Fuenftes Buch.
Ueber die Seele oder
Ueber psychologische Aporien (III)
Ueber das Gesicht oder Ueber die Art wie wir sehen

[87] 1. Da wir die Frage aufgeschoben haben, ob es möglich sei zu sehen ohne ein Medium wie das der Luft oder eines andern sogenannten durchsichtigen Körpers, so müssen wir sie jetzt untersuchen. Dass nun das Sehen und überhaupt die sinnliche Wahrnehmung mittelst eines Körpers geschehen muss, ist gesagt; denn ohne Körper sei die Seele gänzlich im Inteligiblen. Da die sinnliche Wahrnehmung ein Auffassen nicht intelligibler, sondern nur sinnlicher Dinge ist, so muss die Seele, die gewissermassen durch die vorhandenen Aehnlichkeiten mit dem Sinnlichen verknüpft worden, eine Gemeinschaft des Erkennens und der Affection mit ihnen eingehen. Darum geschieht die Erkenntniss auch durch körperliche Organe. Denn durch diese, welche gleichsam mit [der Seele] verwachsen sind oder durch eng damit zusammenhängen, muss dieselbe gleichsam bis zur Einheit mit dem Sinnlichen selbst fortschreiten, wodurch denn zwischen ihnen eine Homopathie hergestellt wird. Wenn nun ein gewisses Auf- und Anfassen dessen was erkannt wird stattfinden muss, so braucht man wohl hinsichtlich der Dinge, die durch eine gewisse Berührung, durch Tasten erkannt werden, nicht weiter nachzuforschen; wohl aber wegen des Gesichts – ob auch wegen des Gehörs, davon später – also hinsichtlich des Sehens, ob zwischen dem Gesicht und der Farbe ein Körper sein muss. Nun, es reizt der zwischenliegende Körper die Sehenden wohl zufällig, an sich aber trägt er nichts zum Sehen bei. Sondern wenn die festen Körper wie die erdigen das Sehen hindern und wir desto mehr sehen je dünner die zwischenliegenden sind, so könnte man die zwischenliegenden Körper als mit behülflich oder, wenn als nicht mit behülflich als nicht hinderlich bezeichnen; [ebendieselben jedoch kann ein anderer auch als hinderlich bezeichnen]. Aber wenn zuerst das Zwischenliegende die Affection aufnimmt und gleichsam geformt wird, so würde, wenn eine Affection an dem Zwischenliegenden nicht stattgefunden, diese auch nicht zu uns gelangen. Doch vielleicht braucht das Zwischenliegende[87] nicht afficirt zu werden, wenn dasjenige, dessen Natur darin besteht afficirt zu werden, afficirt wird; oder falls es afficirt wird, wird es anders afficirt. Hat doch auch die Angelruthe zwischen dem Torpedofisch und der Hand nicht dieselbe Empfindung wie die Hand. Und dennoch würde auch dort, wenn die Angelruthe nicht da zwischen wäre, die Hand nicht afficirt werden, Indessen lässt sich gerade hierüber streiten. Denn gesetzt, der Fischer geriethe in das Netz hinein, so würde man sagen, er empfinde das krampfhafte Zucken. Aber freilich kommt hier die Argumentation wohl wieder auf die sogenannten Sympathien. Wenn aber dieser bestimmte Gegenstand von jenem seiner Natur nach afficirt wird in sympathetischer Weise dadurch, dass er eine Aehnlichkeit mit ihm hat, so wird das dazwischen liegende Unähnliche nicht afficirt oder doch nicht in derselben Weise afficirt. Ist dies der Fall, so wird viel mehr dasjenige, dessen Natur es ist afficirt zu werden, afficirt wenn nichts dazwischen liegt, auch wenn das Zwischenliegende so beschaffen ist, dass es selbst afficirt werden kann.

