Zweite Epoche.
Von der produktiven Anschauung bis zur Reflexion
Vorerinnerung

[128] Die erste Epoche schließt mit der Erhebung des Ichs zur Intelligenz. Die beiden völlig getrennten und in ganz verschiedenen Sphären befindlichen Tätigkeiten sind durch die dritte in sie eingreifende wieder in ein und dasselbe Produkt gesetzt. Durch dieses Eingreifen einer dritten Tätigkeit in beide wird auch die Tätigkeit des Dings wieder zu einer Tätigkeit des Ichs, welches eben dadurch selbst zur Intelligenz erhoben wird.

Aber das Ich, indem es anschauend ist, ist auch im Produzieren völlig gefesselt und gebunden, und kann nicht zugleich Anschauendes sein und Angeschautes. Die Produktion ist nur darum eine völlig blinde und bewußtlose. Nach der hinlänglich bekannten Methode der Transzendental-Philosophie tritt also jetzt die Frage ein, wie das Ich, welches bis jetzt bloß für uns anschauend und Intelligenz ist, dasselbe auch für sich selbst werde, oder als solches sich anschaue. Nun läßt sich aber schlechterdings kein Grund denken, der das Ich bestimmte, sich selbst als produktiv anzuschauen, wenn nicht in der Produktion selbst ein Grund liegt, der die ideelle im Produzieren mitbegriffene Tätigkeit des Ichs in sich zurücktreibt, und sie dadurch über das Produkt hinauszugehen veranlaßt. Die Frage, wie das Ich sich selbst als produktiv erkenne, ist also gleichbedeutend mit der: wie das Ich dazu komme, sich selbst von seiner Produktion loszureißen und über dieselbe hinauszugehen.[128]

Ehe wir uns auf die Beantwortung dieser Frage selbst einlassen, wird folgende Anmerkung dienen, einen vorläufigen Begriff von dem Inhalt der nächsten Epoche zu geben.

Der ganze Gegenstand unsrer Untersuchung ist nur die Erklärung des Selbstbewußtseins. Alle Handlungen des Ichs, die wir bisher abgeleitet haben, oder ferner ableiten werden, sind nur die Mittelglieder, durch welche hindurch unser Objekt zum Selbstbewußtsein gelangt. Das Selbstbewußtsein ist selbst ein bestimmtes Handeln, also müssen auch alle jene Mittelglieder bestimmte Handlungen sein. Aber durch jede bestimmte Handlung entsteht dem Ich ein bestimmtes Produkt. Nun war es dem Ich nicht um das Produkt, sondern um sich selbst zu tun. Es will nicht das Produkt, sondern in dem Produkt sich selbst anschauen. Nun wäre es aber möglich, und es ist, wie sich bald zeigen wird, sogar notwendig, daß dem Ich eben durch das Streben in der Produktion sich selbst anzuschauen, die Bedingung eines neuen Produkts entstehe, und so ins Unendliche fort, wenn nicht etwa eine neue, bis jetzt unbekannte Begrenztheit hinzukommt, dergestalt, daß wir nicht einsehen können, wie das Ich, nachdem es einmal ins Produzieren geraten ist, aus demselben je wieder herauskomme, da die Bedingung alles Produzierens und der Mechanismus desselben beständig wiederhergestellt wird.

Indem wir also zu erklären versuchen, wie das Ich aus der Produktion heraustrete, werden wir unser Objekt vielmehr in eine ganze Reihe von Produktionen verwickeln. Wir werden also die Hauptaufgabe dieser Epoche nur sehr indirekt auflösen können, und ebenso wie unserem Objekt wird uns, statt dessen, was wir suchten, so lange etwas ganz anderes entstehen, bis wir uns etwa durch eine aus absoluter Spontaneität geschehende Reflexion aus diesem Kreis herausversetzen. Zwischen diesem Punkt der absoluten Reflexion und dem gegenwärtigen Punkt des Bewußtseins liegt als Zwischenglied die ganze Mannigfaltigkeit der objektiven Welt, ihrer Produkte und Erscheinungen.

Da unsere ganze Philosophie auf dem Standpunkt der Anschauung, nicht auf dem der Reflexion steht, auf welchem z.B.[129] Kant mit seiner Philosophie befindlich ist, so werden wir auch die jetzt beginnende Reihe von Handlungen der Intelligenz als Handlungen, nicht etwa als Begriffe von Handlungen, oder als Kategorien ableiten. Denn wie jene Handlungen zur Reflexion gelangen, ist die Aufgabe einer späteren Epoche des Selbstbewußtseins.


D. Aufgabe: zu erklären, wie das Ich dazu komme sich selbst als produktiv anzuschauen
Auflösung
I.

Darauf, daß das Ich sich anschaue als einfache Tätigkeit, müssen wir Verzicht tun, nachdem es einmal produzierend geworden ist. Daß es sich aber als produzierend anschaue, läßt sich nicht denken, wenn ihm nicht unmittelbar durch die Produktion wieder eine ideelle Tätigkeit entsteht, vermöge welcher es sich in derselben anschaut.

Es werde also indes nur als Hypothese angenommen, das Ich habe eine Anschauung seiner selbst in seinem Produzieren, um indes die Bedingungen einer solchen Anschauung zu finden. Finden sich diese Bedingungen im Bewußtsein etwa wirklich vor, so werden wir alsdann schließen, daß eine solche Anschauung wirklich statthabe, und das Resultat derselben zu finden suchen.

Soll das Ich sich selbst als produzierend anschauen, so muß es, dies ist das erste, was wir hierüber festsetzen können, notwendig sich zugleich von sich selbst, insofern es nicht produzierend ist, unterscheiden. Denn indem es sich als produzierend anschaut, schaut es sich ohne Zweifel an als ein Bestimmtes, aber es kann sich nicht als ein Bestimmtes anschauen, ohne sich etwas anderes entgegenzusetzen, was es gleichfalls sein könnte. –

Um die Untersuchung zu erleichtern, fragen wir sogleich, was denn jenes Nichtproduzierende im Ich sein werde, dem das Produzierende[130] entgegengesetzt werden muß. Es läßt sich hier schon so viel wenigstens einsehen. Das Ich, insofern es produzierend ist, ist nicht eine einfache, sondern eine zusammengesetzte Tätigkeit (in dem Sinn des Worts, in welchem man z.B. von einer zusammengesetzten Bewegung in der Mechanik spricht). Das Nichtproduzierende im Ich muß also dem Produktiven als einfache Tätigkeit entgegengesetzt werden.

Aber ferner, die produktive und diese einfache Tätigkeit müssen, um einander entgegengesetzt zu werden, zugleich wieder in einem höheren Begriffe zusammenstimmen. In bezug auf denselben müssen beide als Eine Tätigkeit, ihre Verschiedenheit also als etwas bloß Zufälliges erscheinen. Es müßte sich zeigen, daß, irgend etwas gesetzt, beide Tätigkeiten verschieden, irgend etwas nicht gesetzt, beide Tätigkeiten identisch sind.

Es müßten ferner wieder drei Tätigkeiten im Ich sein, eine einfache und eine zusammengesetzte, und eine dritte, welche beide voneinander unterschiede und aufeinander bezöge. Diese dritte Tätigkeit muß nun notwendig selbst eine einfache sein, denn ohne das könnte sie die zusammengesetzte nicht als solche unterscheiden. Jene einfache Tätigkeit, auf welche die zusammengesetzte bezogen wird, ist also zugleich die beziehende, und wenn die beziehende charakterisiert ist, so ist es auch die, welche bezogen wird.

Nun kann aber die beziehende Tätigkeit keine andere sein, als die oben von uns postulierte, unmittelbar durch die Produktion wieder entstehende ideelle Tätigkeit. Diese geht eben deswegen, weil sie ideell ist, nur auf das Ich selbst, und ist nichts anderes als jene einfache anschauende Tätigkeit, die wir gleich anfangs in das Ich gesetzt haben.

Der Beziehungsgrund beider Tätigkeiten wäre also der, daß sie beide anschauend, der Unterscheidungsgrund aber, daß die eine eine einfache, die andere eine zusammengesetzte anschauende Tätigkeit ist.

Sollen beide Tätigkeiten als anschauend gesetzt werden, so müßten beide aus Einem Prinzip entsprungen sein. Die Bedingung, unter welcher beide verschieden sind, muß also in bezug auf das Prinzip als zufällig erscheinen. Dieses Zufällige ist beiden[131] gemein; was also zufällig ist für die produktive, ist auch zufällig für die einfache. Läßt sich nun in der Produktion ein Zufälliges finden, was zugleich die gemeinschaftliche Grenze beider Tätigkeiten machen könnte?

Um dies zu erfahren, kehre man die Frage um. Was ist denn das Wesentliche, Notwendige in der Produktion? Das Notwendige ist, was Bedingung des Produzierens selbst ist, das Zufällige oder Akzidentelle wird sonach das Entgegengesetzte, also das Einschränkende oder Begrenzende der Produktion sein.

Das Einschränkende der Produktion ist die dem Ich entgegengesetzte Tätigkeit des Dings an sich. Aber diese kann für die Produktion nicht zufällig sein, denn sie ist notwendige Bedingung des Produzierens. Nicht also das Einschränkende selbst wird das Zufällige sein, sondern das Einschränkende des Einschränkenden.

Deutlicher. Die Tätigkeit des Dings an sich erklärt mir nur überhaupt eine Einschränkung der jetzt produktiven Tätigkeit, nicht das Zufällige dieser Beschränkung, oder daß die Einschränkung diese bestimmte ist. Die Tätigkeit des Dings ist an und für sich ebensowenig begrenzt als die des Ichs.

Daß die Tätigkeit des Dings an sich das Begrenzende des Ichs ist, erklärt sich daraus, daß sie ihm entgegengesetzt ist; daß sie aber das Ich auf bestimmte Art begrenzt, was selbst nicht möglich ist, ohne daß sie gleichfalls begrenzt sei, dies läßt sich nicht mehr aus jener Entgegensetzung herleiten. Sie könnte dem Ich immerhin entgegengesetzt sein, ohne es auf diese bestimmte Art zu sein.

Das Notwendige der Produktion liegt also in der Entgegensetzung überhaupt, das Zufällige in der Grenze der Entgegensetzung. Aber diese ist nichts anderes als die zwischen dem Ich und dem Dinge liegende gemeinschaftliche Grenze. Die Grenze ist gemeinschaftlich, d.h. sie ist Grenze ebensowohl für das Ding als für das Ich.

Ziehen wir unsere Schlüsse zusammen, so erhalten wir als Resultat folgendes. Die beiden, im Prinzip identischen, anschauenden Tätigkeiten sind unterschieden durch die zufällige Grenze des Ichs und des Dings an sich, oder: was Grenze des Ichs und des Dings ist, ist auch die Grenze jener beiden anschauenden Tätigkeiten.[132]

Die einfache anschauende Tätigkeit hat nur das Ich selbst zum Objekt, die zusammengesetzte das Ich und das Ding zugleich. Die letztere geht eben deswegen zum Teil über die Grenze, oder sie ist in- und außerhalb der Grenze zugleich. Nun ist aber das Ich nur diesseits der Grenze Ich, denn jenseits der Grenze hat es sich für sich selbst in das Ding an sich verwandelt. Die Anschauung, die über die Grenze hinausgeht, geht also zugleich über das Ich selbst hinaus, und erscheint insofern als äußere Anschauung. Die einfache anschauende Tätigkeit bleibt innerhalb des Ichs, und kann insofern innere Anschauung heißen.

Das Verhältnis beider anschauenden Tätigkeiten ist sonach folgendes. Die einzige Grenze der innern und äußern Anschauung ist die Grenze des Ichs und des Dings an sich. Diese Grenze hinweggenommen, fließen innere und äußere Anschauung zusammen. Der äußere Sinn fängt da an, wo der innere aufhört. Was uns als Objekt des äußern erscheint, ist mir ein Begrenzungspunkt des innern, beide, äußerer und innerer Sinn, sind also auch ursprünglich identisch, denn der äußere ist nur der begrenzte innere. Der äußere Sinn ist notwendig auch innerer, da hingegen der innere nicht notwendig auch äußerer ist. Alle Anschauung ist in ihrem Prinzip intellektuell, daher die objektive Welt nur die unter Schranken erscheinende intellektuelle. –

Das Resultat der ganzen Untersuchung besteht in folgendem. Soll das Ich sich selbst anschauen als produzierend, so müssen erstens innere und äußere Anschauung in ihm sich trennen, zweitens es muß eine Beziehung beider aufeinander stattfinden. Es entsteht also zunächst die Frage, was denn das Beziehende der beiden Anschauungen sein werde.

Das Beziehende ist notwendig etwas beiden Gemeinschaftliches. Nun hatte aber die innere Anschauung nichts gemein mit der äußeren als äußerer, wohl aber hat umgekehrt die äußere Anschauung etwas gemein mit der inneren, denn der äußere Sinn ist auch innerer. Das Beziehende des äußeren und inneren Sinns ist also selbst wieder der innere Sinn. Wir fangen hier zuerst an zu begreifen, wie das Ich etwa dazu[133] kommen könnte, äußere und innere Anschauung sich entgegenzusetzen und aufeinander zu beziehen. Dies würde nämlich nie geschehen, wenn nicht das Beziehende, der innere Sinn, selbst mitbegriffen wäre in der äußeren Anschauung als das eigentlich tätige und konstruierende Prinzip; denn, wenn der äußere Sinn der begrenzte innere ist, so werden wir dagegen den inneren als solchen als ursprünglich unbegrenzbar setzen müssen. Der innere Sinn ist daher nichts anderes als die gleich anfangs in das Ich gesetzte unbegrenzbare Tendenz des Ichs sich selbst anzuschauen, welche hier nur zuerst als innerer Sinn unterschieden wird, also dieselbe Tätigkeit, welche im vorhergehenden Akt unmittelbar durch ihr Hinausgehen über die Grenze begrenzt wurde.

Sollte das Ich sich selbst in der äußern Anschauung als anschauend erkennen, so müßte es die äußere Anschauung beziehen auf die jetzt wiederhergestellte ideelle, die aber nun als innere erscheint. Aber das Ich selbst ist nur diese ideelle Anschauung, denn die zugleich ideelle und reelle ist etwas ganz anderes; also wäre Beziehendes, und das, worauf bezogen wird, in dieser Handlung eins und dasselbe. Nun könnte freilich die äußere Anschauung bezogen werden auf die innere, denn beide sind verschieden, und doch ist wiederum ein Grund der Identität zwischen beiden. Aber das Ich kann die äußere Anschauung nicht beziehen auf die innere als innere, denn es kann nicht in einer und derselben Handlung die äußere Anschauung auf sich beziehen, und indem es bezieht, zugleich wieder auf sich als Beziehungsgrund reflektieren. Es könnte also die äußere Anschauung nicht auf die innere, als innere, beziehen, denn es wäre, nach der Voraussetzung, selbst nichts als innere Anschauung; und sollte es die innere Anschauung anerkennen als solche, so mußte es noch etwas anderes als diese sein.

