6. Der [185] Sinn

Der Flußgott sprach: »Gut! Worin besteht nun der Wert des SINNS?« Jo vom Nordmeer sprach: »Wer den SINN erkennt, versteht die Naturgesetze; wer die Naturgesetze[185] versteht, der schaut das Gleichmaß der Kräfte; wer das Gleichmaß der Kräfte schaut, dem können die Außendinge nichts anhaben. Wer höchstes LEBEN besitzt, den vermag das Feuer nicht zu brennen, das Wasser vermag ihn nicht zu ertränken, Kälte und Hitze können ihm nichts schaden, Vögel und Tiere vermögen ihn nicht zu berauben. Damit ist nicht gesagt, daß er die Welt verachtet, sondern es bedeutet, daß er durchschaut hat, was Frieden bringt und was Gefahr, daß er ruhig zu sein vermag angesichts des Leids und angesichts des Glücks, daß er sorgfältig ist, wenn er sich von etwas abwendet oder sich etwas zuwendet, und daß ihm darum nichts schaden kann. So heißt es: Das Himmlische muß im Innern sein, das Menschliche im Äußeren. Das LEBEN beruht auf dem Himmlischen. Die Erkenntnis, wie Himmlisches und Menschliches zusammenwirken muß, wurzelt im Himmlischen und ist begründet im LEBEN. Wer das erreicht hat, ist wie geistesabwesend in seinen Bewegungen. Er ist zurückgekehrt zu dem, was Not tut, und hat das Ziel erreicht.«

Jener fragte: »Was heißt das Himmlische? Was heißt das Menschliche?«

Jo vom Nordmeer sprach: »Daß Ochsen und Pferde vier Beine haben, das heißt ihre himmlische (Natur). Den Pferden die Köpfe zu zügeln und den Ochsen die Nasen zu durchbohren, das heißt menschliche (Beeinflussung). Darum heißt es: Wer nicht durch menschliche Beeinflussung die himmlische Natur zerstört, wer nicht durch bewußte Absichten sein Schicksal stört, wer nicht um des Gewinnes willen seinen Namen schädigt, wer sorgfältig sein Eigenes wahrt und nicht verliert: der kehrt zurück zu seinem wahren Wesen.«

Quelle:
Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 185-186.
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