. In Fällen die den obigen ähnlich sind, und in welchen es nicht möglich ist, das[462] genaue Paar von Beispielen zu erhalten, wie es unsere zweite Regel verlangt – Beispiele, die in jedem Antecedens ausgenommen A oder in einem jeden Consequens ausgenommen a übereinstimmen – können wir dennoch durch einen doppelten Gebrauch der Methode der Uebereinstimmung entdecken, worin sich die Fälle, welche A oder a enthalten, von denjenigen, die sie nicht enthalten, unterscheiden.

Wenn wir verschiedene Fälle, die a enthalten, miteinander vergleichen, und finden, dass sie alle den Umstand A und (soweit als beobachtet werden kann) keinen andern Umstand gemein haben, so weist die Methode der Uebereinstimmung einen Zusammenhang zwischen A und a nach. Um durch die directe Differenzmethode diesen Beweis des Zusammenhangs in einen Beweis der Ursache umzuändern, müssten wir im Stande sein, in einem von diesen Fällen, z.B. in ABC, A auszulassen, und zu beobachten, ob a verhindert wird. Setzen wir nun voraus (was oft der Fall ist), dass wir nicht im Stande sind, dieses entscheidende Experiment zu machen, so würde, wenn wir durch irgend ein Mittel entdecken könnten, welches das Resultat wäre, wenn wir es machen könnten, der Vortheil derselbe sein. Nehmen wir daher an, dass, wie wir vorher eine Mannigfaltigkeit von Fällen, in denen a vorkam, untersucht und gefunden haben, dass sie übereinstimmend A enthielten, wir nun eine Mannigfaltigkeit von Fällen beobachten, worin a nicht vorkommt, und finden, dass sie darin übereinstimmen, dass sie A nicht enthalten; dies begründet durch die Methode der Uebereinstimmung denselben Zusammenhang zwischen der Abwesenheit von A und der Abwesenheit von a, welcher vorher zwischen ihrer Gegenwart begründet worden war. Da also gezeigt worden ist, dass bei der Gegenwart von A auch a gegenwärtig ist, und dass mit A auch a entfernt wird, so haben wir, durch das eine Resultat A B C, a b c, und durch das andere B C, b c, die positiven und negativen Fälle, welche die Differenzmethode verlangt.

Diese Methode welche die indirecte Differenzmethode oder die vereinigte Methode der Uebereinstimmung und des Unterschieds genannt werden kann, besteht in einem doppelten Gebrauche der Methode der Uebereinstimmung; ein jeder Beweis derselben ist unabhängig von dem andern und verstärkt denselben,[463] ist jedoch einem Beweise nach der directen Differenzmethode nicht äquivalent, denn den Anforderungen der Differenzmethode ist nicht Genüge geleistet, wenn wir nicht ganz sicher sein können, entweder dass die bejahenden Fälle von a in keinem andern Antecedens als A, oder dass die negativen Fälle von a in Nichts, als in der Negation von A übereinstimmen. Wäre es nun möglich, was aber niemals sein kann, dass wir diese Gewissheit hätten, so bedürften wir der vereinigten Methode nicht, denn ein jeder der zwei Fälle wäre dann für sich hinreichend, um Verursachung zu beweisen. Diese indirecte Methode kann nur als eine weite Ausdehnung und Verbesserung der Methode der Uebereinstimmung, die nichts von der mächtigeren Natur der Differenzmethode besitzt, angesehen werden. Ihre Regel kann in folgender Weise ausgedrückt werden:


Dritte Regel.

Wenn zwei oder mehr Fälle, in welchen die Naturerscheinung stattfindet, nur einen Umstand gemein haben, während zwei oder mehr Fälle, in welchen sie nicht stattfindet, nichts als die Abwesenheit dieses Umstandes gemein haben: so ist der Umstand, in welchem die zwei Reihen von Fällen allein differiren, die Wirkung, oder Ursache, oder ein nothwendiger Theil der Ursache der Naturerscheinung.

Wir werden sogleich sehen, dass die vereinigte Methode der Uebereinstimmung und des Unterschieds in einer andern Hinsicht, worauf noch nicht aufmerksam gemacht wurde, einen Vorzug vor der gewöhnlichen Methode der Uebereinstimmung besitzt, darin nämlich dass sie von einer charakteristischen Unvollkommenheit dieser Methode, deren Natur noch anzugeben ist, nicht berührt wird. Da wir aber in diese Auseinandersetzung nicht eingehen können, ohne ein neues Element der Verwicklung in diese lange und verwickelte Erörterung einzuführen, so will ich sie bis zum nächsten Capitel verschieben, und hier zwei andere Methoden anführen, welche die Aufzählung der Mittel, welche wir besitzen, um die Naturgesetze durch specifische Beobachtung und Experiment zu erforschen, vervollständigen werden.