In der vorhergehenden Handlung war das Ich produzierend, aber Produzierendes und Produziertes fielen in Eins zusammen, das Ich und sein Objekt waren eins und dasselbe. Wir suchen jetzt eine Handlung, in welcher das Ich sich als Produzierendes erkennen sollte. Wäre dies möglich, so würde von einem Angeschauten[134] gar nichts im Bewußtsein vorkommen. Aber die produktive Anschauung könnte, wenn sie erkannt würde, als solche nur im Gegensatz gegen die innere erkannt werden. Nun würde aber die innere selbst nicht anerkannt werden als innere, eben deswegen weil das Ich in dieser Handlung sonst nichts wäre als innere Anschauung, also könnte auch die äußere Anschauung nicht anerkannt werden als solche, und da sie nur als äußere Anschauung anerkennbar ist, überhaupt nicht anerkannt werden als Anschauung. Mithin würde von dieser ganzen Handlung im Bewußtsein nichts zurückbleiben als auf der einen Seite das Angeschaute (losgetrennt von der Anschauung), auf der andern das Ich als ideelle Tätigkeit, die aber jetzt innerer Sinn ist.

Im empirischen Bewußtsein kommt von einer äußern Anschauung als Akt schlechthin nichts vor, und darf nichts vorkommen, es ist aber eine sehr wichtige Untersuchung, wie in demselben das Objekt und der noch immer unbegrenzte und, wie z.B. in Entwertung von Schematen usw., völlig freie innere Sinn nebeneinander bestehen können. – Ebensowenig als die äußere Anschauung als Akt kommt auch das Ding an sich im Bewußtsein vor, es ist, durch das sinnliche Objekt aus dem Bewußtsein verdrängt, bloß ideeller Erklärungsgrund des Bewußtseins, und liegt, wie das Handeln der Intelligenz selbst, für die Intelligenz jenseits des Bewußtseins. Als Erklärungsgrund braucht das Ding an sich nur eine Philosophie, die einige Stufen höher steht als das empirische Bewußtsein. Der Empirismus wird sich nie soweit versteigen. Kant hat durch das Ding an sich, das er in die Philosophie einführte, wenigstens den ersten Anstoß gegeben, der die Philosophie über das gemeine Bewußtsein hinaus führen konnte, und wenigstens angedeutet, daß der Grund des im Bewußtsein vorkommenden Objekts nicht selbst wieder im Bewußtsein liegen könne, nur daß er nicht einmal deutlich gedacht, geschweige denn erklärt hat, daß jener jenseits des Bewußtseins liegende Erklärungsgrund am Ende doch nur unsere eigne ideelle, zum Ding an sich nur hypostasierte Tätigkeit sei.


II.

[135] Das Resultat der hypothetisch angenommenen Beziehung wäre das sinnliche Objekt (getrennt von der Anschauung als Akt) auf der einen Seite, und der innere Sinn auf der andern. Beides zusammen macht das Ich empfindend mit Bewußtsein. Denn was wir innern Sinn nennen, ist nichts anderes als das mit Bewußtsein Empfindende im Ich. Im ursprünglichen Akt der Empfindung war das Ich empfindend, ohne es für sich selbst zu sein, d.h. es war empfindend ohne Bewußtsein. Durch den eben abgeleiteten Akt, von welchem aber aus den angezeigten Gründen im Ich nichts zurückbleiben kann als das sinnliche Objekt auf der einen und der innere Sinn auf der andern Seite, zeigt es sich, daß das Ich durch die produktive Anschauung empfindend wird mit Bewußtsein.

Nach dem hinlänglich bekannten Gang der Transzendental-Philosophie muß also die Aufgabe, wie das Ich sich als produzierend erkenne, jetzt so bestimmt werden: wie das Ich sich als empfindend mit Bewußtsein zum Objekt werde. Oder, da Empfindung mit Bewußtsein und innerer Sinn dasselbe ist, wie das Ich auch als innerer Sinn sich zum Objekt werde.

Die ganze Folge der Untersuchung wird also jene eben (I.) abgeleitete Handlung der Beziehung zum Objekt haben und dieselbe begreiflich zu machen suchen müssen.

Es ist leicht folgendes einzusehen. Das Ich kann sich selbst als empfindend mit Bewußtsein nur dadurch unterscheiden, daß es das Objekt als das bloß Angeschaute, mithin Bewußtlose, sich selbst als dem Bewußten (mit Bewußtsein Empfindenden) entgegensetzt.

Nun ist das Objekt, transzendental angesehen, nichts anderes als die äußere oder produktive Anschauung selbst. Nur das Ich kann sich dieser Anschauung nicht als solcher bewußt werden. Das Objekt muß also dem innern Sinn ebenso entgegengesetzt sein, wie ihm der äußere Sinn entgegengesetzt war. Aber die Entgegensetzung beider Anschauungen, der innern und äußern, machte allein die zwischen beiden befindliche Grenze. Das Objekt ist also nur[136] Objekt, insofern es durch dieselbe Grenze begrenzt ist, durch welche innerer und äußerer Sinn geschieden waren, welche also jetzt nicht mehr Grenze des innern und äußern Sinns, sondern Grenze des mit Bewußtsein empfindenden Ichs und des völlig bewußtlosen Objekts ist.

Das Ich kann sich also das Objekt nicht entgegensetzen, ohne die Grenze als Grenze anzuerkennen. Wie ist denn nun die Grenze bestimmt worden? – Als zufällig in jeder Rücksicht, zufällig für das Ding, wie für das Ich. Inwiefern ist sie aber überhaupt Grenze für das Ich? Sie ist nicht etwa Grenze der Tätigkeit, sondern Grenze des Leidens im Ich, versteht sich des Leidens im realen und objektiven Ich. Die Passivität des Ichs wurde eben dadurch begrenzt, daß ihr Grund in ein Ding an sich gesetzt wurde, was notwendig selbst ein begrenztes war. Was aber Grenze für das Ding an sich (die ideelle Tätigkeit) ist, ist Grenze der Passivität des reellen Ichs, nicht seiner Aktivität, denn diese ist schon durch das Ding an sich selbst eingeschränkt.

Was die Grenze für das Ding sei, beantwortet sich nun von selbst. Ich und Ding sind sich so entgegengesetzt, daß, was Passivität im einen, Aktivität im andern ist. Ist also die Grenze Grenze der Passivität des Ichs, so ist sie notwendig Grenze der Aktivität des Dings, und nur insofern gemeinschaftliche Grenze beider.

Die Grenze kann also auch als Grenze nur anerkannt werden, wenn sie als Grenze der Aktivität des Dings anerkannt wird. Es fragt sich, wie dies zu denken sei.

Durch die Grenze soll die Aktivität des Dings eingeschränkt werden, und sie soll nicht etwa nur dem Ich, sondern ebenso auch dem Ding zufällig sein. Ist sie dem Ding zufällig, so muß das Ding ursprünglich und an und für sich unbegrenzte Tätigkeit sein. Daß also die Aktivität des Dings eingeschränkt wird, muß unerklärbar sein aus ihm selbst, also erklärbar nur aus einem Grund außer ihm.

Wo ist dieser Grund zu suchen? Im Ich? Allein diese Erklärung läßt sich auf dem gegenwärtigen Standpunkt gar nicht mehr machen. Daß das Ich unbewußt auch wieder Ursache dieser Begrenzung des Dings (der ideellen Tätigkeit) und dadurch seiner[137] eignen Passivität, d.h., wie sich bald zeigen wird, seiner besondern Begrenztheit, ist, kann das Ich selbst nicht wissen. Daß also die Aktivität des Dings, und dadurch mittelbar die Passivität des Ichs begrenzt ist, davon kann das Ich selbst den Grund in nichts suchen, als in etwas, das jetzt ganz außerhalb des Bewußtseins liegt, aber doch in den gegenwärtigen Moment des Bewußtseins mit eingreift. So gewiß also das Ich die Grenze anerkennen muß als Grenze, so gewiß muß es auch über die Grenze hinausgehen, und ihren Grund in etwas suchen, was jetzt nicht mehr ins Bewußtsein fällt. Dieses Unbekannte, was wir indes durch A bezeichnen wollen, liegt also notwendig jenseits des Produzierens vom gegenwärtigen Objekt, was wir durch B bezeichnen können. Indem also das Ich B produzierte, mußte A schon sein. Im gegenwärtigen Moment des Bewußtseins ist also an demselben nichts mehr zu ändern, es ist gleichsam aus der Hand des Ichs, denn es liegt jenseits seines gegenwärtigen Handelns, und ist für das Ich unveränderlich bestimmt. Ist A einmal gesetzt, so muß auch B gerade so und nicht anders gesetzt werden, als es nun eben gesetzt ist. Denn A enthält den Grund seiner bestimmten Begrenztheit.

Aber dieses Grunds A ist sich das Ich jetzt nicht mehr bewußt. Die bestimmte Begrenztheit von B wird also zwar für das Ich eine zufällige sein, weil es sich des Grunds derselben nicht bewußt ist, aber für uns, die wir um denselben wissen, eine notwendige. –

Zur Erläuterung noch folgende Bemerkung! – Daß B dieses bestimmte ist, soll seinen Grund in einem A haben, was jetzt ganz außerhalb des Bewußtseins liegt. Aber daß dieses A dieses bestimmte ist, hat vielleicht seinen Grund wieder in etwas anderem, das noch weiter zurück liegt, und so vielleicht ins Unendliche zurück, wenn wir nicht etwa auf einen allgemeinen Grund kommen, der die ganze Reihe bestimmt. Dieser allgemeine Grund kann nun nichts anderes sein, als was wir gleich zu Anfang die Begrenztheit in der Begrenztheit genannt haben, welche aber jetzt noch nicht vollständig abgeleitet, deren Grund aber, soviel wir schon hier einsehen können, einzig auf jener gemeinschaftlichen Grenze, der ideellen und reellen Tätigkeit, beruht. –[138]

Soll das Ich die Grenze zwischen sich und dem Objekt anerkennen als zufällig, so muß es dieselbe anerkennen als bedingt durch etwas, das ganz außer dem gegenwärtigen Moment liegt. Es fühlt sich also zurückgetrieben auf einen Moment, dessen es sich nicht bewußt werden kann. Es fühlt sich zurückgetrieben, denn es kann nicht wirklich zurück. Es ist also im Ich ein Zustand des Nichtkönnens, ein Zustand des Zwangs. Was den Grund des bestimmten Begrenztseins von B enthält, ist schon realiter und unabhängig vom Ich vorhanden. Es wird also im Ich in bezug auf A nur ein ideelles Produzieren oder ein Reproduzieren stattfinden. Aber alles Reproduzieren ist frei, weil es eine ganz ideelle Tätigkeit ist. A muß zwar gerade so bestimmt sein, daß es den Grund des bestimmten Begrenztseins von B enthält, im Reproduzieren von A wird also das Ich zwar nicht material, aber doch formal frei sein. Dagegen war es im Produzieren von B weder materialiter noch formaliter frei, denn nachdem einmal A war, mußte es B gerade als ein so bestimmtes produzieren, und konnte an seiner Stelle nichts anderes produzieren. Das Ich ist also hier in einer und derselben Handlung zugleich formaliter frei und formaliter gezwungen. Eines ist durch das andere bedingt. Das Ich könnte sich in Ansehung von B nicht gezwungen fühlen, wenn es nicht zurückgehen könnte auf einen früheren Moment, wo B noch nicht war, wo es sich in Ansehung desselben frei fühlte. Aber umgekehrt auch, es würde sich nicht zurückgetrieben fühlen, wenn es sich nicht in dem gegenwärtigen gezwungen fühlte.

Der Zustand des Ichs im gegenwärtigen Moment ist also kurz dieser. Es fühlt sich zurückgetrieben auf einen Moment des Bewußtseins, in den es nicht zurückkehren kann. Die gemeinschaftliche Grenze des Ichs und des Objekts, der Grund der zweiten Begrenztheit, macht die Grenze des gegenwärtigen und eines vergangenen Moments. Das Gefühl dieses Zurückgetriebenwerdens auf einen Moment, in den es nicht realiter zurückkehren kann, ist das Gefühl der Gegenwart. Das Ich findet sich also im ersten Moment seines Bewußtseins schon in einer Gegenwart begriffen. Denn es kann das Objekt nicht sich entgegensetzen, ohne sich eingeschränkt und gleichsam kontrahiert zu fühlen auf[139] Einen Punkt. Dieses Gefühl ist kein anderes als was man durch das Selbstgefühl bezeichnet. Mit demselben fängt alles Bewußtsein an, und durch dasselbe setzt sich das Ich zuerst dem Objekt entgegen.

Im Selbstgefühl wird der innere Sinn, d.h. die mit Bewußtsein verbundene Empfindung sich selbst zum Objekt. Es ist eben deswegen von der Empfindung völlig verschieden, in welcher notwendig etwas vom Ich Verschiedenes vorkommt. In der vorhergehenden Handlung war das Ich innerer Sinn, aber ohne es für sich selbst zu sein.

Wie wird denn nun aber das Ich sich als innerer Sinn zum Objekt? Einzig und allein dadurch, daß ihm die Zeit (nicht die Zeit, insofern sie schon äußerlich angeschaut wird, sondern die Zeit als bloßer Punkt, als bloße Grenze) entsteht. Indem das Ich sich das Objekt entgegensetzt, entsteht ihm das Selbstgefühl, d.h. es wird sich als reine Intensität, als Tätigkeit, die nur nach einer Dimension sich expandieren kann, aber jetzt auf Einen Punkt zusammengezogen ist, zum Objekt, aber eben diese nur nach einer Dimension ausdehnbare Tätigkeit ist, wenn sie sich selbst Objekt wird, Zeit. Die Zeit ist nicht etwas, was unabhängig vom Ich abläuft, sondern das Ich selbst ist die Zeit in Tätigkeit gedacht.

Da nun das Ich in derselben Handlung sich das Objekt entgegensetzt, so wird ihm das Objekt als Negation aller Intensität, d.h. es wird ihm als reine Extensität erscheinen müssen.

Das Ich kann also das Objekt sich nicht entgegensetzen, ohne daß in ihm innere und äußere Anschauung sich trennen nicht nur, sondern auch als solche zum Objekt werden.

Nun ist aber die Anschauung, durch welche der innere Sinn sich zum Objekt wird, die Zeit (es ist hier aber von der reinen Zeit die Rede, d.h. von der Zeit in ihrer völligen Unabhängigkeit vom Raum), die Anschauung, wodurch der äußere Sinn sich zum Objekt wird, der Raum. Also kann das Ich sich das Objekt nicht entgegensetzen, ohne daß ihm auf der einen Seite durch die Zeit der innere, auf der andern durch den Raum der äußere Sinn zum Objekt werde.


III.

[140] In der ersten Konstruktion des Objekts war innerer und äußerer Sinn zugleich begriffen. Das Objekt erscheint als reine Extensität, nur wenn der äußere Sinn dem Ich zum Objekt wird, weil es nämlich der innere Sinn selbst ist, welchem der äußere zum Objekt wird, also beide nicht mehr vereinigt sein können, welches aber in der ursprünglichen Konstruktion nicht der Fall war. Das Objekt ist also weder bloß innerer, noch bloß äußerer Sinn, sondern innerer und äußerer Sinn zugleich, so, daß beide wechselseitig durcheinander eingeschränkt werden.

