6. Kapitel. Saul. (Um 1067-1055.)

[151] Einführung des Königtums. Saul, sein Stand und sein Charakter. Seine geheime Wahl zu Mizpah. Gedemütigter Stand des Volkes durch die Philister. Jonathan reizt die Philister, Kriegserklärung. Versammlung in Gilgal. Kampf bei Michmas, Niederlage der Philister. Strenger Ernst Sauls. Sieg über die Ammoniter. Erneute Wahl Sauls zum König. Sein Hof und seine Beamten. Die Trabantenschar und eine stehende Truppe. Sieg über die Amalekiter. Zerwürfnis zwischen Saul und Samuel. Sauls Fehden gegen die Nachbarvölker. Kampf gegen die Gibeoniten. Kultusstätte in Gibeon. Kampf gegen die Philister im Terebintentale. Goliath und David. Bekanntschaft Sauls mit David. Sauls Unmut bis zur Raserei gesteigert, seine Eifersucht gegen David und Verfolgung desselben. Letzte Schlacht Sauls gegen die Philister. Niederlage und Tod.


Der König, der durch das ungestüme Drängen des Volkes und die widerstrebende Zustimmung des Propheten an die Spitze des Volkes gestellt wurde, hat noch mehr als die von Samuel vorgebrachten Gegengründe bewiesen, daß das Königtum nicht geeignet war, den von ihm erwarteten Segen zu bringen. Es hat einen einfachen, vortrefflichen Menschen, der bis zur Übernahme der Herrschaft keine Ahnung von Ehrgeiz und Herrschsucht hatte, dahin gebracht, daß er selbst vor Grausamkeit und Unmenschlichkeit nicht zurückschreckte, um sich in seiner Würde zu behaupten. Die hohe Stellung und die eingebildete gebieterische Pflicht, sie aufrecht erhalten zu müssen, unterdrückten die angeborenen Tugenden seines Herzens. Durch prophetische Leitung war Vorsorge getroffen, daß der König nicht dem abschreckenden Bilde gleiche, das Samuel von ihm entworfen hatte, daß er in Selbstüberhebung sich nicht über Gesetz und Schranke hinwegsetzen, und daß er stets seines Ursprunges eingedenk bleiben sollte. Nicht aus dem hochmütigen Stamme Ephraim erkor Samuel den König, damit er nicht jenem Abimelech gleiche, der aus Überhebung und Ehrgeiz seine eigenen Brüder tötete [151] und die schönsten Städte verwüstete, sondern aus dem geringsten der Stämme, aus Benjamin. Seine Familie – Matri genannt – war eine der geringsten im Stamme Benjamin1. Sein Vater Kisch zeichnete sich durch nichts Besonderes aus; er war ein einfacher Landmann; man konnte später nichts mehr an ihm rühmen, als daß er ein wackerer Mann war2.

In dieser Familie Matri gab es einen tatkräftigen Mann, der wohl imstande gewesen wäre, das Königtum stark zu machen und die Feinde Israels zu über wältigen. Es war Abner, Sohn Ners; er war aber ehrgeizig und rücksichtslos, und ein solcher sollte das Volk nicht beherrschen, weil er voraussichtlich sich selbst zum Mittelpunkt gemacht hätte. Abner wurde daher nicht von Samuel erwählt, sondern sein Vetter Saul, der sich am Pflug und bei dem Wachstum der Herden seines Vaters behaglich fühlte, keinen weiteren Gesichtskreis kannte, als den der Stadt oder des Dorfes, wo er geboren war, und kaum eine Ahnung davon hatte, daß es Menschen gebe, denen das Herrschen über andere süß vorkommen könne. Saul war von geradezu bäuerlicher Verschämtheit und Menschenscheu. Obwohl er bereits in reifem Mannesalter stand3 und schon Vater eines erwachsenen Sohnes war, lebte er noch immer in Abhängigkeit von seinem Vater Kisch, wie es im patriarchalischen Zeitalter Sitte war, daß der Sohn erst mit dem Ableben des Vaters seine Selbständigkeit erlangte. Diese Umstände und Eigenschaften Sauls schienen ein sicheres Unterpfand gegen Überhebung und Übermut von seiten des ersten Königs in Israel zu sein. Es war vorauszusetzen, daß er dem Propheten, der ihn aus niedrigem Stande zur höchsten Staffel erhoben, folgsam sein und ihn stets als Organ der göttlichen Lehre und des göttlichen Gesetzes und als lautredendes Gewissen betrachten würde. Das unerwartete Ereignis von der ersten Wahl eines unbekannten Landmannes aus Gibea zum König von Israel hat, wie sich denken läßt, viel von sich reden gemacht, und man erzählte sich den Vorgang auf verschiedene Weise. Eine Nachricht lautet: Dem Vater Sauls seien Eselinnen abhanden gekommen, und er habe seinen Sohn in Begleitung eines Sklaven abgesandt, um sie zu suchen. Drei Tage wanderte dieser im Gebirge Ephraim4 umher, ohne sie zu finden. [152] Schon war er im Begriffe unverrichteter Sache heimzukehren, als ihm der ihn begleitende Sklave zuredete, den Propheten Samuel aufzusuchen, der alles wisse und dessen Vorausverkündigungen unfehlbar einträfen. Saul scheute sich anfangs den Propheten aufzusuchen, weil er nicht imstande war, ihm ein Geschenk anzubieten. Als ihn aber der Sklave darüber beruhigte, begab er sich zu Samuel. Dieser jedoch hatte ihn bereits erwartet und war ihm sogar entgegengegangen. Denn der prophetische Geist hatte ihm verkündet, der Mann aus Benjamin, der am darauffolgenden Tage bei ihm eintreffen werde, solle zum König erwählt werden und werde Israel von der Not seitens der Philister erretten. Auf Sauls Frage, wo das Haus des Sehers sei, antwortete der ihm entgegengekommene Samuel: »Ich bin es selbst.« Dann beruhigte er ihn über die verlorenen Eselinnen, lud ihn zum Opfermahle ein und setzte ihm einen Teil der Mahlzeit vor, der für ihn im voraus bestimmt gewesen war, und flüsterte ihm zu, daß ihm die Königswürde zugedacht sei. Aus Bescheidenheit habe aber Saul diesen Gedanken zurückgewiesen: »Ich bin nur aus dem kleinsten Stamme, und meine Familie ist die geringste in Benjamin,« sagte er. Samuel habe ihn nichtsdestoweniger den ganzen Tag mit Auszeichnung behandelt, ihn noch über Nacht bei sich behalten und ihn erst bei Tagesanbruch aus der Stadt begleitet und ihm Vorzeichen verkündet, aus deren Eintreffen ihm klar werden werde, daß er zum Könige berufen sei. Diese Zeichen seien auch buchstäblich eingetroffen, und besonders eines davon habe auf Saul einen gewaltigen Eindruck gemacht.

Er sei nämlich, so wird weiter erzählt, mit dem Chor der Prophetenjünger zusammengetroffen, die in Verzückung unter Saitenspiel erhebende Lieder gesungen. Davon sei er so ergriffen worden, daß er selbst in Verzückung geraten sei, mitgesungen und sich wie verwandelt gefühlt [153] habe. Wie immer auch die erste Bekanntschaft Samuels mit dem schüchternen Sohne Kischs erfolgt sein möge – denn ihre erste Unterredung war jedenfalls geheim und kann von dritten Personen nicht erlauscht worden sein – so viel ist gewiß, daß Sauls Zusammentreffen mit dem greisen Propheten und mit dem psalmensingenden Chore in seinem Leben entscheidend war. Es hat einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht und eine innere Umwandlung in ihm hervorgebracht. Er sah seit der Zeit die Dinge und Verhältnisse nicht mehr mit dem stumpfen Blick eines Dorfbewohners an, sondern fühlte sich berufen, für die Befreiung seines hartbedrückten Volkes einzutreten. Der Mut erwachte in ihm mit der Erkenntnis der Aufgabe, die ihm zugedacht war, sich den Feinden Israels unverzagt entgegenzuwerfen. Bei seiner Rückkehr ins Vaterhaus, als seine Verwandten von seinem Zusammentreffen mit dem Propheten erfuhren, waren sie auf das, was ihm dieser heimlich mitgeteilt haben mochte, nicht wenig gespannt. Es war ihnen nicht unbekannt, daß Samuel den Ältesten verheißen hatte, irgend jemanden als König an die Spitze des Volkes zu stellen. Sie mochten auch an Sauls Stimmung und Haltung erkannt haben, daß eine Veränderung mit ihm vorgegangen sei, und daß Samuels Gespräch mit ihm nicht unwichtig gewesen sein könne. Der ehrgeizige Abner suchte ganz besonders zu erforschen, was ihm der Prophet mitgeteilt hatte. Aber Saul hüllte sich in tiefes Schweigen.

Indessen mußte Samuel, seinem Versprechen gemäß, das Volk mit dem Manne bekannt machen, den er im Geheimen als den Geeignetsten zum König ausersehen hatte. Er berief zu diesem Zwecke eine Versammlung der Ältesten nach dem hochgelegenen Orte Mizpah. Wahrscheinlich kamen meistens Benjaminiten zusammen. Saul hatte sich mit der Familie Kisch ebenfalls dort eingefunden. Vor der Wahlhandlung legte der Prophet den Versammelten noch einmal aus Herz, daß sie zwar mit ihrem Wunsche, einem König zu gehorchen, eine Untreue gegen Gott begingen, der Israel so oft errettet habe, daß er aber nichtsdestoweniger vom prophetischen Geiste beauftragt sei, zur Wahl zu schreiten. Er schlug vor, das Los entscheiden zu lassen, und dieses fiel auf Saul. Doch konnte man ihn anfangs nicht finden, weil er sich in einem Versteck gehalten hatte. Als man ihn endlich auffand und der Versammlung vorführte, war diese von seiner Gestalt betroffen. Er war groß gewachsen, überragte alle Anwesenden um eine ganze Kopfeslänge, war wohlgestaltet und schön und mochte wohl auch durch seine innere Aufregung einen gewinnenden Eindruck gemacht haben. »Sehet ihr,« sprach Samuel, »das ist der Mann, den Gott zum König erwählt hat; [154] seinesgleichen gibt es im ganzen Volke nicht.« Die meisten Anwesenden, von der feierlichen Handlung und Sauls Gestalt hingerissen, riefen einstimmig: »Es lebe der König!« Darauf salbte wohl der Prophet den neuernannten König mit geweihtem Öl, wodurch er als unverletzlich gelten sollte5. Das Bestreichen mit Salböl war nämlich ein Symbol unantastbarer Heiligkeit. Freudig erregt waren die Ältesten, daß endlich ihr innigster Wunsch, einen König als Führer zu haben, verwirklicht war. Sie versprachen sich davon glückliche Tage. Samuel hat bei dieser Gelegenheit, wie erzählt wird, die Gerechtsame des Königs den Versammelten auseinandergesetzt, sie auch in einer Rolle aufgezeichnet und die Rolle an einem heiligen Ort niedergelegt. Von dem Inhalt dieser Gerechtsame ist indessen keine Kunde vorhanden, es wird im Verlauf der Geschichte keinerlei Rücksicht darauf genommen.

Es war ein entscheidender Augenblick im Leben des israelitischen Volkes, diese Wahl eines Königs, er bestimmte über dessen ganze Zukunft. In die freudige und feierliche Stimmung mischte sich indessen ein Mißton. Einige Unzufriedene, wahrscheinlich Ephraimiten, welche gehofft haben mochten, daß der König aus ihrer Mitte gewählt werden würde, äußerten ihre Enttäuschung laut: »Was wird uns dieser viel helfen!« Während alle übrigen Ältesten dem erwählten König der allgemeinen Sitte gemäß Huldigungsgeschenke überbrachten und ein Teil von ihnen, die Mutigen, ihm nach Gibea folgte, um ihm bei der Unternehmung gegen die Feinde Israels beizustehen, hielten sich die Unzufriedenen fern von ihm und versagten ihm die Anerkennung. Saul stellte sich indessen, als ob er gegen die Äußerungen der Unzufriedenen taub wäre.

Sauls Mut muß seit seiner Wahl bedeutend gewachsen sein, oder er muß sich durch die unerwartete Erhebung so sicher von Gott geleitet gefühlt haben, daß er nun auch das Wagnis ins Auge fassen konnte, dem mächtigen Feinde entgegenzutreten und das zerrüttete Gemeinwesen in Ordnung zu bringen. Die Lage des Volkes beim Antritt seiner Würde war sehr traurig und niederbeugend, fast noch schlimmer als zur Zeit der Richter. Die siegreichen Philister hatten allen ohne Ausnahme Waffen, Bogen, Pfeile und Schwerter abgenommen und auch keine Schmiede im Lande gelassen, die neue Waffen hätten anfertigen können. Um die Pflugscharen und andere zum Ackerbau nötige Werkzeuge zu [155] holen, mußten die Israeliten sich ins Philisterland begeben. Selbst der neu erwählte König hatte kein Schwert, dieses Symbol des Königtums bei allen Völkern und in allen Zeiten. Sogar seine Wahl ist höchstwahrscheinlich so heimlich betrieben worden, daß die Philister nichts davon merken konnten. Die philistäischen Steuervögte sogen das Mark des Landes aus und waren zugleich angewiesen, jede Regung zum Aufstande zu unterdrücken. So gedemütigt waren die Israeliten, daß ein Teil von ihnen mit den Philistern ziehen mußte, um ihre Brüder zu unterjochen. Sie wurden selbst von den Feinden mit Verachtung, behandelt6. Nur ein Wunder hätte Rettung bringen können. Und dieses Wunder wurde durch Saul, seinen Sohn und seine Verwandten bewirkt.

Sein ältester Sohn Jonathan wäre noch würdiger für die Königswahl gewesen, als sein Vater. Bescheiden und selbstlos fast noch mehr als sein Vater, mutig bis zur Todesverachtung, verband er mit diesen Eigenschaften eine herzgewinnende Freundlichkeit und Milde, ein warmes treues Herz für Freundschaft; er war eher gar zu weich und nachgiebig. Dieser Vorzug wäre freilich an einem Regenten, der einer gewissen Festigkeit und Härte nicht entraten konnte, ein großer Fehler gewesen. Sonst war Jonathan eine ideale Persönlichkeit mit einem schwärmerischen Wesen, das wohltuend anmutet. Eine wahrhafte Natur und ein Feind von allen Winkelzügen, sagte er seine Meinung gerade heraus, auf die Gefahr hin, sich mißliebig zu machen und seine Stellung und selbst sein Leben zu verwirken. Alle diese Vorzüge machten ihn zum Liebling des Volkes, sobald sie nur erkannt wurden. Sauls Vetter Abner war ganz andern Schlages, ein Haudegen von unbeugsamer Festigkeit, dabei aber auch mit einer gewissen Schlauheit begabt. Auch er leistete dem unerfahrenen König und dem Volke in seiner Not wesentliche Dienste. Von diesen und andern Treuen aus seiner Familie und aus dem Stamme Benjamin umgeben, der stolz darauf war, durch ihn zur Bedeutung gelangt zu sein, nahm Saul den zuerst ungleichen Kampf mit den Philistern auf7.

