Die sechste Defension seine wunderliche Weise und zornige Art zu entschuldigen

[523] Nit daß genug sei, mich in etlichen Artikeln anzutasten, sondern es heißt auch, daß ich ein wunderlicher Kopf mit letzer, das ist wirrer Antwort sei, nit einem jeglichen nach seinem Gefallen aufwüsche, das ist begegnete, nit einem jeglichen auf sein Vorhaben aufs Demütige antwortete, das achten und schätzen sie eine große Untugend an mir zu sein. Ich selbst aber schätze es als eine große Tugend und wollte nit, daß es anders wäre denn wie es ist. Mir gefällt meine Weise sehr wohl. Damit ich aber mich verantworte, wie meine wunderliche Weise zu verstehen sei, merkt dieses: Von der Natur aus bin ich nicht subtil gespunnen; ist auch nicht meines Landes Art, daß man was mit Seidenspinnen erlange. Wir werden auch nicht mit Feigen erzogen, noch mit Met, noch mit Weizenbrot, – aber mit Käs, Milch und Haberbrot; das kann nicht subtile Gesellen machen. Zu dem, daß einem alle seine Tage das anhängt, das er in der Jugend empfangen hat; dieselbige ist nur fast, das ist, sehr, grob sein gegen subtil, katzenrein, superfein. Denn die selbigen, die in weichen Kleidern und die in Frauenzimmern erzogen werden, und wir, die in Tannenzapfen erwachsen, verstehen einander[523] nit gut. Drum so muß der, der grob ist, grob zu sein geurteilt werden, ob der selbige sich selbst schon gar subtil und holdselig zu sein vermeint. So geschieht es mir auch; was ich für Seide halte, heißen die andern Zwillich und Drillich.

Nun aber weiter, merkt auf, wie ich mich dessen entschuldige, daß ich rauhe Antwort geben soll. Die andern Ärzte kennen wenige der Künste, behelfen sich mit freundlichen, lieblichen, holdseligen Worten, bescheiden die Leute mit Züchten und schönen Worten, legen alle Dinge nach der Länge lieblich, mit besonderem Abschied, dar und sagen: Kommt bald wieder, mein lieber Herr! Meine liebe Frau, gehe hin, gib dem Herren das Geleit usw. So sage ich: was willt? Hab jetzt nit der Weil, es ist nit so nötig! Jetzt hab ich in den Pfeffer hofiert. So haben sie die Kranken genarrt, daß sie ganz im Glauben sind, freundlich, liebkos Leben, Feder klauben, Zutüttelen, viel Gramanzen, das ist Possen treiben, sei die Kunst und die Arznei; sie heißen den einen Junker, der erst (als Ausläufer) vor dem Krämerladen herläuft; heißen den andern Herr, Euere Weisheit; es ist ein Schuster und ein Tölpel, den ich duze; damit verschütte ich aber, was ich im Hafen hab. Mein Vorhaben ist, nichts mit dem Maul gewinnen, allein mit den Werken. Wenn sie aber des Sinnes nicht sind, so können sie billig, nach ihrer Weise, sagen, ich sei ein seltsam wunderlicher Kopf und gebe wenig guten Bescheid, das ist Antwort. Es ist nit meine Meinung, mich mit freundlichem Liebkosen zu ernähren. Drum so kann ich das nicht gebrauchen, das mir nicht angemessen ist, das ich auch nicht gelernt hab. Es ist ohne not, solche Schmeichlerei zu gebrauchen, und einen jeglichen Knoten auf den Händen zu tragen, dem das Tragen auf einer Mistbahre nit gebührt. So soll die Arznei sein, daß der Arzt Antwort gebe, nach dem, wie des Kranken Blut und Fleisch ist, seines Landes Art, seine angeborene Art, rauh, grob, hart, sanft, mild, tugendlich, freundlich, lieblich, und wie er von Natur sei, von angenommener Weise. Das soll nun nit seine Kunst sein, sondern er soll nur mit kurzem eine Antwort[524] geben, und mit den Werken hindurch. Das heißt, dem Raben Mus in das Maul gestrichen. Ich achte, daß der Sache halber auf den Artikel ich wohl genug verteidigt sei, wiewohl es sich weiter begibt, daß ich noch mehr wunderliche Weise brauche, wie gegen die Kranken, wenn sie nicht meiner ausgemachten Ordnung nachgehen. Es mag das ein jeglicher ermessen, daß deswegen, daß die Arznei wahrhaftig gefunden werde, der Kranke gesund und ich weiter ungeschändet bleibe, solche wunderliche Weise nicht unbillig geschieht. Es könnte eine Turteltaube zornig werden bei solchen lausigen Zoten.

Weiter ist auch eine Klage über mich zum Teil von meinen verlassenen Knechten und zum Teil meiner discipulis, daß ihrer keiner meiner wunderlichen Weise halben habe bei mir bleiben können. Da merkt meine Antwort! Der Henker hat zu seinen Gnaden mir einundzwanzig Knechte genommen und von dieser Welt abgetan; Gott helf ihnen allen! Wie kann einer bei mir bleiben, so ihn der Henker nit bei mir lassen will? Oder was hat ihnen meine wunderliche Weise getan? Wären sie des Henkers Weise geflohen, das wäre die rechte Kunst gewesen. Noch sind etliche, die sich dermaßen bei mir gehalten haben und sind auch dem Henker entflohen, und sind dann entsessen, haben sich entschuldigt, ich sei seltsam, es könnte niemand mit mir auskommen. Wie kann ich aber nit wunderlich sein, wenn ein Knecht nit ein Knecht ist, sondern ein Herr?! Er schaut auf seine Schanz, läßt mich derweil verderben, zuschanden werden, und hat in dem eine Freud. Sie verleumden mich gegenüber dem Kranken, nehmen sie hinterrücks ohne meinen Willen und Wissen an, verdingen sich ihnen um das halbe Geld, sagen, sie könnten meine Kunst, haben sie mir abgesehen. Darnach, nach solchem sich-Absetzen, können und wollen sie nimmer bei mir sein, die Kranken auch nimmer. Darnach, wenn ichs erfahre, so ist das Bubenwerk ein Handel; ermesse es ein jeglicher, wie ehrlich der Handel sei. Es habens mir doctores, Barbierer, Bader, discipel, Knechte, auch Buben getan; soll das ein Lamm machen?! Es sollte am letzten einen[525] Wolf geben. Dazu muß ich zu Fuß traben und sie reiten. Doch das tröstet mich allentwegen, daß ich bestehe und bleibe, wenn sie entrinnen und ihr Falsch begriffen wird. Es ist nit minder, es klagen über mich doctores; nicht unbillig, denn die Wahrheit sagen tut einem, dess' List an den Tag gebracht wird, wehe. Wieviel sind aber, die mir deswegen Gutes nachreden? Sind auch doctores.

So sind mir auch die Apotheker feind, sagen, ich sei seltsam, wunderlich etc., es könne mir niemand recht tun, – so doch ein Jeglicher mir recht tun kann, der redlich handelt. Aber quid pro quo geben, merdam pro musco, das ist Kot für Muskaten, ist mir nicht gelegen, und daß ich des Bachanten Buch ›Quid pro quo‹ admittiere, das ist zulasse, wohl anzunehmen und zugebrauchen gestatte. Zudem, was sie selbst geben, ist nit der dritte Teil gut, etwas ist dazu gar nicht gut, das selbe auch nit, das sie sagen, dies oder das sei es. Sollte ich meinen Kranken das quid pro quo verabfolgen lassen, und das nichts laugt, so käme ich in Schande, meine Kranken ins Verderben, vielleicht gar in den Tod. Wenn ich das in meiner angeborenen Weise, die ich als gar freundlich schätze und erachte, sage, heißen das die Dickendacker eine zornige und wunderliche Weise; ›andere doctores tuns nicht, ich allein tus!‹ Dazu so schreib ich kurze Rezepte, nit auf vierzig oder sechzig Stück, wenig und selten, leere ihnen ihre Büchsen nit aus, schaff ihnen nicht viel Geldes in die Küche; das ist der Handel und darum richten sie mich aus. Nun urteil selbst, wem bin ich mehr schuldig? Oder wem habe ich als ein Doktor geschworen, dem Apotheker aus seinen Säcken in seine Küche zu helfen? Oder dem Kranken von der Küche, zu seinem Nutz?

Nun schaut, liebe Herrn, wie wunderlich bin ich oder wie übel steht es um meinen Kopf. Sollt ich meine zornige Weise bis zum letzten verteidigen, sie würden schamrot und übel angesehen werden. Denn die Ursache zu erzählen denen gegenüber, die mich dermaßen zeihen und ausblasnieren, das ist ausdeuten, aus der Ursache, daß sie mich zu verkleinern gedenken, wird ihre zu viele Büberei an[526] den Tag bringen und sie ferner bei allen frommen Richtern und Verhörern in großen Schaden setzen. Wenn ich nun etliche Barbierer und Bader ein wenig angreifen werde und ihre Ursache, die sie gegen mich haben, um dessentwillen sie mich einen wunderlichen und seltsamen Menschen heißen, anzeige, – ich acht, es würden ihrer wenig sein, es würde ihnen nahezu auch ergehen, wie es etlichen ergangen ist, von denen ich es berichtet habe.

Darum wisset mich hie in dieser sechsten Defension zu verstehen, daß ihr, die ihr solches hört, die Dinge mit gleichem Urteil, mit gleicher Waage ermessen wollt und bedenken, daß nit alles aus reinem Herzen geht, sondern aus Unflat, aus dem deren Mund überläuft, um sich selbst zu beschönen und mich zu verkleinern.

Quelle:
Theophrast Paracelsus: Werke. Bd. 2, Darmstadt 1965, S. 523-527.
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