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Dreizehntes Kapitel
Von der wunderbaren göttlichen Kunst in Erschaffung der Welt und der Elemente

[69] Da es die einstimmige Ansicht der Philosophen ist, daß wir durch die sichtbare Welt, die Größe, Schönheit und Ordnung der Dinge zur Bewunderung der göttlichen Kunst und Herrlichkeit hingerissen werden, und nachdem wir einige Kunstwerke der göttlichen Weisheit bei Erschaffung des Universums besprochen haben, so wollen wir zur Erhöhung dieser Bewunderung noch Einiges über die Lage und Ordnung der Elemente beifügen.

Gott hat sich bei der Erschaffung der Welt der Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie bedient, Künste, die auch wir jetzt anwenden, wenn wir die Verhältnisse der dinge, der Elemente und Bewegungen erforschen. Durch die Arithmetik hat er die Dinge in ein Ganzes gebracht (coadunativ), durch die Geometrie hat er sie geformt (figurativ), daß sie[69] Festigkeit, Verstand und Beweglichkeit, je nach ihrer Beschaffenheit, erlangten. Durch die Musik hat er sie in solche Verhältnisse gebracht, daß nicht mehr Erde in der Erde ist, als Wasser im Wasser, Luft in der Luft, Feuer im Feuer, und daß kein Element sich ganz in das andere auflösen läßt, woher es kommt, daß der Weltbau nicht untergehen kann. Wiewohl ein Theil des Einen sich in ein Anderes auflösen läßt, so kann doch nie die ganze Luft, die mit Wasser vermischt ist, in Wasser verwandelt werden, weil die umgebende Luft dies verhindert. Gott hat es daher bewirkt, daß nur Theile der Elemente wechselseitig aufgelöst werden; geschieht dies langsam, so wird aus dem Zusammenwirken der Elemente etwas hervorgebracht, das so lange dauert, so lange jenes Zusammenwirken stattfindet. Mit ihr löst sich auch das durch sie Entstandene wieder auf. In wunderbarer Ordnung sind daher die Elemente durch Gott geschaffen, der Alles in Zahl, Maaß und Gewicht erschaffen hat. Die Zahl bezieht sich auf die Arithmetik, das Gewicht auf die Musik, das Maaß auf die Geometrie. Die Schwere wird durch Einwirkung des Leichten (levitate constringente) gehalten; die schwere Erde ist durch das Feuer wie in der Mitte schwebende. Das Leichte dringt auf das Schwere ein, wie das Feuer auf die Erde. Indem die ewige Weisheit dieses so ordnete, verfuhr sie nach einer nicht zu entziffernden Proportion. Sie wußte voraus, wie viel jedes Element das andere überwiegen müsse, indem sie die Elemente so abwog, daß das Feuer um so viel leichter wäre, als die Luft, als diese leichter ist als das Wasser, und dieses leichter als die Erde, so daß Gewicht mit Volumen übereinstimmte und das Einschließende einen größern Raum einnahm als das Eingeschlossene. Er verband sodann die Elemente so mit einander, daß eines nothwendig im andern ist. Die Erde ist, wie Plato sagt, gleichsam ein lebendes Wesen, die Steine sind die Knochen, die Bäche die Adern, die Bäume die Haare; die Thiere, die zwischen diesen Haaren der Erden sich nähern, sind wie die Maden in den Haaren der Thiere. Zum Feuer verhält sich die Erde, wie die Welt zu Gott, mit welchem das Feuer in seiner Beziehung zur Erde viele Aehnlichkeit hat. Seine Entfaltung ist grenzenlos, es wirkt, durchdringt, erhellt, fördert und gestaltet Alles auf der Erde, und zwar mittelst der Luft und des Wassers, so daß Alles, was auf der Erde entsteht, nur eine immer wieder anders modificirte Wirksamkeit des Feuers ist, wie denn auch die Gestalten der Dinge (im Aeußerlichen) durch den verschiedenen Wiederschein des Feuers entstehen. Indeß ist das Feuer mit den Dingen vermengt, ohne welche Vermengung weder es selbst, noch die Dinge auf Erden sein können. Gott aber ist absolut. Er wird daher von den Alten ein verzehrendes, absolutes Feuer, eine absolute Klarheit[70] genannt, da er ein Licht ist, in dem keine Finsterniß. An seinem feurigen klaren Wesen sucht Alles, was da ist, Theil zu nehmen, wie wir an allen Gestirnen sehen, wo sich diese Klarheit materiell beschränkt findet. Diese unterscheidende und Alles durchdringende Klarheit ist immateriell concret in den lebenden und geistigen Wesen. Wer bewundert nicht den Künstler, der einer ähnlichen Kunst (Astronomie) auch in den Himmelskörpern, Sternen und Sternregionen sich bedient hat, so daß ohne Präcision bei der größten Verschiedenheit die schönste Harmonie besteht! Die Größe, Lage und Bewegung der Sterne hat er festgestellt, die Entfernungen der Sterne so geordnet, daß, wenn nicht jede Region so wäre, wie sie ist, sie weder selbst bestehen, noch in dieser bestimmten Lage und Ordnung, noch das Universum überhaupt bestehen könnte. Er gibt jedem Sterne ein anderes Licht, Einfluß, Gestalt, Farbe und Wärme. Das Verhältniß der Theile zu einander hat er so geordnet, daß in jedem die Bewegung der Theile eine Beziehung auf das Ganze hat: von Oben nach der Mitte beim Schweren, von der Mitte nach Oben beim Leichten, und um die Mitte, wie bei der kreisförmigen (orbicularem) Bewegung der Sterne.