[156] Den Reigen eröffnete Jonathan. In der Stadt Geba oder Gibeat-Benjamin weilte einer der philistäischen Steuervögte von einem Kriegerhaufen umgeben, der den Befehlen Nachdruck gab. Diesen Posten überfiel Jonathan und tötete die Mannschaft. Das war die erste Kriegserklärung, sie geschah auf Sauls Befehl oder wurde von ihm gutgeheißen. Der König ließ darauf durch Hörnerschall im ganzen Lande Benjamin bekannt machen, daß der blutige Tanz mit den Philistern begonnen habe8. Viele vernahmen diese Botschaft mit Freuden, andere mit Trauer und Schrecken. Die Mutigen rotteten sich zusammen, um zu ihrem Könige zu stehen und mit ihm entweder die [157] Schmach von Israel abzutun oder zu sterben. Die Feigen flohen auf das andere Ufer des Jordan oder verkrochen sich in Höhlen, Felsklüften oder unterirdischen Gängen. Ein banges Gefühl über den Ausgang des Kampfes beschlich die Gemüter. Der Sammelpunkt der Israeliten war Gilgal, die vom Philisterlande am weitesten abgelegene Stadt. Diesen Sammelpunkt hatte der Prophet Samuel bestimmt und hatte Saul bedeutet, sich ebenfalls dahin zu begeben und dort auf seine Ankunft sieben Tage zu warten und seine weiteren Anordnungen abzuwarten9. Hier in Gilgal war wohl auch der Chor der saitenspielenden Propheten, die durch Psalmen und Gesänge den israelitischen Kriegern Kampfesmut und Hingebung für die Errettung des Vaterlandes einhauchen sollten.

Indessen rüsteten sich die Philister zu einem Vernichtungskriege gegen Israel. Die Kunde von dem Angriffe Jonathans auf einen ihrer Posten hatte sie in Harnisch gebracht, sie waren mehr überrascht als erschreckt darüber. Wie konnten die feigen Israeliten ohne Waffen es nur wagen, die Philister, ihre Herren, anzugreifen! Diese Anmaßung sollten sie schwer büßen. Eine zahlreiche Kriegsschar, von Reiterei unterstützt, zog durch die Täler des südlichen Ephraimgebirges durch die ganze Breite des Landes bis Michmas. Von diesem Lagerplatze aus verbreiteten sich Streifscharen in drei Richtungen nach Nordost, West und Südwest des Landes Benjamin, um dieses Gebiet in eine Wüste zu verwandeln, Häuser und Bauten zu zerstören und Wasserquellen zu verschütten10. Das Schmählichste dabei war, daß Israeliten gezwungen wurden, den Philistern zur Bekämpfung ihrer Brüder Beistand zu leisten. Es war ein verhängnisvoller Augenblick für das Volk Israel.

Während die Philister allmählich bis Michmas vordrangen, weilte Saul mit den Mutigen seines Stammes, die sich um ihn gesammelt hatten, in Gilgal in gespannter Ungeduld, daß der Prophet Samuel bei ihm eintreffe, ihm prophetische Weisung gebe und die israelitischen Krieger mit Kampfeslust erfülle. Aber Tag auf Tag verging, ohne daß sich Samuel blicken ließ. Jede Stunde der Untätigkeit schien die günstige Entscheidung zu vereiteln. Saul mußte fürchten, daß die feindliche Schar von dem Gebirge ins Tal hinab steigen, Gilgal angreifen und das Häuflein der Israeliten, das ohne Waffen war, aufreiben oder in wilde Flucht [158] treiben werde. Schon hatte sich eine Anzahl der um ihn versammelten Schar aus dem Staube gemacht11, da sie in Samuels Abwesenheit ein ungünstiges Zeichen erblickte. In dieser Ungeduld entschloß sich Saul, am siebenten Tage auf eigene Hand zu handeln. Auf herkömmliche Weise brachte er zuerst ein Opfer dar, um die Gottheit für den glücklichen Ausgang des Kampfes günstig zu stimmen. Als er eben mit der Opferhandlung beschäftigt war, erschien Samuel plötzlich und fuhr den König hart an, daß er sich von der Ungeduld habe hinreißen lassen. War die Frist der sieben Tage, die ihm Samuel vorgeschrieben hatte, nur eine Probe, um sich die Überzeugung zu verschaffen, ob der von ihm gewählte König seinen Anordnungen Folge leisten werde? Oder hatte er eine andere Absicht dabei? Wollte er etwa das Opfer nicht auf die hergebrachte Weise vollziehen lassen? Genug, er behandelte Sauls Übertretung mit solchem Ernst, daß er sich von Gilgal entfernte und Saul im Stiche ließ – ein harter Schlag für diesen, da er auf des Propheten Beistand in dieser gefahrvollen Unternehmung viel gebaut hatte.

Nach Samuels Entfernung von Gilgal war auch für Saul dort keines Bleibens mehr. Er begab sich mit den Überbleibseln der treugebliebenen Mannschaft nach Geba12, wahrscheinlich auf einem südlichen Wege, da der nördliche Teil von den Philistern besetzt war. In Geba musterte er seine Mannschaft und zählte nicht mehr als sechshundert. Es ist nicht zu verwundern, daß Saul und Jonathan beim Anblick dieser geringfügigen Schar, die noch dazu waffenlos war und gegen ein starkgerüstetes feindliches Heer kämpfen sollte, in Trauer gerieten13. Nur Saul und Jonathan waren an diesem Tage jeder mit einem Schwerte versehen14. Das waren traurige Flitterwochen des jungen Königtums! Am schmerzlichsten war es für Saul, daß er durch Samuels Abwendung von ihm des Organs beraubt war, das ihm und dem Volke im Namen Gottes Weisungen hätte erteilen können. Denn bei allen Völkern des Altertums wurde kein wichtiger Schritt getan, ohne daß man sich vorher durch Zeichen vergewisserte, daß das Unternehmen einen guten Ausgang haben werde. Da Saul den Propheten nicht an seiner Seite hatte, so [159] mußte er sich nach einem Ersatze umsehen, der im Namen Gottes sprechen sollte. Er ließ aus Nob den Enkel des Hohenpriesters Eli, namens Achija15, kommen, den Sohn Achitubs, der im Besitze des aus der Zerstörung Schilohs geretteten Ephod war (o. S. 145). Da das Prophetentum ihn im Stiche gelassen hatte, sollte ihm das Priestertum die Stimme Gottes vernehmen lassen. Er zog es wieder aus dem Dunkel hervor, in das es Samuels lichtvolle Erscheinung gebracht hatte. Achija hatte auch die zum Ersatze angefertigte Bundeslade nach Geba gebracht.

Eine günstige Entscheidung führte indessen abermals Jonathan herbei. Geba, wo Saul mit seiner ganzen Mannschaft lag, ist kaum eine Stunde von Michmas entfernt, wo das philistäische Lager war. Zwischen beiden läuft ein Tal; aber der Weg, der von einem Orte zum andern führt, ist für Krieger unbenützbar, denn das Tal ist von steilen, fast senkrechten Felswänden und Abhängen begrenzt, und diese verengen es östlich fast zu einer Schlucht von kaum zehn Schritt Breite. Auf der westlichen Seite, wo das Tal oder der Paß breiter ist, hatten die Philister einen Wachtposten aufgestellt16. Nur auf Umwegen hätten die Philister und Israeliten zum Treffen sich einander nähern können. Da unternahm es Jonathan mit dem ihn begleitenden Waffenträger eines Tages, gerade an der engsten Stelle des Passes, an der steilen, spitzzulaufenden Felswand an der Seite von Michmas, auf Händen und Füßen hinaufzuklettern. Ein Fehltritt hätte ihnen einen jähen Sturz in die Tiefe und den Tod gebracht. Sie kamen aber glücklich auf der Spitze an. Als die Philister sie erblickten, waren sie nicht wenig erstaunt, wie sie den Weg an dieser steilen Felswand zu ihrem Lager hatten finden können. In der Täuschung, daß noch mehr israelitische Kämpfer ihnen nachkletterten, riefen sie spöttisch: »Siehe da! die Hebräer kriechen aus den Löchern, wo sie sich versteckt hatten; steigt nur weiter hinauf, wir wollen mit euch Bekanntschaft machen!« Das war ein verabredetes Zeichen zwischen [160] Jonathan und seinem Waffenträger, wenn sie eine solche Aufforderung vernehmen würden, weiter vorzugehen und mutig den Angriff zu wagen. Bald hörten die Philister, welche die tollkühnen Kletterer zuerst erblickten, auf zu spotten; denn mit Felsstücken und Schleudersteinen17 – die Benjaminiten waren im Schleudertreffen besonders gewandt – wurden beim ersten Angriff zwanzig erschlagen, und Jonathan und sein Waffenträger gingen immer weiter vor und schleuderten Felsstücke auf die Philister. Diese, vor dem plötzlichen Angriff von einer Seite, wo das Aufsteigen ihnen ganz unmöglich schien, entsetzt, glaubten von überirdischen Wesen angegriffen zu sein, gerieten in Verwirrung und begannen einander anzugreifen oder lösten ihre Reihen in wilder Flucht auf18. Kaum bemerkte Saul von einer hohen Warte aus diese zunehmend fluchtartige Bewegung der Feinde, so eilte er mit seinen sechshundert Mutigen auf den Kampfplatz und vollendete die Niederlage der Philister. Alsbald kehrten die Israeliten, die von den Philistern gezwungen worden waren, gegen ihre Brüder zu kämpfen, die Waffen gegen ihre Dränger19. Auch diejenigen, die sich im Gebirge Ephraim in Klüften und Grotten versteckt gehalten hatten, ermannten sich beim Anblick der Flucht der Philister und vermehrten die Zahl der Angreifer. Sauls Schar, anfangs nur aus sechshundert bestehend, wuchs dadurch zu Zehntausend20. Und in jeder Stadt auf dem Gebirge Ephraim, durch welche die Philister ihre Flucht nahmen, wurden sie von den Bewohnern angefallen und einzeln überwältigt. Obwohl müde und erschöpft, verfolgte Sauls anwachsende Schar die fliehenden Feinde von Michmas über Bethawen über Berg und Tal bis Ajalon, beinahe acht Wegstunden21.

An weiterer Verfolgung hinderte sie ein gering scheinender Vorfall, der aber damals eine außerordentliche Wichtigkeit hatte. Saul hatte seiner Mannschaft eingeschärft, nicht einmal durch die Einnahme der [161] geringsten Labung und Erfrischung die Verfolgung des Feindes zu verzögern, und noch dazu eine Verwünschung gegen denjenigen ausgesprochen, der auch nur das Mindeste kosten würde. Jonathan, der immer voran war, hatte von dieser Verwünschung nichts vernommen. Erschöpft, wie er vom langen Kampfe und Verfolgen war, konnte er sich nicht enthalten, seinen Stab in Waldhonig einzutauchen und sich damit zu laben. Als er auf das strenge Verbot seines Vaters aufmerksam gemacht wurde, bemerkte er offen: »Mein Vater hat wahrlich das Land dadurch nicht glücklich gemacht; denn hätte das Volk von dem vorgefundenen Mundvorrat der Feinde genossen, so hätte es deren. Niederlage noch nachdrücklicher machen können.« Als die Nacht hereingebrochen war, und Saul, um die Verfolgung die Nacht hindurch fortzusetzen, den Priester Achija, der ihm stets zur Seite war, Gott befragen hieß, erteilte dieser keine Antwort. Daraus schloß Saul, daß einer aus dem Volke eine Sünde begangen haben müsse und suchte zu erfahren, wer der Schuldige sei. Er fügte hinzu, daß selbst wenn es sein Sohn Jonathan wäre, er zum Opfer fallen sollte. Das Volk, welches wohl wußte, daß Jonathan in der Tat die Verwünschung seines Vaters nicht geachtet hatte, mochte ihn nicht verraten, weil er sein Liebling geworden war. Darauf ließ Saul losen, und das Los entschied, daß die Schuld nur an ihm oder seinem Sohne liegen könne. Saul nahm die Angelegenheit so ernst, daß er schwur, er werde, auch wenn es ihn selbst treffen sollte, sich gern dem Tode weihen. Als das Los dann Jonathan traf, und dieser eingestand, ein wenig Honig genossen zu haben, schwur Saul abermals, daß er umkommen müsse. Allein das Volk lehnte sich kräftig dagegen auf. »Wie«, rief die Mannschaft, »Jonathan soll getötet werden, dem das Volk den großen Sieg verdankt? Nicht ein Haar darf ihm gekrümmt werden!« Das Volk gab ein Sühnopfer für Jonathan und erlöste ihn vom Tode, den sein Vater sonst unfehlbar seinem Schwure gemäß über ihn verhängt hätte.

Durch diesen Zwischenfall wurde die Verfolgung der Philister von Ajalon westwärts eingestellt. Trauererfüllt und zähneknirschend über die erlittene Niederlage, zogen die Überbleibsel der philistäischen Mannschaft in ihr Gebiet ein, mit dem festen Entschlusse, die Schmach eines Tages zu rächen. Und groß war der Jubel der Israeliten über den unerwartet erfochtenen Sieg. Der Tag von Michmas hatte sie wieder zu Männern gereift. Die Schmach der Feigheit war von ihnen abgewendet, sie hatten auch wieder Waffen und fühlten sich stark zum Kampfe unter einem Könige, dessen Willenskraft sie kennen gelernt hatten. Saul kehrte in seinen Wohnort Gibea zurück, bescheiden und demütig, [162] wie er ausgezogen war. Er pflügte nach wie vor den Acker seines Vaters22. Der Stolz auf seine Würde hatte ihn noch nicht verblendet.

Inzwischen hatten die Feindseligkeiten der Ammoniter gegen die jenseitigen Stämme, die zuerst den Wunsch angeregt hatten, das Königtum einzuführen, zugenommen, Alle Eroberungen Jephtahs waren wieder verloren gegangen, die Gaditen und Manassiten waren nicht imstande gewesen, sie zu behaupten. Nachasch, der König der Ammoniter, war bis über den Jabbok hinaus, den Grenzfluß zwischen dem Stamm Gad und Halbmanasse vorgerückt, und belagerte die Stadt Jabesch-Gilead, welche befestigt war. Die Einwohner konnten sich nicht lange halten und unterhandelten schon mit Nachasch wegen ihrer Unterwerfung. Da der Ammoniter von der Schwäche der diesseitigen Stämme Kunde hatte und überzeugt zu sein glaubte, daß von diesen keinerlei Störung seiner Eroberungen erfolgen werde, stellte er den Gileaditen in Jabesch eine harte, unmenschliche Bedingung. Zur Schmach Israels sollten sich alle Männer das rechte Auge blenden lassen; dann wollte er sie in Gnaden als unterworfene Bundesgenossen aufnehmen. Was sollten die Gileaditen beginnen? Sie baten sich eine Frist von sieben Tagen aus, um Boten zu ihren Stammesgenossen zu senden. Wenn von diesen keine Hilfe erfolgte, würden sie sich der grausamen Blendung des rechten Auges unterwerfen. Nachasch konnte diese Frist gewähren, in der festen Überzeugung, daß die diesseitigen Stämme, die er noch immer unter dem Joche der Philister wähnte, nicht imstande sein würden, gegen ihn zu ziehen.

Als Saul eines Tages hinter seinem Rinderpaar vom Felde heimkehrte, fand er die Bewohner von Gibea in großer Aufregung und in Tränen. Verwundert darüber, fragte er nach dem Grunde der Trauer. Da erzählten ihm die Boten aus Jabesch-Gilead, was den Bewohnern ihrer Stadt bevorstand, wenn nicht eilige Hilfe einträfe. Ergrimmt über diese schnöde Bedingung des Ammoniterkönigs und über den Schimpf, der ganz Israel angetan werden sollte, war Saul sofort entschlossen, den Gileaditen von Jabesch Hilfe zu bringen. Zum ersten Male machte er von seiner königlichen Gewalt Gebrauch. Er forderte ganz Israel zur Beteiligung an dem Zuge gegen die Ammoniter auf; Samuel gab seinerseits der Aufforderung Nachdruck und erklärte, daß er mitziehen werde.23 Das Rinderpaar, mit welchem Saul vom Felde [163] heimgekehrt war, zerstückelte er und übergab allen Boten, die er zu den benachbarten Stämmen sandte, ein Stück davon mit der Drohung, so werde es denen ergehen, welche sich ihm und Samuel nicht anschließen sollten. Die unerbittliche Strenge in der Ausführung seiner Befehle hatte das Volk bereits kennen gelernt. Man wußte, daß er selbst gegen seinen eigenen Sohn ohne Schonung war. Darum fanden sich die kriegsfähigen Männer auf seine Aufforderung ungesäumt am Sammelplatze ein. Die Zerfahrenheit der Richterzeit war überwunden. Es blieb nicht mehr jedem überlassen zu tun, was in seinen Augen recht schien; ein starker Wille herrschte. Eine bedeutende israelitische Kriegerschar zog über den Jordan, und Saul ließ sie in drei Abteilungen gegen das Belagerungsheer des Nachasch vor Jabesch-Gilead vorgehen. Vom Süden, Norden und Westen angegriffen, wandten sich die Ammoniter in die Flucht nach verschiedenen Seiten, und nicht zwei von ihnen blieben zusammen. Die Stadt Jabesch war gerettet und bewahrte für die ihr gebrachte rasche und nachdrückliche Rettung Saul und seinem Hause treue Dankbarkeit. Aber auch das ganze Land war ihm zu Dank verpflichtet, denn er hatte die Ammoniter in ihre alten Grenzen zurückgewiesen und die israelitischen Bewohner auf lange Zeit hinaus von deren Joch befreit.

Bei seiner Rückkehr über den Jordan wurde Saul wegen seines zweiten Sieges über die Feinde mit lauter Freude begrüßt. Der Rausch des Volkes äußerte sich in einer ungebührlichen Forderung. Es verlangte den Tod derer, die ihre Unzufriedenheit mit Sauls Wahl kundgegeben hatten. Aber Saul besaß Besonnenheit genug, sie zurückzuweisen. »An diesem Tage, an dem Gott Israel einen Sieg verliehen hat,« sprach er, »soll niemand umkommen.« Samuel, welcher Zeuge dieses Freudenrausches war, hielt es für geraten, treu seinem prophetischen Berufe, den König und das Volk zu ermahnen, daß sich ihre Siegesfreude nicht in Übermut verwandele, und daß sie das Königtum nicht als Endzweck sondern als Mittel betrachten mögen. Er berief daher eine große Volksversammlung nach Gilgal, um das Königtum neuerdings und von den Vertretern der übrigen Stämme, welche wegen der Not der Zeit in Mizpah nicht hatten erscheinen können, anerkennen zu lassen. Zugleich wollte er König und Volk auf ihre Pflichten aufmerksam machen.

Die Versammlung in Gilgal war außerordentlich zahlreich24. Auch [164] von den jenseitigen Stämmen waren wohl die Ältesten in Gilgal eingetroffen. Samuel salbte25 Saul zum zweiten Male zum König, das Volk huldigte ihm nochmals und es wurden Freudenopfer dargebracht. Inmitten dieser Freude hielt Samuel eine Rede, die Zeugnis für seine Geisteshoheit und seine prophetische Größe ablegt. Vorübergehend erinnerte er das Volk an die Dienste, die er ihm geleistet und an seine Uneigennützigkeit: »Zeuget gegen mich vor Gott und seinem Gesalbten, wessen Rind oder wessen Esel ich genommen, wen ich bedrückt, wen ich gekränkt und von wem ich Lösegeld angenommen habe, ich will es wieder erstatten dem, der sich beklagen könnte.« Laut rief ihm das Volk zu: »Du hast niemandem etwas zuleide getan.« Darauf erinnerte er es an die Wohltaten Gottes bis zu jener Stunde und rollte die Vergangenheit vor ihnen auf. Obwohl Gott Jakobs Söhne aus Ägypten befreit, habe das Volk ihn bald vergessen, darum habe er es durch Sisera, die Philister und die Moabiter züchtigen lassen. Sobald es sich wieder zu ihm wandte, habe er ihm Helden erweckt, die es vom Drucke befreiten: Jerubaal, Barak, Jephtah und Simson26. »Nichtsdestoweniger habt ihr einen König an eure Spitze verlangt, als der Ammoniterkönig Nachasch euch befehdete, obwohl Gott euer König sein und bleiben soll. Nun habt ihr den König, den ihr gewünscht, und den Gott bestätigt hat. Wenn ihr samt eurem Könige Gott nachfolgen werdet, so werdet ihr Glück haben27. So ihr aber Gott zuwiderhandeln solltet, so wird seine Hand euch und euren König treffen.«

Ein erschreckendes Gewitter mit einem Schauerregen entlud sich plötzlich zu ungewöhnlicher Zeit während des heißesten Monats der Weizenernte, als die Versammlung in Gilgal auf Samuels Rede lauschte. Die Versammelten gerieten deswegen in Angst, Samuel aber beruhigte sie. Gott zürne ihnen nicht ob ihrer Untreue, daß sie einen König gewünscht hätten. Er werde sein Volk nicht verlassen um seines eigenen Namens willen. Nur mögen sie sich nicht wieder dem Götzentume zuwenden, das nichtig sei, nicht helfen und nicht retten könne. Zum Schluß erbot er sich, das Volk und den König stets auf den guten [165] und geraden Weg zu leiten und nicht aufzuhören, für ihr Glück Gott anzuflehen.

Die beiden erfolgreichen Siege Sauls und die große Versammlung in Gilgal, welche ihm die Huldigung der meisten Stämme gebracht hatten, befestigten seine Stellung und das Königtum überhaupt für die Dauer. So sehr auch Samuel die Zeit der Richter pries und verherrlichte, das Volk fühlte doch, daß der König es besser zu schützen vermochte, als es die Richterhel den getan hatten. Es opferte gern die republikanische Freiheit um den Preis der Einheit und der dadurch erlangten Kraft. Saul, der sich nicht verhehlen konnte, daß die Philister ihre Niederlage bei Michmas nicht geduldig ertragen, sondern stets versuchen würden, ihr Herrentum über Israel wieder herzustellen, traf Vorkehrungen für die Zukunft. Mutige Jünglinge und Männer, wo immer er sie gewahrte, zog er an sich. Nach und nach brachte er dreitausend solcher todesverachtender Männer und Jünglinge zusammen. Zweitausend davon stellte er in Michmas und auf dem Berge von Bethel auf und tausend lagerten mit Jonathan in Gibeat-Benjamin28. Sie bildeten die Kerntruppe für den Heerbann. Auffallend ist es, daß er an der Grenze des Philisterlandes nicht eine stehende Schar unterhalten hat. Diese stete Rüstung auf dem Kriegsfuße erheischte natürlich einen Feldherrn. Saul ernannte dazu seinen Vetter Abner29, der nicht wenig zu den Siegen beigetragen hatte. Noch andere Veränderungen brachte das Königtum mit sich. Saul brauchte zur Ausführung seiner Befehle zuverlässige Männer, die nur ihn allein im Auge behalten, nur sein Interesse fördern, ihm mehr ergeben sein sollten, als dem Volke, er brauchte eine Beamten-oder Dienerklasse30. Zunächst wurden Kriegsoberste gewählt, die über je Tausend und Hundert befehligten, dann Räte und Freunde, die an seiner Tafel zu speisen pflegten. Eine eigene Dienerklasse waren die Läufer oder Trabanten (Razim), gehorsame Vollstrecker der königlichen Befehle, zugleich Polizeidiener und Scharfrichter, eine bewaffnete Mannschaft. Diese und ihr Oberster kannten nur die Persönlichkeit des Königs, und auf dessen Wink würden sie im Volke mit ruhigem Gewissen ein Blutbad angerichtet haben. Der Anführer der Trabanten Sauls war Doëg, ein Idumäer von Geburt, der sich Israel angeschlossen hatte und die religiösen [166] Bräuche mitmachte31. Durch den Aufenthalt der stehenden Truppen und der Beamten wurde Gibea, welches bis dahin nur eine kleine Stadt oder vielleicht ein Dorf war, zur Residenz erhoben, worin öfter Fremde verkehrten. Sie erhielt zum Unterschiede von anderen Orten desselben Namens, die auf einem Hügel lagen, die besondere Benennung Gibeat-Saul32.

Samuel, welcher die zur Erhöhung der königlichen Macht eingeführten Veränderungen mit Kopfschütteln bemerkt haben mochte, setzte sein freundliches Verhältnis mit dem von ihm gesalbten König noch immer fort. Er mochte sie als notwendige Folgen der königlichen Würde betrachtet und geduldet haben. Er lebte noch immer in der Hoffnung, daß Saul sich seinen prophetischen Anleitungen in allem fügen werde. In der Tat zeigte sich auch Saul anfangs gefügig. Als ihm Samuel im Namen Gottes auftrug, einen Vernichtungskrieg gegen die Amalekiter zu unternehmen, war er sogleich dazu bereit und bot den Heerbann auf, der sich zahlreich in einer südjudäischen Stadt Telaïm oder Telem versammelte. Die Amalekiter waren erbitterte Erbfeinde des israelitischen Volkes, sie hatten ihm bei der Wanderung durch die Wüste, als es müde und erschöpft war, aufgelauert und es bekämpft (o. S. 33). Auch beim Einzug ins Land hatten sie den Stämmen den Weg versperrt und eine bedeutende Niederlage unter ihnen angerichtet (o. S. 45). Auch sonst hatte Amalek mit den Feinden Israels sich verbunden, um es zu schwächen. Ihr König Agag scheint in Sauls Zeit dem Stamme Juda viel Unbill zugefügt zu haben. »Sein Schwert hatte Weiber kinderlos gemacht«33. Und gerade die Erhaltung und Erstarkung des Stammes Juda lag dem Propheten Samuel besonders am Herzen. Dieser neugewonnene Volksteil konnte, wenn ungeschwächt, dem Ganzen Stärke und Frische verleihen. Es war aber keine geringe Aufgabe, einen Zug gegen die Amalekiter zu unternehmen. Ihr König Agag galt als Kriegsheld und flößte ringsumher Schrecken ein34. Die Amalekiter standen im Rufe großer Tapferkeit und Macht. Dennoch zauderte [167] Saul nicht einen Augenblick, den gefahrvollen Kriegszug anzutreten. Die Amakeliter mußten von der israelitischen Schar erst durch Wüsten- und Höhenzüge aufgesucht werden. Unter und neben ihnen wohnten die Keniter35, ein midianitischer Stamm, der zu Israel und besonders zu dem Stamme Juda in freundschaftlichem Verhältnis stand, aber auch als Nachbarvolk mit den Amalekitern befreundet war. Als Saul mit seiner Schar sich dem Gebiete der Amalekiter näherte, forderte er daher die Keniter auf, sich von Amalek zu trennen, weil er, eingedenk der Dienste, die dieser Volksstamm den Israeliten früher geleistet hatte, ihnen nicht gerne Leid zufügen mochte. Darauf sagten sich die Keniter. von den Amalekitern los; es war vielleicht eine verräterische Tat der Untreue. Dadurch wurden diese geschwächt. Den Kampf selbst scheint Saul mit Geschicklichkeit und Tapferkeit geführt und den Feind in einen Hinterhalt gelockt zu haben. Dadurch gelang es ihm, ihn nachdrücklich zu besiegen. Er nahm die Hauptstadt (vielleicht Kadesch?) ein, tötete Männer, Weiber und Kinder und nahm den gefürchteten König Agag gefangen. Nur ein Überrest rettete sich durch die Flucht in die benachbarte große Wüste36, welche nach Ägypten führt. Reiche Beute fanden die israelitischen Krieger im Lande der Amalekiter, welche diese auf ihren Raubzügen den wandernden Handelskarawanen auf dem Wege vom Euphrat nach Ägypten abgenommen hatten. Außerdem besaßen die Amalekiter zahlreiche Herden von Kleinvieh, Rindern und Kamelen37. Diese Reichtümer sollten nach Samuels Anordnung nicht benutzt, sondern vernichtet werden, es sollte selbst die Spur von Amalek im Gedächtnisse vertilgt werden. Die Krieger mochten aber die reiche Beute nicht der Zerstörung preisgeben, sondern wollten sie als Lohn für ihre Anstrengung in die Heimat bringen. Saul, sonst so strenge, ließ die Erbeutung stillschweigend zu und übertrat damit des Propheten Anordnung. Er mag daran gedacht haben, vermittelst der reichen Beute den Wohlstand des Volkes, welches durch die Philisterfehden so sehr verarmt war, zu heben.

[168] Auf diesen Sieg über die gefürchteten Amalekiter war Saul nicht wenig stolz. Was bedeuteten seine früheren Waffentaten bei Michmas und Jabesch-Gilead im Vergleiche zu der gegen Amalek? Den Schrecken erregenden König Agag führte er in Fesseln als lebendes Siegeszeichen gefangen fort. Das Kriegsglück berauschte ihn, und seine bisherige Demut wich von ihm. Auf seiner Heimkehr errichtete er in der Oase Karmel ein Denkmal seines Sieges, wohl aus einem zugehauenen hohen Felsen in Form eines Wegweisers bestehend, schwerlich mit Inschriften versehen. Inzwischen hatte Samuel ein prophetisches Gesicht, daß der König seinen Auftrag nicht vollkommen ausgeführt habe, und daß er deswegen von Gott verlassen sei. Er sollte diese Weisung dem siegesstolzen Saul verkünden; aber es wurde ihm schwer, den prophetischen Befehl zu vollziehen. Eine ganze Nacht rang er im Gebete. Endlich entschloß er sich, Saul entgegen zu gehen. Aber als er unterwegs vernahm, daß Saul vom Hochmut so weit beherrscht war, daß er sich ein Denkmal setzte, statt in Demut zu bekennen, daß Gott allein ihm den Sieg verliehen habe, da war es ihm nicht möglich, mit ihm zusammenzutreffen. Er wandte sich um und begab sich nach Gilgal. Auch Saul zog bei der Nachricht von seiner Reise ihm dahin nach38 mit dem gefangenen und gefesselten König und der Beute. Die Ältesten Benjamins und der Nachbarstämme fanden sich ebenfalls in Gilgal ein, um den königlichen Sieger zu begrüßen. Sie wurden aber halb und halb Zeugen eines Zerwürfnisses, welches schlimme Zeiten ahnen ließ.

Als wenn nichts vorgefallen wäre, suchte der König den Propheten auf mit den Worten: »Ich habe Gottes Befehle vollzogen.« Darauf fuhr ihn Samuel hart an: »Was bedeutet denn das Blöken der Herde, das ich höre?« »Das Volk wars,« antwortete Saul, »welches die besten Schaf- und Rinderherden schonte, um sie in Gilgal auf dem Altare zu opfern.« Bei diesen Worten konnte der Prophet seinen Unwillen nicht mehr zurückhalten. Er erwiderte in geflügelten Worten:


Hat Gott ebensoviel Wohlgefallen

»An Opfern und Mahlen, wie an Gehorsam?

Sieh! Gehorsam ist besser denn Opfer,

Lauschen mehr wert als der Widder Fett!

