Dritte Vorlesung

Über die ersten Voraussetzungen des akademischen Studium

[569] Den hohen Zweck desjenigen, der sich überhaupt der Wissenschaft weiht, glaube ich im Vorhergehenden durch die Idee der letzteren schon hinlänglich ausgesprochen zu haben. Desto kürzer werde ich mich über die allgemeinen Forderungen, die an den gemacht werden müssen, der diesen Beruf erwählt, fassen können.

Der Begriff des Studierens schließt an sich schon und besonders nach den Verhältnissen der neueren Kultur eine doppelte Seite in sich. Die erste ist die historische. In Ansehung derselben findet das bloße Lernen statt. Die unumgängliche Notwendigkeit der Gefangennehmung und Ergebung seines Willens unter den Gehorsam des Lernens in allen Wissenschaften folgt schon aus dem früher Bewiesenen. Was auch bessere Köpfe in Erfüllung dieser Bedingung mißleitet, ist eine sehr gewöhnliche Täuschung.

Sie fühlen sich nämlich bei dem Lernen mehr angestrengt als eigentlich tätig, und weil die Tätigkeit der natürlichere Zustand ist, halten sie jede Art derselben für eine höhere Äußerung des angeborenen Vermögens, wenn auch die Leichtigkeit, welche das eigne Denken und Entwerfen für sie hat, seinen Grund mehr in der Unkenntnis der wahren Gegenstände und eigentlichen Aufgaben des Wissens, als in einer echten Fülle des produktiven Triebs haben sollte. Im Lernen, selbst wo es durch lebendigen[569] Vortrag geleitet wird, findet wenigstens keine Wahl statt; man muß durch alles, durch das Schwere wie das Leichte, durch das Anziehende wie das minder Anziehende hindurch; die Aufgaben werden hier nicht willkürlich, nach Ideenassoziation oder Neigung genommen, sondern mit Notwendigkeit. In dem Gedankenspiel, bei mittelmäßig reger Einbildungskraft, die mit geringer Kenntnis der wissenschaftlichen Forderungen verbunden ist, nimmt man heraus, was gefällt, und läßt liegen, was nicht gefällt, oder was auch im Erfinden und eignen Denken nicht ohne Anstrengung ergründet werden kann.

Selbst derjenige, der von Natur berufen ist, zuvor nicht bearbeitete Gegenstände in neuen Gebieten sich zu seiner Aufgabe zu nehmen, muß doch den Geist auf jene Weise geübt haben, um in diesen einst durchzudringen. Ohne dies wird ihm auch im Selbstkonstruieren immer nur ein desultorisches Verfahren und fragmentarisches Denken eigentümlich bleiben. Die Wissenschaft zu durchdringen, vermag nur, wer sie bis zur Totalität gestalten und bis zu der Gewißheit in sich ausbilden kann, kein wesentliches Mittelglied übersprungen, das Notwendige erschöpft zu haben.

Ein gewisser Ton der Popularität in den obersten Wissenschaften, kraft dessen sie geradezu jedermanns Ding und jeder Fassungskraft angemessen sein sollten, hat die Scheu vor Anstrengung so allgemein verbreitet, daß die Schlaffheit, die es mit den Begriffen nicht zu genau nimmt, die angenehme Oberflächlichkeit und wohlgefällige Seichtigkeit sogar zur sogenannten feineren Ausbildung gehörte, und man endlich auch den Zweck der akademischen Bildung darauf beschränkte, von dem Wein der höheren Wissenschaften eben nur so viel zu kosten, als man mit Anstand auch einer Dame anbieten könnte.

Man muß den Universitäten zum Teil die Ehre widerfahren lassen, daß sie vorzüglich den einbrechenden Strom der Ungründlichkeit, den die neuere Pädagogik noch vermehrte, aufgehalten haben, obgleich es andererseits auch der Überdruß an ihrer langweiligen, breiten und von keinem Geist belebten Gründlichkeit war, was jenem den meisten Eingang verschaffte.[570]

Jede Wissenschaft hat außer ihrer eigentümlichen Seite eine andere noch, die ihr mit der Kunst gemein ist. Es ist die Seite der Form, welche in einigen derselben sogar vom Stoff ganz unzertrennlich ist. Alle Vortrefflichkeit in der Kunst, alle Bildung eines edlen Stoffs in angemessener Form geht aus der Beschränkung hervor, die der Geist sich selbst setzt. Die Form wird nur durch Übung vollständig erlangt, und aller wahre Unterricht soll seiner Bestimmung nach mehr auf diese als auf den Stoff gehen, [mehr das Organ üben als den Gegenstand überliefern. – Aber das Organ auch der Wissenschaft ist Kunst, und diese will durch Übung gebildet und gelernt sein].

