5. Untauglich zur Weltherrschaft

[131] Der Herrscher Yau befragte den Freigeber und sprach: »Kann man den Lückenbeißer zum Herrscher der Welt machen? Ich würde ihm dann den Keimwalter zur Aufsicht beigeben.«[131]

Freigeber sprach: »Gefahr würde dann der Welt drohen. Lückenbeißer ist ein Mensch von scharfem Verstand, der sich auf sein Wissen verläßt, energisch allen Anforderungen zu entsprechen. Sein Wesen ist dem der andern überlegen, aber er sucht durch Kunst die Natur zu erreichen. Durch strenges Richten sucht er die Mißstände zu verhindern, aber er sieht nicht die Quellen, aus denen diese Mißstände entspringen. Würde man ihn zum Herrscher der Welt machen, so würde er sich nur der Wirkungen der Kunst bedienen und nicht die Natur zu ihrem Recht kommen lassen. Bald würde er im Vertrauen auf sein Ich sich der Körperwelt entgegenwerfen; bald würde er sich verlassen auf seine Erkenntnis und mit feuriger Hast zu wirken suchen. Bald würde er sich aufbrauchen in Kleinlichkeiten; bald würde er sich verstricken lassen in die Außenwelt. Bald würde er von allen Seiten das Entgegenkommen der Außenwelt erwarten; bald würde er allen Verpflichtungen entgegenzukommen suchen. Bald würde er dem umgestaltenden Einfluß in der Außenwelt unterworfen sein, ohne beständige Grundsätze zu haben. Wie wäre er fähig, zum Herrscher der Welt gemacht zu werden? Immerhin – es gibt ja auch Stämme und Familien. Man kann ihn zum Vater Vieler machen, aber nicht zum Vater der Väter. Mag einer brauchbar sein zur Unterdrückung von Unruhen: als Ratgeber ist er ein Unglück, als Herrscher ein Räuber.«

Quelle:
Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 131-132.
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