Denn die Sünde der Zauberei stammt aus Ungehorsam

Und das Vergehen mit Seraphim aus Widerstreben.«39


[169] »Weil du Gottes Wort verachtet, so hat Gott dich verworfen, König über Israel zu sein.« Saul, von diesen verletzenden Worten und der ernsten und finsteren Haltung des Propheten gedemütigt, gestand ein, gefehlt zu haben, und bat Samuel dringend, ihn zum Altar zu begleiten, wo er sich vor Gott niederwerfen und sich zu demütigen beabsichtigte. »Ich kehre nicht mehr mit dir um,« antwortete der Prophet kurz und schickte sich an Gilgal zu verlassen. Da klammerte der König sich an dessen Gewand, um ihn zurückzuhalten, so fest, daß er es zerriß. Samuel bemerkte dazu: »Das ist das Zeichen! Gott hat die Königswürde von dir gerissen und wird sie einem Besseren übergeben, und selbst wenn Israel dadurch zerrissen werden sollte40, wird er es nicht bereuen, denn er ist nicht ein Mensch zu bereuen.« Noch einmal bat Saul flehentlich den Propheten: »Ehre mich wenigstens vor den Ältesten meines Stammes und Israels und kehre um.« Da besann sich Samuel und begleitete ihn zum Altar, wo sich der König vor Gott demütigte. Samuel befahl darauf, den gefesselten41 König Agag vorzuführen. Feige jammerte der Amalekiterkönig: »O, wie bitter, bitter ist der Tod«42. Samuel erwiderte auf seinen Ausruf:


»So wie dein Schwert Frauen ihrer Kinder beraubt hat,

So soll deine Mutter kriegerischer Männer beraubt sein«43.


Samuel befahl darauf, den Amalekiterkönig auseinanderzureißen44.

[170] Die in Gilgal anwesenden Ältesten mögen von der scharfen Unterredung zwischen dem König und dem Propheten nichts vernommen haben; aber daß eine Spannung zwischen den beiden Führern des Volkes ausgebrochen war, konnte ihnen nicht verborgen bleiben. Tiefbetrübt, daß das Königtum mit dem die Lehre vertretenden Prophetentum unverträglich sei, verließ Samuel Gilgal, um nach seiner Heimat Rama zurückzukehren. Traurig verließ auch Saul diese Stadt, um nach Gibea zurückzukehren. Seit der Szene in Gilgal mieden der König und der Prophet einander. Der Sieg, den Saul über Amalek errungen, wurde für ihn eine Niederlage; sein Stolz war gedemütigt. Die Verkündigung, daß er von Gott aufgegeben sei, warf einen finsteren Schatten in seine Seele. Der Trübsinn, der später bei ihm in Raserei ausartete, hatte seine er sten Anfänge in den Drohworten, die ihm Samuel zugerufen hatte: »Einem Besseren wird Gott das Königtum über Israel verleihen.« Sie haben Saul stets fürchterlich in den Ohren geklungen. So sehr er sich gegen die Übernahme der Herrschaft gesträubt hatte, eben so sehr widerstrebte es ihm, sie aus den Händen zu geben. Dabei fühlte er seine Hilflosigkeit. Was sollte er gegen den strengen Propheten beginnen? Sollte er ihn seine Gewalt empfinden lassen und ihn umbringen? Wenn nicht die Dankbarkeit, so mußte ihm doch die Klugheit einen solchen blutigen Schritt widerraten. Denn dadurch würde er nur das beschleunigt haben, was er so sehr befürchtete, die Empörung des Volkes gegen ihn. Samuel, das wußte Saul, war der Liebling des Volkes, ebenso sehr geliebt wie verehrt. Ein Gewaltstreich gegen ihn würde die Menge wider ihn zum Äußersten aufstacheln. Dem Propheten Gottes gegenüber war der König ohnmächtig und ratlos. Und nun gar zu wissen, daß Samuel mit dem Plane umging, einen anderen aus Israel zum König zu salben und ihn eines Tages als den Würdigeren dem Volke vorzustellen, dieser Gedanke mußte Sauls Innerstes tief zerrütten.

Um sich zu betäuben, führte er neue Kriege. Es gab der Feinde genug an den Grenzen des israelitischen Landes, welche bekämpft werden konnten. Er führte Fehden gegen die Moabiter, Ammoniter und andere Völkerschaften45. Es mögen nur geringe Fehden gewesen [171] sein, aber sie brachten Zerstreuung und Vergessenheit des nagenden Gedankens. Kehrte Saul von diesen Fehden als Sieger zurück und wurde er vom Volke umjauchzt, so gewährte es ihm für den Augenblick Befriedigung. Er konnte sich doch in diesem Augenblick als König fühlen und sich schmeicheln, daß das Volk, vor die Entscheidung gestellt, zwischen ihm und einem Neuling zu wählen, nicht so vergeßlich und undankbar sein werde, ihn aufzugeben. Noch einen anderen Weg schlug Saul ein, um seine Bedeutung und seine Persönlichkeit in den Gemütern des Volkes festwurzeln zu lassen. Im Inneren des Landes wohnten noch immer mitten unter den Israeliten kanaanitische Familien und kleine Stämme, die bei der Eroberung des Landes nicht verdrängt worden waren und bisher hatten nicht verdrängt werden können (o. S. 81 f.). Diese hatten Israel zur Verehrung der falschen Götter und zu götzendienerischen Unsitten verleitet, und die Entfremdung hatte, wie Samuel ermahnend bemerkte, die Schwäche und Abhängigkeit herbeigeführt. Saul gedachte sich also ganz besonders um das Volk und die Lehre Israels verdient zu machen, wenn es die götzendienerischen Nachbarn aufhebe oder aus dem Lande jagte. So begann er für Israel zu eifern46, d.h. das Fremde, Unisraelitische und die Fremden, Nichtisraeliten, zu beseitigen. Stark genug war er gegen diese Gruppen, die meistenszerstreut in mitten der Israeliten wohnten und keinen Zusammenhang untereinander hatten. Er ging in seinem Eifer sehr weit. Zu den geduldeten Fremden gehörten zunächst die Gibeoniten, die sich freiwillig den einziehenden Israeliten unterworfen hatten, und denen Josua und die Ältesten Duldung und ruhiges Dasein zugeschworen hatten (o. S. 57). Saul achtete den Schwur nicht und richtete ein Blutbad unter ihnen an, dem nur wenige entgingen47. Die Stadt Gibeon scheint Saul in Besitz genommen und sie seinen Verwandten zugeteilt zu haben48. Zugleich mit den fremden kanaanitischen Völkerschaften [172] verfolgte Saul auch die mit dem götzendienerischen Wesen in Verbindung stehenden Geheimkünstler. Wo Totenbeschwörer, Zeichendeuter oder sonst geheimtuende Gaukler ihr Handwerk trieben, wurden sie aufgegriffen und hingerichtet49. Freilich ganz vertilgen konnte er dieses Geschlecht nicht; denn so lange der Wahnglaube nicht aus den Köpfen gebannt ist, so lange nicht die klare Überzeugung durchgedrungen ist, daß dergleichen geheime Künste auf Täuschung oder Selbsttäuschung beruhen, fehlt es auch nicht an solchen, welche ihn nähren und ausbeuten. Solange die Menschen an Hexen glauben, gibt es auch Hexen, so sehr auch mit Feuer und Schwert gegen sie gewütet wird. Saul war selbst nicht frei von dem Glauben an die Kunst der Totenbeschwörer, und sein nachdrückliches Verfolgungssystem gegen sie sollte ihn lediglich als Eiferer für die Lehre erscheinen lassen, die solche Künste nicht geduldet wissen wollte. Der ihm grollende Prophet Samuel sollte ihm nicht den Vorwurf machen können, daß er nicht im »Wege Gottes« gewandelt sei. Selbstverständlich baute Saul an verschiedenen Stellen Altäre, um seinen frommen Sinn offen zu bekunden50.

Wenn so Saul einerseits gewissermaßen um die Anhänglichkeit und Gunst des Volkes eifrig warb und sich durch seinen nationalen und religiösen Übereifer als strengen Vollstrecker der von Gott gegebenen Gesetze bewähren wollte, so suchte er anderseits dem Volke eine demutsvolle Scheu vor dem Königstum einzuflößen, den König als ein besonderes, höheres Wesen darzustellen, unnahbar für die Menge, durch äußeren Abglanz hervorstechend. Saul setzte eine goldene Krone auf sein Haupt, die er auch im Kriege nicht ablegte51. Der goldene Reif sollte seine Hoheit und Überragung über das Volk zu erkennen geben. Seine Zeitgenossen, welche ihn noch als Ackersmann gekannt hatten und ihn als ihresgleichen zu behandeln geneigt waren, sollten seine Vergangenheit vergessen und sich daran gewöhnen, zu ihm, als einem Gottgesalbten, der die heilige Krone trägt, staunend hinaufzublicken. [173] Wer sich dem König nahte, mußte sich vor ihm mit dem Gesicht zur Erde niederwerfen. Schwert und Krone sollten seinem künftigen Nebenbuhler, den Samuel aufzustellen gedroht hatte, den Mut sinken machen, ihm gegenüberzutreten. Auch von einem anderen Vorzuge des Königs, nach Anschauung jener Zeit, daß der König mehrere Weiber besitzen und einen Harem unterhalten müsse, machte er Gebrauch. Zu seiner ersten Frau Achinoam, die er noch in seinem Bauernstande heimgeführt hatte, nahm er noch mehrere52, darunter die schöne, mutige Rizpa53.

Seinen Hof umgab Saul mit einigem Glanz. Von der reichen Beute, die er den überwundenen Feinden und besonders den Amalekitern abgenommen hatte, kam Reichtum in das verarmte Land. Wenn es Ziel der Staatsverbände ist, durch gemeinschaftliches Wirken Wohlstand zu schaffen und zu verbreiten, so hat das Königtum von jeher dieses Ziel am besten gefördert, und Saul hat es zu seiner Zeit für das israelitische Gemeinwesen. Die Wohlhabenheit hatte so sehr zugenommen, daß die Töchter Israels feines, weißes ägyptisches Gewebe anzogen, es mit Purpurstreifen verzierten und goldenen Schmuck dazu anlegten54. Wenn die Töchter Israels einen solchen Aufwand machen konnten, wie erst Sauls Frauen und seine beiden Töchter Merab und Michal! Sie ahmten gewiß die Tracht der Königstöchter jener Zeit nach, die aus einem langen himmelblauen Purpurgewand bestand55. In den Fehden, die Saul anhaltend gegen die äußeren Feinde führte, in dem Eifer, den er zeigte, die fremden Elemente im Inneren zu bannen, und in der Entfaltung von Hoheit und Glanz, mit dem er sich umgab, mochte er das Drohwort sich aus dem Sinn geschlagen haben, das ihm der Prophet so grell ins Ohr gerufen hatte. Allein ehe er sichs versah, stand das Wort als Gespenst vor seinen Augen, nahm Fleisch und Seele an, schlich sich zu ihm in Gestalt eines schönen Jünglings und bezauberte ihn selbst. Den Nebenbuhler, den er fürchtete, und den er unmöglich machen wollte, mußte er selbst hegen und pflegen, ihn neben sich auf den Thron erheben und ihn zur Nebenbuhlerschaft gewissermaßen befördern. Das Verhängnis, das ihn ereilen sollte, mußte er selbst heraufbeschwören.

[174] Saul hatte nämlich am häufigsten Reibungen mit den Philistern. Sie konnten es nicht verschmerzen, daß er sie besiegt und um die Obmacht über Israel und vielleicht auch über die Kanaaniter gebracht hatte. Wenn sie gegen Israel auch nicht große Kriege führen konnten, so machten sie doch öfter Streifzüge in das Land, plünderten die vollen Tennen zur Zeit der Ernte oder schleppten aus den benachbarten Dörfern und Städten Gefangene hinweg. Saul zog aber dann jedesmal mit seiner Kerntruppe heran und verjagte und züchtigte sie. Eine gründliche und entschiedene Niederwerfung der Philister konnte er indessen nicht unternehmen; dazu waren sie doch noch zu mächtig. Aber auch die Philister wagten lange nicht einen Krieg im großen gegen das unter einem siegreichen König erstarkte Israel zu unternehmen. Endlich kam es doch noch einmal zu einem entscheidenden Vorgehen. Die Philister, die ihre Hauptstadt vom Meere entfernt nach dem Binnenlande zu, nach Gath, verlegt hatten, zogen eine große Schar zusammen, fielen in das Gebiet von Juda ein und lagerten zwischen Socho und Aseka auf einem Berge. Saul rüstete ebenfalls eine Schar aus, zog den Feinden entgegen und schlug das Lager ebenfalls auf einem Berge gegenüber dem Terebintentale (Emek-Elah) auf. Die Taltiefe trennte beide Scharen. Einige Zeit standen die feindlichen Schlachtreihen einander gegenüber, als fürchteten beide den ersten, folgenreichen Schritt zu tun.

Es war aber damals auch in diesem Landstrich in seltenen Fällen Kriegsgebrauch, daß aus jedem Lager ein oder mehrere Krieger aus den Reihen traten, miteinander Mann gegen Mann bis zur Erschöpfung oder bis zum Tode rangen. Derjenige Krieger, welcher den Gegner überwunden hatte, verschaffte damit seinem Heere oder dem Volke den Sieg, und das gegnerische Heer, dessen Zweikämpfer erlegen war, mußte sich für besiegt erklären und sich freiwillig den Bedingungen des Stärkeren unterwerfen. Ein solcher Zweikampf galt als eine Art Gottesgericht, welches jedenfalls den Vorzug hatte, daß es viel Blutvergießen verhinderte. Diesen Kriegsgebrauch wollten damals die Philister zur Entscheidung anwenden; sie stellten einen aus ihrer Mitte als Zweikämpfer auf und forderten das israelitische Heer heraus, aus seinen Reihen einen Gegner zu wählen, und diese beiden sollten miteinander den Streit auskämpfen. Der philistäische Zweikämpfer, namens Goliath aus Gath, gehörte dem Überrest jenes Riesengeschlechtes der Anakiten oder Rephaïm an, die in früheren Zeiten mit ihrem ungeschlachten Wesen viel Schrecken verbreitet hatten (o. S. 2). Von diesen Riesen hatten sich im Philisterlande noch am längsten Überbleibsel erhalten56, [175] als letzte Zeugen einer untergegangenen Welt. Goliath war einer dieser Rephaïm oder Söhne der Rapha; er hatte die Höhe von sechs Ellen und darüber, trug einen ehernen Helm, einen Schuppenpanzer von 5000 Sekel Gewicht, seine Schenkel waren geschützt durch eherne Beinschienen, einen Speer trug er auf der Schulter, dessen Schaft wie ein Webebalken stark war, und sein Schwert hatte das Gewicht von 6000 Sekel. Die Sage hat wahrscheinlich Goliaths Rüstung übertrieben. Sein Bruder Lachmi war von eben so riesiger Gestalt und trug einen ebenso dicken Speer57. Noch andere drei anakitische Riesen lebten damals in derselben Stadt, einer, der an jeder Hand einen Finger und an jedem Fuß eine Zehe mehr hatte; ein zweiter namens Jisbi, dessen Rüstung ebenso schwer wie die Goliaths wog und noch ein dritter, Sipaï, der sich durch Reckenhaftigkeit auszeichnete58.