Es gibt vergängliche und hinfällige Formen, und als besondere sind alle diejenigen, in die sich der Geist der Wissenschaft hüllt, auch nur verschiedene Erscheinungsweisen des sich in ewig neuen Gestalten verjüngenden und wiedergebährenden Genius. Aber in den besondern Formen ist eine allgemeine und absolute Form, von der jene selbst nur wieder die Symbole sind; und ihr Kunstwert steigt in dem Maße, in welchem ihnen gelingt jene zu offenbaren. Alle Kunst aber hat eine Seite, von der sie durch Lernen erworben wird. Die Scheu vor Formen und angeblichen Schranken derselben ist die Scheu vor der Kunst in der Wissenschaft.

Aber nicht in der gegebenen und besondern Form, die nur gelernt sein kann, sondern in eigentümlicher, selbstgebildeter, den gegebenen Stoff reproduzieren, vollendet auch erst das Aufnehmen selbst. Lernen ist nur negative Bedingung, wahre Intussuszeption nicht ohne innere Verwandlung in sich selbst möglich. Alle Regeln, die man dem Studieren vorschreiben könnte, fassen sich in der einen zusammen: Lerne nur, um selbst zu schaffen. Nur durch dieses göttliche Vermögen der Produktion ist man wahrer Mensch, ohne dasselbe nur eine leidlich klug eingerichtete Maschine. Wer nicht mit demselben höheren Antrieb, womit der Künstler aus einer rohen Masse das Bild seiner Seele und der eignen Erfindung hervorruft, es zur vollkommenen Herausarbeitung des Bildes seiner Wissenschaft in allen Zügen und Teilen bis zur vollkommenen Einheit mit dem Urbild gebracht hat, hat sie überhaupt nicht durchdrungen.[571]

Alles Produzieren ruht auf einer Begegnung oder Wechseldurchdringung des Allgemeinen und Besonderen. Den Gegensatz jeder Besonderheit gegen die Absolutheit scharf zu fassen, und zugleich in demselben unteilbaren Akt jene in dieser und diese in jener zu begreifen, ist das Geheimnis der Produktion. Hierdurch bilden sich jene höheren Einheitspunkte, wodurch das Getrennte zur Idee zusammenfließt, jene höheren Formeln, in die sich das Konkrete auflöst, die Gesetze, »aus dem himmlischen Äther geboren, die nicht die sterbliche Natur des Menschen gezeugt hat.«

Die gewöhnliche Einteilung der Erkenntnis in die rationale und historische wird so bestimmt, daß jene mit der Erkenntnis der Gründe verbunden, diese eine bloße Wissenschaft des Faktum sei. Man könnte einwenden, daß ja auch die Gründe wieder bloß historisch gewußt werden können; allein dann würden sie eben nicht als Gründe aufgefaßt. Man hat den Ekelnamen der Brotwissenschaften allgemein denjenigen gegeben, welche unmittelbarer als andere zum Gebrauch des Lebens dienen. Aber keine Wissenschaft verdient an sich diese Benennung. Wer die Philosophie oder Mathematik als Mittel behandelt, für den ist sie so gut bloßes Brotstudium, als die Rechtsgelehrsamkeit oder Medizin für denjenigen, der kein höheres Interesse für sie hat als das der Nützlichkeit für ihn selbst. Der Zweck alles Brotstudium ist, daß man die bloßen Resultate kennen lernt, entweder mit gänzlicher Vernachlässigung der Gründe, oder daß man auch diese nur um eines äußeren Zwecks willen, z.B. um bei angeordneten Prüfungen notdürftige Rechenschaft geben zu können, historisch kennen lernt.