Bei dieser so bewundernswürdigen, verschiedenartigen Ordnung der Welt sehen wir durch unser System, daß wir von allen Werken Gottes keine rationelle Einsicht erlangen, sondern nur staunen können, weil Gott groß und seiner Größe keine Grenze ist. Als die absolute Größe ist er von allen seinen Werken wie Urheber und Verständniß, so auch das Ziel. In ihm ist Alles, außer ihm nichts, er ist Anfang, Mitte und Ende von Allem, Centrum und Umkreis des Universums, und in Allem wird nur er gesucht, weil ohne ihn Alles nichts ist, mit ihm haben wir Alles, in ihm wissen wir Alles; denn er ist die Wahrheit von Allem, und will, daß der wunderbare Weltbau uns zur Bewunderung hinreiße. Er verbirgt jedoch denselben vor uns um so mehr, je mehr wir ihn bewundern, weil er es ist, den wir mit ganzem Herzen und allem Eifer suchen sollen. Und da er das unzugängliche Licht bewohnt, das in Allem gesucht wird, so kann er allein den Anklopfenden die Thüre öffnen und den Bittenden geben. Kein Wesen von allen erschaffenen hat die Macht, sich dem Anklopfenden aufzuthun und zu zeigen, was es sei, da alle ohne ihn, der in allen ist, nichts sind. Wer aber nach Anleitung des Systems des Nichtwissens sie fragt, was und wie und wozu sie seien, dem antworten sie: aus uns sind wir nichts, und aus uns können wir auch die nichts anderes, als nichts antworten, da wir von uns selbst keine Erkenntniß haben, sondern allein[71] der, durch dessen Denken wir das sind, was er in uns will, befiehlt und weiß. Wir alle sind stumm, er, der uns erschaffen hat, redet in uns allen, er allein weiß, was, wie und wozu wir sind. Willst du etwas über uns erkennen, so frage unsern Grund, unsere Ursache, nicht uns; dort findest du Alles, wenn du diesen Einen suchst, ja auch dich selbst kannst du nur in ihm finden. Strebe daher, sagt unsere gelehrte Unwissenheit, daß du dich in ihm findest, und da Alles in ihm er selbst ist, so kann dir nichts fehlen. Unsere Sache ist es nicht, uns dem Unzugänglichen zu nahen, sondern Dessen, der uns ein ihm zugewandtes Antlitz gegeben hat, damit wir ihn mit allem Eifer suchen. Thun wir dies, so wird er in seiner großen Güte uns nicht verlassen, er zeigt sich selbst uns, und wenn seine Herrlichkeit erscheint, wird er ewig uns sättigen. Er sei gepriesen in Ewigkeit! Amen.[72]

Quelle:
Des Cardinals und Bischofs Nicolaus von Cusa wichtigste Schriften. Freiburg im Breisgau 1862, S. 69-73.
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