Um also das Objekt als die Vereinigung der beiden Anschauungsarten genauer, als es bisher geschehen ist, zu bestimmen, müssen wir die entgegengesetzten Glieder der Synthesis strenger noch, als bisher geschehen, unterscheiden.

Was ist denn also innerer Sinn, und was ist äußerer, beide in ihrer Uneingeschränktheit gedacht?

Der innere Sinn ist nichts anderes als die in sich selbst zurückgetriebene Tätigkeit des Ichs. Denken wir uns den inneren Sinn als schlechthin uneingeschränkt durch den äußeren, so wird das Ich im höchsten Zustand des Gefühls seine ganze unbegrenzbare Tätigkeit gleichsam konzentriert sein auf einen einzigen Punkt. Denken wir uns dagegen den äußeren Sinn als uneingeschränkt durch den inneren, so wäre er absolute Negation aller Intensität, das Ich wäre ganz aufgelöst, es wäre kein Widerstand in ihm.

Der innere Sinn also in seiner Uneingeschränktheit gedacht wird repräsentiert durch den Punkt, durch die absolute Grenze, oder durch das Sinnbild der Zeit in ihrer Unabhängigkeit vom Raum. Denn die Zeit an und für sich gedacht ist nur die absolute Grenze, daher die Synthesis der Zeit mit dem Raum, die aber bis jetzt noch gar nicht abgeleitet ist, nur durch die Linie oder durch den expandierten Punkt ausgedrückt werden kann.

Das Entgegengesetzte des Punkts oder die absolute Extensität ist die Negation aller Intensität, der unendliche Raum, gleichsam das aufgelöste Ich.[141]

Im Objekt selbst, d.h. im Produzieren, können also Raum und Zeit nur zugleich und ungetrennt voneinander entstehen. Beide sind sich entgegengesetzt, eben deswegen, weil sie einander wechselseitig einschränken. Beide für sich sind gleich unendlich, nur im entgegengesetzten Sinn. Die Zeit wird nur durch den Raum, der Raum nur durch die Zeit endlich. Eins wird durch das andere endlich, heißt, eins wird durch das andere bestimmt und gemessen. Daher das ursprünglichste Maß der Zeit der Raum, den ein gleichförmig bewegter Körper in ihr durchläuft, das ursprünglichste Maß des Raums die Zeit, welche ein gleichförmig bewegter Körper braucht ihn zu durchlaufen. Beide zeigen sich also als absolut unzertrennlich.

Nun ist aber der Raum nichts anderes als der zum Objekt werdende äußere Sinn, die Zeit nichts anderes als der zum Objekt werdende innere Sinn, was also von Raum und Zeit gilt, gilt auch von äußerem und innerem Sinn. Das Objekt ist äußerer Sinn, bestimmt durch inneren Sinn. Die Extensität ist also im Objekt nicht bloße Raumgröße, sondern Extensität bestimmt durch Intensität, mit Einem Wort das, was wir Kraft nennen. Denn die Intensität einer Kraft kann nur gemessen werden durch den Raum, in den sie sich ausbreiten kann, ohne = 0 zu werden. So wie umgekehrt dieser Raum wieder durch die Größe jener Kraft für den inneren Sinn bestimmt ist. Was also im Objekt dem inneren Sinn entspricht, ist die Intensität, was dem äußeren, die Extensität. Aber Intensität und Extensität sind wechselseitig durcheinander bestimmt. Das Objekt ist nichts anderes als fixierte, bloß gegenwärtige Zeit, aber die Zeit ist fixiert einzig und allein durch den Raum, der erfüllt ist, und die Raumerfüllung ist bestimmt einzig und allein durch die Zeitgröße, die selbst nicht im Raum, sondern extensione prior ist. Was also die Raumerfüllung bestimmt, hat eine bloße Existenz in der Zeit, was umgekehrt die Zeit fixiert, hat eine bloße Existenz im Raume. Nun ist aber dasjenige im Objekt, was eine bloße Existenz in der Zeit hat, eben das, wodurch das Objekt dem inneren Sinn angehört, und die Größe des Objekts für den inneren Sinn ist allein bestimmt durch[142] die gemeinschaftliche Grenze des inneren und äußeren Sinns, welche Grenze als schlechthin zufällig erscheint. Also wird dasjenige am Objekt, was dem inneren Sinn entspricht, oder was nur eine Größe in der Zeit hat, als das schlechthin Zufällige oder Akzidentelle erscheinen, dasjenige hingegen, was am Objekt dem äußeren Sinn entspricht, oder was eine Größe in dem Raume hat, wird als das Notwendige oder als das Substantielle erscheinen.

So wie also das Objekt Extensität und Intensität zugleich ist, ebenso ist es auch Substanz und Akzidens zugleich, beide sind in ihm unzertrennlich, und nur durch beide zusammen wird das Objekt vollendet.

Was am Objekt Substanz ist, hat nur eine Größe im Raum, was Akzidenz, nur eine Größe in der Zeit. Durch den erfüllten Raum wird die Zeit fixiert, durch die Größe in der Zeit wird der Raum auf bestimmte Art erfüllt.

Wenn wir nun mit diesem Resultat zurückgehen auf die Frage, von welcher diese Untersuchung ausgegangen ist, so ergibt sich folgendes. – Das Ich mußte das Objekt sich entgegensetzen, um es als Objekt anzuerkennen. Aber in dieser Entgegensetzung wurde dem Ich äußerer und innerer Sinn zum Objekt, d.h. für uns, die wir philosophieren, ließ sich im Ich Raum und Zeit, im Objekt Substanz und Akzidens unterscheiden. – Daß Substanz und Akzidens unterscheidbar waren, beruhte also bloß darauf, daß dem einen nur ein Sein in der Zeit, dem andern nur ein Sein in dem Raume zukommt. Nur durch das Akzidentelle der Anschauung ist das Ich auf die Zeit überhaupt eingeschränkt; denn die Substanz, da sie nur ein Sein im Raume hat, hat auch ein von der Zeit völlig unabhängiges Sein, und läßt die Intelligenz in Ansehung der Zeit völlig uneingeschränkt.

Da nun auf diese Art, und durch die im Vorhergehenden deduzierte Handlung des Ichs für den Philosophen im Ich Raum und Zeit, im Objekt Substanz und Akzidens unterscheidbar geworden sind, so fragt sich jetzt, der bekannten Methode gemäß, wie auch dem Ich selbst Raum und Zeit, und dadurch Substanz und Akzidens unterscheidbar werden.[143]

Die Zeit ist nur der sich zum Objekt werdende innere Sinn, der Raum der ihm zum Objekt werdende äußere Sinn. Sollen also beide wieder zum Objekt werden, so kann dies nur durch ein potenziertes Anschauen, d.h. durch ein produktives, geschehen. Beide sind Anschauungen des Ichs, die dem Ich nur dadurch wieder zum Objekt werden können, daß sie aus dem Ich herauskommen. Was heißt denn nun außer dem Ich? – Das Ich ist im gegenwärtigen Moment bloß innerer Sinn. Außer dem Ich also ist, was nur für den äußeren Sinn ist. Beide, Raum und Zeit, können dem Ich also nur durch Produktion zum Objekt werden, d.h., weil das Ich aufgehört hat zu produzieren (denn es ist jetzt nur innerer Sinn), dadurch, daß das Ich jetzt aufs neue produziert. – Nun sind aber in jedem Produzieren Raum und Zeit ebenso wie innerer und äußerer Sinn synthetisch vereinigt. Also wäre auch durch dieses zweite Produzieren nichts gewonnen, wir stünden mit demselben wieder eben da, wo wir mit dem ersten standen, wenn nicht etwa dieses zweite Produzieren dem ersten entgegengesetzt wäre, so daß es dem Ich unmittelbar durch die Entgegensetzung gegen das erste zum Objekt würde. – Daß aber das zweite dem ersten entgegengesetzt, ist nur dann zu denken, wenn etwa das erste das Einschränkende des zweiten ist. – Daß also das Ich überhaupt fortführe zu produzieren, davon könnte auf keinen Fall der Grund im ersten Produzieren, denn dieses ist nur das Einschränkende des zweiten, und setzt ein Einzuschränkendes oder das Materiale des Einschränkens schon voraus, sondern es müßte in der eignen Unendlichkeit des Ichs liegen.

Es könnte also nicht davon, daß das Ich überhaupt von der gegenwärtigen Produktion zu einer folgenden übergeht, sondern nur davon, daß das folgende Objekt mit dieser bestimmten Begrenztheit produziert wird, der Grund im ersten Produzieren liegen. Mit Einem Wort, nur das Akzidentelle des zweiten Produzierens könnte durch das erste bestimmt sein. Wir bezeichnen das erste Produzieren durch B, das zweite durch C. Enthält nun B nur den Grund des Akzidentellen in C, so kann es auch nur ein Akzidentelles[144] in B sein, wodurch das in C bestimmt ist. Denn daß C durch B auf diese bestimmte Art begrenzt ist, ist nur dadurch möglich, daß B selbst auf bestimmte Art begrenzt ist, d.h. nur vermöge dessen, was in ihm selbst akzidentell ist.

Um die Untersuchung zu erleichtern, und damit man sogleich sehe, wohin sie zielt, bemerken wir, daß wir uns der Deduktion des Kausalitätsverhältnisses nähern. Da dies eben ein Punkt ist, von welchem aus sich leichter als von vielen andern in die Art, wie im transzendentalen Idealismus die Kategorien deduziert werden, eindringen läßt, so möge es uns erlaubt sein, eine allgemeine Reflexion über unser Verfahren vorauszuschicken.

Wir deduzieren das Kausalitätsverhältnis als die notwendige Bedingung, unter welcher allein das Ich das gegenwärtige Objekt als Objekt anerkennen kann. Wäre die Vorstellung in der Intelligenz überhaupt stehend, bliebe die Zeit fixiert, so wäre in der Intelligenz nicht nur keine Mannigfaltigkeit von Vorstellungen (dies versteht sich von selbst), sondern auch nicht einmal das gegenwärtige Objekt würde als gegenwärtig anerkannt.

Die Sukzession im Kausalitätsverhältnisse ist eine notwendige. Es ist überhaupt ursprünglich keine willkürliche Sukzession in den Vorstellungen denkbar. Die Willkür, welche z.B. bei der Auffassung der einzelnen Teile eines Ganzen als eines organischen oder eines Kunstprodukts stattfindet, ist zuletzt selbst in einem Kausalitätsverhältnisse gegründet. Ich gehe aus, von welchem Teil des ersteren ich wolle, so werde ich immer vom einen auf den andern, und von diesem auf jenen zurückgetrieben, weil im Organischen alles wechselseitig Ursache und Wirkung ist. So ist es freilich beim Kunstprodukt nicht, hier ist kein Teil Ursache des andern, aber doch setzt einer den andern voraus im produktiven Verstande des Künstlers. So ist es überall, wo sonst die Sukzession in den Vorstellungen willkürlich scheint, z.B. in der Auffassung der einzelnen Teile der anorgischen Natur, in welcher gleichfalls eine allgemeine Wechselwirkung aller Teile ist.

Alle Kategorien sind Handlungsweisen, durch welche uns erst die Objekte selbst entstehen. Es gibt für die Intelligenz kein Objekt,[145] wenn es kein Kausalitätsverhältnis gibt, und dieses Verhältnis ist eben deswegen von den Objekten unzertrennlich. Wenn geurteilt wird, A sei die Ursache von B, so heißt dies so viel: die Sukzession, die zwischen beiden stattfindet, findet nicht nur in meinen Gedanken, sondern in den Objekten selbst statt. Weder A noch B könnten überhaupt sein, wenn sie nicht in diesem Verhältnis wären. Hier ist also nicht nur eine Sukzession überhaupt, sondern eine Sukzession, die Bedingung der Objekte selbst ist. Was kann denn nun im Idealismus unter jenem Gegensatz zwischen dem was bloß in Gedanken und dem was in den Objekten selbst ist verstanden werden? Die Sukzession ist eine objektive, heißt idealistisch so viel als: ihr Grund liegt nicht in meinem freien und bewußten Denken, sondern in meinem bewußtlosen Produzieren. Der Grund jener Sukzession liegt nicht in uns, heißt so viel: wir sind uns dieser Sukzession nicht bewußt, ehe sie geschieht, sondern ihr Geschehen und das Bewußtwerden derselben ist eins und dasselbe. Die Sukzession muß uns als unzertrennlich von den Erscheinungen, so wie diese Erscheinungen als unzertrennlich von jener Sukzession vorkommen. Für die Erfahrung gibt es demnach dasselbe Resultat, ob die Sukzession an die Dinge, oder ob die Dinge an die Sukzession gefesselt sind. Nur daß beide überhaupt unzertrennlich sind, ist das Urteil des gemeinen Verstandes. Es ist also in der Tat höchst ungereimt, die Sukzession durch das Handeln der Intelligenz, die Objekte dagegen unabhängig von derselben entstehen zu lassen. Wenigstens sollte man beide, die Sukzession wie die Objekte, für gleich unabhängig von den Vorstellungen ausgeben.

Wir kehren in den Zusammenhang zurück. Wir haben jetzt zwei Objekte B und C. Was war denn nun B? Es war Substanz und Akzidens unzertrennlich vereinigt. Insofern es Substanz ist, ist es nichts anderes als die fixierte Zeit selbst; denn dadurch, daß uns die Zeit fixiert wird, entsteht uns die Substanz, und umgekehrt. Wenn es also auch eine Aufeinanderfolge in der Zeit gibt, so muß die Substanz selbst wieder das in der Zeit Beharrende sein. Diesem nach kann die Substanz auch weder entstehen noch vergehen. Sie kann nicht entstehen; denn man setze etwas als entstehend, so muß ein Moment vorhergegangen sein,[146] in welchem es noch nicht war, jener Moment mußte aber selbst fixiert werden, also mußte in jenem Moment selbst etwas Beharrendes sein. Also ist das jetzt Entstehende nur eine Bestimmung des Beharrenden, nicht das Beharrende selbst, welches immer dasselbe ist. Die Substanz kann ebensowenig vergehen; denn indem etwas vergeht, muß selbst etwas Beharrendes zurückbleiben, durch welches der Moment des Vergehens fixiert wird. Also war das, was verging, nicht das Beharrende selbst, sondern nur eine Bestimmung des Beharrenden.

Wenn also kein Objekt das andere der Substanz nach hervorbringen oder vernichten kann, so wird auch nur das Akzidentelle des folgenden Objekts bestimmt sein können durch das Vorhergehende, und umgekehrt nur das Akzidentelle des letzteren wird das sein können, wodurch das Akzidentelle des ersten bestimmt ist.

Dadurch nun, daß B ein Akzidentelles in C bestimmt, trennt sich im Objekt Substanz und Akzidens, die Substanz beharrt, während die Akzidenzen wechseln – der Raum ruht, während die Zeit verfließt, beide werden also dem Ich als getrennt zum Objekt. Aber eben dadurch sieht sich auch das Ich in einen neuen Zustand, nämlich in den der unwillkürlichen Sukzession der Vorstellungen versetzt, und dieser Zustand ist es jetzt, auf welchen die Reflexion sich richten muß.

»Das Akzidentelle von B enthält den Grund eines Akzidentellen in C«. – Dies ist abermals nur uns bekannt, die wir dem Ich zusehen. Nun muß aber auch die Intelligenz selbst das Akzidentelle von B als den Grund von dem in C anerkennen, dies aber ist nicht möglich, ohne daß beide B und C in einer und derselben Handlung sich entgegengesetzt, und wieder aufeinander bezogen werden. Daß sich beide entgegengesetzt werden, ist offenbar, denn B wird durch C verdrängt aus dem Bewußtsein, und tritt in den vergangenen Moment zurück, B ist Ursache, C Wirkung, B das Einschränkende, C das Eingeschränkte. Wie aber beide aufeinander bezogen werden können, ist nicht zu begreifen, da das Ich jetzt nichts anderes ist als eine Sukzession von ursprünglichen Vorstellungen, deren eine die andere verdrängt. (Durch[147] denselben Grund, durch welchen das Ich von B auf C, wird es auch von C auf D usf. getrieben werden.) Nun wurde freilich festgesetzt, nur Akzidenzen können entstehen und vergehen, nicht Substanzen. Aber was ist denn die Substanz? Sie ist selbst nur die fixierte Zeit. Also können auch die Substanzen nicht bleiben (es versteht sich für das Ich; denn die Frage, wie die Substanzen etwa für sich beharren mögen, hat gar keinen Sinn); denn die Zeit ist jetzt überhaupt nicht fixiert, sondern fließend (gleichfalls nicht an sich, sondern nur für das Ich), die Substanzen können also nicht fixiert werden, weil das Ich selbst nicht fixiert ist, denn das Ich ist jetzt nichts als diese Sukzession selbst. –

Dieser Zustand der Intelligenz, in welchem sie nur Sukzession von Vorstellungen ist, ist übrigens ein bloß intermediärer Zustand, den nur der Philosoph in ihr annimmt, weil sie notwendig durch diesen Zustand hindurch zu dem folgenden gelangt. –

Gleichwohl müssen die Substanzen bleiben, wenn eine Entgegensetzung zwischen C und B möglich sein soll. Es ist aber unmöglich, daß die Sukzession fixiert werde, wenn nicht eben dadurch, daß entgegengesetzte Richtungen in sie kommen. Die Sukzession hat nur Eine Richtung. Diese Eine Richtung von der Sukzession abstrahiert macht eben die Zeit, die äußerlich angeschaut nur Eine Dimension hat.

Aber entgegengesetzte Richtungen könnten in die Sukzession nur dadurch kommen, daß das Ich, indem es von B auf C getrieben wird, zugleich wieder auf B zurückgetrieben wird; denn alsdann werden die entgegengesetzten Richtungen sich aufheben, die Sukzession wird fixiert, und eben dadurch auch die Substanzen. Nun kann aber das Ich von C auf B zurückgetrieben werden ohne Zweifel nur auf dieselbe Art, auf welche es von B auf C getrieben wurde. Nämlich ebenso, wie B den Grund einer Bestimmung in C enthielte, müßte C hinwiederum den Grund einer Bestimmung in B enthalten. Nun kann aber diese Bestimmung in B nicht gewesen sein, ehe C war; denn das Akzidentelle von C soll ja den Grund davon enthalten, C aber entsteht dem Ich als dieses Bestimmte erst im gegenwärtigen Moment, C als Substanz[148] mag etwa vorher schon gewesen sein, aber davon weiß das Ich jetzt nichts, es entsteht ihm überhaupt erst, indem es ihm als dieses Bestimmte entsteht, also müßte auch jene Bestimmung in B, deren Grund C enthalten soll, erst in diesem Moment entstehen. Also in einem und demselben unteilbaren Moment, in welchem C durch B bestimmt wird, müßte hinwiederum auch B durch C bestimmt werden. Nun sind sich aber B und C im Bewußtsein entgegengesetzt worden, also muß notwendig ein Setzen in C ein Nichtsetzen in B sein, und umgekehrt, so daß, die Bestimmung von C durch B als positiv angenommen, die von B durch C als die negative von jener gesetzt werden muß.

Es braucht kaum erinnert zu werden, daß wir durch das Bisherige alle Bestimmungen des Verhältnisses der Wechselwirkung abgeleitet haben. Es ist überhaupt kein Kausalitätsverhältnis konstruierbar ohne Wechselwirkung, denn es ist keine Beziehung der Wirkung auf die Ursache möglich, d.h. die oben geforderte Entgegensetzung ist unmöglich, wenn nicht die Substanzen als Substrate des Verhältnisses durcheinander fixiert werden. Aber sie können nicht fixiert werden, als wenn das Kausalitätsverhältnis ein wechselseitiges ist. Denn stehen die Substanzen nicht in Wechselwirkung, so können zwar allerdings beide ins Bewußtsein gesetzt werden, aber nur so, daß die eine gesetzt wird, wenn die andere nicht gesetzt wird, und umgekehrt, nicht aber, daß in demselben unteilbaren Moment, in welchem die eine gesetzt wird, auch die andere gesetzt werde, welches notwendig ist, wenn das Ich beide als im Kausalitätsverhältnis stehend anerkennen soll. Dies, daß beide, nicht jetzt die eine, und dann die andere, sondern daß beide zugleich gesetzt werden, läßt sich nur dann denken, wenn beide durcheinander gesetzt werden, d.h. wenn jede Grund einer Bestimmung in der andern ist, welche der in sie selbst gesetzten proportional und entgegengesetzt ist, d.h. wenn beide miteinander in Wechselwirkung stehen.

Durch die Wechselwirkung wird die Sukzession fixiert, es wird Gegenwart, und dadurch jenes Zugleichsein von Substanz und Akzidens im Objekt wieder hergestellt, B und C sind beide[149] zugleich Ursache und Wirkung. Als Ursache ist jedes Substanz, denn es kann als Ursache erkannt werden nur insofern es als beharrend angeschaut wird, als Wirkung ist es Akzidens. Durch die Wechselwirkung werden also Substanz und Akzidens wieder synthetisch vereinigt. Die Möglichkeit das Objekt anzuerkennen als solches ist daher für das Ich durch die Notwendigkeit der Sukzession und der Wechselwirkung bedingt, deren jene die Gegenwart aufhebt (damit das Ich über das Objekt hinausgehen könne), diese aber sie wiederherstellt.

Daß B und C, welche dadurch, daß sie in einem und demselben Moment wechselseitig Grund von Bestimmungen ineinander sind, auch außer diesem Moment zugleich seien, ist damit noch nicht abgeleitet. Für die Intelligenz selbst gilt jenes Zugleichsein nur einen Moment, denn da die Intelligenz fortwährend produziert, und bis jetzt kein Grund gegeben ist, durch welchen das Produzieren selbst wieder begrenzt würde, so wird sie auch immer wieder in den Strom der Sukzession fortgerissen werden. Wie also die Intelligenz dazu komme, ein Zugleichsein aller Substanzen in der Welt, d.h. eine allgemeine Wechselwirkung anzunehmen, ist damit noch nicht erklärt.

Mit der Wechselwirkung zugleich ist auch der Begriff der Koexistenz abgeleitet. Alles Zugleichsein ist nur durch ein Handeln der Intelligenz, und die Koexistenz ist nur Bedingung der ursprünglichen Sukzession unserer Vorstellungen. Die Substanzen sind nichts von der Koexistenz Verschiedenes. Die Substanzen werden als Substanzen fixiert, heißt: es wird Koexistenz gesetzt, und umgekehrt, Koexistenz ist nichts anderes als ein wechselseitiges Fixieren der Substanzen durcheinander. Wird nun dieses Handeln der Intelligenz ideell, d.h. mit Bewußtsein, reproduziert, so entsteht mir dadurch der Raum als bloße Form der Koexistenz oder des Zugleichseins. Überhaupt wird erst durch die Kategorie der Wechselwirkung der Raum Form der Koexistenz, in der Kategorie der Substanz kommt er nur als Form der Extensität vor. Der Raum ist also nichts anderes als ein Handeln der Intelligenz. Wir können den Raum als die angehaltene Zeit, die Zeit dagegen als den fließenden Raum definieren. Im Raum für sich betrachtet[150] ist alles nur nebeneinander, wie in der objektiv gewordenen Zeit alles nacheinander ist. Beide, Raum und Zeit, können also nur in der Sukzession als solche Objekt werden, weil in derselben der Raum ruht, während die Zeit verfließt. Synthetisch vereinigt zeigen sich beide, der Raum und die objektiv gewordene Zeit, in der Wechselwirkung. Das Zugleichsein eben ist diese Vereinigung, das Nebeneinandersein im Raum verwandelt sich, wenn die Bestimmung der Zeit hinzukommt, in ein Zugleichsein. Ebenso das Nacheinandersein in der Zeit, wenn die Bestimmung des Raums hinzukommt. – In der Zeit allein ist ursprünglich Richtung, obgleich der Punkt, der ihr Richtung gibt, in der Unendlichkeit liegt; aber eben deswegen, weil die Zeit ursprünglich Richtung hat, wird in ihr auch nur Eine Richtung unterschieden. Im Raum ist ursprünglich keine Richtung, denn alle Richtungen heben sich in ihm gegenseitig auf, er ist als ideelles Substrat aller Sukzession selbst absolute Ruhe, absoluter Mangel der Intensität, und insofern Nichts. – Was die Philosophen von jeher in Ansehung des Raums zweifelhaft gemacht hat, ist eben, daß er alle Prädikate des Nichts hat, und doch nicht für Nichts geachtet werden kann. – Eben deswegen, weil im Raum ursprünglich keine Richtung ist, sind, wenn einmal Richtung in ihn kommt, alle Richtungen in ihm. Nun gibt es aber vermöge des bloßen Kausalitätsverhältnisses nur Eine Richtung, ich kann nur von A auf B, nicht hinwiederum von B auf A kommen, und erst vermöge der Kategorie der Wechselwirkung werden alle Richtungen gleich möglich.

Die bisherigen Untersuchungen enthalten die vollständige Deduktion der Kategorien der Relation, und da es ursprünglich keine andern als diese gibt, die Deduktion aller Kategorien, nicht für die Intelligenz selbst (denn wie diese dazu komme sie als solche anzuerkennen, kann erst in der folgenden Epoche erklärt werden), wohl aber für den Philosophen. Wenn man die Tafel der Kategorien bei Kant betrachtet, so findet man, daß immer die beiden ersten jeder Klasse sich entgegengesetzt sind, und daß die dritte die Vereinigung von beiden ist. – Durch das Verhältnis von Substanz und Akzidens z.B. ist nur Ein Objekt bestimmt, durch das Verhältnis von Ursache und Wirkung ist eine Mehrheit von Objekten[151] bestimmt, durch die Wechselwirkung werden auch diese wieder zu Einem Objekt vereinigt. – Im ersten Verhältnis ist etwas als vereinigt gesetzt, das im zweiten wieder aufgehoben, und erst im dritten wieder synthetisch verbunden ist. Ferner die beiden ersten Kategorien sind nur ideelle Faktoren, und nur die dritte aus beiden das Reelle. Es kann also im ursprünglichen Bewußtsein, oder in der Intelligenz selbst, insofern sie im Mechanismus des Vorstellens begriffen ist, weder das einzelne Objekt als Substanz und Akzidens, noch auch ein reines Kausalitätsverhältnis (in welchem nämlich Sukzession nach Einer Richtung wäre) vorkommen, sondern die Kategorie der Wechselwirkung ist diejenige, wodurch erst das Objekt für das Ich zugleich Substanz und Akzidens und Ursache und Wirkung wird. Insofern das Objekt Synthesis des inneren und äußeren Sinns ist, steht es notwendig mit einem vergangenen und folgenden Moment in Berührung. Im Kausalitätsverhältnis wird jene Synthesis aufgehoben, indem die Substanzen für den äußeren Sinn beharren, während die Akzidenzen vor dem inneren vorübergehen. Aber das Kausalitätsverhältnis kann selbst als solches nicht anerkannt werden, ohne daß beide Substanzen, die darin begriffen sind, wieder zu Einer verbunden werden, und so geht diese Synthesis fort bis zur Idee der Natur, in welcher zuletzt alle Substanzen zu Einer verbunden werden, die nur mit sich selbst in Wechselwirkung ist.

Mit dieser absoluten Synthesis würde alle unwillkürliche Sukzession der Vorstellungen fixiert. Da wir aber bis jetzt keinen Grund einsehen, wie das Ich je ganz aus der Sukzession heraustreten solle, und da wir nur relative Synthesen, nicht aber die absolute, begreifen, so sehen wir zum voraus, daß die Vorstellung der Natur als der absoluten Totalität, worin alle Gegensätze aufgehoben und alle Sukzession von Ursachen und Wirkungen zu einem absoluten Organismus vereinigt ist, nicht durch den ursprünglichen Mechanismus des Vorstellens, der sie nur von Objekt zu Objekt fortführt, und innerhalb dessen alle Synthesis bloß relativ ist, sondern nur durch einen freien Akt der Intelligenz möglich ist, den wir aber bis jetzt selbst nicht begreifen.[152]

Wir haben im Verlauf der gegenwärtigen Untersuchung mit Absicht mehrere einzelne Punkte unerörtert gelassen, um den Zusammenhang der Deduktion weniger zu unterbrechen, es ist aber jetzt nötig, unsere Aufmerksamkeit darauf zu wenden. So ist z.B. bis jetzt nur vorausgesetzt worden, es liege in der Intelligenz selbst der Grund eines fortwährenden Produzierens. Denn daß das Ich überhaupt fortfuhr zu produzieren, davon konnte der Grund nicht im ersten Produzieren, sondern er mußte in der Intelligenz überhaupt liegen. Dieser Grund muß schon in unseren früheren Grundsätzen enthalten sein.

Das Ich ist weder ursprünglich produktiv, noch ist es auch produktiv mit Willkür. Es ist ein ursprünglicher Gegensatz, wodurch das Wesen und die Natur der Intelligenz konstituiert wird. Nun ist aber das Ich ursprünglich reine und absolute Identität, in welche es beständig zurückzukehren suchen muß, aber die Rückkehr in diese Identität ist an die ursprüngliche Duplizität, als an eine nie völlig aufgehobene Bedingung, gefesselt. Sobald nun die Bedingung des Produzierens, Duplizität, gegeben ist, muß das Ich produzieren, und ist, so gewiß es eine ursprüngliche Identität ist, gezwungen, zu produzieren. Wenn also im Ich ein fortwährendes Produzieren ist, so ist dies nur dadurch möglich, daß die Bedingung alles Produzierens, jener ursprüngliche Streit entgegengesetzter Tätigkeiten, im Ich ins Unendliche wiederhergestellt wird. Nun sollte aber dieser Streit in der produktiven Anschauung enden. Aber wird er wirklich geendet, so geht die Intelligenz ganz und gar ins Objekt über, es ist ein Objekt, aber keine Intelligenz. Die Intelligenz ist nur Intelligenz, solange jener Streit dauert; sobald er geendet ist, ist sie nicht mehr Intelligenz, sondern Materie, Objekt. So gewiß also alles Wissen überhaupt auf jenem Gegensatz der Intelligenz und des Objekts beruht, so gewiß kann jener Gegensatz in keinem einzelnen Objekt sich aufheben. Wie es denn doch zu einem endlichen Objekt komme, läßt sich schlechterdings nicht erklären, wenn nicht jedes Objekt nur scheinbar einzeln ist und bloß als Teil eines unendlichen Ganzen produziert werden kann. Daß aber der Gegensatz nur in einem unendlichen Objekt sich aufhebe, läßt sich nur dann denken, wenn er selbst ein unendlicher ist,[153] so daß immer nur vermittelnde Glieder der Synthesis möglich sind, niemals aber die beiden äußersten Faktoren jenes Gegensatzes ineinander übergehen können.

Aber läßt sich denn nicht wirklich auch aufweisen, daß jener Gegensatz unendlich sein muß, da der Streit der beiden Tätigkeiten, auf welchem er beruht, notwendig ewig ist? Die Intelligenz kann nie ins Unendliche sich ausbreiten, denn daran wird sie verhindert durch ihr Streben in sich zurückzukehren. Sie kann aber ebensowenig absolut in sich selbst zurückkehren, denn daran verhindert sie jene Tendenz das Unendliche zu sein. Es ist also hier keine Vermittlung möglich, und alle Synthesis ist nur eine relative.

Will man aber, daß der Mechanismus des Produzierens genauer bestimmt werde, so werden wir ihn nur auf folgende Art denken können. In der Unmöglichkeit den absoluten Gegensatz aufzuheben auf der einen, und der Notwendigkeit ihn aufzuheben auf der andern Seite, wird ein Produkt entstehen, aber in diesem Produkt kann der Gegensatz nicht absolut, sondern nur zum Teil aufgehoben sein; außerhalb des Gegensatzes, der durch dieses Produkt aufgehoben ist, wird ein noch unaufgehobener liegen, welcher in einem zweiten Produkt abermals aufgehoben werden kann. So wird also jedes Produkt, das entsteht, dadurch, daß es den unendlichen Gegensatz nur zum Teil aufhebt, Bedingung eines folgenden Produkts, welches, weil es abermals den Gegensatz nur zum Teil aufhebt, Bedingung eines dritten wird. Alle diese Produkte werden eins dem andern, und zuletzt alle dem ersten untergeordnet sein, weil jedes vorhergehende Produkt den Gegensatz unterhält, der Bedingung des folgenden ist. Wenn wir überlegen, daß die der produktiven Tätigkeit entsprechende Kraft die eigentlich synthetische der Natur, oder die Schwerkraft ist, so werden wir uns überzeugen, daß diese Unterordnung keine andere als die Unterordnung von Weltkörpern unter Weltkörpern ist, welche im Universum statthat, dergestalt, daß die Organisation desselben in Systeme, wo eins durch das andere in seinem Sein erhalten wird, nichts anderes als eine Organisation der Intelligenz selbst ist, die durch alle diese Produkte hindurch immer nur den absoluten Gleichgewichtspunkt[154] mit sich selbst sucht, welcher Punkt aber in der Unendlichkeit liegt.

Nun verwickelt uns aber eben diese Erklärung des Mechanismus im Produzieren der Intelligenz unmittelbar in eine neue Schwierigkeit. Alles empirische Bewußtsein fängt an mit einem gegenwärtigen Objekt, und mit dem ersten Bewußtsein schon sieht sich die Intelligenz in einer bestimmten Sukzession von Vorstellungen begriffen. Nun ist aber das einzelne Objekt nur als Teil eines Universums möglich, und die Sukzession vermöge des Kausalitätsverhältnisses setzt selbst schon nicht nur eine Mehrheit von Substanzen, sondern eine Wechselwirkung oder ein dynamisches Zugleichsein aller Substanzen voraus. Der Widerspruch ist also der, daß die Intelligenz, insofern sie ihrer bewußt wird, nur an einem bestimmten Punkte der Sukzessionsreihe eingreifen kann, daß sie also eine Totalität von Substanzen, und eine allgemeine Wechselwirkung der Substanzen als Bedingungen einer möglichen Sukzession unabhängig von sich schon voraussetzen muß, indem sie ihrer bewußt wird.

Dieser Widerspruch ist schlechthin nur aufzulösen durch Unterscheidung der absoluten und der endlichen Intelligenz, und dient zugleich als ein neuer Beweis, daß wir, ohne es zu wissen, das Ich mit dem Produzieren schon auch in die zweite, oder in die bestimmte Begrenztheit versetzt hatten. Die genauere Auseinandersetzung dieses Verhältnisses ist folgende.

Daß ein Universum, d.h. eine allgemeine Wechselwirkung der Substanzen überhaupt ist, ist notwendig, wenn das Ich überhaupt ursprünglich beschränkt ist. Vermöge dieser ursprünglichen Beschränktheit, oder, was dasselbe ist, vermöge des ursprünglichen Streits des Selbstbewußtseins, entsteht dem Ich das Universum, nicht allmählich, sondern durch Eine absolute Synthesis. Aber diese ursprüngliche oder erste Beschränktheit, welche aus dem Selbstbewußtsein allerdings erklärbar ist, erklärt mir die aus dem Selbstbewußtsein nicht mehr, insofern also überhaupt nicht erklärbare, besondere Beschränktheit nicht. Die besondere, oder wie wir sie in der Folge auch nennen werden, die zweite Beschränktheit ist eben diejenige, vermöge welcher die Intelligenz[155] gleich im ersten Anfang des empirischen Bewußtseins sich erscheinen muß als in einer Gegenwart, in einem bestimmten Moment der Zeitreihe begriffen. Was nun in dieser Reihe der zweiten Beschränktheit vorkommt, ist durch die erste alles schon gesetzt, nur mit dem Unterschied, daß durch diese alles zugleich gesetzt ist, und die absolute Synthesis dem Ich nicht durch Zusammenhang aus Teilen, sondern als ein Ganzes entsteht; anstatt daß im empirischen Bewußtsein jenes Ganze nur durch allmähliche Synthesis der Teile, also nur durch sukzessive Vorstellungen erzeugt werden kann. Insofern nun die Intelligenz nicht in der Zeit, sondern ewig ist, ist sie nichts anderes als jene absolute Synthesis selbst, und insofern hat sie weder angefangen noch kann sie aufhören zu produzieren; insofern sie aber begrenzt ist, kann sie auch nur als an einem bestimmten Punkt eingreifend in die Sukzessionsreihe erscheinen. Nicht etwa, als ob die unendliche Intelligenz von der endlichen verschieden, und etwa außer der endlichen Intelligenz eine unendliche wäre. Denn nehme ich die besondere Beschränktheit der endlichen hinweg, so ist sie die absolute Intelligenz selbst. Setze ich diese Beschränktheit, so ist die absolute eben dadurch als absolut aufgehoben, und es ist jetzt nur eine endliche Intelligenz. Auch ist das Verhältnis nicht so vorzustellen, als ob die absolute Synthesis und jenes Eingreifen an einem bestimmten Punkte ihrer Evolution zwei verschiedene Handlungen wären, vielmehr in einer und derselben ursprünglichen Handlung entsteht der Intelligenz zugleich das Universum und der bestimmte Punkt der Evolution, an welchen ihr empirisches Bewußtsein geknüpft ist, oder kürzer, durch einen und denselben Akt entsteht der Intelligenz die erste und die zweite Beschränktheit, welche letztere nur deswegen als unbegreiflich erscheint, weil sie mit der ersten zugleich gesetzt wird, ohne daß sie doch ihrer Bestimmtheit nach aus ihr abgeleitet werden könnte. Diese Bestimmtheit wird also als das schlechthin und in jeder Rücksicht Zufällige erscheinen, was der Idealist nur aus einem absoluten Handeln der Intelligenz, der Realist hingegen aus dem, was er Verhängnis oder Schicksal nennt, erklären kann. Es ist aber leicht einzusehen, warum der Intelligenz der Punkt, von welchem ihr Bewußtsein anfängt, erscheinen[156] muß als völlig ohne ihr Zutun bestimmt; denn eben deswegen, weil an diesem Punkte erst das Bewußtsein, und mit ihm die Freiheit entsteht, muß das, was jenseits dieses Punkts liegt, als völlig unabhängig von der Freiheit erscheinen.

Wir sind jetzt in der Geschichte der Intelligenz so weit vorgerückt, daß wir sie bereits eingeschränkt haben auf eine bestimmte Sukzessionsreihe, in welche ihr Bewußtsein nur an einem bestimmten Punkte eingreifen kann. Unsere eben angestellte Untersuchung betraf nur die Frage, wie sie in diese Sukzession habe hereinkommen können; da wir nun gefunden haben, daß der Intelligenz zugleich mit der ersten auch die zweite Beschränktheit entstehen muß, so sehen wir hintennach, daß wir sie im ersten Ansatz zum Bewußtsein nicht anders finden konnten, als. wir sie wirklich fanden, nämlich als begriffen in einer bestimmten Sukzessionsreihe. Die eigentliche Aufgabe der Transzendental-Philosophie ist durch diese Untersuchungen um vieles heller geworden. Jeder kann sich selbst als den Gegenstand dieser Untersuchungen betrachten. Aber um sich selbst zu erklären, muß er erst alle Individualität in sich aufgehoben haben, denn diese eben ist es, welche erklärt werden soll. Werden alle Schranken der Individualität hinweggenommen, so bleibt nichts zurück als die absolute Intelligenz. Werden auch die Schranken der Intelligenz wieder aufgehoben, so bleibt nichts zurück als das. absolute Ich. Die Aufgabe ist nun eben diese: wie aus einem. Handeln des absoluten Ichs die absolute Intelligenz, und wie. wiederum aus einem Handeln der absoluten Intelligenz das ganze System der Beschränktheit, welche meine Individualität konstituiert, sich erklären lasse. Wenn nun aber alle Schranken aus der Intelligenz hinweggenommen sind, was bleibt denn noch als, Erklärungsgrund eines bestimmten Handelns übrig? Ich bemerke, daß, wenn ich aus dem Ich auch alle Individualität, und selbst die Schranken, kraft welcher es Intelligenz ist, hinwegnehme, ich doch den Grundcharakter des Ichs, daß es sich selbst zugleich Subjekt und Objekt ist, nicht aufheben konnte. Also ist das Ich an sich und seiner Natur nach, noch ehe es auf besondere[157] Weise beschränkt wird, bloß dadurch, daß es sich selbst Objekt ist, ursprünglich eingeschränkt in seinem Handeln. Aus dieser ersten oder ursprünglichen Eingeschränktheit seines Handelns entsteht dem Ich unmittelbar die absolute Synthesis jenes unendlichen Streits, welcher der Grund jener Eingeschränktheit ist. Bliebe nun die Intelligenz Eins mit der absoluten Synthesis, so würde zwar ein Universum, aber es würde keine Intelligenz sein. Soll eine Intelligenz sein, so muß sie aus jener Synthesis heraustreten können, um sie mit Bewußtsein wieder zu erzeugen; aber dies ist abermals unmöglich, ohne daß in jene erste Beschränktheit eine besondere oder zweite kommt, welche nun nicht mehr darin bestehen kann, daß die Intelligenz überhaupt ein Universum, sondern daß sie das Universum gerade von diesem bestimmten Punkte aus anschaut. Die Schwierigkeit also, welche auf den ersten Blick unauflöslich scheint, nämlich, daß alles, was ist, erklärbar sein soll aus einem Handeln des Ichs, und daß doch die Intelligenz nur an einem bestimmten Punkte einer schon vorher determinierten Sukzessionsreihe eingreifen kann, löst sich durch die Unterscheidung zwischen der absoluten und der bestimmten Intelligenz. Jene Sukzessionsreihe, in welche dein Bewußtsein eingegriffen hat, ist nicht bestimmt durch dich, insofern du dieses Individuum bist, denn insofern bist du nicht das Produzierende, sondern gehörst selbst zum Produzierten. Jene Sukzessionsreihe ist nur Entwicklung einer absoluten Synthesis, mit der schon alles gesetzt ist, was geschieht oder geschehen wird. Daß du gerade diese bestimmte Sukzessionsreihe vorstellst, ist notwendig, damit du diese bestimmte Intelligenz seiest. Es ist notwendig, daß dir diese Reihe als eine unabhängig von dir prädeterminierte erscheine, welche du nicht von vorne produzieren kannst. Nicht, als ob sie etwa an sich abgelaufen wäre; denn daß, was jenseits deines Bewußtseins liegt, dir erscheine als unabhängig von dir, darin besteht eben deine besondere Beschränktheit. Diese hinweggenommen, gibt es keine Vergangenheit, dieselbe gesetzt, ist sie gerade ebenso notwendig, und ebenso, d.h. nicht weniger, aber auch nicht mehr reell, als diese. Außer der bestimmten Beschränktheit liegt die Sphäre der absoluten Intelligenz, für welche nichts angefangen hat noch irgend etwas wird, denn für[158] sie ist alles zugleich, oder vielmehr sie selbst ist alles. Der Grenzpunkt zwischen der absoluten, ihrer selbst als solchen unbewußten, und der bewußten Intelligenz ist also bloß die Zeit. Für die reine Vernunft gibt es keine Zeit, für sie ist alles, und alles zugleich, für die Vernunft, insofern sie empirisch ist, entsteht alles, und, was ihr entsteht, alles nur sukzessiv.

Ehe wir nun von diesem Punkte aus die Geschichte der Intelligenz weiter verfolgen, müssen wir unsere Aufmerksamkeit noch auf einige genauere Bestimmungen jener Sukzession wenden, die uns zugleich mit ihrer Deduktion gegeben sind, aus welchen wir, wie sich zum voraus erwarten läßt, noch mehrere andere Folgerungen werden ziehen können.

a) Die Sukzessionsreihe ist, wie wir wissen, nichts anderes als die Evolution der ursprünglichen und absoluten Synthesis; was also in jener Reihe vorkommt, ist durch jene schon zum voraus bestimmt. Mit der ersten Begrenztheit sind alle Bestimmungen des Universums gesetzt, mit der zweiten, vermöge welcher ich diese Intelligenz bin, alle Bestimmungen, unter welchen dieses Objekt in mein Bewußtsein kommt.

b) Jene absolute Synthesis ist eine Handlung, die außer aller Zeit geschieht. Mit jedem empirischen Bewußtsein beginnt die Zeit gleichsam aufs neue; gleichwohl setzt jedes empirische Bewußtsein eine Zeit schon als verflossen voraus, denn es kann nur an einem bestimmten Punkte der Evolution beginnen. Deswegen kann die Zeit für das empirische Bewußtsein nie angefangen haben, und es gibt für die empirische Intelligenz keinen Anfang in der Zeit, als den durch absolute Freiheit. Insofern kann man sagen, daß jede Intelligenz, nur nicht für sich selbst, sondern objektiv angesehen, ein absoluter Anfang in der Zeit ist, ein absoluter Punkt, der in die zeitlose Unendlichkeit gleichsam hingeworfen und gesetzt wird, von welchem nun erst alle Unendlichkeit in der Zeit beginnt.

