4. Der Tod des Laotse

[55] Lau Dan (Laotse) war gestorben. Tsin Schï ging hin, um sein Beileid zu bezeugen. Er stieß drei Klagelaute aus und kam wieder heraus.[55]

Ein Jünger fragte ihn: »Wart Ihr nicht unseres Herrn Freund?«

Er sagte: »Wohl.«

»Ist es Euch dann genug, auf diese Weise Euer Beileid zu bezeugen?«

Er sprach: »Ja! Anfangs hielt ich dafür, daß er unser Mann sei, und nun ist es doch nicht so. Als ich vorhin hineinging, um zu klagen, da beweinten ihn die Alten, als weinten sie um einen Sohn, und die Jungen weinten, als trauerten sie um eine Mutter. Um sie so fest an sich zu binden, muß er Worte gesprochen haben, die er nicht hätte sprechen sollen, und Tränen geweint haben, die er nicht hätte weinen sollen. Das ist aber ein Abweichen von der himmlischen Natur, das nur die menschlichen Gefühlserregungen vermehrt, so daß man die anvertrauten Gaben (Gottes) vergißt. Diesen Zustand nannten die Alten: die Strafe für das Verlassen der himmlischen Natur.

Der Meister kam in diese Welt, als seine Zeit da war. Der Meister ging aus dieser Welt, als seine Zeit erfüllt war. Wer auf seine Zeit wartet und der Erfüllung harrt, über den haben Freude und Trauer keine Macht mehr. Diesen Zustand nannten die Alten: die Lösung der Bande durch Gott.«

Was wir ein Ende nehmen sehen, ist nur das Brennholz. Das Feuer brennt weiter. Wir erkennen nicht, daß es aufhört.

Quelle:
Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 55-56.
Lizenz: