§ 11.

[44] Enthält das Ich alle Realität, so ist es unendlich. Denn wodurch anders sollte es begrenzt werden, als entweder durch eine Realität außer ihm, was (§ 10) unmöglich ist, oder durch eine Negation außer ihm, was abermals unmöglich ist, ohne es selbst vorher als schlechthin nichtbegrenzt zu setzen, da Negation als solche nur im Gegensatz gegen ein Absolutes bestimmbar ist, oder durch sich selbst, dann wäre es nicht schlechthin, sondern unter Bedingung einer Grenze gesetzt, was abermals unmöglich ist. – Das Ich muß schlechthin unendlich sein. Wäre eines seiner Attribute endlich, so wäre es diesem Attribute zufolge selbst endlich, also zugleich unendlich und endlich. Demnach müssen auch alle Attribute des Ichs unendlich sein. Denn das Ich ist nur durch das, was es ist, d.h. durch seine Attribute, unendlich. – Könnte man die Realität des Ichs in mehrere Teile zerlegen, so würden diese Teile entweder die Unendlichkeit der Realität beibehalten oder nicht. Im ersteren Falle gäbe es ein Ich außer dem Ich (denn wo Unendlichkeit ist, da ist Ich), eine Unendlichkeit außer der Unendlichkeit, was ungereimt ist; im anderen Falle könnte das Ich durch Teilung aufhören, d.h. es wäre nicht unendlich, es wäre nicht absolute Realität. Das Ich ist also unteilbar. Ist es unteilbar, so ist es auch unveränderlich. Denn da es durch nichts außer sich verändert werden kann (§ 8), so müßte es durch sich selbst verändert werden, also müßte ein Teil desselben den anderen bestimmen, d.h. es wäre teilbar. Das Ich soll aber immer sich selbst gleich, und absolute außerhalb alles Wechsels gesetzte Einheit sein.

Quelle:
Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Werke. Band 1, Leipzig 1907, S. 44.
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