2. Wenn also das Sehen in der Weise geschieht, dass das Licht des Gesichtes sich verbindet mit dem zwischenliegenden Lichte bis hin zum wahrnehmbaren Object, so muss dieses Zwischenliegende das Licht sein und diese Hypothese verlangt dieses Zwischenliegende. Wenn aber der als Substrat des Lichts colorirte Körper eine Veränderung bewirkt, was hindert, dass die Veränderung sofort bis zum Auge gelangt ohne eine Vermittelung? wenn wirklich in diesem Fall nothwendig das vor den Augen Liegende irgendwie verändert wird. Auch diejenigen, die da behauptet, dass wir durch ein Ausgiessen gleichsam des Gesichtes sehen, können durchaus nicht folgern, dass etwas dazwischen liege, sie müssten denn fürchten, dass der Strahl in nichts zerfliesse. Aber er hat die Natur des Lichtes und das Licht geht seinen geraden Weg. Diejenigen hingegen, welche als Grund des Sehens die Resistenz oder Refraction anführen, haben durchaus ein Zwischenliegendes nöthig. Die Vertreter der Theorie von den Abbildern, welche durch einen leeren Raum hindurchgehen sollen, suchen einen ungehinderten Durchgang fur dieselben, folglich widerstreiten sie, wenn die Zurückweisung einer Vermittelung noch viel mehr jedes Hinderniss hinwegräumt, der Hypothese nicht. Diejenigen, welche das Sehen durch eine Art Sympathie geschehen lassen, werden einen geringern Grad des Sehens annehmen, wenn etwas dazwischen liegt, was die Sympathie eben beeinträchtigt, hindert und abschwächt, ja vielmehr, folgerichtig gesprochen, sie gänzlich[88] wirkungslos macht, auch wenn es eine Verwandtschaft hat und selbst afficirt wird. Denn wenn ein zusammenhängender Körper durch Herzubringen von Feuer auch verbrennt, so wird doch das Innere desselben weniger leiden, weil das Aeussere wie zum Schutz davorliegt. Aber wenn die Theile eines Organismus sich wechelseitig in Mitleidenschaft ziehen, werden sie dann weniger leiden, weil etwas dazwischen liegt? Allerdings werden sie weniger afficirt werden, jedoch wird das Maass der Affection dem Willen der Natur entsprechen, indem das Zwischenliegende das Uebermaass verhindert es müsste denn etwa was mitgetheilt wird [von Theil zu Theil] derartig sein, dass überhaupt das Zwischenliegende nicht afficirt wird. Aber wenn das Universum dadurch dass es ein Organismus ist lauter sympathische Theile hat und wir afficirt werden, weil wir in dem einen und des einen sind, wie muss da nicht, wenn die, sinnliche Wahrnehmung auf ferne Gegenstände geht, eine Continuität vorhanden sein? Es giebt eine Continuität und Mittelglieder, weil der Organismus in sich zusammenhängen muss, während die Affection mir accidentiell zu dem Continuirlichen gehört, oder wir werden zugeben, dass ein jedes von jedem afficirt wird. Wenn aber dieses hier von diesem da und eins vom andern nicht in derselben Weise afficirt wird, wird es nicht überall eines Mittelgliedes bedürfen. Behauptet jemand das vom Sehen, so ist der Grund anzugeben, allein nicht überall scheint ein durch die Luft hindurchgehender Körper die Luft zu afficiren, sondern nur zu durchschneiden. Wenn z.B. ein Stein von oben herabfällt, was thut die Luft anders als dass sie nicht Stand halt? Denn dass er durch die Reaction der umgebenden Luft fällt, ist nicht wohl anzunehmen, da sein Fallen naturgemäss ist. Dann würde durch Reaction der umgebenden Luft auch das Feuer in die Höhe steigen, was ungereimt ist, denn das Feuer überholt durch seine eigene, schnelle Bewegung den Widerstand der Luft. Wollte jemand sagen, durch die Schnelligkeit werde auch die Reaction der umgebenden Luft beschleunigt, so wurde die Bewegung eine zufällige und nicht nach oben gehende sein. Geht doch auch das Streben der Bäume nach oben, ohne dass sie einen Stoss erhalten; und auch wir durchschneiden durch unsere Bewegung die Luft und auch uns treibt nicht die umgebende Luft, sondern nachfolgend füllt sie nur den von uns gelassenen leeren Raum aus. Wenn nun die Luft durch derartige Körper sich theilen lässt ohne afficirt zu werden, was hindert zuzugeben, dass sie ohne getheilt zu werden auch die Bilder der Dinge