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Vorrede an den Leser durch den hochgelehrten Herrn Aureolum Theophrastum von Hohenheim, beider Arznei Doktorn

[497] Leser, damit ich dir berichte, warum diese defensiones von mir geschrieben worden sind, merke dies: Gott hat den Geist der Arznei durch Apollinem, durch Machaonem, Podalirium und Hippocratem gründlich angefangen werden lassen, und hat das Licht der Natur ohne einen verfinsterten Geist wirken lassen, und es sind trefflich wunderbare große Werke, große magnalia, große miracula aus den mysteriis, elixiriis, arcanis und essentiis der Natur vollendet worden, und ist in etlichen frommen Männern, wie obgemeldet, die Arznei wunderbarlich empfangen worden. Weil uns aber der böse Feind mit seinen Raden und Unkraut nichts im lauteren Weizenacker wachsen läßt, ist die Arznei von dem ersten Geist der Natur verfinstert worden und in die Widerärzte gefallen und mit Personen und Sophistereien hin und wieder so verhaspelt worden, daß niemand dahin, in das Werk, hat kommen können, in welches Machaon und Hippocrates gekommen sind. Und was in der Arznei nicht mit Werken probiert, das ist erprobt, wird, das hat seine Disputation, das sind Geltungsgründe, verloren und gewinnt im Arguieren, das ist im Beweisgespräch, noch minder. Nun, mein Leser, merke auf! Wenn sich wider die sophistische Legion eine wirkende Doktrin setzte, ob die nicht billig (geeignet)[497] wäre, daß das Werk das Schwätzen zu Boden legte? Rat, Leser, auf wen rede ich? Auf die Heiligen, die nicht Zeichen tun. Der Zulauf und concurs, das ist Zusammenlauf, könnte manchen erschrecken, daß er davon abstünde, dem Klapperer sein Maul zu verstopfen. Aber der Ausgang und der recurs, das ist Zurücklauf, beweisen, daß auf den concurs nichts zu halten ist. Aus dem selbigen entspringt der Irrtum, daß der Hippocrates ein Geschwätz sein muß, und der Geist der Wahrheit in der Arznei muß durch diese Sophisten ein Klapperer werden. Denn was ist, das einem Schwätzer zu viel sei?

Aus dieser Rotte haben sich etliche von ihrem Maul übereilen lassen und sich mit Schändworten verteidigt, denn weil sie die Arznei in das Maul gebracht haben, haben sie sich mit dem Maul, das nichts anderes denn Schänden und Lästern kann, verteidigen müssen. Solche lingua dolosa, das ist trugvolle Sprache, hat auch wider mich gestochen. Es ist aber von nöten, dieweil sie nit auf den ersten Felsen der Arznei gebaut sind, sondern haben sich auf einen Küchenfelsen gesetzt, die Wahrheit der arzneiischen Kunst vergessen haben, und mit ihren sophistischen fabulis mich und andere in ihren Larven umtragen, ihnen solches nit ohne Antwort zu lassen. Wäre aber einer auf das erste Zentrum gewidmet, das ist: ihm zugeordnet, solche Scheltworte gingen von ihm nicht aus. Ihre beste Kunst ist ihre Rhetorik und die Gevatterschaft derselben, und die Tugend, die den pseudomedicis anhangt. Drum, Leser, folgen hernach auf sie die Antworten, auf daß du dich in den selbigen zu bescheiden wissest, das ist: auskennst. Obwohl die Sachen solcher Leute zu verantworten nit not wäre; man ließe sie einfach poetische Ärzte bleiben, rhetorische Rezeptschreiber und nebulonische Praeparierer; mit der Zeit würde man ihrer müd werden, – aber damit das verstanden werde, daß ein Arzt ohne Werk nichts taugt und daß das Werk der Arzt sei, nicht das Schwätzen, hier zu einer Unterrichtung, ist solches von mir geschehen. – Darum, lieber Leser, bin ich auch gehindert worden, daß meine Schriften nicht an den[498] Tag kommen sollten. Habe jedoch Kärnten, das Erzherzogtum, mit ihnen verehrt. Wenn es durch die selbigen löblichen Herren an dich gelangen wird, wo du auch in der Welt solches empfängst, ohne diese Landschaft käme es dir, Leser, nit in die Hand. Liebe deshalb die theoricam in diesem Werk, ja noch viel mehr die Werke der Kunst. Gegeben zu Sant Veit in Kärnten am 19. Tag augusti der mindern Zahl 38.

Quelle:
Theophrast Paracelsus: Werke. Bd. 2, Darmstadt 1965, S. 497-499.
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