[464] §. 5. Die erste der zuletzt angedeuteten Methoden ist sehr geschickt die Methode der Rückstände (Reste) genannt worden. Ihr Princip ist höchst einfach. Zieht man von einer gegebenen Naturerscheinung alle die Theile ab, welche durch vorhergehende Inductionen auf bekannte Ursachen bezogen werden können, so wird der Rest die Wirkung derjenigen Antecedentien sein, die übersehen wurden, oder deren Wirkung bis dahin eine unbekannte Grösse war.

Nehmen wir wie vorhin an, wir hätten die Antecedentien A B C, begleitet von den Folgen a b c, und wir hätten durch frühere Inductionen (etwa nach der Differenzmethode) die Ursachen von einigen dieser Wirkungen, oder die Wirkungen von einigen dieser Ursachen bestimmt und dadurch erfahren, dass die Wirkung von A, a, und dass die von B, b ist. Ziehen wir die Summe dieser Wirkungen von dem ganzen Phänomen ab, so bleibt c, und wir wissen nun ohne ein weiteres Experiment, dass dies die Wirkung von C ist. Die Rückstandsmethode ist in Wahrheit eine eigenthümliche Modification der Differenzmethode. Wenn der Fall A B C, a b c mit einem einfachen Fall A B, a b hätte verglichen werden können, so hätten wir durch das gewöhnliche Verfahren der Differenzmethode bewiesen, dass C die Ursache von c ist. In dem gegenwärtigen Fall haben wir aber statt des einfachen Beispieles A B, die Ursachen A und B getrennt zu studiren, und aus den Wirkungen, die sie getrennt hervorbringen, zu folgern, welche Wirkungen sie in dem Fall A B C, wo sie zusammenwirken, hervorbringen müssen. Von den zwei Beispielen also, welche die Differenzmethode verlangt – das eine positiv, das andere negativ – ist das negative oder dasjenige, in dem das gegebene Phänomen abwesend ist, nicht das directe Resultat der Beobachtung und des Experiments, sondern es wurde durch Deduction erhalten. Als eine der Formen der Differenzmethode theilt die Rückstandsmethode ganz deren Gewissheit, wenn nur die früheren Inductionen, diejenigen, aus welchen sich die Wirkungen von A und B ergaben, durch dieselbe unfehlbare Methode erhalten worden sind, und wenn wir nur gewiss sind, dass C das einzige Antecedens, auf welches das rückständige Phänomen c bezogen werden kann, das einzige Agens ist, dessen Wirkung wir noch nicht berechnet und abgezogen haben. Da wir aber dessen nie gewiss sein können, so ist der nach der Rückstandsmethode abgeleitete[465] Beweis nicht vollständig, wenn wir C nicht künstlich erhalten und getrennt prüfen können, oder wenn seine Einwirkung, einmal vermuthet, nicht erklärt, oder aus bekannten Gesetzen deductiv bewiesen werden kann.

Sogar nach diesen Einschränkungen ist die Rückstandsmethode noch eines unserer wichtigsten Instrumente der Entdeckung. Von allen Methoden der Erforschung von Naturgesetzen ist sie die fruchtbarste an unerwarteten Resultaten, indem sie uns oft Sequenzen zeigt, in denen weder die Ursache noch die Wirkung sichtbar genug waren, um die Aufmerksamkeit des Beobachters auf sich zu ziehen. Das Agens C kann ein dunkler Umstand sein, der wahrscheinlich nicht bemerkt worden wäre, wenn man ihn nicht gesucht hätte, und der wahrscheinlich nicht gesucht worden wäre, wenn die Aufmerksamkeit nicht durch die Unzulänglichkeit der sichtbaren Ursachen zu Erklärung der ganzen Wirkung geweckt worden wäre. Es kann c durch die Vermischung mit a und b so verhüllt sein, dass es sich kaum von selbst als ein Gegenstand des besondern Studiums dargeboten hätte. Wir werden später einige bemerkenswerthe Beispiele von der Anwendung dieser Methode anführen. Ihre Regel ist wie folgt:


Vierte Regel.

Von irgend einer Naturerscheinung ziehe man denjenigen Theil ab, der durch frühere Inductionen als die Wirkung gewisser Antecedentien bekannt ist, der Rückstand (Rest) der Naturerscheinung ist die Wirkung der übrigbleibenden Antecedentien.