uns zu[89] Gesicht kommen lässt? Wenn aber die Bilder nicht durch eine Art von Abfluss vorübergehen, welche Notwendigkeit besteht dann, dass die Luft afficirt werde und dass durch sie die Affection, weil sie zuvor afficirt worden, zu uns gelange? Denn wenn wir dadurch, dass die Luft zuvor afficirt worden, die sinnliche Wahrnehmung halten, so würden wir den gesehenen Gegenstand nicht durch seinen eigenen Anblick sehen, sondern wir erhielten die sinnliche Wahrnehmung durch ein anderes daneben, wie bei dem Erwärmtwerden. Denn dabei scheint nicht das ferne Feuer, sondern die erwärmte Luft daneben die Wärme zu bewirken. Denn dies geschieht durch Berührung, beim Sehen aber nicht durch Berührung, weshalb auch der Gegenstand nicht dadurch, dass er an das Auge herangebracht wird, dasselbe sehen macht, sondern was dazwischen liegt muss erleuchtet werden, weil die Luft etwas dunkles ist; wäre diese nicht dunkel, so würde es auch nicht nöthig sein, denn das Dunkle, welches ein Hinderniss des Sehens ist, muss von dem Licht bewältigt werden. Vielleicht wird ein dem Gesicht nahe gebrachter Gegenstand auch deshalb nicht gesehen, weil er den Schatten der Luft und seinen eignen mitbringt.

3. Der grösste Beweis dafür dass das Auge dir Formen der Dinge nicht durch die afficirte Luft wie von ihr überliefert sieht, ist der Umstand, dass bei dunkler Nacht das Feuer und die Sterne und ihre Gestalten gesehen werden. Denn es wird niemand behaupten, dass die im Dunkeln ausgeprägten Formen so zu dem Auge gelangen. Es würde ja keine Finsterniss sein, wenn das Feuer seine eigene Form hinausleuchten liesse. Indessen auch wenn die Finsterniss sehr gross ist, wenn die Sterne nicht scheinen und das von ihnen ausgehende Licht nicht leuchtet, wird das Feuer von den Warten und den Leuchtthürmen als Signal für die Schiffe gesehen. Wenn auch hierbei jemand behauptete, das Feuer durchdringe die Luft, im Widerspruch mit dem Augenschein, dann müsste das Gesicht auch das Dunkle in der Luft auflassen, nicht jenes von ihr, das deutlich hervortritt. Wenn aber trotz der dazwischen liegenden Dunkelheit etwas über sie hinaus gesehen wird, so in viel höherem Maasse ohne irgend etwas dazwischen. Aber an jenem Einwurf könnte jemand festhalten, dass ohne irgend ein Medium es unmöglich ist zu sehen, nicht weil ein Medium fehlt, sondern weil die Sympathie des gesammten Organismus zu den Theilen und der Theile unter einander, die eben besteht durch die Einheit, aufgehoben wird. Dadurch nämlich scheint auch Empfindung und sinnliche Wahrnehmung irgendwie zu entstehen,[90] weil dieses All ein sich selbst sympathischer Organismus ist. Wäre das nicht der Fall, wie könnte das eine an der Kraft und Wirkung des andern Theil nehmen und besonders an einer weit entfernten? Demnach wäre dies zu untersuchen: wenn es eine andere Welt wäre und ein anderer zu diesem nicht stimmender Organismus und wenn es auf dem Rücken des Himmels ein schauendes Auge gäbe, würde es jene wohl aus abgemessener Entfernung erblicken oder hätte diese nichts gemein mit jener? Doch davon später. Jetzt mag man auch jenes als Beweis dafür anfuhren, dass das Sehen nicht durch Affection des Zwischenliegenden zu Stande kommt. Wenn nämlich die Luft afficirt wird, so muss sie doch wohl körperlich afficirt werden d.h. es muss ein Eindruck entstehen wie etwa im Wachs. Ein Theil des sichtbaren Objects muss also in jedem Theilchen abgeformt worden; das vom Gesicht aufgefasste Theilchen muss folglich so gross sein, als es an und für sich von dem sichtbaren Object die Pupille aufnehmen kann. Nun aber wird das Ganze gesehen und soviele in der Luft sich befinden, sie sehen alle weithin, sei es von vorn oder von der Seile, sei es nahe bei oder hinter einander, vorausgesetzt dass nicht einer dem andern gänzlich im Wege sieht; folglich hat jedes Theilchen der Luft gleichsam das Angesicht des wahrgenommenen Gegenstandes ganz und gar. Das aber geschieht nicht nach Art einer körperlichen Affection, sondern nach grösseren und psychischen und eines sympathischen Organismus Nothwendigkeiten.