Um die Entscheidung durch den Zweikampf herbeizuführen, pflegte der sich zum Kampf anbietende Held das gegnerische Heer, Volk und auch dessen Gott mit Schmähreden zu überhäufen, daß das Volk feige und sein Gott ohnmächtig sei. Diese schmähende Herausforderung sollte in dem feindlichen Lager einen Zweikämpfer aufstacheln, die Fehde anzunehmen. So tat es auch Goliath; er überbot sich an Schmähungen auf Israel und dessen Gott, um einen Zweikämpfer aus dem jenseitigen Lager herauszufordern. Aber niemand mochte es mit diesem schwerbewaffneten und von allen Seiten gedeckten Riesen aufnehmen. Keiner mochte die Unabhängigkeit des Volkes aufs Spiel setzen und von dem zweifelhaften Ausgang des Zweikampfes abhängig machen. Der König Saul hätte es gern gesehen, wenn sich aus seinem Heere ein Zweikämpfer gestellt hätte, er verhieß dem Sieger reiche Geschenke, dessen Vaterhause Befreiung von Abgaben und Kriegsdiensten und ihm sogar die Hand einer seiner Töchter. Aber selbst um diesen Preis wagte niemand aus dem israelitischen Heere Goliath entgegenzutreten. Da fand sich wie zufällig ein Hirtenjüngling, aus der dem Kampfplatze nahen Stadt Bethlehem, ein, der die Entscheidung herbeiführte. Dieser bethlehemitische Hirte hat unmittelbar und mittelbar einen Umschwung in der Geschichte des israelitischen Volkes und in der Geschichte des Menschengeschlechtes herbeigeführt. David, damals nur den Einwohnern des Dorfs oder Städtchens Bethlehem bekannt, ist seitdem ein klangvoller Name fast auf dem ganzen Erdenrund geworden.

[176] Samuel hatte nach seinem Zerwürfnis mit Saul den prophetischen Auftrag empfangen, sich nach Bethlehem zu begeben und dort unter den acht Söhnen des greisen Isaï einen zum zukünftigen König in Israel an Sauls Statt zu wählen und zu salben. Heimlich hatte er sich dahin begeben; denn er fürchtete Sauls Nachstellung. Bei einem Opfermahle ließ er sich von Isaï seine Söhne vorführen. Der Älteste, Eliab, fesselte Samuel durch seine hohe, stattliche Gestalt, aber der prophetische Geist verkündete ihm, nicht mehr, wie bei Saul, auf Körpergröße zu sehen, sondern auf das, was nicht in die Augen fällt, auf die innere Größe. Diese fand Samuel bei keinem der ihm nach und nach vorgestellten sieben Söhne Isaïs. Endlich wurde auf des Propheten Geheiß der Jüngste von der Trift geholt, wo er die Herden weidete. Sobald sich dieser mit seinen schönen, fesselnden Augen, mit seiner frischen Gesichtsfarbe und anmutigen Gestalt zeigte, erkannte ihn Samuel als den rechten, von Gott erkorenen, künftigen König; es war David. Inmitten seiner Brüder salbte ihn Samuel zum König über Israel. Dieser einfache Akt von bedeutender Tragweite wurde selbstverständlich im engsten Kreise vollzogen und von Samuel, dem Vater und den Brüdern geheim gehalten.

Isaï, Davids Vater, stammte keineswegs aus der vornehmsten judäischen Familie, gehörte vielmehr, so wie sämtliche Einwohner Bethlehems, einer der geringsten an59. Sein jünster Sohn hat zuerst über diese Familie Glanz gebracht. Bei seiner Salbung stand David im Jünglingsalter; er war etwa achtzehn Jahre alt60 und hatte bis dahin noch wenig erfahren und noch weniger geleistet. Die schönen Triften rings um Bethlehem waren bis dahin seine Welt gewesen. Aber in dem Jüngling waren Anlagen verborgen, die nur angeregt zu werden brauchten, um zu bewirken, daß er geistig alle seine Zeitgenossen überragte, wie Saul sie körperlich überragte.

David hatte zunächst Anlage für Dichtkunst und Saitenspiel und mag bei seinen Herden manches Lied den Echos der Berge zugerufen haben. Aber der tief dichterische Zug seiner Seele machte ihn nicht zum Träumer; er besaß vielmehr einen richtigen Blick für die augenblicklichen Lagen und Umstände und die Besonnenheit und Klugheit, sie zu benutzen. Zudem hatte er ein gewinnendes, bestechendes, man möchte[177] sagen bestrickendes Wesen, das seine Umgebung ihm unwillkürlich untertänig machte; er war zum Herrscher geboren. Sein seelenvolles Auge übte einen Zauber aus, der ihm treue Freunde warb und seine erbitterten Feinde entwaffnete. Indessen waren alle diese geistigen Anlagen und Vorzüge, wie gesagt, verborgen in ihm, als ihn Samuel heimlich salbte. Aber diese Salbung und Wahl weckte sie im Nu aus dem Schlummer; »der Geist Gottes kam über ihn von diesem Tage an,« nach der Sprache jener Zeit. Eine höhere Stimmung, das Bewußtsein der eigenen Kraft, Mut und Unternehmungsgeist erfüllten sein Wesen. Ein Augenblick hatte genügt, den Jüngling in einen Mann zu verwandeln. Heimlich, wie er gekommen war, kehrte Samuel nach Rama zurück; aber den von ihm gesalbten Jüngling ließ er nicht aus den Augen; er zog ihn in den Kreis seiner Prophetenjünger. Hier erhielt seine dichterische Anlage die Ausbildung, hier konnte sich David im Saitenspiel vervollkommnen. Aber noch mehr als dieses lernte er in Samuels Umgebung, Gotteserkenntnis. Sein Geist wurde von Gott erfüllt und erhielt die innerliche Weihe, jedes Tun und Lassen auf Gott zu beziehen, sich von ihm geleitet zu fühlen, sich ihm hinzugeben. Die Gemütsruhe und Gottergebenheit, die David auch in den gefahrvollsten Lagen und bei Kränkungen bewahrte, Kränkungen, die Menschen gewöhnlichen Schlages in verbitterte Stimmung oder Verzweiflung zu versetzen pflegen, hat er in Samuels Nähe erlernt: »Gott ist mit mir, vor wem sollte ich mich fürchten; was könnte mir ein Mensch tun?« Diese tiefinnerliche Frömmigkeit, welche in den Psalmen einen so mächtigen Widerhall gefunden hat, dieses höchste Gottvertrauen hat Samuels Einfluß in ihm geweckt und bestärkt.

Ab und zu kehrte er von Rama nach Bethlehem, von Samuels Levitenorden zu den Herden seines Vaters zurück61. Der höhere Mut, den er infolge seiner Salbung und in der Nähe Samuels gewonnen hatte, verließ ihn auch beim Weiden seiner Herden auf Bethlehems Fluren nicht. Einst überfiel ein Löwe seine Herde, und auch ein Bär trottete drohend dazu, um Beute zu erhaschen. David jagte dem Löwen die Beute ab, tötete ihn und den Bären zugleich62. Er wartete treu die Herde seines Vaters, beschützte sie und übte sich in der Ausdauer, um später das Volk zu warten und zu schützen. Als der Krieg gegen die Philister unweit Bethlehem ausbrach, hatte David keine Ruhe bei der Herde und war froh, daß ihn sein Vater mit einer Botschaft an seine [178] Brüder, die im Heerbann dienten, betraute, um sich ins Lager begeben zu können63. Im Lager angekommen drang er bis zur Linie vor, wo die beiden Reihen einander kampfdrohend gegenüberstanden, und vernahm mit Entsetzen Goliaths schmähungsvolle Herausforderung von Volk und Gott. Schüchtern gab er den Umstehenden zu verstehen, daß er es wohl wagen würde, dem verworfenen Philister, der das Heer des lebendigen Gottes so sehr schmähte, entgegenzutreten, und so drang es zu des Königs Ohren, daß ein Jüngling sich zum Zweikampfe angeboten habe. Vor Saul geführt, mußte dieser über den kecken Jüngling lächeln: »Wie willst du gegen den Philister kämpfen, du, der Jüngling, gegen einen von Jugend auf erfahrenen, riesigen Kriegsmann?« »Der Herr, der mich im Kampf mit dem Löwen und Bären gerettet, wird mir auch im Streit gegen den Philister beistehen,« war Davids Antwort. Halb überwunden, halb spöttisch gestattete ihm Saul den Zweikampf und bot ihm seine eigene Rüstung an. Aber er verschmähte sie, weil er nicht daran gewöhnt war, und zog, lediglich mit spitzen und glatten Steinen aus dem Tale bewaffnet, gegen Goliath. Der erste Stein, aus der Schleuder mit geübter Hand geworfen, traf von Ferne den schwerbewaffneten und schwerfälligen Riesen; er fiel zu Boden. Eilends stürzte sich David auf ihn, riß ihm das Schwert aus der Scheide und hieb ihm damit das Haupt ab. Die Philister, die vom Berge aus den Fall ihres Zweikämpfers, den sie für unbesiegbar gehalten hatten, erblickten, erklärten sich für besiegt und versuchten nicht mehr den Krieg fortzusetzen. Sie entflohen vielmehr westwärts ihren festen Städten zu, nach Gath und Ekron. Die israelitische Schar dagegen, von dem Siege Davids hingerissen, verfolgte den fliehenden Feind bis hart an die Tore der Städte und machte reiche Beute.

Mit dem blutigen Haupte in der Hand wurde der junge Sieger vor Saul geführt, dem er bis dahin völlig unbekannt war, und dieser vernahm zum ersten Male den Namen David, Sohn Isaïs, aus Bethlehem64. Er hatte nicht eine schattenhafte Ahnung davon, daß dieser Jüngling, dem er die Bewunderung nicht versagen konnte, der so sehr von ihm gefürchtete Nebenbuhler sein könnte. Er empfand nur die Freude über den großen Sieg65. Sein Sohn Jonathan mit seiner offenen, weichen, selbstlosen Seele war von dem jungen Sieger wie bezaubert. In seine Seele zog eine Liebe und Anhänglichkeit zu ihm ein, stärker als die Liebe zu einem Weibe. Bald erscholl Davids Name in den Gemarken [179] aller Stämme; der Sieg, den er bei Ephes-Damim oder im Terebinthentale durch seine Kühnheit und Geschicklichkeit und durch sein Gottvertrauen errungen hatte, ging von Mund zu Mund. Die Philister besannen sich lange, ehe sie wieder das Land mit Krieg überzogen. Goliaths Schwert wurde als Siegeszeichen in der Priesterstadt Nob im Zelttempel aufbewahrt66. David kehrte aber, als wenn nichts vorgefallen wäre, in sein Vaterhaus zurück, und brachte nur als Erinnerungszeichen an seine Tat Goliaths Schädel und Rüstung mit.

Lange blieb er nicht im Vaterhause, denn das Verhängnis über Saul begann sich zu vollziehen, und David war als Werkzeug dazu auserkoren. Der Schatten des Unmutes, der des Königs Seele seit seinem Zerwürfnis mit dem Propheten zu verdüstern begonnen hatte, verdichtete sich immer mehr. Vielleicht wurmte es ihn, daß er, der Kriegsheld, der über Ammoniter und Amalekiter so entschieden gesiegt hatte, die Philister nicht bekämpfen konnte, und ein Jüngling die Entscheidung herbeigeführt hatte. Es mochte ihm ein Zeichen sein, daß er von Gott verlassen sei. Seine Verstimmung ging in Schwermut, sein Schwermut in Trübsinn über, und zuweilen zeigten sich Anzeichen rasenden Wahnsinns bei ihm. »Ein böser Geist ist über den König gekommen,« so raunten seine Diener einander zu. Nur Saitenspiel vermochte ihn zu erheitern, es erinnerte ihn an die besseren Tage, als er durch den Chor der Leviten plötzlich höhergestimmt, sich als ein anderer Mann gefühlt hatte. Darum rieten ihm seine vertrauten Diener, einen kunstgeübten Saitenspieler und Dichter an seinen Hof zu ziehen und empfahlen ihm den Sohn Isaïs, der schön, tapfer, ein Saitenspieler und beredt sei. Saul ging darauf ein und erbat sich von dem greisen Isaï, er möge seinem Sohn David von Zeit zu Zeit gestatten, von Bethlehem nach seiner nur wenige Stunden entfernten Residenzstadt Gibea zu ziehen, um ihn mit der Harfe und anmutiger Rede zu erheitern67. David kam und bezauberte den König durch sein ganzes Wesen und sein Spiel. So oft er in Trübsinn verfiel, brauchte David nur die Laute zu rühren, und die Schwermut wich plötzlich von ihm. Saul fühlte sich von David gefesselt, begann ihn wie einen Sohn zu lieben und bat endlich dessen Vater, ihn ganz und gar an seinem Hofe zu lassen. Er machte ihn dann zu seinem Waffenträger, um ihn stets bei sich zu haben und sich durch ihn erheitern zu lassen. Das war die erste Stufe zu Davids Erhöhung. [180] Aber nicht der König allein fühlte sich von ihm gefesselt, David übte auf die ganze Umgebung Sauls eine Anziehungskraft aus. Alle Herzen flogen ihm zu. Am meisten aber liebte ihn Jonathan; seine Liebe zu dem hochbegabten Jüngling von Bethlehem ging in Schwärmerei über, er liebte ihn mehr als den eigenen Vater, mehr als sich selbst. Er schenkte David sein Prachtkleid und seine Waffen und schloß mit ihm ein Freundschaftsbündnis, das auch auf ihre beiderseitigen Nachkommen übergehen sollte. Auch Sauls zweite Tochter Michal trug eine geheime Neigung für David im Herzen. An Sauls Hofe lernte David das Waffenhandwerk kennen und vertauschte die Laute mit dem Schwerte. Da es ihm nicht an Mut gebrach, so zeichnete er sich bald bei den kleinen Fehden aus, an denen er teilgenommen hatte, und ließ einen geschickten und überlegten Krieger ahnen. Alsbald machte ihn Saul zum Anführer einer Streifschar, um Einfälle in feindliches Gebiet zu machen oder sie von seiten der Feinde zu verhindern. Auch aus solchen Zügen kehrte David glücklich und siegreich zurück.

Als David einst den Philistern einen empfindlichen Verlust beigebracht und dadurch Jubel in dem israelitischen Gebiet erzeugt hatte, zogen ihm aus den Städten, die er auf der Rückkehr berührte, Frauen und Jungfrauen mit Gesang, Handpauken und Klangbecken entgegen, führten Tänze auf und begrüßten ihn mit Freudenrausch als Sieger: »Saul hat Tausende geschlagen, David aber Zehntausende!« In Sauls Residenz selbst mag er mit demselben Jubel empfangen worden sein. Diese Ehrenbezeugungen, die dem jungen Kriegshelden so volltönig und so schwärmerisch entgegengebracht wurden, öffneten endlich Saul die Augen. Also der Bessere, welchen Gott zum König über Israel erwählen wird, womit Samuel ihn bedroht hatte, der Nebenbuhler, den er so sehr fürchtete, der ihm aber bisher nur als Traumbild erschienen war, er lebt, er steht leibhaftig vor seinen Augen, er ist der Liebling des Volkes und sein eigener, er beherrscht alle Herzen! Es war eine tieferschütternde Entdeckung für Saul. »Mir geben sie nur Tausende, ihm aber Zehntausende, sie stellen ihn schon über mich, was fehlt ihm noch, um König zu werden?« Der Jubelruf der singenden und tanzenden Frauenchöre gellte ihm seit der Zeit in den Ohren und erweckte das Drohwort des Propheten: »Verworfen bist du von Gott.«

Bei dieser Entdeckung verwandelte sich Sauls Liebe zu David sofort in Haß68 und erfüllte ihn mit Wahnsinn. Saul muß starken Geistes gewesen [181] sein, daß er nicht von des Wahnsinns Nacht vollständig verdunkelt wurde, sondern sich stets wieder zur Besonnenheit aufraffen konnte.