§. 6. Es bleibt noch eine Classe von Gesetzen, welche durch keine der drei Methoden, die ich zu charakterisiren versuchte, erforscht werden kann, nämlich die Gesetze jener permanenten Ursachen oder unzerstörbaren Agentien der Natur, welche unmöglich ausgeschlossen oder isolirt werden können, deren Gegenwart wir weder verhindern, noch ausschliesslich der anderen erzwingen können. Bei dem ersten Anblicke möchte es scheinen, dass wir die Wirkungen dieser Agentien von den Wirkungen jener anderen Naturerscheinungen, mit denen zugleichzusein sie[466] nicht zu verhindern sind, durchaus nicht trennen können. In der That besteht aber in Beziehung auf die meisten der permanenten Ursachen eine solche Schwierigkeit nicht; denn obgleich wir sie nicht als zugleichseiende Thatsachen eliminiren können, so können wir sie doch als einwirkende Agentien eliminiren, indem wir einfach unser Experiment ausserhalb der Grenzen ihres localen Einflusses machen. Die Schwingungen des Pendels z.B. werden durch die Nähe eines Gebirges gestört; wir entfernen das Pendel bis zu einer genügenden Weite von dem Gebirge, und die Störung hört auf. Aus diesen Data können wir nach der Differenzmethode die Wirkung, die dem Berge wirklich zukommt, bestimmen; über eine gewisse Entfernung hinaus geht alles genau wie es gehen würde, wenn der Berg gar keinen Einfluss ausübte, und demgemäss schliessen wir mit hinreichendem Grunde, dass dies auch die Thatsache ist.

Die Schwierigkeit, die bereits erwähnten Methoden auf die Bestimmung von Wirkungen permanenter Ursachen anzuwenden, beschränkt sich daher auf solche Fälle, in denen es uns unmöglich ist, aus den Grenzen ihrer localen Einflüsse herauszukommen. Das Pendel kann dem Einfluss des Berges, nicht aber dem Einfluss der Erde entzogen werden; wir können weder die Erde von dem Pendel, noch das Pendel von der Erde hinwegnehmen, um zu erforschen, ob es fortfahren würde zu schwingen, wenn die Einwirkung der Erde auf dasselbe beseitigt ist. Auf welchen Beweis hin schreiben wir also der Einwirkung der Erde seine Schwingungen zu? Es geschah dies weder auf einen Beweis nach der Differenzmethode hin, denn der negative der zwei Fälle fehlt hier, noch auf einen Beweis nach der Methode der Uebereinstimmung hin, denn obgleich alle Pendel darin übereinstimmen, dass die Erde während ihrer Schwingungen gegenwärtig ist, so ist doch auch die Sonne eine bei allen diesen Experimenten coexistirende Thatsache. Und warum schreiben wir die Wirkung nicht der Sonne zu? Es ist evident, dass sogar um einen solch' einfachen Fall von Verursachung festzustellen, wir einer Methode bedürfen, welche über denjenigen steht, die wir bis jetzt geprüft haben.

Nehmen wir das Phänomen »die Wärme« als ein anderes Beispiel. Es ist eine gewisse Thatsache, dass unabhängig von einer jeden Hypothese über die wahre Natur dieses Agens wir[467] nicht im Stande sind, einem Körper seine Wärme gänzlich zu entziehen. Es ist gleich gewiss, dass man niemals Wärme bemerkt hat, die nicht von einem Körper ausgestrahlt worden wäre. Da wir demnach unfähig sind, Körper und Wärme zu trennen, so können wir nicht eine Veränderung der Umstände bewirken, wie sie die drei vorhergehenden Methoden verlangen; wir können durch diese Methoden nicht bestimmen, welcher Theil von den Erscheinungen, die ein Körper darbietet, der in ihm enthaltenen Wärme zuzuschreiben ist. Wenn wir einen Körper mit seiner Wärme beobachten, und ihn dann dieser Wärme gänzlich berauben könnten, so würde die Differenzmethode die der Wärme zugehörige Wirkung, getrennt von der dem Körper zugehörigen, nachweisen. Wenn wir die Wärme beobachten könnten unter Umständen, die in nichts übereinstimmen, als in der Wärme, und also nicht auch durch die Gegenwart eines Körpers charakterisirt sind, so könnten wir die Wirkungen derselben durch einen Fall von Wärme mit einem Körper, und einen Fall von Wärme ohne einen Körper, nach der Methode der Uebereinstimmung bestimmen; oder wir könnten durch die Differenzmethode bestimmen, welche Wirkung dem Körper zukommt, wenn der der Wärme zukommende Rest durch die Rückstandsmethode gegeben wäre. Aber von allem diesem vermögen wir nichts zu thun, und ohne es gethan zu haben wäre die Anwendung einer dieser drei Methoden auf die Lösung der Aufgabe nur illusorisch. Es wäre z.B. ein müssiges Unternehmen, wenn man versuchen wollte, die Wirkungen der Wärme zu bestimmen, indem man von den Erscheinungen, welche ein Körper darbietet, alles abzieht, was den übrigen Eigenschaften desselben zukommt; denn da wir niemals von aller Wärme befreite Körper beobachten konnten, so können die dieser Wärme zugehörigen Wirkungen einen Theil der Resultate bilden, welche wir abzuziehen suchen, um die Wirkung der Wärme durch den Rückstand nachzuweisen.