4. Aber wie verhält sich das mit dem Auge zusammenhängende leicht zu dem um das Gesicht herum und bis zu dem sinnlichen Object hin? Zunächst bedarf es der zwischenliegenden Luft nicht, es sei denn dass man ohne Luft kein Licht gelten lässt – so aber liegt diese zufällig dazwischen; sie selbst aber mag dazwischen liegen ohne afficirt zu werden, es bedarf hier einer Affection überhaupt nicht (obschon eines Zwischengliedes); und wenn das Licht kein Körper ist, auch keines Körpers. In der That, das Gesicht braucht wohl zu dem einfachen Sehen fremdes und dazwischen liegendes Licht, nicht, sondern zum Sehen in die Ferne. Die Frage nun, ob das Licht ohne die Luft entstehen kann, soll später behandelt werden; jetzt wollen wir jenes untersuchen. Wenn nämlich dieses mit dem Auge zusammenhängende Licht beseelt wird und die Seele durch dasselbe getragen wird und in ihm sich ausbreitet, wie auch in dem innern Licht, in und mit dem Ergreifen desselben, versieht sich, was eben Sehen ist: so bedarf[91] es keines zwischenliegenden Lichtes, sondern das Sehen wird einem Berühren, Ergreifen ähnlich sein d.h. indem die im Licht vorhandene Sehkraft ergreift, ohne dass das Zwischenliegende afficirt wird, sondern das Gesicht begiebt sieh dorthin zum Object. Dabei fragt es sich denn, ob das Gesicht dorthin gehen muss, weil ein Zwischenraum oder weil ein Körper in dem Zwischenraum vorhanden. Wenn wegen eines Körpers in dem Zwischenraum, so wird nach Hinwegräumung des Hindernisses das Sehen stattfinden; wenn einfach wegen eines Zwischenraumes, so muss man die Natur des sichtbaren Objects als träge und überhaupt unwirksam voraussetzen. Allein das ist nicht möglich. Denn nicht nur weil etwas nahe ist, sagt die Berührung etwas aus und fasst an, sondern afficirt von ihnen sagt sie die unterscheidenden Merkmale des tastbaren Gegenstandes aus, und wenn nicht etwas Trennendes dazwischen wäre, würde sie auch das Entfernte percipiren. Denn die zwischenliegende Luft und wir merken das Feuer zugleich und wir warten nicht, bis jene erst erwärmt ist. In höherem Grade sicherlich wird der Körper erwärmt als die Luft, also vielmehr durch dieselbe hindurch, aber nicht von derselben. Wenn der sichtbare Gegenstand nun Kraft hat zu wirken, andererseits auch zu leiden und zwar auf jede Weise, wozu bedarf er eines Mediums, in welchem er die Kraft zu wirken hat? Das heisst ja eines Hindernisses bedürfen. Denn wenn das Licht der Sonne herannaht, muss nicht zuerst die Luft, dann auch wir erleuchtet werden, sondern zugleich und zwar ehe es, da es ja oft anderswo ist, dem Gesicht nahe gekommen ist; so sehen wir, ohne dass die Luft afficirt worden wäre, indem ein Nichtafficirtes dazwischen liegt und das Licht noch nicht gekommen ist, an welches man das Gesicht heften soll. Auch die Thatsache, dass man des Nachts die Sterne oder überhaupt Feuer sieht, würde schwerlich durch diese Hypothese genügend erklärt werden. Wenn aber die Seele in sich bleibt und des Lichtes bedarf wie eines Stabes um zu dem Object zu gelangen, dann müsste die Berührung gewaltsam und mit Widerstreben und Anstrengung des Lichtes geschehen und der wahrnehmbare Gegenstand selbst, insofern er Farbe ist, muss Widerstand leisten; denn so kommen Berührungen durch ein Medium zu Stande. Dann ist sie auch schon früher nahe gekommen, ohne dass damals etwas dazwischen war. Denn auf diese Weise bewirkt die Berührung durch ein Medium später die Erkenntniss, etwa durch Erinnerung oder noch mehr durch Reflexion. Nun aber ist es nicht[92] so. Indessen wenn das dem sinnlichen Object anhaftende Licht afficirt werden und dann diese Affection fort und fort bis zum Gesicht hin mittheilen muss, dann entsteht dieselbe Hypothese wie die, wonach das Zwischenliegende von dem sinnlichen Object zuvor verändert wird, gegen welche wir bereits anderswo unsere Bedenken vorgebracht haben.