Schon am Tage nach Davids Rückkehr vom Siegeszuge geriet Saul in Raserei und schleuderte zweimal seinen Speer gegen David, der nur durch ein geschicktes Ausweichen dem Tode entging. Auch dieser fehlgeschlagene Wurf erschien Saul, so wie ihn der Wahnsinn verließ, als ein Zeichen, daß Gott selbst seinen Feind beschütze. Von der Zeit an verlegte er sich auf List, um seinen Nebenbuhler zu beseitigen, weil er es nicht wagte, an den Liebling des Volkes Hand anzulegen. Äußerlich zeichnete er David aus, er machte ihn zum Anführer der Kerntruppe (Mishma'at) von Tausend, gab ihm den Auftrag, Fehden von größerer Tragweite und größeren Gefahren zu führen, und bot ihm seine älteste Tochter Merab zur Ehe an. Eine dieser scheinbaren Gunstbezeugungen, so hoffte Saul, würde doch dem Verhaßten sicheres Verderben bringen. Die Tochter Merab war bereits an einen vor nehmen Mann, Adriël aus Mechola verheiratet, der nicht gleichgültig sein Eheweib sich entreißen und in den Armen eines anderen sehen, sondern ihm, dem Frauenräuber, den Todesstoß versetzen würde, so schmeichelte sich Saul69. Sollte David der Hand des eifersüchtigen Ehemannes entgehen, so werde er durch die Hand der Philister fallen. Aber David wich der einen Gefahr aus; er erklärte, daß er sich zu gering fühle, Schwiegersohn des Königs zu werden. Da erfuhr Saul, daß seine zweite Tochter Michal (oder Melchol) heimlich David ihr Herz zugewendet hatte, und gedachte seinen Anschlag gegen ihn durch diese auszuführen. Er ließ durch seine Vertrauten David bereden, er möge um die Hand der ihn liebenden Michal anhalten. Sollte er darauf eingehen, so werde Saul statt der reichen, einer Königstochter würdigen Morgengabe, die David nicht hätte leisten können, einen anderen Brautpreis verlangen. Und als David wirklich wagte, um die Königstochter anzuhalten, verlangte Saul von ihm, daß er als Morgengabe Körperzeichen von hundert erschlagenen Philistern innerhalb einer Frist liefern möge. David mußte also, um diese große Zahl zu liefern, öfter Einfälle ins Philisterland machen – wie leicht hätte er da als Blutbräutigam zurückgebracht werden können! Vor dieser Gefahr schreckte indessen der Jüngling nicht zurück; ehe noch die Frist abgelaufen war, brachte er die doppelte Zahl der Körperzeichen [182] erschlagener Feinde mit und legte sie Saul vor. Dieser mußte sein Versprechen halten und ihm Michal zur Frau geben.

Dieses stets zunehmende Glück Davids war geeignet, Sauls Erbitterung gegen ihn nur noch mehr zu steigern. Sein Todfeind war nicht im Kampfe gegen die Philister gefallen, er war jetzt sein Schwiegersohn und Anführer eines Teiles seiner Kerntruppe! Er selbst hatte den, den er so sehr haßte und fürchtete, gerade dadurch, daß er ihn stürzen wollte, nur noch mehr erhöht und dem Throne nahegebracht. Da die Anschläge ihm nicht gelangen, wendete Saul ein anderes Mittel an, um ihn zu Falle zu bringen. Er erwartete nichts mehr vom Zufall, der seinem Nebenbuhler sich stets günstig erwiesen hatte. Saul besprach heimlich mit seinen Vertrauten und auch mit Jonathan den Plan, David beiseite zu schaffen. Aber auch dieser Plan mißlang. Saul kannte nicht die Stärke der Anhänglichkeit seines Sohnes an David. Statt Hand an ihn zu legen, warnte Jonathan den Freund, und riet ihm, sich zu verbergen. Er versuchte sogar den Vater umzustimmen, ihn den Wahngebilden zu entreißen und mit David zu versöhnen. Er stellte ihm vor, daß David nicht das Geringste sich habe gegen ihn zuschulden kommen lassen, ihm vielmehr große Dienste geleistet habe. Er erinnerte seinen Vater an die Freude, die Saul empfunden hatte, als David durch den Sieg über Goliath Israel eine so große Hilfe gebracht; er warnte ihn davor, unschuldiges Blut zu vergießen. Die Liebe zu seinem Freunde und auch zu seinem Vater, den er von einem Gewaltstreich zurückhalten wollte, der ihm unfehlbar den Haß des Volkes zugezogen hätte, gab Jonathan beredte Worte in den Mund, um den Vater weich und versöhnlich zu stimmen. Infolgedessen schwur Saul ihm bei Gott, daß er David nicht töten werde. Jonathan hatte dafür gesorgt, daß David von seinem Versteck aus Sauls Worte vernehmen und sich selbst von der Aufrichtigkeit der Sinnesänderung gegen ihn überzeugen konnte. David, auf Sauls Eid vertrauend, kehrte zu ihm zurück, als wenn nichts vorgefallen wäre. Jonathan konnte stolz darauf sein, zwei seinem Herzen gleich teure Personen, deren Einigkeit Israel groß machen, deren Entzweiung aber alles Unheil über das Land heraufbeschwören konnte, versöhnt zu haben. Die Liebe trug den Sieg über den Haß davon.

Aber lange hielt die Versöhnung nicht vor. Es bedurfte nur eines neuen Sieges, den David über die Philister errang, um den bösen Geist in Sauls Seele abermals zu wecken. Uneingedenk seines Eides, schleuderte er abermals den Speer nach David, dem dieser wiederum nur durch eine geschickte Wendung auswich. Nun konnte David nicht mehr in der Nähe des Mannes bleiben, den sein Haß selbst zum Eidbruch [183] hinriß oder sein Wahnsinn jeder Besinnung beraubte. Er entfloh noch in derselben Nacht in sein Haus. Aber auch Saul wollte den offenen Bruch, er ließ die Maske fallen, die er bisher der Öffentlichkeit gegenüber bewahren zu müssen glaubte. Er ließ noch in derselben Nacht Davids Haus umstellen70, um seiner habhaft zu werden. Aber es war verhängnisvoll für Saul, daß seine eigenen Kinder sich gegen ihn verschworen und für David eintraten. Wie früher Jonathan, so ermahnte ihn diesmal Michal noch in der Nacht zu entfliehen und verhalf ihm zur Flucht. Als Sauls Boten des Morgens in Davids Haus drangen, um ihn, wenn auch mit Gewalt, zum König zu führen, ließ Michal melden, ihr Gatte sei krank, und als jener befahl, ihn im Bette zu ihm zu bringen, legte sie eine Art Mumienfigur ins Bett und ein Kissen von Ziegenhaar71 zu deren Häupten und deckte sie mit Kleidern zu, um die Boten glauben zu machen, der kranke David läge darin, und um diesem auf seiner Flucht durch längeres Hinziehen einen Vorsprung zu verschaffen. Während Saul seinen Zorn gegen seine Tochter, die ihn so arg getäuscht hatte, ausließ, war David bereits in dem von Gibeat-Saul nicht weit entfernten Rama bei Samuel eingetroffen.

Dem Propheten klagte der verfolgte Held sein Leid. Aber dieser riet ihm keineswegs, die Fahne des Aufstandes aufzupflanzen, das Volk, dessen Liebling er war, oder wenigstens den Stamm Juda, der sich in ihm geehrt fühlte, aufzurufen, sich um ihn zu scharen. Samuel mochte nicht Bürgerkrieg und Entzweiung des Volkes herbeiführen. Er tat weiter nichts, als daß er dem Verfolgten Schutz gewährte in einem Orte Nauath (oder Najot)72 nahe bei Rama, wahrscheinlich auf einer Anhöhe, wo der Altar stand, der für Flüchtlinge ein Asyl zu sein pflegte. Hier konnte David wieder die psalmensingenden Chöre der Leviten um Samuel vernehmen, mit denen er früher seine Stimme gemischt hatte. Saul war aber schon so tief gesunken, daß er das Asylrecht des Heiligtums nicht achtete. Sobald er erfuhr, daß David sich nach Rama gerettet [184] hatte, sandte er Boten ab, auf ihn zu fahnden. Aber diese Boten wurden, wie erzählt wird, von dem Gesang und Saitenspiel des Chores so ergriffen, daß sie in Verzückung gerieten und gar nicht zum König zurückkehrten. Und ebenso erging es den anderen, die er zum zweiten und dritten Male nach Rama oder nach Nauath abgesandt hatte. Und als er selbst in Nauath eintraf, wurde auch er von den Gesängen und dem Saitenspiel so berauscht, daß er in Verzückung zur Erde fiel, in Raserei seine Kleider auszog und in diesem Zustande einen Tag und eine Nacht verblieb. Von dieser Szene soll sich das Spottwort gebildet haben: »Auch Saul unter den Propheten?«

Sobald Davids Zufluchtsort bekannt war, mußte er auch die Nähe Samuels meiden. Aber wo sollte er sich verbergen? Überall im Lande konnte ihn des Königs Hand erreichen. Saul scheint indessen beruhigter aus Rama zurückgekehrt zu sein und von dem Vorfall nicht gesprochen zu haben, als wenn alles im alten Geleise geblieben wäre. Diese ruhige Stimmung des Vaters scheint Jonathan benutzt zu haben, um abermals eine Versöhnung zwischen dem Vater und dem Freunde herbeizuführen. Er kam mit David heimlich in der Nähe von Gibea zusammen, um ihn zu besänftigen73. David war dieses Mal vorsichtiger, er sagte nur unter der Bedingung zu, die Hand zum Frieden zu bieten, wenn Jonathan alle Falten des Herzens seines Vaters durchforscht und gefunden haben werde, daß die letzte Spur des Hasses daraus verschwunden sei. Als indessen Jonathan nur den Versuch machte, ein günstiges Wort von David in Gegenwart des Vaters zu sprechen, geriet dieser wieder in Wut, nannte ihn einen verworfenen Sohn, der zur Schande seiner Mutter mit seinem Feinde im Bunde sei und als er noch zu Davids Gunsten zu sprechen versuchte, schleuderte Saul den Speer auch nach dem Sohne. Jonathan gab darauf David in seinem Verstecke nach verabredeten Zeichen einen Wink, sich aus dem Staube zu machen. Beide nahmen unter Tränen Abschied voneinander.

David fühlte sich vogelfrei. Er wußte, daß Sauls Haß nicht ruhen werde. Wohin sollte er seine Schritte lenken? Im Lande durfte er sich nicht blicken lassen. Er faßte daher den Entschluß, seine Zuflucht bei dem Philisterkönig Achisch zu suchen, der, so dachte er, froh sein werde, ihm Gastfreundschaft zu gewähren, um einen gefährlichen Gegner zu entwaffnen und vor seinen feindlichen Einfällen sicher zu sein. Allein so bloß, wie er entflohen war, konnte er sich vor dem Philisterkönig nicht [185] blicken lassen, er brauchte wenigstens eine Waffe; auch hatte er nicht einmal Wegzehrung bei sich. Er begab sich darum heimlich nach der Priesterstadt Nob, um sich hier Mundvorrat und ein Schwert zu verschaffen. Ihm, als dem Obersten der Kerntruppe und als dem Schwiegersohn des Königs, würde der Hohepriester nichts versagen. Dem Heiligtum zu Nob stand damals ein anderer Enkel Elis vor, Achimelech, wahrscheinlich ein Bruder jenes Achija, welchen Saul zu Rate gezogen hatte (o. S. 160). Dieser gab David, was er verlangte und verkündete ihm noch dazu, daß der Weg, den er einschlage, gelingen werde74. Mit dem Nötigen versehen, begab sich David nach der philistäischen Hauptstadt Gath. Wahrscheinlich hatte er vorher mit dem König Achisch wegen freundlicher Aufnahme unterhandelt, und dieser hatte dem vermeintlich feindlichen Schwiegersohn Sauls einen günstigen Empfang zugesagt, um ihn an seinen Hof zu fesseln. Aber seine Leute verargten ihm die Freundlichkeit gegen den Feind ihres Landes, dem bei seiner Rückkehr von den Siegen über die Philister die Frauen jubelnd zugerufen hatten: »Saul hat nur tausend, David aber zehntausend Philister geschlagen.« David fürchtete daher die Feindseligkeit der Diener Achischs, die ihm nach dem Leben getrachtet zu haben scheinen75, und sann auf eine List, wie er ihren Anschlägen entgehen könnte. Er stellte sich daher wahnsinnig vor ihnen, veränderte seine Rede, zeichnete an die Tore der Stadt und ließ den Speichel über den Bart fließen. Wahnsinnige galten im [186] Altertum als von Gott besessen und daher unverletzlich. Der König Achisch, dem die List nicht entgangen sein mag, sorgte selbst dafür, daß David sein Land ungefährdet verlassen konnte. »Fehlt es mir denn an Wahnsinnigen in meinem Lande, daß ihr mir diesen zuführt? Soll dieser in mein Haus einkehren?« So sprach er und entließ ihn.

Nun war David erst recht ratlos, er wußte nicht, wo er Sicherheit finden könnte. Es gibt in dem westlichen Abhange des Gebirges Juda mehrere Grotten mit Kammern und Nischen, wo Herden untergebracht zu werden pflegten und geräumig und luftig genug, um viele Menschen zu beherbergen. In einer dieser Höhlen, die bei der Stadt Adullam76 war, suchte David einen Schlupfwinkel. Seine Eltern und Verwandten, welche Kunde von seinem Versteck erhalten hatten, begaben sich zu ihm dahin, um ihm nahe zu sein, oder um Sauls Rache zu entgehen. Nach und nach kamen noch andere Jünglinge und Männer hinzu, Unzufriedene, Bedrängte, Abenteurer, Kampflustige; sie schlossen sich David eng an und bildeten eine verzweifelte Schar, die sich seiner Führung anvertraute und ihm anfangs Schutz gewährte. Es gab unter ihnen Leute von verwegenem Mut und wilder Tatkraft, die vor keiner Gefahr zurückwichen, aber auch vor keinem Verbrechen zurückschreckten. Zunächst waren es drei Vettern Davids, Söhne, welche auffallenderweise stets nach ihrer Mutter Zeruja genannt wurden: Joab, Abisaï und Aßah-El, Jünglinge mit Feuerseelen aus Bethlehem, die unter Davids Leitung Helden geworden sind. Ein anderer Verwandter Davids, Elchanan, Sohn Jaïrs, ebenfalls aus Bethlehem, der später gleich David einen riesigen Zweikämpfer der Philister besiegte, schloß sich ebenfalls dem Verfolgten an. Drei Jünglinge, welche später als die tollkühnsten gefeiert wurden, Jeschobeam aus der Stadt Khamon, Eleasar aus einer Stadt Achoch und Schamma, Sohn Ages, wohl aus dem Gebirge Ephraim, suchten unter David ihre Lust nach kühnen Abenteuern zu befriedigen. Benahjahus Sohn Jojada, aus einer der südlichsten Städte des Gebietes Juda, aus Kabzeël, der später einen Löwen in seiner Höhle an einem Wintertage erlegte, noch andere kühne Taten vollbrachte und noch später eine Rolle spielte, kam ebenfalls zu David. Diese und noch andere mutige Jünglinge bildeten den Grundstock einer Schar, welche sämtlich »heldenmütige Streiter« (Gibborim) genannt wurden77. [187] Zu den Männern von wilder Kraft und Tatenlust gesellte sich ein Vertreter des sanften Wortes, der Prophet Gad, wahrscheinlich aus Samuels Levitenorden, der vermittelst prophetischer Ankündigungen Davids Schritte und Züge leitete. Die Zahl der Anhänger Davids wuchs allmählich zu vierhundert Mann an, die sämtlich in der geräumigen Grotte von Adullam Platz fanden.

Für den Augenblick war die Schar der Anhänger von geringem Nutzen für ihn; denn einen Krieg mochte er mit seinem gesalbten Feinde nicht führen. In seinen Augen blieb Saul stets der »Gesalbte Gottes«, an dem sich niemand ungestraft vergreifen dürfe. Auch sein Gottvertrauen hielt ihn davon zurück, sich selbst durch das Schwert Hilfe zu verschaffen78. Allenfalls dienten ihm die vierhundert zum Schutze, daß er nicht plötzlich überfallen und unter die Füße seines Feindes geraten konnte. Aber stets ruhig in der Höhle lagern konnten sie doch auch nicht. David war noch immer in einer sehr mißlichen Lage. Ehe er sich dieser entzog, gedachte er seine Eltern in Sicherheit zu bringen, damit sie nicht seinetwegen Sauls Zorn zum Opfer fielen. Er führte sie in das Land Moab und vertraute sie dem Schutze des Königs an, mit dem er früher wohl schon freundliche Verbindung angeknüpft hatte. Welchen Weg David mit seiner Schar einschlug, um nach jenseits des Jordans und des toten Meeres zu gelangen, ohne von Saul bemerkt zu werden, ist schwer zu bestimmen. Wollte er im Norden des toten Meeres den Jordan überschreiten, so hätte seine Schar Sauls Kundschaftern nicht entgehen können, und das tote Meer südlich durch die Wüste zu umgehen, wäre mit nicht geringerer Gefahr verbunden gewesen; er wäre auf feindliche Völker gestoßen. Sollten David und seine Streiter das tote Meer an den seichten Stellen durchwatet haben? Noch heutigen Tages kann man dieses Meer an einigen Stellen, die man allerdings kennen muß, durchwaten.

Als David und seine Schar in Moab anlangten, nahm sie der König freundlich auf und wies ihnen einen festen Platz auf einer Höhe, Mizpeh-Moab, an. Von hier aus knüpfte er Verbindungen mit dem König Nachasch von Ammon79 an, der, von Saul besiegt, gewiß dessen vermeintlichen Feind gern begünstigte. David scheint die Absicht gehabt zu haben, sich dauernd im Lande Moab aufzuhalten, aber der Prophet Gad forderte ihn auf, nicht in einem heidnischen Lande zu [188] bleiben, sondern nach dem Lande Juda zurückzukehren80; denn der Aufenthalt in einem götzendienerischen Lande galt dem Anschluß an den Götzendienst gleich. Hierauf kehrte er nach dem westlichen Teile von Juda zurück und hielt sich mit seinen Mannen in einem Walde unweit Keïla auf81, südlich von der Höhle Adullam, seinem früheren Schlupfwinkel. Wollte David Fehden mit Saul vermeiden, so mußte er sich verborgen halten. Dennoch konnte er jeden Augenblick verraten werden, denn er mußte für sich und seine Mannschaft Lebensmittel herbeischaffen und sie gewissermaßen bei freundlichen Nachbarn erbetteln lassen. Seine Stammesgenossen, die Jehudäer, welche ihn noch mehr als das übrige Volk liebten und verehrten, gewährten ihm zwar gerne von ihrem Überfluß, um seine Mannschaft zu befriedigen. Aber war er sicher, daß sich nicht ein Schelm fände, der seinen Aufenthalt an Saul verraten würde? Er lebte daher in steter Sorge82. Saul befand sich indessen in noch größerer Gemütsaufregung. In seinem Wahne glaubte er, daß David auf nichts anderes als auf seinen Sturz sänne, und es steigerte noch seinen Seelenschmerz, daß sein eigener Sohn es mit seinem Feinde hielt und, wie er wähnte, sich mit ihm gegen den Vater verschworen hätte. Seine Sorge war daher einzig darauf gerichtet, Davids Aufenthalt zu erfahren und ihn mit seiner ganzen Macht zu zermalmen. Er vernachlässigte darüber die Fürsorge für sein Volk und sein Land und [189] ließ sogar die Philister wieder übermütig werden, einzig und allein damit beschäftigt, auf David zu fahnden. Seine Tochter Michal hatte er einem anderen Manne zum Weibe gegeben, um das Verwandtschaftsband mit David zu zerreißen83. Aber ihn selbst konnte er nicht erreichen, so oft er auch Kundschafter aussandte, um seine Spuren zu verfolgen. Seine treuen Diener schalt er heftig in einer öffentlichen Versammlung aus, daß sich keiner von ihnen um sein Seelenleid bekümmerte, wie sein eigener Sohn sich mit David verschworen habe, keiner sich Mühe gäbe, den Aufenthalt seines Feindes zu erforschen. Geängstigt von der feindselig drohenden Anrede des Königs, oder den Eingebungen seines bösen Herzens folgend, verriet Doëg, der Oberste von Sauls Leibwache, was er von David wußte. Er war in der Priesterstadt Nob zugegen gewesen, als David auf seiner Flucht dort eingetroffen war und mit dem Hohenpriester Achimelech eine Unterredung hatte. Doëg teilte mit84, daß der Hohepriester David Wegezehrung und das Schwert des Goliath übergeben und ihm einen Gottesspruch verkündet hatte. Bei dieser Nachricht geriet Saul in wahnsinnige Wut. Er hatte die Priesterfamilie Elis aus dem Staube erhoben und ihnen eine Kultusstätte geschaffen, und nun sollten auch sie es mit seinem Feinde halten? Er ließ Achimelech und sämtliche Priester aus Nob nach Gibea kommen, fünfundachtzig an der Zahl85, stellte mit dem Hohenpriester ein strenges Verhör an, und ohne auf die Rechtfertigung Achimelechs, daß er doch füglich dem Schwiegersohne des Königs und seinem obersten Beamten nichts hätte versagen dürfen, zu hören, befahl Saul, sämtliche Priester von Nob umzubringen. Aber die Trabanten scheuten sich, Hand an die Ahroniden zu legen, und so mußte Doëg, der nicht von israelitischer Abstammung war, das Henkergeschäft an Achimelech und allen seinen Verwandten vollstrecken. Auch sämtliche Bewohner von Nob ließ Saul hinrichten und, um ein warnendes Beispiel zu geben, sogar die unschuldigen Kinder umbringen und das Vieh vernichten.

Die Torheit, die Saul mit diesem Morde begangen hat, war nicht geringer, als das Verbrechen. Nachdem das Prophetentum sich von ihm abgewendet hatte, verdarb er es auch noch mit dem Priestertum. Es war eine Verkehrtheit, als hätte er es darauf angelegt, von allen Seiten gegen sich Haß zu häufen und um Liebe für seinen Feind zu werben. Ein Sohn Achimelechs, der dem Tode entgangen war, irrte [190] lange umher, bis er David fand; ihm brachte er die Kunde von der blutigen Tat Sauls. David fiel es schwer auf das Herz; er betrachtete sich als Urheber der Untat, da er sich von Achimelech Vorschub leisten ließ. Er hielt es daher für seine Pflicht, den Flüchtling Ebjathar seiner Zugetanheit für das ganze Leben zu versichern und ihm zu versprechen, daß er ihn wie seinen Augapfel bewahren wolle. Für den Augenblick konnte ihm aber der Priester mehr Dienste leisten, als von ihm empfangen. Er hatte das Ephod aus Nob gerettet, vermöge dessen die Zukunft verkündet zu werden pflegte. Er konnte damit David in seiner Ratlosigkeit Weisungen geben. Allerdings blieb auch Saul nicht ohne priesterlichen Beistand, er konnte ihn nicht entbehren. Er fand einen Ahroniden aus einer anderen Familie, der für ihn das Ephod trug und ihm auf Befragen Gottessprüche verkündete. Wie es scheint, war es ein anderer Achitub (II.), dessen Sohn Zadok Stammhalter der Hohenpriester geworden ist. Saul scheint nach der Zerstörung Nobs in Gibeon, wo seine Verwandten ihren Wohnsitz hatten (o. S. 172), eine Kultusstädte errichtet zu haben86, und hier fungierte der neue Hohepriester mit seiner Familie; sie konnten hier besser daraufhin überwacht werden, daß sie nicht ein verräterisches Einverständnis mit David unterhielten.

Die Philister, welche Sauls Heldengeist umnebelt und seinen Heldenarm gelähmt sahen, machten inzwischen wieder einmal einen räuberischen Einfall in das Gebiet des Stammes Juda, in Keïla. David gedachte der Stadt zu Hilfe zu eilen. Allein er war darauf angewiesen, doppelte Vorsicht zu gebrauchen. Er befragte daher den bei ihm zum Hohenpriester aufgestiegenen Ebjathar, ob sein Plan, die Philister anzugreifen und den bedrängten Bewohnern der Stadt zu Hilfe zu kommen, durch den Gottesspruch gutgeheißen werde, und als dieser es bejahte, rief David seine Mannschaft zum Kriege auf. Er griff daraufhin die philistäische Streifschar an, schlug sie aufs Haupt und wurde mit Freuden von den Bewohnern von Keïla aufgenommen. Nun glaubte David eine sichere Zufluchtsstätte gefunden zu haben; denn Keïla war befestigt87. Aber lange konnte er sich der Sicherheit nicht [191] erfreuen; denn sobald Saul durch seine Kundschafter erfahren hatte, daß David sich in eine feste Stadt geworfen hatte, dachte er leichtes Spiel zu haben und die Stadt durch Belagerung zu zwingen, ihn auszuliefern, und bot zu diesem Zwecke seine Truppen zu einem Zuge auf88. Von diesem Feldzuge Sauls erhielt aber wiederum David heimliche Kunde; denn auch er hatte seine Kundschafter, und da er durch Ebjathar erfuhr, daß die Einwohner von Keïla nicht Anstand nehmen würden, in der Bedrängnis einer Belagerung ihn auszuliefern, so verließ er mit seiner Mannschaft die Stadt. Aber er hielt es nicht mehr für sicher, in Westjuda, an der Grenze des Philisterlandes, umherzuirren, sondern suchte die entgegengesetzte Gegend, Ostjuda, auf, die sogenannte Wüste oder Trift Juda, in der Nähe der Öde des toten Meeres89.

Auch hier mußte er in Schlupfwinkeln hausen, da Saul mit seiner Schar noch immer Jagd auf ihn machte. Endlich ließ sich David auf einer Anhöhe bei Siph nieder, etwa eine Stunde südöstlich von Hebron entfernt. In dieser Stadt war der Sitz der vornehmen Familien des Stammes Juda, und David scheint von Siph aus mit ihnen Verbindung angeknüpft zu haben. Während Saul seine Spuren vergeblich verfolgte, weil die Judäer ihren stammesgenössischen Liebling nicht verraten mochten, fand Jonathan seinen Weg zu ihm und brachte ihm die Beruhigung, daß sein Vater selbst sich mit dem Gedanken vertraut zu machen begänne, daß er an dem Sohn Isaïs seinen Nachfolger haben werde. Schon glaubte David, sich dem Gefühl der Sicherheit überlassen zu dürfen, als sein Aufenthalt verraten wurde. Die Einwohner von Siph gaben ihn Saul an90, entweder um erlittene Zurücksetzung zu rächen, oder um Gewinn zu erzielen. Saul war glücklich, endlich die Spur seines bisher vergeblich gesuchten Feindes erfahren zu haben, ließ die Siphäer vorausziehen, Davids Schlupfwinkel im Auge zu behalten und folgte mit seiner Mannschaft nach. David war aber von der Bewegung seines Verfolgers besser unterrichtet. Ehe dieser noch in Siph eintraf, zog er südlich in die Trift von Maon (ein und eine halbe Stunde weiter) und verschanzte sich auf einem Hügel, Fels der Teilung genannt91. Da ihm aber Saul nachzog, so verließ er die Höhe, um noch [192] weiter südlich zu entfliehen. Saul ließ jedoch den Hügel von zwei Seiten umringen und war nahe daran, seiner habhaft zu werden, als ihn, zum Glück für David, die Nach richt ereilte, daß die Philister seine Entfernung von seiner Residenz benutzt hätten, um abermals einen Plünderungszug in das Land zu machen. So mußte Saul für den Augenblick die Verfolgung aufgeben, um den Philistern entgegenzuziehen. Sobald er sie zurückgeschlagen hatte, eilte er wieder in dieselbe Gegend, um David aufzusuchen; dieser hatte sich aber tiefer in die Wüste, bis an den Rand des toten Meeres bei En-Gedi zurückgezogen. Es ist eine schauerliche Gegend von hohen, öden Felsen und Klippen, die aus der Ebene jäh aufsteigen. Unten an ihrem Fuße, mehrere hundert Fuß tief, liegt am toten Meere die fruchtbare Oase, En-Gedi (o. S. 67). Aber so anmutig die Oase ist, ebenso öde ist die sie umschließende Gebirgsgegend. Nur Bergziegen und Gazellen verleihen ihr durch ihre Sprünge von Felszacke zu Felszacke einiges Leben. In den Höhlen dieser Felsen der Bergziegen (Zure ha-Jeelim)92 mußten David und seine Mannschaft Zuflucht suchen. Saul verfolgte ihn auch auf diesen rauhen Pfaden. Dabei geriet er eines Tages allein in eine Grotte, die so geräumig war, daß er David und seine Leute, welche im Hintergrunde lagen, nicht bemerkte. Ohne auf die Stimme seiner Umgebung zu hören und ohne den günstigen Augenblick zu benutzen, um seinem Feinde den Garaus zu machen, begnügte sich David, ihm einen Zipfel seines Gewandes abzuschneiden und überzeugte ihn da durch, daß er unschuldig von ihm verfolgt wurde. Sei es, daß Saul, von diesem Beweise der Unschuld Davids gerührt, ihm Frieden verheißen, oder daß er es aufgeben mußte, ihn auf diesem rauhen Gebirge in der Wüste En-Gedi zu erreichen, genug, er zog ab, und David konnte wieder in die bewohnte Gegend von Maon zurückkehren und sich wieder Siph nähern.

Da verrieten ihn die Siphäer zum zweiten Male, sie glaubten dieses Mal glücklicher zu sein und den Lohn für ihre Niedertracht zu empfangen. Saul zog wieder seine Schar zur Verfolgung zusammen. Ermüdet von dem beschleunigten Zuge, ruhte diese im Schatten am Fuße des Hügels aus, ehe sie die Jagd antrat. David bemerkte von Ferne das Lager, in dem Saul und seine ihn im Kreise umgebenden Leute fest schliefen. Leise schlich er sich mit Abisaï heran, ging in den Kreis und nahm, ohne auf seines Begleiters Rat zu hören und mit einem Schlage Saul zu töten, nur dessen Speer und Wassergefäß, verließ den Platz unbemerkt, wie er gekommen war, und eilte auf die Bergspitze Chachila. [193] Laut rief er hier den Namen Abners, so daß dieser und alle Schlummernden davon erwachten. Diesem Feldherrn Sauls machte er Vorwürfe, daß er seinen Herrn so schlecht bewachte, daß er um ein Kleines nimmermehr hätte erwachen können. Saul soll hierauf abermals sein Unrecht eingestanden und versichert haben, David niemals mehr zu verfolgen.