Wenn es daher ausser diesen dreien keine anderen Methoden der experimentellen Forschung gäbe, so wären wir für immer ausser Stande, die Wirkungen der Wärme als Ursache zu bestimmen. Wir haben aber noch ein Hülfsmittel. Obgleich wir ein Antecedens nicht ganz ausschliessen können, so können wir doch, oder es kann die Natur für uns eine Modification desselben hervorbringen.[468] Durch Modification ist hier eine Aenderung desselben, nicht eine gänzliche Entfernung gemeint. Wenn eine Modification in dem Antecedens A immer von einer Aenderung in der Folge a begleitet ist, und die anderen Folgen b und c dieselben bleiben, oder wenn man umgekehrt gefunden hat, dass einer jeden Aenderung in a eine Modification in A vorausgegangen ist, ohne in den anderen Antecedentien wahrnehmbar zu sein: so können wir mit Sicherheit schliessen, dass a ganz oder zum Theil eine Wirkung von A, oder wenigstens durch einen Causalzusammenhang damit verknüpft ist. Wir können z.B. in dem obigen Falle die Wärme nicht gänzlich aus einem Körper austreiben, wir können sie aber in der Quantität modificiren, wir können sie vermehren oder vermindern, und wenn wir dieses thun, so finden wir durch die bereits abgehandelten Methoden des Experimentirens und der Beobachtung, dass die Zunahme oder Abnahme der Wärme von einer Ausdehnung oder Zusammenziehung des Körpers begleitet ist. Auf diese Weise kommen wir zu dem auf anderem Wege nicht zu erreichenden Schluss, dass eine der Wirkungen der Wärme darin besteht, dass sie das Volumen der Körper vermehrt, oder was dasselbe heisst, dass sie die Entfernung der Partikel vergrössert.

Eine Aenderung eines Dinges, die nicht bis zu einer gänzlichen Entfernung desselben geht, d.h. eine Aenderung, die es noch dasselbe Ding lässt, muss eine Aenderung seiner Quantität oder eine seiner Beziehungen zu anderen Dingen, deren wichtigste die Lage im Raume ist, sein. In dem vorhergehenden Beispiele war die in dem Antecedens hervorgebrachte Modification eine Aenderung seiner Quantität. Wir wollen nun annehmen, es wäre die Frage, welchen Einfluss der Mond auf die Oberfläche der Erde ausübt. Wir können kein Experiment unter Abwesenheit des Mondes anstellen, um zu beobachten, welchen terrestrischen Naturerscheinungen seine Vernichtung ein Ende machen würde, aber wenn wir finden, dass alle Veränderungen in der Stellung des Mondes von entsprechenden Veränderungen in der Zeit und dem Orte der Fluth begleitet sind, indem die Fluth immer auf der Seite ist, die dem Mond am nächsten, oder auch auf der, die ihm am fernsten liegt, so haben wir einen hinreichenden Beweis, dass der Mond die Ursache ist, welche Ebbe und Fluth hervorbringt.[469] Wie in diesem Beispiele, so geschieht es gewöhnlich, dass die Veränderungen einer Wirkung den Veränderungen ihrer Ursache entsprechend oder analog sind; so wie der Mond weiter nach Osten rückt, so thut es auch der Punkt des höchsten Wassers; dies ist jedoch keine unerlässliche Bedingung, wie man aus demselben Beispiele ersieht, denn in demselben Augenblick bewegt sich ein diametral entgegengesetzter Punkt nothwendig nach Westen, und dennoch sind beide Bewegungen Wirkungen der Bewegung des Mondes.

Es wird in ähnlicher Weise bewiesen, dass die Schwingungen des Pendels durch die Erde verursacht werden. Diese Schwingungen finden zwischen Punkten Statt, die gleich weit entfernt auf beiden Seiten einer Linie liegen, die senkrecht zur Erde ist, und sich mit jeder Veränderung der Stellung der Erde, entweder im Raume oder in Beziehung auf den Gegenstand, ändert. Genau genommen wissen wir nur durch die eben charakterisirte Methode, dass alle irdischen Körper ein Streben nach der Erde und nicht nach einem unbekannten, festen Punkt, der in derselben Richtung liegt, haben. In je vierundzwanzig Stunden fällt die von einem Körper rechtwinklig auf die Erde gezogene Linie durch die Umdrehung der Erde mit allen Radien eines Kreises zusammen, und in dem Verlauf von sechs Monaten verändert sich die Stelle dieses Kreises um nahe zweihundert Millionen (englische) Meilen; aber in allen diesen Veränderungen der Lage der Erde behält die Linie, in welcher die Körper zu fallen streben, ihre Richtung nach ihr (der Erde) bei, was beweist, dass die irdische Schwerkraft ihre Richtung nach der Erde, und nicht, wie man einst glaubte, nach einem festen Punkte des Raumes hat.

Die Methode, durch welche diese Resultate erhalten wurden, kann die Methode der sich begleitenden Veränderungen99 genannt werden, sie hat die folgende Regel:
[470]

Fünfte Regel.

Eine Naturerscheinung, die sich verändert, wenn sich eine andere Naturerscheinung in irgend einer besondern Weise verändert, ist entweder eine Ursache oder eine Wirkung dieser Naturerscheinung, oder durch irgend einen Causalzusammenhang damit verknüpft.

Die letzte Clausel ist hinzugefügt, weil, wenn zwei Naturerscheinungen einander in ihren Veränderungen begleiten, es durchaus nicht ersichtlich ist, welche die Ursache, und welche die Wirkung ist. Dasselbe Ding kann und muss in der That geschehen, wenn man annimmt, dass sie verschiedene Wirkungen einer gemeinschaftlichen Ursache sind; es wäre durch diese Methode allein nie möglich zu bestimmen, welche von den zwei Annahmen die richtige ist. Der einzige Weg, den Zweifel zu lösen, und auf welchen wir so oft aufmerksam gemacht haben, ist, zu erforschen, ob wir die eine Reihe Von Veränderungen durch die andere hervorbringen können; z.B. durch die Erhöhung der Temperatur eines Körpers vermehren wir sein Volumen, aber durch Vermehrung seines Volumens erhöhen wir nicht seine Temperatur, im Gegentheil, wir vermindern sie gewöhnlich (wie bei der Verdünnung der Luft unter dem Recipienten einer Luftpumpe); es ist daher die Wärme nicht eine Wirkung, sondern eine Ursache der Vermehrung des Volumens. Wenn wir die Veränderungen nicht selbst hervorbringen können, so müssen wir suchen (obgleich es selten gelingt) sie in einem Falle, in welchem uns die präexistirenden Umstände vollkommen bekannt sind, durch die Natur hervorgebracht zu sehen.

Es ist kaum nöthig zu bemerken, dass man bei der Bestimmung der gleichförmigen (beständigen) Begleitung der Veränderungen in der Wirkung durch Veränderungen in der Ursache dieselbe Vorsicht gebrauchen muss, wie in irgend einem andern Falle der Bestimmung einer unveränderlichen Folge. Wir müssen suchen alle anderen Antecedentien unverändert zu erhalten, während das besondere Eine der erforderlichen Reihe von Veränderungen unterworfen wird; oder mit anderen Worten, damit wir mit Sicherheit eine Verursachung aus der Begleitung von Veränderungen schliessen können, mm die Begleitung selbst durch die Differenzmethode bewiesen werden.[471]

Auf den ersten Blick könnte es scheinen, dass die Methode der sich begleitenden Veränderungen ein neues Axiom, nämlich das Axiom voraussetzt, dass eine jede Modification der Ursache von einer Veränderung in der Wirkung begleitet ist; auch geschieht es gewöhnlich, dass wenn ein Phänomen A ein Phänomen a hervorbringt, einer Veränderung in der Quantität oder in den verschiedenen Beziehungen von A, eine Veränderung in der Quantität oder in den Beziehungen von a gleichförmig folgt. Nehmen wir einen bekannten Fall, die Schwerkraft. Die Sonne verursacht in der Erde ein gewisses Streben nach Bewegung, wir haben hier Ursache und Wirkung. Aber dieses Bestreben geht nach der Sonne, und verändert daher diese Richtung, sobald die Sonne sich in Beziehung auf ihre Stellung ändert; – überdies verändert sich das Bestreben in der Intensität in einem gewissen numerischen Verhältniss zur Entfernung der Sonne von der Erde, d.h. also nach einem andern Verhältniss zur Sonne. Wir sehen also, dass zwischen der Sonne und der Gravitation der Erde nicht allein ein unveränderlicher Zusammenhang besteht, sondern dass auch zwei von den Beziehungen der Sonne, ihre Stellung zur und ihre Entfernung von der Erde, unveränderlich als Antecedentien mit der Quantität und Richtung der Gravitation der Erde verbunden sind. Die Ursache der Gravitation der Erde schlechtweg ist einfach die Sonne; aber die Existenz der Sonne in einer gegebenen Richtung und einer gegebenen Entfernung ist die Ursache, dass sie mit einer gegebenen Intensität und in einer gegebenen Richtung gravitirt. Es ist nicht auffallend, dass eine modificirte Ursache, die in Wahrheit eine verschiedene Ursache ist, eine verschiedene Wirkung hervorbringen kann; da aber die Ursache nur in ihrer Quantität oder in einigen ihrer Beziehungen verschieden ist, so wird die Wirkung gewöhnlich auch nur in der Quantität oder in ihren Beziehungen geändert.