Man kann sich dazu entschließen, einzig, weil man die Wissenschaft zu einem bloß empirischen Gebrauch erlernen will, d.h. sich selbst bloß als Mittel betrachtet. Nun kann gewiß niemand, der nur einen Funken von Achtung für sich selbst hat, sich gegenüber von der Wissenschaft selbst so niedrig fühlen, daß sie für ihn nur als Abrichtung für empirische Zwecke Wert hätte. Die notwendigen Folgen einer solchen Art zu studieren, sind diese:

Erstens ist es unmöglich, sich auch nur das Empfangene richtig anzueignen, notwendig also, daß man es falsch anwende,[572] da der Besitz desselben nicht auf einem lebendigen Organ der Anschauung, sondern nur auf dem Gedächtnis beruht. Wie oft senden Universitäten aus ihren Schulen solche Brotgelehrte zurück, die sich alles, was sich in ihrem Fach von Gelehrsamkeit da vorfindet, vortrefflich eingeprägt haben, denen es aber für die Aufnahme des Besonderen unter das Allgemeine gänzlich an Urteil fehlt! Lebendige Wissenschaftlichkeit bildet zur Anschauung; in dieser aber ist das Allgemeine und Besondere immer eins. Der Brotgelehrte dagegen ist anschauungslos, er kann sich im vorkommenden Falle nichts konstruieren, selbsttätig zusammensetzen, und da er im Lernen doch nicht auf alle möglichen Fälle vorbereitet werden konnte, so ist er in den meisten von seinem Wissen verlassen.

Eine andere notwendige Folge ist, daß ein solcher gänzlich unfähig ist fortzuschreiten; auch damit legt er den Hauptcharakter des Menschen und des wahren Gelehrten insbesondere ab. Er kann nicht fortschreiten, denn wahre Fortschritte sind nicht nach dem Maßstab früherer Lehren, sondern nur aus sich selbst und aus absoluten Prinzipien zu beurteilen. Höchstens faßt er auf, was selbst keinen Geist hat, neu angepriesene Mittel, diese oder jene fade Theorie, die eben entsteht und die Neugier reizt, oder einige neue Formeln, gelehrte Novitäten usw. Alles muß ihm als eine Besonderheit erscheinen, um von ihm aufgenommen zu werden. Denn nur das Besondere kann gelernt werden, und in der Qualität des Gelerntseins ist alles nur ein Besonderes. Deswegen ist er der geschworene Feind jeder echten Entdeckung, die im allgemeinen gemacht wird, jeder Idee, weil er sie nicht faßt, jeder wirklichen Wahrheit, die ihn in seiner Ruhe stört. Vergißt er sich noch überdies so weit, sich dagegen aufzulehnen, so benimmt er sich entweder auf die bekannte ungeschickte Art, das Neue nach Prinzipien und Ansichten zu beurteilen, die jenes eben in Ansprüche nimmt, mit Gründen oder gar Auktoritäten zu streiten, die in dem vorhergehenden Zustand der Wissenschaft etwa gelten konnten; oder es bleiben ihm im Gefühl seiner Nichtigkeit nur Schmähungen oder die Waffen der Verleumdung übrig, zu denen er sich innerlich berechtigt fühlt, weil jede neue Entdeckung wirklich ein persönlicher Angriff auf ihn ist.[573]

Der Erfolg ihres Studierens oder wenigstens die erste Richtung desselben hängt für alle mehr oder weniger von der Art und dem Grad von Bildung und Kenntnis ab, den sie auf die Akademie mitbringen. Von der ersten äußeren und sittlichen Bildung, die für diese Erziehungsstufe schon erfordert wird, sage ich nichts, da alles, was hierüber zu sagen wäre, sich von selbst versteht.

Die sogenannten Vorkenntnisse betreffend, so kann man die Art von Wissen, die vor dem akademischen erworben wird, nicht wohl anders denn als Kenntnisse bezeichnen. Für die Ausdehnung derselben gibt es ohne Zweifel auch einen Punkt, jenseits und diesseits dessen das Rechte nicht besteht.

Die höheren Wissenschaften lassen sich nicht in der Qualität von Kenntnissen besitzen oder erlangen. Es würde nicht ratsam sein, zu einer Zeit, wo doch in keiner Richtung die Absolutheit wahrhaft erreicht werden kann, dasjenige Wissen zu antizipieren, das seiner Natur nach darauf beruht und diesen Charakter zugleich allem anderen Wissen mitteilt. Ja auch von Wissenschaften, deren Stoff zum Teil in Kenntnissen besteht, die nur im Zusammenhang des Ganzen ihren wahren Wert erlangen können, jene mitzuteilen, ehe der Geist durch die höheren Wissenschaften in diesen eingeweiht ist, könnte nur die spätere Vernachlässigung, aber keinen Vorteil zur Folge haben. Der Erziehungseifer der letzten Zeit hat auch die niederem Schulen nur nicht ganz zu Akademien umzuschaffen zum Teil versucht, aber nur der Halbheit in der Wissenschaft neuen Vorschub getan.

