Der Leusch und das Wethautal

[11] Ich hatte mit Wilhelm Pinder verabredet, eine Partie nach dem Leusch zu machen und wir bestimmten dazu den nächsten Sonntag. (Das war der 19. Juli) – Den Morgen um 7 Uhr gingen wir vom Jakobstor aus fort. Das Wetter war für uns sehr günstig, denn es war bei weitem kühler als die vorigen Tage. Auch wählten wir statt der staubigen Chaussee lieber den Feldweg, welcher an den sogenannten Hussitenschanzen vorüberführt. Sodann kamen wir an den Gipsbrüchen vorbei, wo wir etwas ausruhten. Hier sahen wir den Leusch vor uns auf einer Erhöhung liegen, und unser erstes Ziel war erreicht. Wir traten in den Wald ein; alles war hier noch so frisch und der Tau schimmerte auf allen Zweigen, die Vögel sangen und das Geläute der Glocken, welche in die Kirchen riefen, tönte wunderbar um das Ohr, bald schwach, bald stark. Auch die Aussicht von dort ist nicht minder schön, denn der Leusch ist über Naumburg schon ziemlich erhaben. Ein vollständiger Kreis von Bergen zog sich am Horizonte um uns, in seiner Mitte Naumburg umfassend, dessen Turmspitzen in Strahlen erglühten. Von hier gingen wir weiter, um in das Wethautal zu gelangen, um dann den Weg über den Bürgergarten nach Hause zu nehmen. Bald erblickten wir einen dunklen Streifen von Bergen, der sich immer mehr vergrößerte, und endlich hatten wir das Wethautal vor uns. Die es umgebenden Berge sind mit Wald bedeckt, und hinter ihnen erhebt sich noch eine blaue Bergkette. Wir gingen in das Tal hinab, an einen Teich.

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 3, S. 11.
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