Obgleich es meistens wahr ist, dass einer Modification der Ursache eine Modification der Wirkung folgt, so setzt dies doch die Methode der sich begleitenden Veränderungen nicht als ein Axiom voraus. Sie verlangt nur den umgekehrten Satz, dass irgend ein Ding, auf dessen Modificationen Modificationen einer Wirkung unveränderlich folgen, die Ursache (oder mit ihr verknüpft) der Wirkung Bein muss, ein Satz, dessen Wahrheit einleuchtend ist:[472] denn wenn das Ding selbst keinen Einfluss auf die Wirkung hätte, so könnten auch die Modificationen des Dinges keinen Einfluss haben. Wenn die Sterne keine Gewalt über das Glück der Menschen haben, so ist hierin auch inbegriffen, dass die Conjunctionen und Oppositionen der verschiedenen Sterne keinen solchen Einfluss haben können.

Obgleich die auffallendsten Anwendungen der Methode der sich begleitenden Veränderungen in Fällen stattfinden, in denen die streng sogenannte Differenzmethode unmöglich ist, so ist ihr Gebrauch doch nicht auf solche Fälle beschränkt, sie kann oft mit Nutzen nach der Differenzmethode angewendet werden, um einer nach jener Methode gelösten Frage eine grössere Genauigkeit zu verleihen. Nachdem durch die Differenzmethode zuerst erforscht worden ist, dass ein bestimmter Gegenstand eine bestimmte Wirkung hervorbringt, kann die Methode der sich begleitenden Veränderungen mit Nutzen angewendet werden, um zu bestimmen, nach welchem Gesetz die Quantität oder die verschiedenen Beziehungen der Wirkung denen der Ursache folgen.

§. 7. Die letzte Methode findet eine ausgedehnte Anwendung in dem Falle, wo die Veränderungen der Ursache Veränderungen der Quantität sind. Wir können von solchen Veränderungen mit Sicherheit behaupten, nicht allein dass sie von Veränderungen, sondern auch dass sie von ähnlichen Veränderungen der Wirkung begleitet sind; indem der Satz, dass einem Mehr der Ursache ein Mehr der Wirkung folgt, ein Folgesatz des Princips der Zusammensetzung der Ursachen ist, das wie wir sahen die allgemeine Regel der Verursachung ist, während Fälle der entgegengesetzten Art, in denen die Ursachen ihre Eigenschaften ändern, wenn sie verbunden werden, im Gegentheil vereinzelt und exceptionell sind. Nehmen wir an, dass wenn sich A der Quantität nach ändert, sich auch a in der Quantität und in einer solchen Weise ändert, dass wir das numerische Verhältniss zwischen der Veränderung des einen und denjenigen Veränderungen des andern, die innerhalb der Grenzen unserer Beobachtung stattfinden, bestimmen können. Bei einiger Vorsicht können wir alsdann schliessen, dass dasselbe Verhältniss auch über diesen Grenzen hinaus stattfinden wird. Wenn wir z.B. finden, dass wenn A doppelt, auch [473] a doppelt, dass wenn A drei- oder vierfach, auch a drei- oder vierfach ist: so können wir schliessen, dass wenn A halb oder ein Drittel, auch a ein halb oder ein Drittel wäre, und endlich dass wenn A vernichtet, auch a vernichtet wäre, und dass a gänzlich die Wirkung von A, oder mit A gänzlich die Wirkung derselben Ursache ist und so mit einem jeden andern numerischen Verhältniss, nach welchem A und a gleichzeitig verschwinden, wie z.B. wenn a dem Quadrat von A proportional wäre. Wenn von der andern Seite a nicht ganz die Wirkung von A ist, aber sich dennoch verändert, wenn A sich ändert, so ist es wahrscheinlich eine mathematische Function, nicht von A allein, sondern von A und irgend etwas Anderem; seine Veränderungen werden so beschaffen sein, als wenn ein Theil von ihm constant bliebe oder sich nach einem andern Princip, und der Rest sich in einem numerischen Verhältniss zu den Veränderungen von A veränderte. Wenn sich in diesem Falle A vermindert, so wird man bemerken, dass sich a nicht der Null, sondern irgend einer andern Grenze nähert; und wenn die Reihe der Veränderungen der Art ist, dass sie diese Grenze angiebt, wenn sie constant, oder das Gesetz ihrer Veränderungen, wenn sie veränderlich ist, so wird die Grenze genau messen, wieviel von a die Wirkung einer andern und unabhängigen Ursache ist, und der Rest wird die Wirkung von A sein (oder der Ursache von A).