Es ist überhaupt nötig auf jeder Stufe zu verweilen, bis man das sichere Gefühl hat, sich auf ihr festgesetzt zu haben. Nur wenigen scheint es verstattet, Stufen zu überspringen, obgleich dies eigentlich nie der Fall ist. Newton las in zartem Alter die Elemente des Euklides wie ein selbstgeschriebenes Werk, oder wie andere unterhaltende Schriften lesen. Er konnte daher von der Elementargeometrie unmittelbar zu den höheren Untersuchungen übergehen.

In der Regel ist das andere Extrem des obigen der Fall, nämlich die tiefste Vernachlässigung der Vorbereitungsschulen.[574] Was vor dem Eintritt in das akademische Studium schlechthin schon erworben sein sollte, ist alles, was zum Mechanischen in den Wissenschaften gehört. Teils hat überhaupt jede Szienz einen bestimmten Mechanismus, teils macht die allgemeine Verfassung der Wissenschaften mechanische Hilfsmittel, zu denselben zu gelangen unentbehrlich. Ein Beispiel des ersten Falls sind die allgemeinsten und ersten Operationen der Analysis des Endlichen; der akademische Lehrer kann wohl ihre wissenschaftlichen Gründe entwickeln, aber nicht den Rechenmeister machen. Ein Beispiel des andern Falls ist die Kenntnis der Sprachen, alter und neuer, da diese allein den Zugang zu den vornehmsten Quellen der Bildung und der Wissenschaft öffnen. Es gehört hierher überhaupt alles, was mehr oder weniger durch Gedächtnis aufgefaßt sein will, da dies im früheren Alter teils am schärfsten ist, teils am meisten geübt sein will.

Ich werde hier nur vorzüglich von dem früheren Studium der Sprachen reden, welches nicht bloß als notwendige Stufe zu jeder ferneren in der wissenschaftlichen Bildung unumgänglich ist, sondern einen unabhängigen Wert in sich selbst hat.

Die elenden Gründe, aus welchen vorzüglich das Erlernen der alten Sprachen im früheren Alter von der modernen Erziehungskunst bestritten wird, bedürfen keiner Widerlegung mehr. Sie gelten nur für ebenso viele besondere Beweise der Gemeinheit der Begriffe, die dieser zugrunde lagen, und sind vorzüglich von einem mißverstandenen Eifer gegen überwiegende Ausbildung des Gedächtnisses nach den Vorstellungen einer empirischen Psychologie eingegeben. Die angeblichen Erfahrungen darüber waren von gewissen Gedächtnisgelehrten hergenommen, die sich zwar mit Kenntnissen aller Art angefüllt, aber dadurch freilich nicht hatten erwerben können, was ihnen die Natur versagt hatte. Daß übrigens weder ein großer Feldherr noch ein großer Mathematiker oder Philosoph oder Dichter ohne Umfang und Energie des Gedächtnisses möglich war, konnte für sie nicht in Betracht kommen, da es auch gar nicht darauf angesehen war, große Feldherrn, Mathematiker, Dichter oder Philosophen, sondern nützliche, bürgerliche gewerbsame Menschen zu bilden.[575]

Ich kenne keine Beschäftigungsart, welche mehr geeignet wäre, im früheren Alter dem erwachenden Witz, Scharfsinn, Erfindungskraft die erste Übung zu geben, als die vornehmlich mit den alten Sprachen. Ich rede hier nämlich nicht von der Wissenschaft der Sprache im abstrakten Sinn, inwiefern diese als unmittelbarer Abdruck des inneren Typus der Vernunft Gegenstand einer wissenschaftlichen Konstruktion ist. Ebensowenig von der Philologie, zu der sich Sprachkenntnis nur wie das Mittel zu seinem viel höheren Zwecke verhält. Der bloße Sprachgelehrte heißt nur durch Mißbrauch Philolog; dieser steht mit dem Künstler und Philosophen auf den höchsten Stufen, oder vielmehr durchdringen sich beide in ihm. Seine Sache ist die historische Konstruktion der Werke der Kunst und Wissenschaft, deren Geschichte er in lebendiger Anschauung zu begreifen und darzustellen hat. Auf Universitäten soll eigentlich nur Philologie, in diesem Sinne behandelt, gelehrt werden; der akademische Lehrer soll nicht Sprachmeister sein. – Ich kehre zu meiner ersten Behauptung zurück.

