Zweites Kapitel.
Vom Licht

[181] Die Phänomene der Wärme sind so lange unvollkommen erklärt, als uns die Phänomene des Lichts noch dunkel sind; beide sind gewöhnlich zugleich und oft beinahe in demselben Augenblicke da, beide so ähnlich und doch wieder so verschieden in ihrer Wirkungsart, daß es wohl der Mühe wert ist, ihr wechselseitiges[181] Verhältnis zu ergründen. Indes scheint bis jetzt die Naturwissenschaft in Erforschung der Gesetze, nach denen sich dieses wunderbare Element bewegt, glücklicher gewesen zu sein, als in Erforschung seiner Natur. Die Kenntnis jener Gesetze hat mehr als die meisten andern Wissenschaften dazu beigetragen, die Grenzen des menschlichen Wissens zu erweitern, denn sie hat dem menschlichen Geiste die Aussicht auf eine Unendlichkeit nie zu vollendender Entdeckungen eröffnet. Vielleicht aber, daß die vollkommenste Aufklärung über die Natur des Lichts den Gesichtskreis des Menschen nach innen und für die ideale Welt nicht minder erweiterte, als ihn die Entdeckung jener Gesetze nach außen erweitert hat, vielleicht, daß sie manches, was unbegreiflich schien, begreiflicher, manches, was groß dünkte, noch größer machte – Gewinn genug, um zu unausgesetzten Untersuchungen zu reizen.

Die erste Frage, die uns beschäftigen muß, ist diese: wie hängen Licht und Wärme zusammen? Sind sie beide ganz verschiedener Natur? Ist etwa das eine Ursache, das andere Wirkung? Oder unterscheiden sie sich nur dem Grade nach? Oder ist das eine nur die Modifikation des andern, und sollte wohl in diesem Falle das wunderbar schnelle, leicht bewegliche Element des Lichts eine Modifikation der Wärme sein, einer Materie, wie es scheint, die sich mühsam und nur allmählich in weit kleineren Räumen verbreitet?

Verschiedener Natur scheinen beide nicht zu sein; denn gemeinschaftlich ist beiden das Bestreben nach Ausdehnung und Verbreitung. Aber das eine verbreitet sich unendlich schneller als das andere. Also wären sie dem Grade nach verschieden? Aber die größte Hitze ist lichtlos, während oft mit großer Flamme weit geringere Wärme verbunden ist. Diese Voraussetzungen also führen zu keinem zuverlässigen Resultat.

Das Licht wärmt. Aber ob das Licht an sich warm sei, können wir nach der bloßen Empfindung, die wir davon haben, weder bejahen noch verneinen, weil wir nicht bestimmen können, was unser Körper zu dieser Empfindung mit beiträgt. Gesetzt aber die bloße Berührung des Lichts wärmte die Körper, so müßten verschiedene Körper, demselben Licht ausgesetzt, gleiche Wärme zeigen. Dies ist aber nicht der Fall.[182]

Man weiß, daß auf schwarze Körper das Licht am stärksten wirkt. Aus der Optik aber weiß jeder, daß Körper schwarz erscheinen, weil sie gegen das Licht stärkere Anziehung beweisen, weil sie also auch weniger davon zurückstrahlen, als andere. Das Licht geht also im Körper Verbindungen ein – wird mehr oder weniger angezogen – findet mehr oder weniger Widerstand – (oder wie man sich hierüber ausdrücken will) und dieses Mehr oder Weniger bestimmt den Grad der Wärme, die es im Körper erregt. Mit dem höchsten Grad, den es zu erregen imstande ist, wird es auch unsichtbar, und so erscheint hier das Licht, indem es aus dem Zustand der Sichtbarkeit in den entgegengesetzten übergeht, zugleich seine ganze Wirkungsart zu ändern; obgleich dem Auge nimmer fühlbar, hört es doch nicht auf, auf einen andern Sinn, den des Gefühls, zu wirken.

Herr Pictet verschloß zwei Thermometer, die einander völlig ähnlich und gleich waren, ausgenommen, daß die Kugel des einen geschwärzt war, in einem dem Licht völlig unzugänglichen Schrank. Als er diesen öffnete, standen beide gleich hoch; kurze Zeit, nachdem auf beide das Tageslicht gewirkt hatte, stieg das geschwärzte um zwei bis drei Zehntteile eines Grads höher, als das andere. – Aber überhaupt scheint das Licht zu wärmen im Verhältnis des Widerstands, den es findet. Läßt man einen Strahl auf einen Spiegel fallen, von diesem auf einen zweiten, vom zweiten auf einen dritten usf. zurückwerfen, so erleidet der Strahl eine allmähliche Verminderung und es entsteht fühlbare Wärme.

Herr von Saussüre machte, um die verschiedene Erwärmung der Körper durch das Sonnenlicht genauer zu untersuchen, frühzeitig sehr sinnreiche Versuche, die nachher auch Herr Pictet mit mehreren Modifikationen wiederholte. Er hing ein Thermometer in freier Luft auf, während er mehrere andere mit gläsernen Kapseln in Berührung brachte, die ineinander eingeschachtelt waren. Er bemerkte, daß das erste Thermometer, der Sonne ausgesetzt, am allerwenigsten stieg, während die anderen stufenweise, je nachdem sie an einer tiefer oder höher stehenden Kapsel angebracht waren, mehr oder weniger stiegen. Man kann nicht leugnen, daß diese Versuche noch verschiedene Erklärungen zulassen.[183] Allein die späteren Versuche des Herrn Pictets bestätigen ohne alle Zweideutigkeit den Satz, daß die Erwärmung durch die Sonnenstrahlen um so größer ist, je mehr Widerstand sie finden.

Diese Versuche stehen in genauem Zusammenhang mit allgemein bekannten Erfahrungen, auf welche vorzüglich Herr Delüc aufmerksam gemacht hat. Besonders gehört hierher die auf Bergen, je höher man steigt, immer mehr zunehmende Kälte, wovon das ewige Eis, das selbst die Kordilleras unter dem Äquator bedeckt, der auffallendste Beweis ist – ferner die verschiedene Wärme und Kälte derselben Jahreszeiten in gleichen geographischen Breiten usw. Man findet, wenn man von hohen Bergen herabsteigt, daß die Wanne der Luft immer in geradem Verhältnis mit ihrer Dichtigkeit und im umgekehrten mit ihrer Verdünnung wächst. Man bemerkt, daß wolkichte Sommertage, ohne Sonnenschein, durch ihre drückende Hitze weit beschwerlicher sind, als die hellsten Sonnentage. – Nichts als gemeine, hundertmal gemachte Beobachtungen, aus denen man längst den Schluß hätte ziehen können, daß das Sonnenlicht stärker leuchtet, je geringer die Wärme ist, die es erregt, und umgekehrt.

Nach diesen Erfahrungen scheint man zu der Behauptung berechtigt zu sein: Licht und Wärme sind an sich nicht verschieden, das Letztere ist bloße Modifikation des Ersteren. Zu sagen, das Licht sei eine Modifikation des Wärmestoffs, z.B. es sei nichts anderes als verstärkte Wärme usw., geht deswegen nicht an, weil sonst die Quantität der Wärme immer in gleichem Verhältnisse mit der Quantität des Lichts stehen müßte, was nach obigen Erfahrungen nicht möglich ist.

Es fragt sich: ob die vorgetragene Hypothese mit allen Phänomenen des Lichts ebenso leicht vereinbar ist, als sie mit den oben angeführten Erfahrungen übereinstimmt.

Gewöhnlich nimmt man zwei verschiedene Zustände der Wärme an, einen, da sie völlig gebunden ist und insofern latente Wärme heißt, den andern, da sie durch ein erlangtes Übergewicht fühlbar wird und sensible Wärme heißt. Ich kann und will mich[184] auf die Richtigkeit dieser Unterscheidung hier nicht einlassen – will nicht fragen, welchen Grund und Recht man habe, Licht und Wärme als Grundstoffe anzusehen, die wie jeder andere einer chemischen Bindung fähig sind. Genug, ich setze jetzt diese Unterscheidung voraus und bemerke nur, daß man noch einen dritten Zustand der Wärme annehmen kann, den, da sie ihre Verbindung verläßt, völlig frei von einer Verbindung zur andern übergeht, und in diesem Übergang ganz andere Eigenschaften annimmt als sie in den beiden vorhergehenden Zuständen zeigte. In diesem Zustande wäre sie Licht, und insofern scheint es völlig gleichgültig, ob man nach der bisherigen Sprache der Chemie zu sprechen – Licht als freie Wärme, oder Wärme als gebundenes Licht betrachtet44.

Ist die oben vorgetragene Erklärung des Verbrennens richtig, so wissen wir, daß in demselben Augenblick, da der vegetabilische Körper aufgelöset, das Metall verkalkt, d.h. in demselben Moment, da nach unserer Voraussetzung die Luft zerlegt wird, Wärme und Licht zugleich da sind. Auch ist es nicht ein bestimmter Grad von Wärme, mit dem das Licht erst erscheint, vielmehr ist Wärme überhaupt, sie mag dem Grade nach so gering sein, als sie will, von Licht begleitet, sobald sie nur, wie beim Verbrennen geschieht, frei wird, und umgekehrt, die größte Hitze lichtlos, solange keine Zersetzung bewirkt wird. Daher wird bei den Auflösungen der Metalle in Säuren kein Licht sichtbar, unerachtet dieser Prozeß mit dem des Verkalkens völlig derselbe ist. Die Metalle rauben den Säuren das Oxygene: die Kapazität des letzteren wird dadurch vermindert, es entsteht Aufbrausung und fühlbare Wärme; aber diese wird nicht frei, denn sie bleibt mit dem Grundstoff der Säuren verbunden, um den Rest der letzteren in Gasgestalt zu entführen. Der ganze Prozeß ist nichts weiter als eine Wiederherstellung der Kapazität. Die tropfbare Flüssigkeit geht in luftförmige über und bindet so, ihres Verlustes unerachtet, dieselbe[185] Wärme, die eine Flüssigkeit von geringerer Kapazität aber größerer Quantität der Grundstoffe zu binden vermochte.

Das Umgekehrte geschieht bei der Zersetzung der Salpeterluft mit der atmosphärischen. Indem sie der letzteren das Oxygene entzieht, wird ihre Kapazität vermindert. Sie geht daher aus dem luftförmigen in dampfförmigen Zustand über. Sie beharrt aber in diesem Zustande nicht, nimmt wieder Luftgestalt an, und bindet dadurch die aus der atmosphärischen Luft freigewordene Wärme. Daraus erhellt, warum auch bei diesem Prozeß die Wärme nicht Licht wird45.

Ganz anders ist dies bei den phosphorischen Erscheinungen. Der Phosphor entzieht vermöge seiner großen Verwandtschaft zum Oxygene der Luft diesen Grundstoff. Dadurch wird Wärme frei; diese Wärme, kann man sagen, wird zu nichts verwandt, sie fängt also an zu leuchten, aber, da die Zersetzung der Luft sehr gering ist, nur auf der Grenze der Berührung zwischen dem Körper und der Luft. Dies ist zugleich der deutlichste Beweis, daß Licht von Wärme nicht bloß dem Grade nach verschieden sein kann. Denn keine phosphorische Zersetzung ist von fühlbarer Wärme begleitet, zum Beweis, wie wenig Wärme dabei frei wird; nichtsdestoweniger ist Licht das beständige Phänomen dieser Prozesse. Eine zweifache Zersetzung findet z.B. dann statt, wenn Körper, die in einem höheren Grade verbrennlich sind, mit Säuren behandelt werden. So entzünden sich Öle mit der Salpetersäure vermischt. Indem sie der letzteren den Sauerstoff rauben, wird zugleich die Wärme frei, und damit beginnt eine zweite Zersetzung zwischen ihnen und der umgebenden Luft; die Flamme ist um so lebhafter, je leichter Öle sich verflüchtigen.

Vielleicht wendet man ein: eben deswegen, weil beim Verbrennen der Körper Wärme und Licht zugleich da seien, müssen[186] sie auch zwei voneinander ganz verschiedene Elemente sein. Allein die freiwerdende Wärme strebt sehr bald wieder Verbindungen einzugehen, sie seien nun welcher Art sie wollen; denn das kann uns hier völlig gleichgültig sein. In diesen Verbindungen behauptet sie das Übergewicht und wird dadurch fühlbare Wärme. Daher erscheint auch die Flamme, welche das Verbrennen vegetabilischer Körper begleitet, weit weniger rein als die Flamme, die beim Verbrennen anderer Körper sichtbar wird. Aus dem vegetabilischen Körper entwickeln sich außer dem kohlengesäuerten Gas und der brennbaren Luft heterogene Stoffe, mit denen die Wärme Verbindungen eingeht. Daher kann man die Flamme nur als den Obergang des Lichts aus dem Zustande der Sichtbarkeit in den der Unsichtbarkeit betrachten. Da, wo die Flamme sich endigt, erblickt man nur noch den Rauch, und man könnte, anstatt mit Newton zu sagen: die Flamme ist ein leuchtender Rauch46, ebensogut sagen: der Rauch ist die Flamme, welche zu leuchten aufgehört hat. Je mehr wässerige und andere Teile der verbrannte Körper enthält (wie frisches Holz), desto früher wird die Flamme zu Rauch, daher wird auch begreiflich, warum bei einem schnelleren Verbrennen weit mehr Wärme sich verbreitet als bei einem langsameren.

Der Hauptunterschied des Lichts und der Wärme besteht darin, daß beide auf ganz verschiedene Sinne wirken. Zwar ist es noch nicht lange, daß man aufgehört hat, das Licht, als solches, für warm zu halten, ohne Zweifel, weil es Wärme wird, sobald es mit dem Körper in Verbindung tritt. Jener Unterschied wäre sehr entscheidend gegen die Behauptung, daß Licht und Wärme gar nicht voneinander verschieden seien; gegen die Behauptung aber, daß Wärme eine bloße Modifikation des Lichtes sei, kann sie nichts beweisen. Es ist begreiflich, daß das freigewordene Licht (ich bediene mich immer der gangbarsten Ausdrücke) dem geistigen Organe sich offenbare, während das gebundene nur auf den niedern Sinn zu wirken vermag. Das Licht verbreitet sich mit unglaublicher Schnelligkeit von seinem Ursprunge aus in die Ferne, die Wärme ist auf eine bestimmte Sphäre beschränkt; denn überhaupt[187] wirkt sie nur in Verbindung mit einer entgegengesetzten Materie; für sie also haben wir den Sinn, der nur durch gröbere Berührung Eindrücke empfängt, für jenes das Organ, das, einer feineren Rührung fähig, dem Licht, das aus der größten Entfernung zu uns kommt, offen steht.

Wofür man auch immer das Licht halten mag, so verschwindet die Zeit, die es zu seiner Fortpflanzung nötig hat, in nichts, sobald man den Widerstand berechnet, den es auf seinem Wege findet. Dieser Widerstand, den es findet, dehnt seine Verbreitung zu Zeitmomenten aus; in diesem Widerstande erst bekommt es Eigenschaften einer Materie für uns, seine Geschwindigkeit wird eine endliche, durch Zahlen bestimmbare Geschwindigkeit; gleich einer Materie erleidet es jetzt Anziehung und Zurückstoßung, und wird so erst ein möglicher Gegenstand der Physik und der physikalischen Untersuchung. Diese Bemerkung, dünkt mir, ist hinreichend, die Frage zu entscheiden: ob das Licht überhaupt als Materie betrachtet werden kann. Solange wir uns, wie hier, auf dem Gebiete der bloß empirischen Physik befinden, werden wir nie anders von ihm sprechen dürfen. Physik und Chemie haben ihre eigene Sprache, die sich in einer höheren Wissenschaft in eine ganz andere auflösen muß. Bis dahin also sei es uns immer vergönnt, vom Licht, von der Wärme usw. so zu sprechen, wie man in der Physik von ihnen sprechen muß47. Dazu kommt, daß[188] jene Frage: sind Licht und Wärme besondere Materien, etwas voraussetzt, was eine gesunde Philosophie so schnell nicht einräumen dürfte, nämlich, daß es überhaupt besondere Materien gebe.

Die Wärme, sagt man ferner, durchdringt die Körper, das Licht nicht. Besser würde man sagen: das Licht, indem es in die Körper eindringt, hört auf, Licht zu sein, und wird von nun an fühlbare Wärme. Einige Körper, die, eine Zeitlang erleuchtet, im Dunkeln zu leuchten fortfahren, machen eine scheinbare Ausnahme.

Wichtiger sind die eigentümlichen (der bloßen Wärme nicht zukommenden) Wirkungen des Lichts, welche einige Anhänger der neueren Chemie als Beweis für das Dasein eines von dem Wärmestoff verschiedenen Lichtstoffes anzuführen pflegen48. Diese eigentümlichen Wirkungen sind vorzüglich folgende: Gewächse, dem Licht ausgesetzt, werden dadurch farbig, flüchtig, entzündlich, schmackhaft usw. Abgesehen davon, daß Pflanzen, sobald sie dem Licht ausgesetzt sind, auch dem freien Zutritt der Luft ausgesetzt werden, daß das Licht selbst nur durch das Medium der Luft auf sie wirkt usw., kann man doch immer noch den Beweis fordern, daß alle diese Wirkungen dem Lichte, als solchem, eigentümlich seien. Das Licht, kann man sagen, insofern es auf die Pflanzen Einfluß hat, hört doch auf Licht zu sein und wird Wärme. Ferner die Vegetation der Pflanzen ist weiter nichts als ein komplizierter chemischer Prozeß, – wenn man will, ein chemischer Prozeß höherer Art. – Der Beweis davon ist die Lebensluft, welche die Pflanzen, dem Licht ausgesetzt, aushauchen. Alle Beobachtungen, welche Haies, Bonnet, Ingenhouß, Senebier u. a. darüber angestellt haben, machen es wahrscheinlich, daß in den Pflanzen eine Zerlegung des Wassers vor sich geht,[189] daß der brennbare Bestandteil in ihnen zurückbleibt, während der Sauerstoff in Luftgestalt davongeht. Daß also Licht, und insofern auch Wärme – beide die großen Agentien der Natur, deren sie sich bei jedem chemischen Prozesse bedient – diese Entwicklung des Sauerstoffs aus den Pflanzen befördern, ist an sich sehr begreiflich, und da die ganze Vegetation der Pflanzen von dem Fortgange jenes Prozesses abhängig ist, so sind insofern Licht (und Wärme) notwendige Bedingungen des vegetabilischen Lebens. Daß aber Licht weit mehr als Wärme jenen Prozeß befördert, sollte das so schwer zu erklären sein? Wärme verbreitet sich langsam, dringt also in die Körper nur allmählich ein, während das Licht schneller, lebendiger einwirkt und im Innern der Pflanzen den Prozeß beginnt, der zu ihrer Erhaltung notwendig ist.

Nicht schwerer begreift man den Einfluß, den das Licht sowohl auf Verkalkung als Entsäurung gewisser Metalle hat. Einige Metalle säuern sich von selbst, sobald sie nur der atmosphärischen Luft ausgesetzt werden. Andere werden durch Berührung des Lichts entsäuert, weil das Licht in allen Körpern, die einer Zersetzung fähig sind, Zersetzungen bewirkt. Wenn also Fourcroy sagt49: »daß der Wärmestoff mit dem Lichtstoff einerlei sei, ist nicht erwiesen. Je mehr unsere physikalischen Kenntnisse sich erweitern, desto mehr findet man Verschiedenheit in der Wirkung beider, des Lichts und der Wärme,« – so wäre sehr zu wünschen, daß er Beispiele davon angeführt hätte. Daß Licht ganz anders wirkt als Wärme, hat niemand in Zweifel gezogen, aber niemand hat auch behauptet, daß Licht und Wärme einerlei Zustände derselben Materie seien.

Ist das Licht das große Mittel, dessen sich die Natur bedient, um Zersetzungen und Verbindungen überall zu bewirken, wo sie zur Erhaltung des vegetabilischen und animalischen Lebens notwendig sind, so ist es begreiflich, daß die Körper gegen das Licht – scheinbare oder wirkliche? – Anziehung beweisen. Ob das Licht auch als Grundstoff in den chemischen Prozeß mit eingehe, ist noch sehr zweifelhaft; daß aber bei den meisten chemischen[190] Prozessen Licht oder Wärme tätig sind, ist außer Zweifel. Selbst bei dem Prozeß des Verbrennens, da das Licht aus seiner Verbindung tritt, so ist es selbst wieder dasjenige, was den Prozeß anfängt und unterhält. Wir können nur Körper an Körper zünden, gewöhnlich ist es schon freigewordene Wärme, d.h. Licht, was den Prozeß eröffnet. Sobald der Grundstoff der Luft von dem des Körpers angezogen wird, erscheint Licht; von nun an setzt sich der eingeleitete Prozeß von selbst fort, der Körper verbrennt, wie man sagt, von selbst und das Licht, das durch Zersetzung der Luft frei wird, dient nur dazu, die Zersetzung immerfort zu unterhalten.

Daß aber diese Anziehung der Körper gegen das Licht nicht immer nach dem Verhältnis ihrer Masse geschieht, hat Newton längst außer Zweifel gesetzt. Er bemerkte, daß schwefelichte und ölichte Körper das Licht ganz unverhältnismäßig mit ihrer Dichtigkeit brechen, und diese einzige Bemerkung war für ihn hinreichend, die Verbrennlichkeit des Demants und das Dasein eines brennbaren Stoffs im Wasser vorauszusagen. Das Bestreben also, welches das Licht gegen die Körper äußert, wird im Verhältnis stehen mit ihrer größeren oder geringeren Zersetzbarkeit; wo keine Zersetzbarkeit stattfindet, wird das Licht dem dichtem Körper zueilen. – Nach den obigen Bemerkungen beweist das Licht durch den Widerstand, den es findet, unwidersprechlich, daß es Materie ist; noch unwidersprechlicher beweisen es die Anziehungen, die es erleidet. Fände es überall keinen Widerstand, so würde es sich in der allgemeinen Repulsivkraft verlieren, es verwandelte sich nicht für die Sinne in Materie. In der Physik ist es vorteilhaft, sich auf Analogien zu berufen. So ist die Elastizität der Luft proportioniert dem Drucke (dem Widerstände), den sie erleidet. Die Luft würde aufhören elastisch zu sein, sobald sie keinen Widerstand fände, d.h. sobald sie sich unendlich ausdehnte. Dieser Analogie zufolge kann das Licht nur elastisch sein, insofern es, es sei wodurch es wolle, z.B. Attraktion, Widerstand findet.

Verfolgen wir jene Analogie weiter, so wissen wir, daß Elastitizität nur zwischen zwei extremen Zuständen, dem der unendlichen Extension und dem der unendlichen Kompression, möglich ist. Daher kommt es, daß Elastizität in verschiedenen[191] Körpern durch Druck ebenso leicht vermindert als vermehrt werden kann. Eine totale Vernichtung der Elastizität ist unmöglich, weil unendliche Kompression ebenso gut als unendliche Extension unmöglich ist.

Wenden wir diese Analogie auf das Licht an, so erleidet das Licht durch unverhältnismäßigen Widerstand allerdings eine Verminderung. Daher findet das Licht, als solches, im dichtem Körpern seinen Tod, es wird Wärme, d.h. seine Elastizität wird vermindert. Daher kommt es, daß von zwei Körpern, die demselben Licht ausgesetzt sind, derjenige, der dem Licht starkem Widerstand leistet, welches nicht immer genau im Verhältnis der Dichtigkeit geschieht, stärker erhitzt wird. Der Einfluß, den die Qualität der Körper auf ihre Anziehung gegen das Licht beweist, erhellt vorzüglich aus manchen Beobachtungen über den Ursprung der Farben.

Alles Licht unserer Atmosphäre geht von der Sonne aus; aber wie es sich von der Sonne zu uns fortpflanzt, ist eine Frage, über die man noch nicht gewiß zu sein scheint. Kommt etwa das Licht, das von der Sonne ausströmt, selbst zu uns, oder bewirkt es nur in unserer Atmosphäre Veränderungen, durch welche unser Planet erleuchtet wird? Alles Licht wenigstens, das wir uns selbst verschaffen können, gewinnen wir nur durch Zersetzungen der Luft.

Begreiflich würde durch diese Voraussetzung die gleichförmig schnelle Verbreitung des Lichts. Lassen wir das Licht mit Euler durch bloß mechanische Erschütterungen des Äthers fortgepflanzt werden, so begreift man nicht die Regelmäßigkeit dieser Erschütterungen, die immer in gerader Richtung sich fortpflanzen müßten, während aller übrigen Erfahrung zufolge mechanische Erschütterungen eines Fluidums nur durch Undulationen sich verbreiten. Nehmen wir aber an, daß das Licht von der Ärosphäre der Sonne bis zu unserer Atmosphäre in einem leeren Raume sich bewegt, so können wir es mit einer Schnelligkeit fortgehen lassen, die der kurzen Zeit, in der es bis zu uns sich fortpflanzt, völlig proportioniert ist. Oder müssen wir annehmen, daß der ganze Raum des Himmels mit einem feinen elastischen Fluidum, dem Vehikel aller Kräfte, mit denen Welten auf Welten wirken, erfüllt ist[192] (ist irgendwo ein Raum, wo alles Licht wird, wie im Empyreum der Alten?), so muß dieses Fluidum immer feiner werden, je weiter es sich von den festen Körpern entfernt. Das Licht also würde, wenn die Atmosphäre der Sonne, wie die unsrige, allmählich sich verdünnte, mit immer beschleunigter Schnelligkeit fortgehen, bis es endlich da, wo es in unsere Atmosphäre eintritt, allmählich langsamer und langsamer sich fortpflanzte.

Nehmen wir an, daß das Licht in unserer Atmosphäre nur durch Zersetzungen50 sich fortpflanzt, so sieht man ein, warum das Licht allein keine Wärme bewirkt. Erst da, wo das Licht näher gegen die Erde kommt, wo die untere Luftschicht durch den Druck der ganzen oberen Atmosphäre allmählich dichter und mit heterogenen Teilen immer mehr vermischt wird, kann fühlbare Wärme entstehen; kein Wunder, daß auf einer beträchtlichen Höhe die Temperatur der Luft überall dieselbe ist. Ebenso wird dadurch erklärbar, daß die Wirkung des Lichts in Ansehung der Wärme sehr langsam sein muß, daß die Sonnenhitze erst in den spätern Monaten des Jahres und an einzelnen Tagen erst, nachdem Mittag vorbei ist, ihren höchsten Grad erreicht, daß unmittelbar nach Aufgang der Sonne die Luft kälter wird usw. Könnten wir noch überdies eine gewisse Beschaffenheit unserer Atmosphäre erweisen, die es notwendig machte, daß sie in beständiger Zersetzung erhalten würde, so wäre jene Voraussetzung um so wahrscheinlicher. Man wird schwerlich den Einwurf machen, daß diese beständige Zersetzung der Luft doch nicht so auf unser Auge wirkt, wie einzelne Zersetzungen, die wahrscheinlich bei allen meteorischen Erscheinungen stattfinden. Vielmehr sieht man, wie eine solche gleichförmige, nie unterbrochene, immer wiederholte Modifikation der Luft das Phänomen des Tages, d.h. einer gleichförmig verbreiteten Helle geben kann, so wie z.B. eine ungleichförmige Lichtentwicklung das Phänomen der Morgen- und Abendröten, vielleicht auch des Nordlichts und anderer Meteore gibt. Weil das Licht allgemein und[193] überall gleichförmig ist, kann es in keinem einzelnen Punkte besonders bemerkbar sein. Es mäßigt selbst den Eindruck, den eine einzelne Lichtentwicklung auf unser Auge machen würde, nach demselben Gesetz, das die Gestirne vor dem Glanz der Sonne verschwinden macht.

Ich verkenne die Schwierigkeiten jener Voraussetzung nicht, die auch nur innerhalb gewisser Grenzen gelten kann. Sollte die Wirkung entfernter Gestirne, deren Strahlen erst nach Jahrzehnten oder Jahrhunderten zu uns gekommen sind, auf unsere Atmosphäre noch groß genug sein, um eine solche Modifikation in ihr zu bewirken, als wir bei dieser Erklärung voraussetzen51? Doch darf gegen keine Hypothese der Einwurf geltend gemacht werden, daß sie allzu große Wirkungen in der Natur voraussetze52. Größe und Entfernung tun hier nichts: denn was in der einen Beziehung ferne ist, ist in der andern nahe, und wir haben für alles Räumliche bloß relative Maßstäbe. Wenn nun der im Universum ausgegossene Äther die absolute Identität aller Dinge selbst ist, so hebt sich in ihm Nähe und Entfernung vollends auf, da in ihm alle Dinge als Ein Ding und er selbst an sich und wesentlich Eines ist.

Die allgemeinste Behauptung, die über das Licht möglich ist, ist ohne Zweifel die, daß es eine bloße Modifikation der Materie sei, – sobald wir fragen, was das Licht wirklich sei, nicht, was es zu sein scheine, müssen wir auf diese Antwort kommen53 – und darum wenigstens ist die Frage unnütz,[194] ob das Licht eine besondere Materie sei? – Nur ist der Gewinn, den Physik und Naturbeobachtung daraus ziehen können, sehr gering oder gar keiner, und es ist billig, daß man dann erst mit ihr hervorrückt, wenn eine krasse Physik allzu sehr vergißt, was z.B. Lichtenberg oft genug wiederholt, daß, was wir über Licht, Wärme, Feuer, Materie sagen können, nichts mehr und nichts weniger als eine Bildersprache ist, die nur innerhalb[195] ihrer bestimmten Grenzen gilt. – Ebendarin besteht einem großen Teile nach das Geschäft einer philosophischen Naturwissenschaft, die Zulässigkeit sowohl, als die Grenzen solcher Fiktionen in der Physik zu bestimmen, die zum weiteren Fortschritt der Untersuchung und der Beobachtung schlechterdings notwendig sind, und nur dann unsern wissenschaftlichen Fortschritten entgegen sind, wenn wir sie außerhalb ihrer Grenze gebrauchen wollen.

Diese Betrachtungen müßten den bloßen Empiriker lehren, gegen widersprechende Meinungen über solche Dinge tolerant zu sein, und die Anmaßungen einzelner, die ihre Meinung (die doch auf keinen Fall mehr als Meinung ist) gegen alle übrigen geltend zu machen suchen, zurückweisen. Gesetzt also, wir können die Fortpflanzung des Lichts nicht erklären, jede bisher versuchte Hypothese habe ihre eigentümlichen Schwierigkeiten usw., so ist das kein Grund für uns, diese Hypothesen künftig nicht mehr, wie bisher, zu gebrauchen; eher können wir auf den Gedanken kommen, daß wohl alle jene Hypothesen gleich falsch sein möchten und daß ihnen allen eine gemeinschaftliche Täuschung zugrunde liege.

In der Physik aber, die diese Täuschung voraussetzt und voraussetzen muß, kann das Licht nach wie vor eine Materie bleiben, die von entfernten Weltkörpern bis zu uns sich fortpflanzt, und wenn wir gleich nicht mehr anzunehmen brauchen, daß die Sonne ein brennender Körper ist, so können wir sie doch immer noch als den Urquell betrachten, aus dem das Licht ausströmt. Also bleibt uns auch die Untersuchung wichtig, welche Beschaffenheit jenes Gestirn haben müsse, um einem ganzen System von Weltkörpern ununterbrochen Licht und Wärme zuzusenden.

Setzt man voraus (was nach den bisherigen Untersuchungen vorausgesetzt werden muß), daß das Licht in der Natur eine der ersten Rollen spielt, daß es vielleicht das große Mittel ist, dessen sich die Natur bedient, um auf jedem einzelnen Weltkörper Leben und Bewegung hervorzubringen und zu unterhalten, so läßt es sich erwarten, daß der Körper, der ein ganzes System untergeordneter[196] Körper regiert, also selbst der erste und größte in diesem System ist, auch unter diesen Körpern der erste Sitz des Lichts und der Wärme sein muß. Selbst dann, wenn uns das Licht nichts mehr als eine Modifikation der Materie überhaupt ist, die zur Erhaltung eines Natursystems notwendig ist, begreifen wir leicht, daß der Hauptkörper jedes Systems die Hauptursache des Lichts in den untergeordneten Systemen sein müsse.

Noch mehr wird diese Voraussetzung bestätigt durch die Vermutungen, die wir über die erste Bildung unsers Planetensystems wagen können. Die gegen den Äquator hin erhabene, gegen die Pole hin abgeplattete Gestalt der Erde läßt kaum zweifeln, daß die Erde erst allmählich aus flüssigem Zustande in festen übergegangen ist. Aus dieser Voraussetzung wenigstens hat Kant die allmähliche Bildung der jetzigen Gestalt der Erde, soweit sich so etwas begreiflich machen läßt – in wenigen Worten – begreiflicher gemacht, als sie durch manche weitläufige geologische Versuche und verwickelte Hypothesen geworden ist54.

War nämlich, sagt Kant, der Urstoff der Erde anfänglich in dunstförmiger Gestalt verbreitet, so mußten, als durch Kräfte der chemischen Anziehung jene Körper aus dem flüssigen Zustande in den festen übergingen, sogleich auch große Luftentwicklungen (man kann hinzusetzen: auch Entwicklungen verschiedener Luftarten) in ihrem Innern vorgehen, welche, durch die zugleich freigewordene Wärme bis zum höchsten Grad der Elastizität ausgedehnt und durch die Vermischung untereinander in noch größere Bewegung versetzt, bald den festen Körper durchbrachen, die Materie in großer Menge als Gebirge aufwarfen, sich selbst untereinander so lange zersetzten und niederschlugen, bis die mit sich selbst ins Gleichgewicht gekommene Luft von selbst sich erhob, ein Teil derselben aber als Wasser niederfiel, das vermöge seiner Schwere bald sich in dem Krater jener allgemeinen Eruption[197] ergoß, jetzt erst durch das Innere der Erde sich selbst seinen Weg brach, so allmählich durch seinen Lauf die regelmäßige Gestalt der Gebirge (deren Winkel großenteils wenigstens sich entsprechen) bildete und durch fortgesetzte Anspülungen im Lauf der Jahrhunderte jene regelmäßigen Schichten kalkartiger, verglaster oder versteinerter, vegetabilischer und tierischer Körper im Innern der Berge zustande brachte, zuletzt aber aus immer höheren Becken endlich in das tiefste von allen, das Meer, sich zurückzog.

Diese Hypothese vom Ursprung unserer Erde ist um so wichtiger, da wir, aller Analogie zufolge, das Recht haben, sie wenigstens auf die Bildung unseres Planetensystems auszudehnen. Wenigstens hat Kant55 äußerst wahrscheinlich gemacht, daß die vorgeblichen vulkanischen Krater im Monde, nach Analogie der großen Becken, in welchen das Wasser auf der Erde sich gesammelt hat und die man unmöglich für Folgen vulkanischer Ausbrüche halten kann, gleichfalls nichts anders, als Folgen atmosphärischer Eruptionen seien, durch welche sich allmählich auf allen festen Körpern die großen Gebirgsmassen und die Bassins der Strome und der Meere gebildet haben.

Darf ich zu dieser Hypothese eine andere hinzufügen, so sind die Kometen, diese im Systeme der Welt so rätselhaften Körper, allein Anschein nach keine festen Körper wie unsere Erde und die übrigen Planeten unseres Sonnensystems. Wenigstens gelang es selbst Herscheln nicht, in sechs von seiner Schwester entdeckten und fünf andern von ihm beobachteten Kometen, mit den möglich stärksten Vergrößerungen einen Kern zu entdecken56. Bei dieser Gelegenheit trägt Herr Hofrat Lichtenberg57 eine längstgefaßte Mutmaßung vor, daß entweder alle Kometen nur bloße Nebel seien, die uns gegen die Mitte zu dichter erscheinen müssen oder doch am Ende zu solchen[198] Nebeln werden. Wie, wenn uns diese Mutmaßung zu einer andern berechtigte, nämlich, daß die Kometen werdende Weltkörper sind, die, bis jetzt in Dunstgestalt verbreitet, den Gesetzen des allgemeinen Gleichgewichts der Schwere noch nicht völlig unterworfen, keinem System ausschließend angehören und eine in mehr als einer Hinsicht regellose Bahn durchlaufen. Läßt sich aus dieser Voraussetzung erklären, was nur mühsam erklärbar ist, sobald man die Kometen für feste Körper hält, daß ihre Bahn ebensowenig vollkommen elliptisch, als parabolisch oder hyperbolisch ist, daß sie alle mögliche Richtungen in ihrem Laufe haben, während alle Planeten die Eine von Abend gegen Morgen haben usw. Ich weiß wohl, daß man alle diese Phänomene teleologisch erklären kann, und dies hat Lambert getan, indem er zeigte, daß nur durch diese Unregelmäßigkeiten in der Bahn der Kometen die größte Zahl von Weltkörpern in diesem Raume möglich wird58. Aber damit ist nichts ausgerichtet; denn man will es mathematisch erklärt wissen, wie, nach Gesetzen der allgemeinen Gravitation, die Regellosigkeit in den Bewegungen dieser Körper möglich ist. – Ich weiß auch, daß Whiston schon die Kometen für unreife Planeten gehalten hat. Aber er verband damit ganz andere Begriffe, denn er dachte sie als brennende Körper, die erst (so wie ehemals unsere Erde) ausgebrannt sein müßten, um Planeten zu werden. Diese Vorstellung hat freilich nicht die geringste Wahrscheinlichkeit; allein sie ist auch von der oben vorgetragenen völlig verschieden.

Auf diese Analogien gestützt, können wir die Hypothese vom Ursprung der Erde keck auf die Bildung unsers ganzen Planetensystems, also auch auf die der Sonne selbst, ausdehnen. Denn die Sonne kann einmal in unserm Systeme für nicht mehr, als für den ersten Planeten gelten; könnten wir heute die Sonne aus dem Mittelpunkte ihres Systems hinwegnehmen, so würde sich bald der größte Planet in Besitz desselben setzen, und könnten wir auch diesen wieder wegnehmen, so hätte auch er wieder seinen Nachfolger, der die Sonne des Systems würde.[199]

Indem die festen Körper unseres Planetensystems aus dem dunstförmigen Zustand in den festen übergingen, mußte eine Quantität Wärme, die zur Erhaltung jenes Zustandes notwendig gewesen war und die wir beinahe so groß annehmen können, als wir wollen, frei werden. Derjenige Körper, welcher der Masse nach der größte war, mußte natürlich auch die größte Quantität Wärme zersetzen, und so wird es begreiflich, wie jeder Zentralkörper notwendig auch die Sonne seines Systems werden mußte59.

Diese Hypothese stimmt mit den neuesten Entdeckungen der Astronomie überein. Nachdem Schröter und andere die Atmosphäre des Monds, der Venus, des Jupiters außer Zweifel gesetzt hatten, war es an sich schon glaublich, daß auch die übrigen Weltkörper, und namentlich die Sonne, mit einer Ärosphäre umgeben seien. Herschel hat dieser Vermutung einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit gegeben, indem er die sogenannten Fackeln der Sonne als leuchtende, wolkenähnliche Dünste in der Atmosphäre der Sonne zu betrachten angefangen hat60. Wenigstens ist durch seine Bemühungen so viel ausgemacht, daß, wenn die Sonne von einer Atmosphäre umgeben ist, und wenn in dieser Atmosphäre Wolken entstehen, die mit Lichtzersetzungen verbunden sind, die Sonne uns gerade so erscheinen muß, wie sie uns wirklich erscheint. – Herschel glaubt, daß wirklich diese lichten Wolken in der Sonnenatmosphäre durch Niederschlag und Dekomposition der Luft entstehen, und daß es eigentlich dieses durch Zersetzungen entwickelte Licht ist, was in der Sonne leuchtet, während die übrigen durchsichtigen Gegenden ihrer Atmosphäre, durch welche man den Sonnenkörper selbst erblicken kann, als Flecken erscheinen. Daraus folgt denn weiter ganz natürlich, daß die Sonne kein brennender, unbewohnbarer Körper, daß sie überhaupt den übrigen Weltkörpern ihres Systems weit ähnlicher ist, als man gewöhnlich sich vorzustellen pflegt.

Die Hypothese, daß das Licht der Sonne sich aus Zersetzungen[200] ihrer Atmosphäre entwickelt, könnte noch wichtiger werden, sobald man diesen Gedanken weiter verfolgte. Wodurch werden jene Zersetzungen bewirkt? Und warum sind oder scheinen sie nur partial zu sein? Wenn wir aber einmal Lichtentwicklungen in der Atmosphäre eines Weltkörpers annehmen, so läßt sich dies auch auf die Atmosphären der übrigen Weltkörper anwenden. Wenigstens scheint Herschel selbst zu glauben, daß diese Lichtentwicklungen der Sonne nicht eigentümlich seien. Er beruft sich auf das Nordlicht, das oft so groß und so glänzend erscheint, daß es wahrscheinlich vom Monde aus gesehen werden kann, ferner auf das Licht, das oft in heitern, mondlosen Nächten den ganzen Himmel überzieht. – Das Nordlicht, könnte man darauf erwidern, hat einen hohem Glanz, weil es (wie das Licht der Morgen- und Abendröten) ein partielles Licht ist. Wenn nun also durch Einwirkung der Sonne die Lichtentwicklung, die in diesen Fällen bloß partiell ist, allgemein würde, ließe sich dadurch nicht das ganze Phänomen des Tages begreifen61?

Auch Herschel bleibt dabei stehen, daß die Sonne Licht aussende, und kann auch den Einwurf nicht: ganz vorbeigehen, daß die Sonne durch so häufige Lichtzersetzungen allmählich erschöpft werden müßte. Ist das Licht der Sonne bloß ein Phänomen ihrer Atmosphäre, so hat dieser Einwurf ohnehin nicht mehr soviel auf sich, als wenn man die Sonne für einen glühenden oder brennenden Körper hält. Indes kann er sich, um diesem Einwurf zu begegnen, doch die Hypothese nicht versagen, daß die Kometen vielleicht das Vehikel seien, durch welches der Sonne ihr beständiger Lichtverlust wieder ersetzt wird. Alles kommt auf die Begriffe an, die man sich vom Lichte macht. Mein kann ohnehin nicht glauben, daß in einem System, wo alles zusammenhängt,[201] irgend etwas beständigen Verlust erleide, ohne Ersatz zu erhalten, und es lassen sich unzählige Quellen denken, aus welchen auch der Sonne Licht zuströmt. Auf die übrigen Einwürfe, die man gegen eine Verbreitung der Lichtmaterie von der Sonne aus gemacht hat, nimmt Herr Herschel keine Rücksicht. Nur einige derselben treffen auch seine Hypothese; auf jeden Fall sind sie alle zusammen für den Empiriker neugierige Fragen, die zur Last fallen, und die man nicht so recht, wie man gerne wünschte, von sich weisen kann, so lange man sich noch mit den krassen Begriffen vom Lichte trägt.

So bleibt also jede Hypothese über den Ursprung des Lichts, sobald sie die Fortpflanzung desselben erklären soll, bei Schwierigkeiten stellen, die sie nicht auflösen kann, und das Resultat einer unparteiischen Untersuchung scheint doch am Ende dieses zu sein, daß noch keine der bisherigen Hypothesen die Wahrheit ganz getroffen habe; dieses Resultat aber ist so gewöhnlich und den meisten unserer Untersuchungen so gemein, daß man nichts Besonderes damit gesagt zu haben glauben darf.

44

Ein Beweis, daß gerade diejenige Chemie, die eine chemische Bindung der Wärme annimmt, am wenigsten nötig hat, zum Wärmestoff auch noch einen Lichtstoff hinzuzutun.

45

Dies läßt aber doch so gewiß nicht behaupten, wenn man nicht etwa besondere Experimente darüber angestellt hat. Die Flamme der hellsten, mit dem größten Glänze brennenden Lampen (der Argandischen) erscheint, der Mittagssonne ausgesetzt, in der Gestalt eines toten, gelben, halbdurchsichtigen Rauchs. Vergl. die Bemerkungen des Grafen von Rumford in Grens neuem Journal der Physik Band II, 1. Heft, S. 61.

46

Flamma est fumus candens.

47

»Freilich wird von der eigentlichen Natur des Feuers immer noch vieles vor unsern Augen verborgen bleiben, allein wenn auch alle diese Vorstellungsarten von der absoluten Wahrheit sehr weit entfernt bleiben, so haben sie doch immer für uns einen sehr großen relativen Wert; sie sind schickliche Bilder, uns die mannigfaltigen Erscheinungen der Natur im Zusammenhang zu denken und uns die Kenntnis derselben zu erleichtern. Gesetzt, die Ursache der Hitze sei kein Fludium, es sei etwas, wovon sich nichts Gleiches in der Natur fände, so ist doch nicht zu leugnen, daß sich die Erscheinungen, so weit wir sie kennen, sehr schicklich unter dem Bilde eines flüssigen Wesens denken lassen, und ist ein solches Zeichen glücklich gewählt, so kann es selbst dienen, den Geist auf neue Verhältnisse des unbekannten Wesens zu leiten. Was Wunder also, wenn die Naturforscher anfangen, ihre Erklärungen der natürlichen Phänomene für etwas mehr als bloße Bildersprache zu halten. – Und was ist denn das Reelle in unsern Vorstellungen von Dingen außer uns überhaupt, und was haben sie für Verhältnisse zu denselben? Laßt uns daher immer jene Bildersprache studieren und uns bemühen, ihr mehr Reichtum zu geben, so treffen wir am Ende vielleicht die Wahrheit so, wie sie der unterrichtete Taubstumme endlich trifft, der unsere Sprache für das Ohr für eine für das Auge, und was eigentlich Töne sind, für Bewegung der Kehle und der Lippen hält, aber, indem er sich die letztere zu sprechen bestrebt, auch demjenigen Sinne, ohne es zu wissen, vernehmlich spricht, dessen er gänzlich beraubt ist.« Lichtenbergs Anmerkung zu Erxlebens Naturlehre, 6. Auflage, S. 453.

48

Man siehe z.B. Fourcroys chemische Philosophie erster Abschnitt.

49

A. a. O. S. 11.

50

Ich brauche auch hier wieder einen Ausdruck der Chemie, ohne damit eben etwas Chemisches in diesem Verhältnis andeuten zu wollen.

51

Oder, was sollen wir mehr bewundern, die Subtilität des Lichts, oder die Feinheit unseres Organs?

52

Von hier bis zum Ende dieses Absatzes lautet es in der ersten Auflage so: Müssen wir uns nicht gestehen, daß das System, in welchem wir existieren, ein System der untersten Ordnung ist, daß schon die Größe des nächsten Systems, zu welchem unsere Sonne gehört, alle Anstrengung unserer Einbildungskraft übersteigt, daß, wenn unsere Sonne selbst zugleich mit ihren Planeten und Kometen sich fortbewegt, Jahrtausende kaum einen Maßstab dieser Bewegung abgeben, und daß dann vielleicht auch das Licht, das unsere Dunkelheit erhellt, nur von der Grenze des Universums zu uns kommt?

53

Mehrere philosophische Naturforscher haben diesen Gedanken nicht ungereimt gefunden. Zum Beweis setze ich eine Stelle aus Büffon hierher, die vielleicht aufmerksam darauf machen kann, daß der Streit über die Natur des Lichts nur von einem höheren Standpunkt aus entschieden werden kann: »Toute matière deviendra lumière, dès que toute cohérence étant détruite, elle se trouvera divisée en molécules suffisamment petites, et que ces molécules étant en liberté, seront déterminées par leur attraction mutuelle à se précipiter les unes contres les autres; dans l'instant du choc la force répulsive s'exercera, les molécules se fuiront en tout sens avec une vitesse presque infinie, laquelle néanmoins n'est qu' égale à leur vitesse acquise au moment du contact: car la loi de l'attraction êtant d'augmenter comme l'espace diminue, il est évident qu'au contact l'espace toujours proportionnel au carré de la distance devient nul, et que par conséquent la vitesse acquise en vertu de l'attraction, doit à ce point devenir presqu' infinie; cette vitesse seroit même infinie si le contact étoit immédiat, et par conséquent la distance entre les deux corps absolument nulle; mais, comme nous l'avons souvent répété, il n'y a rien d'absolu, rien de parfait dans la Nature et de même rien de absolument grand, rien d'absolument petit, rien d'entièrement nul, rien de vraiment infini; et tout ce que j'ai dit de la petitesse infinie des atomes qui constituent la lumière, de leur ressort parfait, de la distance nulle dans le moment du contact, ne doit s'entendre qu'avec restriction. Si l'on pouvoit douter de cette vérité métaphysique, il seroit possible d'en donner une démonstration physique, sans même nous écarter de notre sujet. Tout le monde sait que la lumière emploie environ sept minutes et demie de temps à venir du soleil jusqu'à nous; supposant donc le soleil à trentesix millions de lieues la lumière parcourt cette énorme distance en sept minutes et demie, ou ce qui revient au même (supposant son mouvement uniforme), quatrevingt mille lieues en une soconde. Cette vitesse quoique prodigieuse est néanmoins bien éloignée d'être infinie, puisqu'elle est déterminable par les nombres; elle cessera même de paroître prodigieuse, lorsqu'on réfléchira que la Nature semble marcher en grand, presque aussi vite qu'en petit; il ne faut pour cela que supputer la célérité du mouvement des comêtes à leur périhélie, ou même celle des planêtes qui se mouvent le plus rapidement, et l'on verra que la vitesse de ces masses immenses quoique moindre, se peut néanmoins comparer d'assez près avec celle de nos atomes de lumière.« T. VI. p. 20-22.

54

Man siehe seine Abhandlung über die Vulkane im Monde in der Berliner Monatsschrift. März 1785. Ich weiß sehr wohl, daß die Voraussetzung des ursprünglich flüssigen Zustandes der Erde weit älter ist, als diese Abhandlung; aber hier ist von der Anwendung die Rede, die von dieser Voraussetzung gemacht wurde.

55

A. a. O.

56

Daß die Kometen keine festen Körper seien, ist ferner außer Zweifel gesetzt durch Herrn Olbers Beobachtungen, der durch einen im April 1786 beobachteten Kometen Sterne der fünften Größe erblickte.

57

Anmerkung zu Erxlebens Naturlehre § 644.

58

Kosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. 1761.

59

Kant a. a. O.

60

Herschels Abhandlung steht in den philos. Transact. 1795. Vol. I. und im Auszug in Lichtenbergs Kalender für das Jahr 1797.

61

Dazu müßte man noch die Bemerkung nehmen, daß das Licht unendlicher Grade von Elastizität fähig ist. Ohne Zweifel hängt der größere oder geringere Glanz des Lichts von der größeren oder geringeren Elastizität der Lichtteilchen ab. Das Sonnenlicht aber ist das glänzendste, das wir kennen, und zwischen ihm und der Flamme, die wir durch unsere gewöhnlichen Luftzersetzungen erhalten, kann es eine Menge Abstufungen des Glanzes – und also auch der Elastizität – geben. (In der ersten Auflage steht in dieser Note »Subtilität« statt »Elastizität«.)

Quelle:
Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Werke. Band 1, Leipzig 1907, S. 181-202.
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