Diese Schlüsse dürfen indessen nicht ohne eine gewisse Vorsicht gemacht werden. Die Möglichkeit sie überhaupt zu machen, setzt offenbar vor allem voraus, dass wir nicht allein mit den Veränderungen, sondern auch dass wir mit der absoluten Quantität sowohl von A, als von a bekannt sind. Wenn wir nicht mit den ganzen Quantitäten bekannt sind, so können wir natürlich nicht das wirkliche numerische Verhältniss, wonach diese Quantitäten sich verändern, bestimmen. Es ist daher ein Irrthum, wenn wir, wie Einige gethan haben, schliessen, dass weil die Wärme die Körper ausdehnt, d.h. die Entfernung ihrer Moleküle vergrössert, diese Entfernung ganz die Wirkung der Wärme ist, und dass wenn wir einen Körper seiner ganzen Wärme berauben könnten, die Moleküle in vollkommner Berührung stehen würden. Dies kann nicht mehr als eine Vermuthung, und zwar eine der gewagtesten Art, nicht aber eine richtige Induction sein; denn da wir[474] weder wissen, wieviel Wärme in einem Körper, noch welches die wahre Entfernung irgend zweier Moleküle von einander ist, so können wir nicht urtheilen, ob eine Verminderung dieser Entfernung der Verminderung der Wärmemenge in einem solchen numerischen Verhältniss folgt, dass die zwei Quantitäten gleichzeitig verschwinden würden.

Im Gegensatz zu dem Vorhergehenden wollen wir nun einen Fall betrachten, in dem die absoluten Quantitäten bekannt sind; den Fall nämlich, wo alle in Bewegung begriffene Körper sich so lange mit gleichförmiger Geschwindigkeit in einer geraden Linie bewegen, bis eine neue Kraft auf sie wirkt. Diese Behauptung steht anscheinend in offenem Widerspruch mit der gewöhnlichen Erfahrung; alle irdischen Gegenstände nehmen, wenn sie sich bewegen, nach und nach an Geschwindigkeit ab und stehen endlich still; nach ihrer inductio per enumerationem simplicem hielten dies die Alten für das Gesetz. Jeder sich bewegende Körper begegnet indessen Hindernissen, wie Reibung, Widerstand der atmosphärischen Luft etc., von denen wir aus täglicher Erfahrung wissen, dass sie Ursachen sind, welche die Bewegung aufheben können. Man vermuthete, dass die ganze Verzögerung von diesen Ursachen kommen könnte. Wie wurde dies ermittelt? Wenn die Hindernisse hätten gänzlich entfernt werden können, so wäre der Fall auf die Differenzmethode zurückführbar gewesen; sie konnten jedoch nicht entfernt, sondern nur vermindert werden, und es war daher nur die Methode der sich begleitenden Veränderungen zulässig. Als diese angewendet wurde ergab sich, dass eine jede Verminderung der Hindernisse eine Verminderung in der Abnahme der Bewegung zur Folge hat; und insofern in diesem Falle (unähnlich wie bei der Wärme) die ganzen Quantitäten sowohl des Antecedens als des Consequens bekannt waren, so konnte man mit annähernder Richtigkeit die Grösse der Verzögerung und die Grösse der verzögernden Ursachen oder Widerstände berechnen und urtheilen, wie nahe sie beide der Erschöpfung waren; auch zeigte es sich, dass die Wirkung so rasch entschwand und bei jedem Schritte so weit auf dem Wege der Vernichtung war, wie die Ursache. Die Schwingungen eines, an einem festen Punkte aufgehängten und ein wenig aus der senkrechten Richtung herausgebrachten Gewichtes, welche unter gewöhnlichen[475] Umständen nur einige Minuten dauern, wurden bei dem Versuche von Borda, indem derselbe die Reibung an dem Aufhängepunkte möglichst verminderte, und den Körper in einem möglichst luftleeren Raume schwingen liess, auf mehr als dreissig Stunden verlängert. Man konnte daher ohne Bedenken die ganze Verzögerung der Bewegung dem Einfluss der Hindernisse zuschreiben, und da nach dem Abzug dieser Abnahme von dem ganzen Phänomen der Rest eine gleichförmige Geschwindigkeit war, so hatte man als Resultat den als das erste Gesetz der Bewegung bekannten Satz.