Die Sprache an und für sich selbst schon und bloß grammatisch angesehen, ist eine fortgehende angewandte Logik. Alle wissenschaftliche Bildung [alle Erfindungsfähigkeit] besteht in der Fertigkeit, die Möglichkeiten zu erkennen, da im Gegenteil das gemeine Wissen nur Wirklichkeiten begreift. Der Physiker, wenn er erkannt hat, daß unter gewissen Bedingungen eine Erscheinung wahrhaft möglich sei, hat auch erkannt, daß sie wirklich ist. Das Studium der Sprache als Auslegung, vorzüglich aber als Verbesserung der Lesart durch Konjektur, übt dieses Erkennen der Möglichkeiten auf eine dem Knabenalter angemessene Art, wie es noch im männlichen Alter auch einen knabenhaft bleibenden Sinn angenehm beschäftigen kann.

Es ist unmittelbare Bildung des Sinns, aus einer für uns erstorbenen Rede den lebendigen Geist zu erkennen, und es findet darin kein anderes Verhältnis statt, als welches auch der Naturforscher zu der Natur hat. Die Natur ist für uns ein uralter Autor, der in Hieroglyphen geschrieben hat, dessen Blätter kolossal sind, wie der Künstler bei Goethe sagt. Eben derjenige, der die Natur bloß auf dem empirischen Wege erforschen[576] will, bedarf gleichsam am meisten Sprach-Kenntnis von ihr um die für ihn ausgestorbene Rede zu verstehen. Im höheren Sinn der Philologie ist dasselbe wahr. Die Erde ist ein Buch, das aus Bruchstücken und Rhapsodien sehr verschiedener Zeiten zusammengesetzt ist. Jedes Mineral ist ein wahres philologisches Problem. In der Geologie wird der Wolf noch erwartet, der die Erde ebenso wie den Homer zerlegt und ihre Zusammensetzung zeigt.

In die besonderen Teile des akademischen Studium jetzt einzugehen und gleichsam das ganze Gebäude desselben auf den ersten Grundlagen aufzuführen, ist nicht möglich, ohne zugleich die Verzweigungen der Wissenschaft selbst zu verfolgen und das organische Ganze derselben zu konstruieren.

Ich werde demnach zunächst den Zusammenhang aller Wissenschaften unter sich, und die Objektivität, welche diese innere, organische Einheit durch die äußere Organisation der Universitäten erhalten hat, darstellen müssen.

Gewissermaßen würde dieser Grundriß die Stelle einer allgemeinen Enzyklopädie der Wissenschaften vertreten können; da ich aber diese nie rein an sich, sondern immer zugleich in der besondern Beziehung meines Vertrags betrachten werde, so kann natürlich kein aus den höchsten Prinzipien auf die strengste Art abgeleitetes System der Erkenntnisse hier erwartet werden. Ich kann, so wie überhaupt in diesen Vorlesungen, nicht darauf ausgehen, meinen Gegenstand zu erschöpfen. Dies kann man nur in der wirklichen Konstruktion und Demonstration erreichen: ich werde vieles nicht sagen, was vielleicht gesagt zu werden verdiente, desto mehr aber mich hüten, etwas zu sagen, was nicht gesagt werden sollte, entweder an sich, oder weil es die gegenwärtige Zeit und der Zustand der Wissenschaften notwendig machten.[577]

Quelle:
Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Werke. Band 2, Leipzig 1907, S. 569-578.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Auerbach, Berthold

Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 5-8

Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 5-8

Die zentralen Themen des zwischen 1842 und 1861 entstandenen Erzählzyklus sind auf anschauliche Konstellationen zugespitze Konflikte in der idyllischen Harmonie des einfachen Landlebens. Auerbachs Dorfgeschichten sind schon bei Erscheinen ein großer Erfolg und finden zahlreiche Nachahmungen.

554 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon