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[241] Wie man zuerst bei Kunstwerken zu unterscheiden hat. – Alles, was gedacht, gedichtet, gemalt, komponiert, selbst gebaut und gebildet wird, gehört entweder zur monologischen Kunst oder zur Kunst vor Zeugen. Unter letztere ist auch noch jene scheinbare Monolog-Kunst einzurechnen, welche den Glauben an Gott in sich schließt, die ganze Lyrik des Gebets: denn für einen Frommen gibt es noch keine Einsamkeit – diese Erfindung haben erst wir gemacht, wir Gottlosen. Ich kenne keinen tieferen Unterschied der gesamten Optik eines Künstlers als diesen: ob er vom Auge des Zeugen aus nach seinem werdenden Kunstwerke (nach »sich« –) hinblickt oder aber »die Welt vergessen hat«: wie es das Wesentliche jeder monologischen Kunst ist – sie ruht auf dem Vergessen, sie ist die Musik des Vergessens.
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Die fröhliche Wissenschaft
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