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195.

An Carl von Gersdorff

[1228] Nizza, pension de Gèneve,

petite rue St. Etienne,

12. Febr. 1885

Mein lieber alter Freund, ich lebe so abseits und sehe und höre nichts mehr von Dir. Aber dieses Jahr muß ich, aus Familien-Gründen, wieder einmal nach Deutschland kommen: ich denke, in dieser Erwartung denken wir beide uns zusammen ein kleines Rendezvous aus, etwa für Leipzig.

Heute teile ich Dir, nicht ohne einige Bedenken, etwas mit, das eine Frage an Dich in sich schließt. Es gibt einen vierten (letzten) Teil Zarathustra, eine Art sublimen Finales, welches gar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist (das Wort »Öffentlichkeit« und »Publikum« klingt mir, in bezug auf meinen ganzen Zarathustra, ungefähr so wie »Hurenhaus« und »öffentliches Mädchen« – Pardon!). Aber dieser Teil soll und muß jetzt gedruckt werden: in 20 Exemplaren,[1228] zur Verteilung an mich und meine Freunde, und mit jedwedem Grade von Diskretion. Die Kosten für einen solchen Druck (bei C. G. Naumann in Leipzig, der die letzten Teile gedruckt hat) können nicht erheblich sein; ich selber aber bin, durch die große [–] meines Verlegers, jetzt weniger bei Gelde als je (das will sagen: er ist mir 6000 Francs schuldig, und mein Rechtsanwalt sagt mir, es sei kaum möglich, den Prozeß gegen ihn mit Erfolg durchzuführen). Anders ausgedrückt: ich habe, bis zu meinem vierzigsten Jahre, tatsächlich mit meinen vielen Schriften noch keinen Groschen »verdient« – –: was der Humor (und wenn Du willst, der Stolz) der ganzen Sache ist.

Mehr aber sage ich nicht. Gib mir, mein lieber alter Freund, so bald wie möglich, hierher Deine Antwort, eine unbefangene Antwort (man kann gegen mich so unbefangen sein, wie gegen »den lieben Gott« – vorausgesetzt, daß es einen solchen gibt).

Und vor allem, seien und bleiben wir guter Dinge: es gibt hundert Gründe, in diesem Leben tapfer zu sein.

Dein Freund Nietzsche