6. Was Man vom Landbau lernen kann

[268] Der Grenzwart am alten Baum redete mit dem Meister Lau und sprach: »Der Fürst muß sich beim Herrschen hüten, die großen Schollen unzerteilt liegen zu lassen, und darf beim Walten über dem Volk nicht die guten Keime ausjäten. Früher betrieb ich den Landbau so, daß ich beim Pflügen die Schollen nicht regelmäßig verkleinerte; da vergalt mir der Acker durch eine unregelmäßige Ernte. Beim Jäten riß ich oft auch gute Keime aus; da vergalt mir der Acker mit einer spärlichen Ernte. Im folgenden Jahr änderte ich meinen Betrieb. Ich pflügte tief und schonte die Keime; da wuchs das Getreide im Überfluß, und ich hatte das ganze Jahr satt zu essen.«

Dschuang Dsï hörte diese Geschichte und sprach: »Heutzutage machen es die Menschen bei der Pflege ihres Leibes und der Ordnung ihrer Seele gar häufig so, wie es der Grenzwart da beschrieben hat. Sie verschütten das Göttliche, das in ihnen ist, weichen ab von ihrer Natur, zerstören ihre Gefühle und vernichten ihren Geist, um dem Wandel der Menge zu folgen. So lassen sie die groben Schollen ihrer Natur unbearbeitet liegen, und die Auswüchse ihrer Begierden und Abneigungen treiben in ihrer Natur hervor wie wucherndes Unkraut. Wenn sie hervorsprossen, so er scheinen sie zunächst angenehm für den Leib, aber allmählich zerstören sie unsre Natur und brechen auf an allen Orten als Beulen und Geschwüre, deren innere Hitze sich als Eitermasse nach außen ergießt.«

Quelle:
Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 268.
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