Allgemeine Anmerkung über die Atomistik.
(Zusatz zum dritten Kapitel.)

[308] Was in dem voranstehenden Kapitel über den Wert der Atomistik an sich gesagt ist, überhebt uns fernerer Erklärungen darüber: wir erinnern nur in Ansehung ihres relativen Werts, daß Atomistik überhaupt das einzig konsequente System der Empirie ist, daß für den, der die Natur nur als ein Gegebenes betrachtet und sich streng auf diesem Standpunkt hält, keine andre letzte Annahme als die der Atomen und der Zusammengesetztheit der Materie möglich ist, und daß es nur der Gedankenlosigkeit eines empirischen Zeitalters und der Unfähigkeit zu allgemeinen Ansichten selbst innerhalb der Empirie zuzuschreiben sei, wenn z.B. das System des le Sage nicht allgemeinen Beifall gefunden und weiter ausgebildet worden ist. Wer, der nur einigen wissenschaftlichen Sinn hat, wird nicht offenherzig gestehen, daß er in der Reinheit der le Sage'schen Atomistik sich geistig besser befinde, als in dem unreinen Gemengsel der gewöhnlichen Physik aus mechanischen und halb dynamischen Vorstellungsarten? Bei jenem ist alles klar und faßlich, sobald man über die ersten Vorstellungsarten einig ist, welches der empirischen Ansicht leicht wird: hier dagegen ist alles verworren in schwankendem und unerkennbarem Zustande. Man kann anführen, daß diejenigen Physiker, welche[308] eine lange Zeit ausschließend die Naturlehre mit Ideen bereicherten, wie de Lüc und Lichtenberg diesem System zugetan oder wenigstens geneigt waren. Erhebt man sich über den Standpunkt des Gegebenseins und zur Idee des Universums, so fällt freilich alle Atomistik zusammen; denjenigen aber, die dies nicht vermögen, könnte man zumuten, wenigstens in jener (welche doch ihre wahre und einzige Sphäre ist) es zu einiger Vollendung zu bringen.

Quelle:
Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Werke. Band 1, Leipzig 1907, S. 308-309.
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