Es giebt noch eine andere charakteristische Unsicherheit des Schlusses, dass das Gesetz der Veränderungen, welches die Quantitäten innerhalb der Grenzen unserer Beobachtung einhalten, auch ausserhalb dieser Grenzen gültig sei. In dem ersten Beispiel ist natürlich die Möglichkeit vorhanden, dass ausserhalb dieser Grenzen, und also unter Umständen, von welchen wir keine directe Erfahrung haben, irgend eine entgegenwirkende Ursache sich entwickeln könnte, sei es ein neues Agens oder eine neue Eigenschaft der betreffenden Agentien, die in den Umständen, welche wir beobachten konnten, verborgen lag. Dies ist ein Element der Unsicherheit, das reichlich in alle unsere Voraussagungen von Wirkungen eintritt; es ist jedoch nicht eigens auf die Methode der begleitenden Um stände anwendbar. Die Ungewissheit, von der ich spreche, ist indessen besonders in solchen Fällen, in denen die äussersten Grenzen unserer Beobachtung, im Vergleich mit den möglichen Veränderungen in den Quantitäten des Phänomens, sehr enge sind, dieser Methode eigenthümlich. Ein jeder der nur eine geringe Kenntniss der Mathematik besitzt, weiss, dass sehr verschiedene Gesetze der Veränderungen numerische Resultate hervorbringen können, welche innerhalb enger Grenzen nur wenig von einander abweichen; und es ist oft der Fall, dass nur wenn die absoluten Grössen der Veränderung bedeutend sind, der Unterschied der Resultate des einen und des andern Gesetzes schätzbar wird. Wenn daher die Veränderungen in der Quantität der Antecedentien, die wir beobachten können, im Vergleich mit den ganzen Quantitäten nur gering sind, so laufen wir grosse Gefahr, das numerische Gesetz zu verkennen, und die Veränderungen, welche ausserhalb der Grenzen[476] stattfinden können, falsch zu berechnen, ein Verrechnen, welches einen jeden Schluss hinsichtlich der Abhängigkeit der Wirkung von der Ursache, welche auf diese Veränderungen gegründet werden könnte, fehlerhaft macht. Es fehlt nicht an Beispielen von solchen Irrthümern. »Die Formeln,« sagt Sir J. Herschel,100 »welche empirisch aus der Elasticität des Dampfes (erst in der Neuzeit) abgeleitet wurden, so wie diejenigen für den Widerstand der Flüssigkeiten und andere ähnliche Gegenstände, wenn man ihnen über die Grenzen der Beobachtungen, aus welchen sie hergeleitet wurden, vertraute, verfehlten fast Immer den theoretischen Bau, den man darauf errichtete, zu stützen.«

Bei dieser Unsicherheit kann der Schluss, den wir aus den sich begleitenden Veränderungen von a und A auf die Existenz eines unveränderlichen und ausschliesslichen Zusammenhangs unter ihnen ziehen, oder den wir auf die Beständigkeit desselben numerischen Verhältnisses zwischen ihren Veränderungen, wenn die Quantitäten viel grösser oder viel kleiner sind, als diejenigen, welche wir durch unsere Mittel beobachten konnten, ziehen, nicht als auf einer vollständigen Induction beruhend betrachtet werden. Alles, was in einem solchen Falle in Beziehung auf Verursachung als bewiesen angesehen werden kann, besteht darin, dass eine Verbindung zwischen den beiden Phänomenen besteht; dass A oder etwas, das auf A Einfluss übt, eine von den Ursachen sein muss, welche a zusammen (collectiv) hervorbringen. Wir können indessen überzeugt sein, dass das Verhältniss, welches wir als zwischen A und a bestehend beobachtet haben, in allen Fällen wahr sein wird, welche innerhalb derselben äussersten Grenzen fallen, d.h. wo die höchste Zunahme oder Abnahme, in denen das Resultat erfahrungsmässig mit dem Gesetz übereinstimmt, nicht überschritten wird.

Die vier Methoden, welche ich versucht habe zu beschreiben, sind die einzig möglichen Arten der experimentellen Forschung, der directen Induction a posteriori als von der Deduction verschieden; wenigstens kenne ich keine andere, noch bin ich im Stande, mir eine Vorstellung davon zu machen. Und sogar von diesen vier ist die Methode der Rückstände, wie wir gesehen haben, von der Deduction nicht unabhängig, obgleich sie, da sie[477] noch das specifische Experiment verlangt, mit Recht in die Methoden der directen Beobachtung und des Experimentes eingeschlossen werden darf.

Mit einer Hülfe, wie sie die Deduction gewähren kann, machen daher diese Methoden die zulässigen Hülfsmittel des menschlichen Geistes zur Bestimmung der Gesetze der Succession der Naturerscheinungen aus. Bevor wir gewisse Umstände hervorheben, durch welche der Gebrauch dieser Methoden einer immensen Zunahme von Verwickelung und Schwierigkeit unterworfen wird, ist es nützlich, den Gebrauch derselben durch schickliche, der gegenwärtigen physikalischen Forschung entlehnte Beispiele zu erläutern. Dies soll demnach den Gegenstand des folgenden Capitels ausmachen.[478]

Quelle:
John Stuart Mill: System der deduktiven und inductiven Logik. Band 1, Braunschweig 31868, S. 453-479.
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