Es ist ein sehr gewöhnlicher Einwurf gegen den Idealismus, daß uns die Vorstellungen von äußeren Dingen völlig unwillkürlich kommen, daß wir dagegen schlechterdings nichts vermögen, und daß wir, weit entfernt, sie zu produzieren, sie vielmehr[159] hinnehmen müssen, wie sie uns gegeben werden. Allein daß uns die Vorstellungen so erscheinen müssen, ist aus dem Idealismus selbst abzuleiten. Das Ich muß, um das Objekt überhaupt als Objekt anschauen zu können, einen vergangenen Moment als Grund des Gegenwärtigen setzen, die Vergangenheit entsteht also immer wieder nur durch das Handeln der Intelligenz, und ist nur insofern notwendig, als dieses Zurückgehen des Ichs notwendig ist. Daß mir aber im gegenwärtigen Moment nichts anderes entstehen kann, als mir nun eben entsteht, davon ist der Grund einzig und allein in der unendlichen Konsequenz des Geistes zu suchen. Es kann mir jetzt nur ein Objekt mit diesen und keinen anderen Bestimmungen entstehen, weil ich im vergangenen Moment ein solches produziert hatte, was den Grund gerade dieser und keiner anderen Bestimmungen enthielt. Wie die Intelligenz sich durch eine Produktion sogleich in ein ganzes System von Dingen verwickelt sehen könne, läßt sich analogisch an unzähligen anderen Fällen nachweisen, wo die Vernunft einzig kraft ihrer Konsequenz durch Eine Voraussetzung in das verwickeltste System sich versetzt sieht, selbst da, wo die Voraussetzung völlig willkürlich ist. Es gibt z.B. kein verwickelteres System, als das Gravitationssystem, welches, um entwickelt zu werden, die höchsten Anstrengungen des menschlichen Geistes erfordert hat, und doch ist es ein höchst einfaches Gesetz, was den Astronomen in dieses Labyrinth von Bewegungen geführt, und aus demselben wieder herausgeleitet hat. Ohne Zweifel ist unser Dezimalsystem ein völlig willkürliches, und doch sieht sich der Mathematiker durch jene Eine Voraussetzung in Konsequenzen verflochten, welche (wie z.B. die merkwürdigen Eigenschaften der Dezimalbrüche) vielleicht noch keiner derselben vollständig entwickelt hat. –

Im gegenwärtigen Produzieren ist also die Intelligenz niemals frei, weil sie im vorhergehenden Moment produziert hat. Durch das erste Produzieren ist die Freiheit des Produzierens auf immer gleichsam verwirkt. Aber es gibt eben für das Ich kein erstes Produzieren; denn daß die Intelligenz sich erscheint, als hätte sie überhaupt vorzustellen angefangen, gehört ebenfalls nur zu ihrer besonderen Beschränktheit. Diese hinweggenommen, ist[160] sie ewig, und hat nie angefangen zu produzieren. Wenn geurteilt wird, die Intelligenz habe angefangen zu produzieren, so ist es immer wieder sie selbst, die nach einem bestimmten Gesetze so urteilt; also folgt daraus allerdings, daß die Intelligenz für sich selbst, nimmer aber daß sie objektiv oder an sich angefangen vorzustellen.

Es ist eine Frage, der der Idealist nicht entgehen kann, wie er denn dazu komme, eine Vergangenheit anzunehmen, oder was ihm für eine solche Bürgschaft leiste. Das Gegenwärtige erklärt sich jeder aus seinem Produzieren; aber, wie kommt er zu der Annahme, daß etwas war, ehe er produzierte? Ob eine Vergangenheit an sich gewesen sei, diese Frage ist so transzendent als die Frage, ob ein Ding an sich sei. Die Vergangenheit ist nur durch die Gegenwart, also für jeden selbst nur durch seine ursprüngliche Beschränktheit, diese Beschränktheit hinweggenommen, ist alles, was geschehen ist, so wie was geschieht, Produktion der Einen Intelligenz, welche nicht angefangen hat noch aufhören wird zu sein. –

Wenn man die absolute Intelligenz, welcher nicht empirische, sondern absolute Ewigkeit zukommt, durch Zeit überhaupt bestimmen will, so ist sie alles, was ist, was war, und was sein wird. Aber die empirische Intelligenz, um etwas, d.h. um eine bestimmte zu sein, muß aufhören alles, und außer der Zeit zu sein. Ursprünglich gibt es für sie nur eine Gegenwart, durch ihr unendliches Streben wird der gegenwärtige Augenblick Bürge des künftigen, aber diese Unendlichkeit ist jetzt nicht mehr absolute, d.h. zeitlose, sondern empirische durch Sukzession von Vorstellungen erzeugte Unendlichkeit. Die Intelligenz strebt zwar in jedem Moment die absolute Synthesis darzustellen, wie Leibniz sagt: die Seele bringe in jedem Moment die Vorstellung des Universums hervor. Allein da sie es durch absolutes Handeln nicht vermag, versucht sie es durch sukzessives, in der Zeit fortschreitendes darzustellen.

c) Da die Zeit an und für sich oder ursprünglich die bloße Grenze bezeichnet, so kann sie äußerlich angeschaut, d.h. mit dem Raum verbunden, nur als fließender Punkt, d.h. als Linie,[161] angeschaut werden. Aber die Linie ist die ursprünglichste Anschauung der Bewegung, alle Bewegung wird als Bewegung angeschaut, nur insofern sie als Linie angeschaut wird. Die ursprüngliche Sukzession der Vorstellungen äußerlich angeschaut, ist also Bewegung. Da es nun aber die Intelligenz ist, welche durch die ganze Sukzessionsreihe hindurch nur ihre eigne Identität sucht, und da diese Identität in jedem Moment durch Übergang von Vorstellung zu Vorstellung aufgehoben würde, wenn sie die Intelligenz nicht immer wieder herzustellen suchte, so muß der Übergang von Vorstellung zu Vorstellung durch eine Größe geschehen, welche stetig, d.h. von welcher kein Teil der schlechthin kleinste ist.

Nun ist es die Zeit, in welcher dieser Übergang geschieht, also wird die Zeit eine solche Größe sein. Und da alle ursprüngliche Sukzession in der Intelligenz äußerlich als Bewegung erscheint, so wird das Gesetz der Stetigkeit ein Grundgesetz aller Bewegung sein.

Dieselbe Eigenschaft wird vom Raum auf dieselbe Art bewiesen.

Da die Sukzession und alle Veränderungen in der Zeit nichts anderes als Evolutionen der absoluten Synthesis sind, durch welche alles zum voraus bestimmt ist, so muß der letzte Grund aller Bewegung in den Faktoren jener Synthesis selbst gesucht werden; nun sind aber diese Faktoren keine anderen als die des ursprünglichen Gegensatzes, also wird auch der Grund aller Bewegung in den Faktoren jenes Gegensatzes zu suchen sein. Jener ursprüngliche Gegensatz kann nur in einer unendlichen Synthesis und im endlichen Objekt nur momentan aufgehoben werden. Der Gegensatz entsteht in jedem Moment aufs neue, und wird in jedem Moment wieder aufgehoben. Dieses Wiederentstehen und Wiederaufheben des Gegensatzes in jedem Moment muß der letzte Grund aller Bewegung sein. Dieser Satz, welcher Grundsatz einer dynamischen Physik ist, hat, wie alle Grundsätze untergeordneter Wissenschaften, in der Transzendental-Philosophie seine Stelle.


IV.

In der soeben beschriebenen Sukzession ist es der Intelligenz nicht um dieselbe, denn sie ist völlig unwillkürlich, sondern um[162] sich selbst zu tun. Sie sucht sich selbst, aber eben dadurch flieht sie sich selbst. Nachdem sie einmal in diese Sukzession versetzt ist, kann sie sich selbst nicht mehr anders als tätig in der Sukzession anschauen. Nun hatten wir aber bereits eine Selbstanschauung der Intelligenz in dieser Sukzession deduziert, durch die Wechselwirkung nämlich. Aber die Wechselwirkung konnten wir bis jetzt nur als relative, nicht aber als absolute Synthesis, oder als eine Anschauung der ganzen Sukzession der Vorstellungen begreiflich machen. Es läßt sich nun schlechterdings nicht denken, wie die ganze Sukzession zum Objekt werde, ohne ein Begrenztwerden dieser Sukzession.

Hier sehen wir uns also auf eine dritte Begrenztheit getrieben, welche die Intelligenz in einen noch engeren Kreis versetzt als alle bisherige, die wir uns aber begnügen müssen, indes bloß zu postulieren. Die erste Beschränktheit des Ichs war die, daß es überhaupt Intelligenz wurde, die zweite die, daß es von einem gegenwärtigen Moment ausgehen muß, oder nur eingreifen konnte an einem bestimmten Punkte der Sukzession. Aber von diesem Punkte an wenigstens konnte die Reihe ins Unendliche gehen. Wenn nun aber diese Unendlichkeit nicht wieder begrenzt wird, so ist schlechthin nicht zu begreifen, wie die Intelligenz aus ihrem Produzieren heraustreten und sich selbst als produktiv anschauen könne. Bis jetzt war die Intelligenz und die Sukzession selbst Eines; jetzt muß sie die Sukzession sich entgegensetzen, um sich in ihr anzuschauen. Nun läuft aber die Sukzession nur an dem Wechsel der Akzidenzen fort, angeschaut werden aber kann die Sukzession nur dadurch, daß das Substantielle in ihr als beharrend angeschaut wird. Aber das Substantielle in jener unendlichen Sukzession ist nichts anderes als die absolute Synthesis selbst, welche nicht entstand, sondern ewig ist. Aber die Intelligenz hat keine Anschauung der absoluten Synthesis, d.h. des Universums, ohne daß es ihr endlich werde. Die Intelligenz kann also auch die Sukzession nicht anschauen, ohne daß ihr das Universum in der Anschauung begrenzt werde.

Nun kann aber die Intelligenz so wenig aufhören zu produzieren als Intelligenz zu sein. Also wird ihr jene Sukzession von[163] Vorstellungen nicht begrenzt werden können, ohne innerhalb dieser Begrenztheit wieder unendlich zu sein. Um dies sogleich deutlich zu machen, so ist in der Außenwelt ein beständiger Wechsel von Veränderungen, welche sich aber nicht ins Unendliche verlieren, sondern eingeschränkt sind auf einen bestimmten Kreis, in welchen sie beständig zurückkehren. Dieser Wechsel von Veränderungen ist also endlich und unendlich zugleich, endlich, weil er eine gewisse Grenze nie überschreitet, unendlich, weil er beständig in sich selbst zurückkehrt. Die Kreislinie ist die ursprüngliche Synthesis der Endlichkeit und der Unendlichkeit, in welche auch die gerade Linie sich auflösen muß. Die Sukzession geschieht nur scheinbar in gerader Linie, und fließt beständig in sich selbst zurück.

Die Intelligenz muß aber die Sukzession anschauen als in sich selbst zurücklaufend; ohne Zweifel wird ihr durch diese Anschauung ein neues Produkt entstehen, sie wird also wieder nicht dazu kommen die Sukzession anzuschauen, denn anstatt derselben entsteht ihr etwas ganz anderes. Die Frage ist: von welcher Art jenes Produkt sein werde.

Man kann sagen, die organische Natur führe den sichtbarsten Beweis für den transzendentalen Idealismus, denn jede Pflanze ist ein Symbol der Intelligenz. Wenn für jene der Stoff, den sie unter bestimmter Form sich aneignet oder sich anbildet, in der umgebenden Natur präformiert ist, woher sollte denn dieser der Stoff kommen, da sie absolut und einzig ist? Weil sie also den Stoff ebenso wie die Form aus sich produziert, ist sie das absolut Organische. In der ursprünglichen Sukzession der Vorstellungen erscheint sie uns als eine Tätigkeit, welche unaufhörlich von sich selbst zugleich die Ursache und die Wirkung ist, Ursache, insofern sie produzierend, Wirkung, insofern sie Produziertes ist. Der Empirismus, welcher alles von außen in die Intelligenz kommen läßt, erklärt die Natur der Intelligenz in der Tat bloß mechanisch. Ist die Intelligenz nur überhaupt organisch, wie sie es denn ist, so hat sie auch alles, was für sie ein Äußeres ist, von innen heraus sich angebildet, und was ihr Universum ist, ist nur das gröbere und entferntere Organ des Selbstbewußtseins,[164] wie der individuelle Organismus das feinere und unmittelbare Organ desselben ist.

Eine Deduktion der organischen Natur hat hauptsächlich vier Fragen zu beantworten.

1. Warum ist eine organische Natur überhaupt notwendig?

2. Warum ist eine Stufenfolge in der organischen Natur notwendig?

3. Warum ist ein Unterschied zwischen belebter und unbelebter Organisation?

4. Was ist der Grundcharakter aller Organisation?

1. Die Notwendigkeit der organischen Natur ist auf folgende Art zu deduzieren.

Die Intelligenz muß sich selbst in ihrem produktiven Übergehen von Ursache zu Wirkung, oder in der Sukzession ihrer Vorstellungen anschauen, insofern diese in sich selbst zurückläuft. Aber dies kann sie nicht, ohne jene Sukzession permanent zu machen, oder sie in Ruhe darzustellen. Die in sich selbst zurückkehrende, in Ruhe dargestellte, Sukzession ist eben die Organisation. Der Begriff der Organisation schließt nicht allen Begriff der Sukzession aus. Die Organisation ist nur die in Grenzen eingeschlossene und als fixiert vorgestellte Sukzession. Der Ausdruck der organischen Gestalt ist Ruhe, obgleich dieses beständige Reproduziertwerden der ruhenden Gestalt nur durch einen kontinuierlichen inneren Wechsel möglich ist. So gewiß also, als die Intelligenz in der ursprünglichen Sukzession der Vorstellungen von sich selbst die Ursache zugleich und die Wirkung ist, und so gewiß jene Sukzession eine begrenzte ist, muß die Sukzession ihr zum Objekt werden als Organisation, welches die erste Auflösung unseres Problems ist, wie die Intelligenz sich selbst als produktiv anschaue.

2. Nun ist aber die Sukzession innerhalb ihrer Grenzen wieder endlos. Die Intelligenz ist also ein unendliches Bestreben sich zu organisieren. Also wird auch im ganzen System der Intelligenz alles zu Organisation streben, und über ihre Außenwelt der allgemeine Trieb zur Organisation verbreitet sein müssen. Es wird daher auch eine Stufenfolge der Organisation notwendig[165] sein. Denn die Intelligenz, insofern sie empirisch ist, hat das kontinuierliche Streben, das Universum, das sie nicht durch absolute Synthesis darstellen kann, wenigstens sukzessiv in der Zeit hervorzubringen. Die Aufeinanderfolge in ihren ursprünglichen Vorstellungen ist also nichts anderes als sukzessive Darstellung oder Entwicklung der absoluten Synthesis, nur daß auch diese Entwicklung vermöge der dritten Beschränktheit nur bis zu einer gewissen Grenze gelangen kann. Diese Evolution begrenzt und als begrenzt angeschaut, ist die Organisation.

Die Organisation im allgemeinen ist also nichts anderes als das verkleinerte und gleichsam zusammengezogene Bild des Universums. Nun ist aber die Sukzession selbst allmählich, d.h. sie kann in keinem einzelnen Moment sich ganz entwickeln. Je weiter aber die Sukzession fortrückt, desto weiter entwickelt sich auch das Universum. Also wird auch die Organisation in dem Verhältnis, wie die Sukzession fortrückt, eine größere Ausdehnung gewinnen, und einen größeren Teil des Universums in sich darstellen. Dies wird also eine Stufenfolge geben, welche der Entwicklung des Universums parallel geht. Das Gesetz dieser Stufenfolge ist, daß die Organisation ihren Kreis beständig erweitert, wie ihn die Intelligenz beständig erweitert. Ginge diese Erweiterung, oder ginge die Evolution des Universums ins Unendliche, so würde auch die Organisation ins Unendliche gehen, die Grenze der ersteren ist auch Grenze der letzteren.

Zur Erläuterung möge folgendes dienen. Je tiefer wir in der organischen Natur herabsteigen, desto enger wird die Welt, welche die Organisation in sich darstellt, desto kleiner der Teil des Universums, der in der Organisation sich zusammenzieht. Die Welt der Pflanze ist wohl die engste, weil in ihre Sphäre eine Menge Naturveränderungen gar nicht fallen. Weiter schon, aber doch noch sehr eingeschränkt ist der Kreis von Veränderungen, welchen die untersten Klassen des Tierreichs in sich darstellen, indem z.B. die edelsten Sinne, der des Gesichts und Gehörs, noch verschlossen liegen, und kaum der Gefühlssinn, d.h. die Rezeptivität für das unmittelbar Gegenwärtige, sich auftut. – Was wir an den Tieren Sinn nennen, bezeichnet nicht etwa ein Vermögen, Vorstellungen durch äußere Eindrücke zu[166] erlangen, sondern nur ihr Verhältnis zum Universum, das weiter oder eingeschränkter sein kann. Was aber von den Tieren überhaupt zu halten sei, erhellt daraus, daß durch sie in der Natur derjenige Moment des Bewußtseins bezeichnet ist, bei welchem sich gegenwärtig unsere Deduktion befindet. – Geht man in der Reihe der Organisationen aufwärts, so findet man, daß die Sinne allmählich in der Ordnung sich entwickeln, in welcher sich durch sie die Welt der Organisationen erweitert5. Weit eher z.B. öffnet sich der Gehörsinn, weil durch ihn die Welt des Organismus nur auf eine sehr nahe Entfernung erweitert wird. Weit später der göttliche Sinn des Gesichts, weil durch ihn die Welt in eine Weite ausgedehnt wird, welche selbst die Einbildungskraft zu ermessen unfähig ist. Leibniz bezeugt eine so große Verehrung für das Licht, daß er bloß deswegen den Tieren höhere Vorstellungen zuschreibt, weil sie der Eindrücke des Lichts empfänglich seien. Allein auch wo dieser Sinn mit seiner äußeren Hülle hervortritt, bleibt es immer noch ungewiß, wie weit der Sinn selbst sich erstrecke, und ob das Licht nicht bloß für die höchste Organisation Licht ist.

3. Die Organisation überhaupt ist die in ihrem Lauf gehemmte und gleichsam erstarrte Sukzession. Nun sollte aber die Intelligenz nicht nur die Sukzession ihrer Vorstellungen überhaupt, sondern sich selbst, und zwar als tätig in dieser Sukzession, anschauen. Soll sie sich selbst als tätig in der Sukzession Objekt werden (es versteht sich, äußerlich, denn die Intelligenz ist jetzt nur äußerlich anschauend), so muß sie die Sukzession anschauen als unterhalten durch ein inneres Prinzip der Tätigkeit. Nun ist aber die innerliche Sukzession äußerlich angeschaut Bewegung, Also wird sie sich nur in einem Objekt anschauen können, das ein inneres Prinzip der Bewegung in sich selbst hat. Aber ein solches Objekt heißt lebendig. Die Intelligenz muß also sich selbst nicht nur als Organisation überhaupt, sondern als lebendige Organisation anschauen.[167]

Es erhellt nun aber eben aus dieser Deduktion des Lebens, daß es in der organischen Natur allgemein sein muß, daß also jener Unterschied zwischen belebten und unbelebten Organisationen in der Natur selbst nicht stattfinden kann. Da die Intelligenz durch die ganze organische Natur sich selbst als tätig in der Sukzession anschauen soll, so muß auch jede Organisation im weiteren Sinne des Wortes Leben, d.h. ein inneres Prinzip der Bewegung, in sich selbst haben. Das Leben mag wohl mehr oder weniger eingeschränkt sein; die Frage also: woher jener Unterschied? reduziert sich auf die vorhergehende: woher die Stufenfolge in der organischen Natur?

Diese Stufenfolge der Organisationen aber bezeichnet nur verschiedene Momente der Evolution des Universums. So wie nun die Intelligenz durch die Sukzession beständig die absolute Synthesis darzustellen strebt, ebenso wird die organische Natur beständig als ringend nach dem allgemeinen Organismus, und im Kampf gegen eine anorgische Natur erscheinen. Die Grenze der Sukzession in den Vorstellungen der Intelligenz wird auch die Grenze der Organisation sein. Nun muß es aber eine absolute Grenze des Anschauens der Intelligenz geben; diese Grenze ist für uns das Licht. Denn obgleich es unsere Anschauungssphäre fast ins Unermeßliche erweitert, so kann doch die Grenze des Lichts nicht die Grenze des Universums sein, und es ist nicht bloße Hypothese, daß jenseits der Lichtwelt mit einem uns unbekannten Lichte eine Welt strahlt, welche nicht mehr in die Sphäre unserer Anschauung fällt. – Wenn nun also die Intelligenz die Evolution des Universums, soweit es in ihre Anschauung fällt, in einer Organisation anschaut, so wird sie dieselbe als identisch mit sich selbst anschauen. Denn es ist die Intelligenz selbst, welche durch alle Labyrinthe und Krümmungen der organischen Natur hindurch sich selbst als produktiv zurückzustrahlen sucht. Aber in keiner von den untergeordneten Organisationen stellt sich die Welt der Intelligenz vollständig dar. Nur wenn sie bis zur vollkommensten Organisation gelangt, in welcher ihre ganze Welt sich kontrahiert, wird sie diese Organisation als identisch mit sich selbst erkennen. Deswegen wird die Intelligenz[168] nicht nur überhaupt als organisch sich erscheinen, sondern als auf dem Gipfel der Organisation stehend. Sie kann die übrigen Organisationen nur als Mittelglieder ansehen, durch welche hindurch allmählich die vollkommenste von den Fesseln der Materie sich loswindet, oder durch welche hindurch sie sich selbst vollständig zum Objekt wird. Sie wird also auch den übrigen Organisationen nicht die gleiche Dignität mit sich selbst zugestehen.

Die Grenze ihrer Welt, oder, was dasselbe ist, die Grenze der Sukzession ihrer Vorstellungen, ist auch die Grenze der Organisation für die Intelligenz. So besteht also die von uns sogenannte dritte Beschränktheit darin, daß die Intelligenz sich selbst erscheinen muß als organisches Individuum. Durch die Notwendigkeit, sich als organisches Individuum anzuschauen, wird ihr ihre Welt vollends begrenzt, und umgekehrt dadurch, daß die Sukzession ihrer Vorstellungen eine begrenzte wird, wird sie selbst organisches Individuum.

4. Der Grundcharakter der Organisation ist, daß sie aus dem Mechanismus gleichsam hinweggenommen, nicht nur als Ursache, oder Wirkung, sondern, weil sie beides zugleich von sich selbst ist, durch sich selbst besteht. Wir hatten das Objekt erst bestimmt als Substanz und Akzidens, aber es konnte nicht als solches angeschaut werden, ohne auch Ursache und Wirkung zu sein, und hinwiederum, es konnte nicht als Ursache und Wirkung angeschaut werden, ohne daß die Substanzen fixiert wurden. Aber wo fängt denn die Substanz an, und wo hört sie auf? Ein Zugleichsein aller Substanzen verwandelt alle in Eine, die nur in ewiger Wechselwirkung mit sich selbst begriffen ist; dies ist die absolute Organisation. Die Organisation ist also die höhere Potenz der Kategorie der Wechselwirkung, welche, allgemein gedacht, auf den Begriff der Natur oder der allgemeinen Organisation führt, in bezug auf welche alle einzelnen Organisationen selbst wieder Akzidenzen sind. Der Grundcharakter der Organisation ist also, daß sie mit sich selbst in Wechselwirkung, Produzierendes und Produkt zugleich sei, welcher Begriff Prinzip aller organischen Naturlehre ist, aus welchem alle weiteren Bestimmungen der Organisation a priori abgeleitet werden können.[169]

Da wir jetzt auf dem Gipfel aller Produktion, nämlich bei der organischen stehen, so wird uns ein Rückblick auf die ganze Reihe vergönnt sein. Wir können in der Natur jetzt drei Potenzen der Anschauung unterscheiden, die einfache, den Stoff, welche durch die Empfindung in sie gesetzt ist, die zweite, oder die Materie, welche durch die produktive Anschauung gesetzt ist, die dritte endlich, welche durch die Organisation bezeichnet ist.

Da nun die Organisation nur die produktive Anschauung in der zweiten Potenz ist, so werden die Kategorien der Konstruktion der Materie überhaupt, oder der allgemeinen Physik, auch Kategorien der organischen Konstruktion und der organischen Naturlehre sein, nur daß sie in dieser gleichfalls als potenziert gedacht werden müssen. Ferner, ebenso, wie durch jene drei Kategorien der allgemeinen Physik die drei Dimensionen der Materie bestimmt sind, so durch die drei der organischen die drei Dimensionen des organischen Produkts. Und wenn der Galvanismus, wie gesagt, der allgemeine Ausdruck des ins Produkt übergehenden Prozesses ist, und Magnetismus, Elektrizität und chemische Kraft mit dem Produkt potenziert die drei Kategorien der organischen Physik geben, so werden wir uns den Galvanismus als die Brücke vorstellen müssen, über welche jene allgemeinen Naturkräfte in Sensibilität, Irritabilität und Bildungstrieb übergehen.

Der Grundcharakter des Lebens insbesondere wird darin bestehen, daß es eine in sich selbst zurückkehrende, fixierte und durch ein inneres Prinzip unterhaltene Aufeinanderfolge ist, und so wie das intellektuelle Leben, dessen Bild es ist, oder die Identität des Bewußtseins nur durch die Kontinuität der Vorstellungen unterhalten wird, ebenso das Leben nur durch die Kontinuität der inneren Bewegungen, und ebenso wie die Intelligenz in der Sukzession ihrer Vorstellungen beständig um das Bewußtsein kämpft, so muß das Leben in einem beständigen Kampf gegen den Naturlauf, oder in dem Bestreben seine Identität gegen ihn zu behaupten, gedacht werden.

Nachdem wir die Hauptfragen, welche an eine Deduktion der organischen Natur gemacht werden können, beantwortet haben,[170] wenden wir unsere Aufmerksamkeit noch auf ein einzelnes Resultat dieser Deduktion, nämlich daß in der Stufenfolge der Organisationen notwendig eine vorkommen muß, welche die Intelligenz als identisch mit sich selbst anzuschauen genötigt ist. Wenn nun die Intelligenz nichts anderes ist als eine Evolution von ursprünglichen Vorstellungen, und wenn diese Sukzession im Organismus dargestellt werden soll, so wird jene Organisation, welche die Intelligenz als identisch mit sich selbst erkennen muß, in jedem Moment der vollkommene Abdruck ihres Innern sein. Wo nun die den Vorstellungen entsprechenden Veränderungen des Organismus fehlen, da können auch jene Vorstellungen der Intelligenz nicht zum Objekt werden. Wenn wir uns transzendent ausdrücken wollen, so hat z.B. der Blindgeborene allerdings eine Vorstellung des Lichts für einen Beobachter außer ihm, da es hierzu nur des innern Anschauungsvermögens bedarf, nur daß ihm diese Vorstellung nicht zum Objekt wird; obgleich, weil im Ich nichts ist, was es nicht selbst in sich anschaut, transzendental angesehen, jene Vorstellung in ihm wirklich nicht ist. Der Organismus ist die Bedingung, unter welcher allein die Intelligenz sich als Substanz oder Subjekt der Sukzession unterscheiden kann von der Sukzession selbst, oder unter welcher allein diese Sukzession etwas von der Intelligenz Unabhängiges werden kann. Daß es uns nun scheint, als ob es einen Übergang aus dem Organismus in die Intelligenz gebe, so nämlich, daß durch eine Affektion des ersten eine Vorstellung in der letzteren verursacht werde, ist bloße Täuschung, weil wir eben von der Vorstellung nichts wissen können, ehe sie uns durch den Organismus zum Objekt wird, die Affektion des letzteren also im Bewußtsein der Vorstellung vorangeht, und sonach nicht als bedingt durch sie, vielmehr als ihre Bedingung erscheinen muß. Nicht die Vorstellung selbst, wohl aber das Bewußtsein derselben ist durch die Affektion des Organismus bedingt, und wenn der Empirismus seine Behauptung auf das letztere einschränkt, so ist nichts gegen ihn einzuwenden.

Wenn also überhaupt von einem Übergang die Rede sein kann, wo gar nicht zwei entgegengesetzte Objekte, sondern eigentlich[171] nur Ein Objekt ist, so kann eher von einem Übergang aus der Intelligenz in den Organismus, als von einem entgegengesetzten die Rede sein. Denn da der Organismus selbst nur eine Anschauungsart der Intelligenz ist, so muß ihr notwendig alles, was in ihr ist, unmittelbar im Organismus zum Objekt werden. Es ist nur diese Notwendigkeit, alles, was in uns ist, also auch die Vorstellung als solche, nicht etwa nur das Objekt derselben, als außer uns anzuschauen, worauf die ganze sogenannte Abhängigkeit des Geistigen vom Materiellen beruht. Sobald z.B. der Organismus nicht mehr vollkommener Reflex unseres Universums ist, dient er auch nicht mehr als Organ der Selbstanschauung, d.h. er ist krank; wir fühlen uns selbst als krank nur wegen jener absoluten Identität des Organismus mit uns. Aber der Organismus ist selbst nur krank nach Naturgesetzen, d.h. nach Gesetzen der Intelligenz selbst. Denn die Intelligenz ist in ihrem Produzieren nicht frei, sondern durch Gesetze eingeschränkt und gezwungen. Wo also mein Organismus nach Naturgesetzen krank sein muß, bin ich auch genötigt, ihn als solchen anzuschauen. Das Krankheitsgefühl entsteht durch nichts anderes als durch die Aufhebung der Identität zwischen der Intelligenz und ihrem Organismus, das Gesundheitsgefühl dagegen, wenn man anders eine ganz leere Empfindung Gefühl nennen kann, ist das Gefühl des gänzlichen Verlorenseins der Intelligenz im Organismus, oder, wie ein trefflicher Schriftsteller sich ausdrückt, der Durchsichtigkeit des Organismus für den Geist.

Zu jener Abhängigkeit, nicht des Intellektuellen selbst, wohl aber des Bewußtseins des Intellektuellen vom Physischen, gehört auch die Zu- und Annahme der geistigen Kräfte mit den organischen, und selbst die Notwendigkeit sich als geboren zu erscheinen. Ich, als dieses bestimmte Individuum, war überhaupt nicht, ehe ich mich anschaute als dieses, noch werde ich dasselbe sein, sowie diese Anschauung aufhört. Da nach Naturgesetzen ein Zeitpunkt notwendig ist, wo der Organismus, als ein durch eigne Kraft allmählich sich zerstörendes Werk aufhören muß, Reflex der Außenwelt zu sein, so ist die absolute Aufhebung der Identität zwischen dem Organismus und der Intelligenz, welche[172] in der Krankheit nur partiell ist, d.h. der Tod, ein Naturereignis, was selbst in die ursprüngliche Reihe von Vorstellungen der Intelligenz fällt.

Was von der blinden Tätigkeit der Intelligenz gilt, nämlich daß der Organismus ihr beständiger Abdruck sei, wird auch für die freie Tätigkeit gelten müssen, wenn es eine solche in der Intelligenz gibt, was wir bis jetzt nicht abgeleitet haben. Es wird also auch jeder freiwilligen Sukzession der Vorstellungen in der Intelligenz eine freie Bewegung in ihrem Organismus entsprechen müssen, wohin nicht pur etwa die im engeren Sinn sogenannte willkürliche Bewegung, sondern auch Gebärde, Sprache, kurz alles, was Ausdruck eines inneren Zustandes ist, gehört. Wie aber eine frei entworfene Vorstellung der Intelligenz in eine äußere Bewegung übergehe, eine Frage, welche in die praktische Philosophie gehört, und welche nur darum hier berührt wird, weil sie doch nur nach den eben vorgetragenen Grundsätzen beantwortet werden kann, bedarf einer ganz anderen Auflösung als die umgekehrte, wie durch eine Veränderung im Organismus eine Vorstellung in der Intelligenz bedingt sein könne. Denn insofern die Intelligenz bewußtlos produziert, ist ihr Organismus mit ihr unmittelbar identisch, so daß, was sie äußerlich anschaut, ohne weitere Vermittlung durch den Organismus reflektiert wird. Z.B. nach Naturgesetzen ist es notwendig, daß unter diesen oder jenen Verhältnissen, z.B. der allgemeinen Erregungsursachen, der letztere als krank erscheine; diese Bedingungen gegeben, ist die Intelligenz nicht mehr frei, das Bedingte vorzustellen oder nicht, der Organismus wird krank, weil die Intelligenz ihn so vorstellen muß. Aber von der Intelligenz, insofern sie freitätig ist, wird ihr Organismus unterschieden, also folgt aus einem Vorstellen der ersteren nicht unmittelbar ein Sein in dem letzteren. Ein Kausalitätsverhältnis zwischen einer freien Tätigkeit der Intelligenz und einer Bewegung ihres Organismus ist so wenig denkbar, als das umgekehrte Verhältnis, da beide gar nicht wirklich, sondern nur ideell entgegengesetzt sind. Es bleibt also nichts übrig, als zwischen der Intelligenz, insofern sie freitätig, und insofern sie bewußtlos anschauend ist, eine[173] Harmonie zu setzen, welche notwendig eine prästabilierte ist. Allerdings also bedarf auch der transzendentale Idealismus einer vorherbestimmten Harmonie, zwar nicht, um die Obereinstimmung von Veränderungen im Organismus mit unwillkürlichen Vorstellungen, wohl aber, um die Übereinstimmung von organischen Veränderungen mit willkürlichen Vorstellungen zu erklären; auch nicht einer prästabilierten Harmonie, wie die Leibnizische nach der gewöhnlichen Auslegung, die zwischen der Intelligenz und dem Organismus unmittelbar, sondern einer solchen, die zwischen der freien und der bewußtlos produzierenden Tätigkeit stattfindet, da es nur der letzteren bedarf, um einen Übergang aus der Intelligenz in die Außenwelt zu erklären.

Wie aber eine solche Harmonie selbst möglich sei, können wir weder einsehen, noch brauchen wir es auch einzusehen, solange wir uns auf dem gegenwärtigen Gebiet befinden.


V.

Aus dem jetzt vollständig abgeleiteten Verhältnis der Intelligenz zum Organismus ist offenbar, daß sie im gegenwärtigen Moment des Bewußtseins in ihrem Organismus, den sie als ganz identisch mit sich anschaut, sich verliert, und also abermals nicht zur Anschauung ihrer selbst gelangt.

Nun ist aber zugleich dadurch, daß sich für die Intelligenz ihre ganze Welt im Organismus zusammenzieht, der Kreis des Produzierens für sie geschlossen. Es muß also die letzte Handlung, wodurch in die Intelligenz das vollständige Bewußtsein gesetzt wird (denn dieselbe zu finden, war unsere einzige Aufgabe; alles andere, was in die Auflösung dieser Aufgabe fiel, entstand uns nur beiläufig gleichsam, und ebenso absichtslos, als der Intelligenz selbst), ganz außerhalb der Sphäre des Produzierens fallen, d.h. die Intelligenz selbst muß vom Produzieren sich völlig losreißen, wenn das Bewußtsein entstehen soll, welches ohne Zweifel abermals nur durch eine Reihe von Handlungen wird geschehen können. Ehe wir nun diese Handlungen selbst ableiten können, ist es nötig, wenigstens im allgemeinen die Sphäre zu kennen, in welche jene dem Produzieren[174] entgegengesetzten Handlungen fallen. Denn daß diese Handlungen dem Produzieren entgegengesetzt sein müssen, ist schon daraus zu schließen, daß sie das Produzieren begrenzen sollen.

Wir fragen also, ob etwa in dem bisherigen Zusammenhang uns irgend eine dem Produzieren entgegengesetzte Handlung vorgekommen ist. – Indem wir die Reihe von Produktionen ableiteten, durch welche das Ich allmählich dazu gelangte sich als produktiv anzuschauen, zeigte sich zwar keine Tätigkeit, durch welche die Intelligenz sich vom Produzieren überhaupt losriß, wohl aber konnte das Gesetztwerden jedes abgeleiteten Produkts in das eigne Bewußtsein der Intelligenz allein durch ein beständiges Reflektieren der letzteren auf das Produzierte erklärt werden, nur daß uns durch jedes Reflektieren die Bedingung eines neuen Produzierens entstand. Wir mußten also, um den Progressus im Produzieren zu erklären, eine Tätigkeit in unser Objekt setzen, vermöge welcher es über jedes einzelne Produzieren hinausstrebt, nur daß es durch dieses Hinausstreben selbst sich immer in neue Produktionen verwickelte. Wir können daher zum voraus wissen, daß jene von uns jetzt postulierte Reihe von Handlungen in die Sphäre der Reflexion überhaupt gehöre.

Aber das Produzieren ist jetzt für die Intelligenz geschlossen, so daß sie durch keine neue Reflexion in die Sphäre desselben zurückkehren kann. Das Reflektieren, was wir jetzt ableiten werden, muß also von demjenigen, welches dem Produzieren beständig parallel ging, ganz verschieden sein, und wenn es ja, wie wohl möglich ist, notwendig von einem Produzieren begleitet würde, so wird dieses Produzieren im Gegensatz gegen jenes notwendige ein freies sein. Und hinwiederum, wenn das Reflektieren, was die bewußtlose Produktion begleitete, ein notwendiges war, wird jenes vielmehr, das wir jetzt suchen, ein freies sein müssen. Vermittelst desselben wird die Intelligenz nicht etwa nur ihr einzelnes Produzieren, sondern das Produzieren überhaupt und schlechthin begrenzen.

Der Gegensatz zwischen Produzieren und Reflektieren wird dadurch am sichtbarsten werden, daß, was wir bis jetzt vom Standpunkt der Anschauung erblickt haben, uns vom Standpunkt der Reflexion ganz anders erscheinen wird.[175]

Wir wissen jetzt also wenigstens im allgemeinen und zum voraus die Sphäre, in welche jene Reihe von Handlungen überhaupt gehört, durch welche die Intelligenz sich vom Produzieren überhaupt losreißt, nämlich in die Sphäre der freien Reflexion. Und wenn diese freie Reflexion im Zusammenhang mit dem vorher Abgeleiteten stehen soll, so wird ihr Grund unmittelbar in der dritten Begrenztheit liegen müssen, welche uns gerade ebenso in die Epoche der Reflexion treiben wird, wie uns die zweite Begrenztheit in die des Produzierens trieb. Allein diesen Zusammenhang wirklich aufzuzeigen, sehen wir uns bis jetzt noch völlig außerstande, und können nur behaupten, daß ein solcher sein werde.


Allgemeine Anmerkung zur zweiten Epoche

Die Einsicht in den ganzen Zusammenhang der in der letzten Epoche abgeleiteten Reihe von Handlungen beruht darauf, daß man den Unterschied wohl fasse zwischen dem, was wir die erste und ursprüngliche, und dem, was wir die zweite oder besondere Beschränktheit genannt haben.

Nämlich die ursprüngliche Grenze war an das Ich gesetzt schon im ersten Akt des Selbstbewußtseins durch die ideelle Tätigkeit, oder, wie es dem Ich nachher erschien, durch das Ding an sich. Durch das Ding an sich war nun aber bloß das objektive oder reelle Ich begrenzt. Allein das Ich, sobald es produzierend ist, also in der ganzen zweiten Periode, ist nicht mehr bloß reell, sondern ideell und reell zugleich. Durch jene ursprüngliche Grenze kann sich also das jetzt produzierende Ich als solches nicht begrenzt fühlen, auch darum, weil diese Grenze jetzt ins Objekt übergegangen ist, welches eben die gemeinschaftliche Darstellung vom Ich und vom Ding an sich ist, in welchem daher auch jene ursprüngliche durch das Ding an sich gesetzte Begrenztheit gesucht werden muß, so wie sie auch wirklich in ihm aufgezeigt worden ist.

Wenn also jetzt noch das Ich sich als begrenzt fühlt, so kann es sich nur als produzierend begrenzt fühlen, und dieses kann wiederum nur vermöge einer zweiten Grenze geschehen, welche Grenze des Dings ebenso wie des Ichs sein muß.[176]

Nun sollte aber diese Grenze Grenze des Leidens im Ich sein, allein dies ist sie nur für das reelle und objektive, eben deswegen aber Grenze der Aktivität des ideellen oder subjektiven. Das Ding an sich wird begrenzt, heißt: das ideelle Ich wird begrenzt. Es ist also offenbar, daß durch das Produzieren die Grenze wirklich ins ideelle Ich übergegangen ist. Dieselbe Grenze, welche das Ideelle in seiner Tätigkeit begrenzt, begrenzt das reelle Ich in seinem Leiden. Durch die Entgegensetzung zwischen ideeller und reeller Tätigkeit überhaupt ist die erste Begrenztheit, durch das Maß oder durch die Grenze dieser Entgegensetzung, welche, sobald sie als Entgegensetzung anerkannt wird, was eben in der produktiven Anschauung geschieht, notwendig eine bestimmte sein muß, ist die zweite gesetzt.

Ohne es zu wissen, war also das Ich unmittelbar dadurch, daß es produzierend wurde, in die zweite Begrenztheit versetzt, d.h. auch seine ideelle Tätigkeit war begrenzt worden. Diese zweite Begrenztheit muß für das an sich unbegrenzbare Ich notwendig schlechthin zufällig sein. Sie ist schlechthin zufällig, heißt: sie hat ihren Grund in einem absoluten freien Handeln des Ichs selbst. Das objektive Ich ist auf diese bestimmte Art begrenzt, weil das ideelle gerade auf diese bestimmte Art gehandelt hat. Aber daß das ideelle auf diese bestimmte Art gehandelt hat, setzt selbst schon eine Bestimmtheit in ihm voraus. Also muß jene zweite Grenze dem Ich als abhängig zugleich und als unabhängig von seiner Tätigkeit erscheinen. Dieser Widerspruch ist allein dadurch aufzulösen, daß diese zweite Begrenztheit nur eine gegenwärtige ist, und also ihren Grund in einem vergangenen Handeln des Ichs haben muß. Inwiefern darauf reflektiert wird, daß die Grenze eine gegenwärtige ist, ist sie vom Ich unabhängig, inwiefern darauf, daß sie überhaupt ist, ist sie durch ein Handeln des Ichs selbst gesetzt. Jene Begrenztheit der ideellen Tätigkeit kann daher dem Ich nur als eine Begrenztheit der Gegenwart erscheinen; unmittelbar dadurch also, daß das Ich empfindend mit Bewußtsein wird, entsteht ihm die Zeit als absolute Grenze, durch welche es sich als empfindend mit Bewußtsein, d.h. als innerer Sinn, zum Objekt wird. Nun war aber das Ich in der vorhergehenden Handlung (in der des Produzierens)[177] nicht bloß innerer Sinn, sondern, was freilich nur der Philosoph sieht, innerer und äußerer Sinn zugleich, denn es war ideelle und reelle Tätigkeit zugleich. Es kann sich also nicht als innerer Sinn zum Objekt werden, ohne daß ihm der äußere Sinn zugleich zum Objekt wird, und wenn jener als absolute Grenze angeschaut wird, kann dieser nur als nach allen Richtungen hin unendliche Tätigkeit angeschaut werden.

Unmittelbar dadurch also, daß die ideelle Tätigkeit in der Produktion begrenzt wird, wird dem Ich der innere Sinn durch die Zeit in ihrer Unabhängigkeit vom Raum, der äußere Sinn durch den Raum in seiner Unabhängigkeit von der Zeit zum Objekt; beide also kommen nicht als Anschauungen, deren das Ich sich nicht bewußt werden kann, sondern nur als Angeschaute im Bewußtsein vor.

Nun muß aber dem Ich Zeit und Raum selbst wieder zum Objekt werden, welches die zweite Anschauung dieser Epoche ist, und durch welche in das Ich eine neue Bestimmung, nämlich die Sukzession der Vorstellungen, gesetzt wird, vermöge welcher es für das Ich überhaupt kein erstes Objekt gibt, indem es ursprünglich nur eines zweiten durch die Entgegensetzung gegen das erste als sein Einschränkendes bewußt werden kann, wodurch also die zweite Begrenztheit vollständig ins Bewußtsein gesetzt wird.

Nun muß aber dem Ich das Kausalitätsverhältnis selbst wieder zum Objekt werden, welches durch Wechselwirkung, die dritte Anschauung in dieser Epoche, geschieht.

So sind also die drei Anschauungen dieser Epoche nichts anderes als die Grundkategorien alles Wissens, nämlich die der Relation.

Die Wechselwirkung ist selbst nicht möglich, ohne daß dem Ich die Sukzession selbst wieder eine begrenzte wird, welches durch die Organisation geschieht, welche, insofern sie den höchsten Punkt der Produktion bezeichnet, und als Bedingung einer dritten Begrenztheit, zu einer neuen Reihe von Handlungen überzugehen zwingt.[178]

5

Ich muß wegen dieses Gesetzes auf die Rede über die Verhältnisse der organischen Kräfte von Herrn Kielmeyer verweisen, wo es aufgestellt und bewiesen ist.

Quelle:
Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Werke. Band 2, Leipzig 1907, S. 128-179.
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