5. Ist nun hinsichtlich des Gehörs hier wohl zuzugeben, dass eine Luftschicht die erste Bewegung empfangt und die daneben liegende auf die All, dass von dem den Laut verursachenden Gegenstand die Luft bis zum Gehör hin in derselben Weise afficirt wird, zur sinnlichen Wahrnehmung gelangt? Oder ist das Zwischenliegende; nur accidentiell afficirt, dadurch nämlich dass es mitten inne liegt, und gelangt die sinnliche Wahrnehmung zu uns auch nach Aufhebung des Zwischenliegenden nur indem der Laut nur einmal erschallt wie wenn etwa zwei Körper zusammenschlagen? Gewiss bedarf es einer zuerst in Bewegung gesetzten Luft, das darauf Folgende verhält sich schon anders. Hier scheint freilich die Luft die beherrschende Ursache des Schalles zu sein; denn schwerlich würde durch Zusammenprallen zweier Körper von Anfang an ein Schall entstanden sein, wenn nicht die Luft getroffen durch den schnellen Zusammenstoß derselben und ausgestossen treffend, ihn der Reihe nach an den folgenden weitergegeben hätte bis hin zu den Ohren und zum Gehör. Allein wenn die Luft den Schall beherrscht und der Schlag durch die Bewegung entsteht, wonach lassen sich dann die Unterschiede der Stimmen und Töne messen? Denn das Erz tönt anderes, wenn es an Erz oder an etwas anders geschlagen wird u.s.f.; die Luft aber ist eine, desgleichen der Schlag in ihr, und die Unterschiede bestehen doch nicht bloss in der grossen oder geringen Stärke. Hält man aber fest, dass ein Anschlagen an die Luft den Schall verursacht hat, so darf man ihr das nicht insofern sie Luft ist beilegen. Denn dann tönt sie, wenn sie den Widerstand eines festen Körpers erlangt hat, indem sie, bevor sie verfließt, auf einen festen Rückhalt wartet. Es genügen also zusammenschlagende Körper und das Zusammenschlagen und dieser Prall ist der Schall, der zur sinnlichen Wahrnehmung gelangt. Das beweisen auch die Laute drinnen in den Thieren, die nicht in der Luft sondern dadurch bewirkt werden, dass eins mit dem andern zusammenschlägt, z.B. wenn man Knochen, die einander entgegen stehen, biegt und zersägt, wobei doch keine Luft dazwischen ist. Doch genug der Bedenken über diese Frage, die hier einen ähnlichen Verlauf[93] genommen hat wie bei dem Gesicht: auch die Affection durch das Gehör ist ein Mitempfinden wie das der Theile in einem Organismus.

6. Ob aber wohl Licht entstehen könnte ohne dass Luft da ist, indem etwa die Sonne auf der Oberfläche der Körper leuchtet, während der Zwischenraum völlig leer wäre und jetzt nur zufällig, weil er da ist, erleuchtet würde? Allerdings wenn deshalb, weil die Luft afficirt wird, auch das Uebrige afficirt wird, so muss das Licht eben wegen der Luft eine Hypostase haben, denn es ist ja eine Affection derselben; es würde also die Affection nicht sein ohne ein Object, das afficirt werden soll. Allein erstlich gehört das Licht nicht ursprünglich und nicht sofern sie Luft ist der Luft. Es gehört ja auch einem jeden feurigen und leuchtenden Körper an: selbst den Steinen von dieser Art eignet, eine glänzende Farbe. Aber kann dasjenige, was in ein anderes von dem was eine solche Farbe hat übergeht, wohl sein, wenn jenes nicht ist? Freilich wenn es bloss Qualität und Qualität von etwas ist, so muss, da jede Qualität an einem Substrat ist, auch das Licht einen Körper suchen, an dem es sein wird; aber wenn es eine Wirkung von einem andern her ist, warum soll es, wenn ein mit ihm zusammenhängender Körper nicht da ist, sondern gleichsam ein leerer Zwischenraum, wenn dies möglich – warum soll es nicht sein und sich auch nach dem Höheren hinwenden? Denn da es sich streckt und ausdehnt, warum soll es nicht durchdringen ohne [von einem Substrat] getragen zu werden? Ist es vollends so beschaffen, dass es fällt, so wird es [von selbst] herabsinken. Denn sicher wird es weder die Luft noch überhaupt, das Erleuchtete von dem erleuchtenden Gegenstand herabziehen und mit Gewalt zum Hervorgehen nöthigen. Es ist ja nicht ein Accidens, so dass es durchaus an einem andern sein müsste, oder eine Affection eines andern, so dass ein dir Affection aufnehmendes Object da sein müsste; sonst müsste es, wenn das Erleuchtende verschwunden ist, bleiben, nun aber verschwindet es, folglich kann es auch wohl kommen [ohne Substrat]. Wo also? Vielleicht braucht nur ein Ort da zu sein. Freilich wird dann der Sonnenkörper seine Wirksamkeit aus sich heraus verschwenden d.h. das Licht. Ist dies jedoch der Fall, dann wird auch das Licht nicht an etwas haften. Es geht aber die Wirkung aus von einem Substrat ohne auf ein Substrat überzugehen, doch kann das Substrat, falls es da ist, afficirt werden. Aber wie das Leben als eine Thätigkeit der Seele Thätigkeit ist, wenn ein anderes wie etwa der Körper, wenn er da ist,[94] afficirt wird, aber ebenso ohne dass er da ist: was hindert, dass es auch beim Lichte so sei, wenn anders es eine Wirkung des leuchtenden Körpers ist? Nun aber bewirkt nicht das Dunkle der Luft das Licht, ja auch nicht das der Erde beigemischte Dunkel macht das Licht, dunkel und nicht wahrhaft rein: das wäre gerade so als wollte man sagen, das Süsse entstehen wenn man es mit dem Bittern mischt. Wenn aber jemand das Licht eine Modification der Luft nennt, so muss er sagen, wie die Luft seihst durch die Modification sich umgestalten und wie das Dunkel derselben nach der Veränderung nicht dunkel sein musste. Nun aber bleibt die Luft wie sie; ist, als wenn sie gar nicht afficirt wäre. Die Affection nun gehört zu jenem, dessen Affection sie ist. Demnach gehört auch die Farbe nicht zu ihr, sondern sie besteht an und für sich, aller die Luft ist, dabei. Das also soll in dieser Weise erörtert sein.

7. Wird das Licht venichtet oder geht es in sich selbst zurück [wenn der leuchtende Körper verschwindet]? Denn vielleicht können wir auch hieraus etwas für das Frühere entnehmen. In der That, wenn es dergestalt drinnen war, dass der Träger es bereits als sein eigenes halte, dann könnte man wohl sagen, es werde vernichtet; wenn es aber eine Wirkung ist, die nicht abfliesst (sie würde ja ringsum fliessen und es würde sich mehr nach innen hinein ergiessen, als von dem wirksamen Gegenstand zu Tage gefördert würde), so kann es wohl nicht vernichtet werden, da der leuchtende Körper in seiner Substanz bleibt. Aendert jener seiner Stelle, so ist es an einem andern Ort, nicht als ob ein Zurückströmen oder Hinabströmen stattgefunden hätte, sondern indem die Wirksamkeit jenes vorhanden und bei ihm vorhanden ist, soweit nichts hinderlich in den Weg tritt. Denn auch wenn der Abstand der Sonne von uns viel grösser wäre als er jetzt ist, so würde das leicht doch bis dorthin vordringen wenn nichts hindert und dem Zwischenraum nichts hinderlich in den Weg tritt. Es ist aber einerseits die Wirksamkeit in dem leuchtenden Körper und gleichsam seine grosser Lebensfülle und gleichsam das Princip und die Quelle der Wirksamkeit; andererseits geht sie über die Grenze des Körpers hinaus, ein Bild der inneren, eine zweite Wirksamkeit ungetrennt von der ersteren. Denn jedes wirklich existirende Ding hat eine Wirksamkeit, welche ein Abbild seiner selbst ist, so dass, wenn Jenes ist, auch diese ist und wenn es bleibt, sich fernhin erstreckt, theils weiter, theils weniger weit. Einige Wirkungen sind[95] schwach und dunkel, andere auch ganz verborgen, andere wieder sind grosser und weiterhin sich erstreckend. Und wenn sie sich in die Ferne erstrecken, so muss man sie da als vorhanden annehmen, wo das Wirkende und Kräftige ist und wohin es auch wieder zurückgeht. Man kann das auch an den glänzenden Augen der lebenden Wesen sehen, indem bei ihnen auch ausserhalb der Augen Licht erscheint. Auch bei den Thieren, die in sich ein concentrirtes Feuer haben, leuchtet, wenn sie sich aufthun, in der Dunkelheit ein Licht nach aussen, und wenn sie sich wieder zusammenziehen, bleibt von ihnen kein Licht aussen übrig, doch ist es auch nicht vernichtet, sondern nur nicht aussen. Wie also? Ist es hineingegangen? Vielleicht ist es nicht aussen, weil auch das Feuer nicht aussen ist, sondern sich nach innen hineingezogen hat. So hat sich also das Licht gleichfalls nach innen hineingezogen? Nein, sondern nur jenes. Da es aber hineingegangen, so liegt der übrige Körper davor, dass dieses nicht nach missen hinwirken kann. Es ist also das von den Körpern ausgehende Licht eine Wirksamkeit des leuchtenden Körpers nach aussen; es selbst aber ist überhaupt das in solchen Körpern Vorhandene, welche eben ursprünglich von dieser Beschaffenheit sind, die formgebende Wesenheit und Substanz des ursprünglich und an sich leuchtenden Körpers. Wenn ein soldier Körper mit Materie vermischt wird, so zeigt er Farbe; die Wirksamkeit allein giebt sie nicht, sondern gleichsam eine Ueberfärbung, die da eines andern ist und von jenem gleichsam herabhängt, und was von diesem entfernt ist, das ist auch von der Wirksamkeit jenes entfernt. Man muss es aber durchaus als etwas Unkörperliches setzen, auch wenn es an einem Körper ist. Daher wird auch nicht im eigentlichen Sinne von ihm gesagt: es ist verschwunden oder es ist da, sondern damit verhält es sich anders, und das Licht ist die Substanz des leuchtenden Körpers als seine Wirksamkeit. Müssen wir doch auch das Bild im Spiegel eine Wirkung des gesehenen Gegenstandes nennen, der ohne abzufliessen wirkt auf das was einer Affection fähig ist; sondern wenn er da ist, so erscheint : auch das Bild dort und es ist so wie ein Bild einer so und so gestalteten Farbe. Und wenn der Gegenstand sich entfernt hat, so hat der durchsichtige Körper nicht mehr was er zuvor halte, als der sichtbare Gegenstand die Einwirkung auf ihn ausübte. Es verhält sich ebenso in der Seele mit dem, was Wirksamkeit einer andern früheren ist: bleibt die frühere, so bleibt auch die unmittelbar darauf folgende Wirksamkeit. Wenn es sich aber um eine Kraft handelt, die nicht selbst Wirksamkeit,[96] sondern aus einer Wirksamkeit ist, wie wir es von dem mit dem Körper bereits verbundenen Leben sagten, verhalt es sich damit wie mit dem bereits mit den Körpern verbundenen Lichte? Allerdings ist das Licht hier [in den Körpern] dadurch, dass auch dasjenige, was die Farbe hervorbringt, damit verbunden ist. Wie aber verhält sichs bei dem Leben des Körpers? Er hat das Leben durch die Gegenwart der andern Seele; denn ohne Seele kann in der That nichts sein. Wenn nun der Körper zu Grunde geht und ihm weder die Leben spendende Seele oder welche sonst ihm nahe ist genügt, wie kann da noch das Loben bleiben? Wie nun? Ist dieses zu Grunde gegangen? Dieses doch wohl nicht, denn es ist selbst nur ein Bild einer Ausstrahlung; es ist nur dort nicht mehr.

8. Gesetzt es gäbe einen Körper ausserhalb des Himmels und ein Auge von dorther könnte ohne Hinderniss sehen, würde ihn wohl schauen was nicht sympathisch mit ihm ist, wenn das Sympathische jetzt in der Natur des einen Organismus bestellt? Wenn das Sympathische darin besteht, dass das Wahrnehmende und Wahrgenommene Theile eines Organismus sind, dann wohl kaum, es müsste, denn dieser Körper ausserhalb ein Theil dieses Organismus sein; denn ist er es, so war's vielleicht möglich. Wenn er jedoch zwar kein Theil, wohl aber ein farbiger Körper wäre und die übrigen Qualitäten hätte, indem er gleich wie der Körper hier dem Organ gleichartig wäre? Auch so nicht, wenn die Hypothese richtig ist. Es müsste denn jemand eben hierdurch die Hypothese hinfällig zu machen suchen, indem er es für absurd erklärt, dass das Gesicht die vorhandene Farbe nicht sehen soll und die andern sinnlichen Wahrnehmungen sich nicht auf die sinnlichen Dinge, die für sie vorbanden, erstrecken sollen. Aber woher diese scheinbare Absurdität? Daher weil wir in dem Einen befindlich und als Theile des Einen in dieser Weise activ und passiv sind. Dies also muss untersucht werden, ob es noch einen andern Grund giebt. Und wenn er hinreicht, so ist der Beweis geführt; wenn nicht, so muss er auch durch andere Gründe geführt werden. Dass nun ein Organismus mit sich selbst sympathisch ist, ist klar, und wenn jener [vorausgesetzte Körper] ein Organismus ist, so genügt das; folgerichtig werden auch seine Theile sympathisch sein, insofern sie Theile eines Organismus sind. Allein wenn jemand sagt, es geschehe wegen der Aehnlichkeit? Aber die Auffassung und sinnliche Wahrnehmung kommen dem Organismus zu, weil er eben das Aehnliche hat; denn das Organ ist dem Object[97] ähnlich. Folglich ist die sinnliche Wahrnehmung ein Auffassen der Seele durch Organe, die den aufzufassenden Gegenständen ähnlich sind. Wenn also ein Organismus als solcher nicht die Dinge in sich selbst, sondern die denen in ihm ähnlichen wahrnimmt, wird er sie auffassen insofern er ein Organismus ist; insofern er sie jedoch auffasst, werden die Dinge wahrnehmbar sein nicht insofern sie in ihm sind, sondern insofern sie denen in ihm ähnlich sind. Vielleicht sind auch die wahrnehmbaren Gegenstände deshalb so wahrnehmbar wegen ihrer Aehnlichkeit, weil die Seele sie ähnlich gemacht hat, so dass sie ihr durchaus verwandt sind. Folglich, wenn die bewirkende Ursache dort, die Seele, eine durchaus andere ist, so wird auch das dort vorausgesetzte Aehnliche durchaus nichts mit ihr zu thun haben. Aber freilich die Absurdität zeigt, wie das Widersprechende in der Hypothese der Grund der Absurdität ist: denn sie nimmt zugleich eine Seele und nicht eine Seele an, Verwandtes und nicht Verwandtes, und nennt das Nämliche ähnlich und unähnlich. Darum kann sie als mit innern Widersprüchen behaltet nicht einmal eine Hypothese genannt werden. Sie nimmt auch eine Seele in diesem [Gesammtorganismus] an, setzt ihn folglich als das All und nicht All, als ein anderes und nicht anderes, als vollkommen und nicht vollkommen. Daher muss man die Hypothese fuhren lassen, denn man kann keine vernünftige Folgerung daraus ziehen, wenn sie eben das in sich selbst Vorausgesetzte wieder aufhebt.

Quelle:
Plotin: Die Enneaden. Band 2, Berlin 1880, S. 87-98.
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