Nichtsdestoweniger hielt es David nicht für geraten, seine unstäte Lebensweise in der Wüste von Siph und Maon fortzusetzen und sich noch ferner dem Zufall auszusetzen, der Verfolgung zu entgehen. Auf Sauls Versprechen konnte er nicht bauen. Ohnehin war seine Lage unangenehm. Er war darauf angewiesen, von den Bewohnern der Gegend, in der er umherstreifte, Lebensmittel für sich und die Seinigen zu erbitten oder auch mit Drohungen zu fordern. Meistens gewährten die Bauern und Hirten dieser Gegend dem Bandenführer David freiwillig Lebensmittel, wenn einige seiner Leute sie einforderten. Aber es kam doch vor, daß Hartherzige ihm die Lebensmittel, die er nicht entbehren konnte, versagten, wie es Nabal aus Karmel tat, dann mußte er sich auf Brandschatzung verlegen. Für den zukünftigen König von Israel war es aber eine schlechte Empfehlung, Erpressungen durch das Schwert geübt zu haben. Auch hatte er bereits zwei Frauen, die kluge Abigaïl, Nabals Witwe, die sich so hochherzig gegen ihn benahm und ihn so sehr bewunderte, daß sie nach dem Tode ihres Mannes ihm gern in sein Zelt folgte, und eine andere, Achinoam aus dem judäischen Jesreël93, wahrscheinlich die Tochter eines angesehenen Mannes im Gebiete seiner Streifereien. Er und seine Leute sehnten sich schon, des jahrelangen Abenteuerns müde, nach einer seßhaften Lebensweise. Um diese Änderung herbeizuführen, tat David einen Schritt, der ihm wohl große Überwindung gekostet hat, da er auf sein bisher fleckenloses Leben einen Schatten warf. Er knüpfte abermals Unterhandlungen mit dem Philisterkönig Achisch an, damit dieser ihm Schutz in seinem Lande gewähre. Achisch, der die Unterjochung des israelitischen Volkes stets im Auge behielt und jede Gelegenheit dazu benutzte, ging darauf ein, stellte aber Bedingungen, gegen die Davids Vaterlandsliebe sich hätte sträuben müssen, wenn seine Lage nicht unerträglich gewesen wäre. Diese Bedingungen waren, daß David mit Saul und seinem Vaterlande brechen und im Kriegsfall mit seiner Mannschaft zur philistäischen Schar stoßen und gegen seine Stammesgenossen kämpfen sollte, und daß er auch in Friedenszeiten gegen entlegene Teile des Stammes Juda Streifzüge unternehmen und von der gemachten Beute einen Teil seinem [194] Lehnsherrn abgeben sollte94. David scheint allerdings im Sinne gehabt zu haben, diesen Bedingungen auszuweichen, oder im gegebenen Falle sich mit seinen Stammesgenossen gegen seine Verbündeten zu vereinigen. Aber dann mußte er krumme Wege einschlagen und seine bisher bewahrte Gradsinnigkeit verleugnen.

Bei ihrem Einzuge in die philistäische Hauptstadt Gath haben wohl die wilden Gestalten von Davids Mannschaft, die inzwischen auf sechshundert gewachsen war, keinen sehr angenehmen Eindruck auf die Bewohner gemacht. Die philistäischen Großen und Angesehenen waren daher dieses Mal noch unzufriedener mit dem Bündnisse ihres Königs mit einem Führer, der Kriegsruhm gegen die Philister erlangt hatte und von einer Schar umgeben war, deren Tollkühnheit das Land selbst in Gefahr bringen konnte. Der König Achisch versprach sich aber so viel von diesem Bündnisse, daß er auf die Warnung seiner Großen nichts gab. Allein David selbst fühlte sich unbehaglich inmitten der philistäischen Bevölkerung und in dem Gedanken, daß deren Augen stets auf ihn und auf seine Mannschaft gerichtet seien. Wie leicht konnte es zwischen den Philistern und den israelitischen Tapferen zu unangenehmen Reibungen kommen! David erbat sich daher von Achisch die Gunst, ihm und den Seinigen eine der Feldstädte zum Wohnsitz einzuräumen95. Dieser Ausweg gefiel dem philistäischen König; dadurch konnte er David in seiner Nähe festhalten und zugleich ein feindliches Zusammentreffen seines Volkes mit den Fremden vermeiden. Er räumte diesen daher die Stadt Siklag (Ziklag) ein96. Sobald die Kunde verbreitet war, daß David eine eigene Stadt zur Sicherheit eingeräumt war, schlossen sich noch mehr kriegslustige Männer, Fremde wie Israeliten, seiner Schar an, von [195] denen sich einige später ausgezeichnet haben. So Sibkhaï aus Chuscha, der später einen der Riesen von Gath in einem Zweikampf erlegte; ferner Eliam, Sohn Achitophels aus Gilo, dessen Tochter Bathseba Davids Schicksalswendung herbeigeführt hat; Zelek der Ammoniter, Nachraï, ebenfalls ein Ausländer, der später Joabs Waffenträger wurde, zwei Keniter, Ira und Gareb, endlich ein Chittiter Urijah, der Gatte Bathsebas. Im ganzen war David von siebenunddreißig97 kühnen Helden (Gibborim) umgeben, von denen drei von ihren Genossen selbst als die Tapfersten der Tapfern bewundert wurden, Jeschobeam, Schamma und Eleasar (o. S. 187). Mit diesen Kühnen und der Schar der Sechshundert unternahm David von Ziklag aus Streifzüge, die, von der sittlichen Seite betrachtet, weniger rühmlich waren, als von der kriegerischen.

Südlich vom Philisterlande, am Saume der Wüste, die nach Ägypten führt, wohnte seit undenklichen Zeiten eine Völkerschaft, die Geschuriter, deren Ursprung – ob kanaanitisch, idumäisch oder philistäisch – unbekannt ist; jedenfalls stand sie in einem Bundesverhältnis zu den Philistern. Gegen diese machte David an der Spitze seiner Kühnen und seiner Mannschaft Streifzüge, plünderte ihre Herden von Kleinvieh, Rindern, Eseln und Kamelen und ihren sonstigen beweglichen Besitz. Von hier aus dehnte er seine Raubzüge weiter östlich gegen die Kenisiter98 und die Überbleibsel der Amalekiter aus. Von der Beute lieferte David den bedungenen Tribut an seinen Lehnsherrn, den König Achisch, mit dem Vorgeben, daß sie den Stammesgenossen im südlichen und östlichen Judäa abgenommen worden sei. Sämtliche Gefangenen aber, selbst die Weiber, ließ er mit der Schärfe des Schwertes töten, damit ihr Mund nicht verriete, daß er, anstatt der eigenen Stammesgenossen, die Bundesgenossen der Philister bekriegt habe. So verfuhr David, so lange er in Ziklag weilte, ein Jahr und vier Monate99. Achisch glaubte, an David einen treuen Verbündeten zu haben, der seine [196] Kriegstüchtigkeit und den Mut seiner Mannschaft dazu gebrauchte, seine eigenen Stammesgenossen zu schädigen, und der nach solchem Verfahren sich nimmermehr mit seinem Volke werde aussöhnen können.

In diesem Wahne, den ihm David durch seine Hinterlist beigebracht hatte, glaubte Achisch einen entscheidenden Krieg gegen Israel unternehmen zu können. Saul war in Trübsinn verfallen und hatte nach seinem Zerwürfnis mit seinem Schwiegersohn seine Kriegstüchtigkeit nicht mehr bewährt. Der beste Arm, der früher für ihn gestritten, und der erfinderischste Kopf, der für ihn überlegt hatte, waren gegen ihn gekehrt. Die heldenmütigsten Jünglinge und Männer Israels hatten sich David zur Verfügung gestellt. Achisch bot daher seine ganze Mannschaft auf, um einen entscheidenden Schlag gegen Israel zu führen. Nicht auf dem oft betretenen Wege sollten die Philister den Einfall in das israelitische Land machen, sondern von Norden aus, wo Sauls Ansehen noch nicht so befestigt war, wie im Stamme Benjamin und in den Grenzgebieten. Achisch führte sein Heer bis zur Ebene Jesreël, durch die Ebene längs der Küste des Mittelmeeres, die seit ihrem Siege über die Phönizier (o. S. 147) den Philistern gehörte. Hier war es auch leichter Kriegswagen und Reiterei anzuwenden100, als im Gebirge. An diesen sollten die Schleudersteine und Pfeile, in deren Handhabung die Benjaminiten so geschickt waren, abprallen. Infolge ihrer Verabredung forderte Achisch David auf, sich diesem Kriege in großem Maßstabe gegen Saul anzuschließen und mit seinen Mannen zum philistäischen Heere zu stoßen. Mit schwerem Herzen mag David den Zug angetreten haben, wenngleich ihm keine andere Wahl blieb, da er sich den Feinden seines Volkes verkauft hatte. Aber die philistäischen Großen rissen ihn aus seiner zweideutigen Lage. Laut und stürmisch verlangten sie von ihrem Könige, David und seine Mannschaft heimzusenden, weil sie der Treue des Mannes nicht trauen konnten, welchem Jubelrufe wegen der Siege über die Philister entgegen geklungen waren. Sie sprachen zu Achisch: »Womit könnte sich dieser leichter mit seinem Herrn aussöhnen, als mit unseren Köpfen?« Der philistäische König mußte auf das fast aufrührerische Verlangen seiner Fürsten David entlassen und ihn unter Versicherung seines unerschütterlichen Vertrauens auf seine Treue nach Ziklag zurücksenden. Es war ein Glück für David; er wurde dadurch der Zwitterstellung enthoben, entweder ein Verräter an seinem Volke oder ein Wortbrüchiger an Achisch zu werden.

[197] Die Philister zogen indessen zu Hunderten und Tausenden weiter und lagerten zuerst an dem südlichen Fuße des niedrigen Gebirgrückens, wo einst die Midianiter gegen Gideon ihr Schlachtfeld gewählt hatten (o. S. 111), unweit der Stadt Sunem. Saul, der Kunde von der Rüstung der Philister und von ihrem Zuge hatte, rief den israelitischen Heerbann zusammen, zog in Eilmärschen ihnen entgegen und lagerte zuerst am Fuße des Gebirges Gilboa. Dann umging er den gegenüberliegenden Bergrücken, an dessen Fuße die Philister lagerten, zog mit seiner Schar nordwärts und lagerte am Nordwestfuß dieses Gebirges bei Endor101, wo die Kriegswagen und die Reiterei der Philister sich nicht so leicht hätten entfalten können. Dadurch waren auch diese genötigt, ihren Lagerplatz zu ändern und sich in die Ebene zurückzuziehen, um das israelitische Kriegsheer von den Bergen herabzulocken.

Saul wurde beim Anblick der großen Menge des philistäischen Heeres und besonders der Reiterei zaghaft; die trüben Tage, die er sich selbst bereitet hatte, benahmen ihm den Mut. Er fühlte sich auch von Gott verlassen, da er auf sein Befragen über den Ausgang des Krieges keinen Gottesspruch, weder durch einen Priester, noch durch einen Propheten erlangen konnte. In seiner Ratlosigkeit verlegte er sich auf bedeutungsvolle Träume, indem er, wie damals die Art war, sich an einem geweihten Orte, unter gewissen Gebräuchen und Fasten schlafen legte und die in diesem aufgeregten Zustande geschauten Traumbilder für göttliche Verkündigung ansah. Aber auch der Traumgeist blieb stumm für ihn. In der Verzweiflung suchte er eine Bauchrednerin in Endor auf, die sich der Verfolgung entzogen hatte und ihr Zauberwesen heimlich trieb. Es war ein sonderbares Verhängnis, daß Saul zu der Gaukelei, die er aus dem Lande verbannt wissen wollte, selber Zuflucht nehmen mußte. Um nicht erkannt zu werden, begab er sich des Nachts in einer Vermummung zur Zauberin von Endor und bat sie, für ihn Samuel, der bereits einige Zeit vorher verschieden war, aus dem Grabe zu erwecken. Man erzählte sich später eine Schauergeschichte, welche zwischen Saul und der Zauberin vorgefallen sein soll. Sie machte ihre Beschwörungen, um mit ihrer eitlen Kunst von irgend jemandem unter Samuels Gestalt tief aus der Erde schauerliche Töne, wie aus dem Grabe, vernehmen zu lassen. Aber anstatt eines Trugbildes erschien Samuel wirklich, in seiner greisen Gestalt, in einen langen Obermantel gehüllt, worüber das Weib von Endor selbst in Schrecken geriet102. In schauerlicher[198] Weise vernahm Saul aus dem Munde des dem Grabe entstiegenen Propheten mit tiefer Erschütterung die Drohworte, daß Gott ihn verlassen habe und mit seinem Gegner David sei103, und daß der König samt seinen Söhnen am folgenden Tage bei ihm im Grabe sein werde. Vor Schrecken fiel Saul seiner ganzen Länge nach zur Erde, und noch beim Erwachen hatte er keine Kraft, den Weg zum Lager einzuschlagen, weil er wegen der Weihen, um Träume zu haben, nichts genossen hatte. Sein Diener und die Zauberin mußten ihn drängen, etwas zur Stärkung zu sich zu nehmen.

Mit trüben Ahnungen im Herzen begann Saul die Schlacht, und sie fiel, als hätte er mit seiner Verzagtheit seine Schar angesteckt, unglücklich aus. Tapfer kämpften die Israeliten; die Schlacht dauerte den ganzen Tag104; aber in der Ebene konnten sie sich gegen die Reiterei und Kriegswagen nicht halten und suchten daher das Gebirge Gilboa auf, und hier wurden sie von den Philistern verfolgt und aufgerieben. Auch drei Söhne Sauls, der liebenswürdige Jonathan samt Abinadab und Malchischua fielen. Saul selbst fand sich mit einem Male allein, nur sein Schildträger war bei ihm, als die philistäischen Bogenschützen auf ihn eindrangen. Fliehen mochte der König nicht und ebensowenig zum Spott der Philister deren Gefangener werden. So bat er seinen Begleiter, ihm den Todesstoß zu versetzen. Da dieser sich aber scheute, an den König Hand anzulegen, so blieb Saul nichts übrig, als sich in sein eigenes Schwert zu stürzen. So starb er eines Königs würdig. Sein Waffenträger gab sich ebenfalls den Tod. Die Niederlage war fürchterlich. Die Blüte der israelitischen Kriegsmannschaft lag geknickt auf dem Berge Gilboa und in der Ebene Jesreël. Nachdem die Philister die Nacht nach dem heißen Tage ausgeruht hatten, besichtigten sie das Schlachtfeld und beraubten die Gefallenen ihrer Kleider und ihres Schmuckes. Hier fanden sie die Leiche Sauls und seiner drei Söhne. Das Haupt des Königs und seine Waffen sandten sie als Trophäen nach dem Philisterlande und bewahrten den Schädel in einem Dagontempel und die Waffen in einem Astartetempel zum Andenken an ihren großen Sieg über Israel auf. Dann drangen sie in die Städte in der Ebene Jesreël und in der östlichen oberen Jordanaue und besetzten sie; die Einwohner waren bei der Nachricht von der Niederlage am Gilboa jenseits [199] des Jordans entflohen. Zu den von den Philistern eingenommenen Städten gehörte auch Betschean, ein ansehnlicher Ort in einer fruchtbaren Gegend, durch welchen die Karawanenzüge von Ost nach West zu gehen pflegten, und dessen Einwohner ebenfalls die Flucht ergriffen hatten, ob wohl der Ort befestigt war. Zur Schmach der Israeliten hängten die Philister die hauptlose Leiche Sauls und die seines Sohnes Jonathan an den Mauern von Betschean auf105. Es scheint, daß die Philister, ihren Sieg weiter verfolgend, von dem Berge Gilboa und von Betschean südlich zogen und alle wichtigen Städte besetzten106. In Sauls Hauptstadt Gibeat-Saul verbreitete die Annäherung der Philister einen solchen Schrecken, daß die Wärterin von Jonathans fünfjährigem Sohne Mephiboschet (Meriboschet oder Meribaal) die Flucht ergriff und in der Eile den Knaben auf dem Gebirge fallen ließ. Durch den Sturz brach der Knabe ein Bein und mußte lebenslänglich hinken.

Traurig hinterließ Saul das Land nach seinem Tode, elender noch, als es zur Zeit seiner Wahl gewesen war. Damals, zwölf Jahre vorher, stand bloß ein kleiner Teil des Landes unter philistäischer Botmäßigkeit, die Stämme Benjamin und Dan, etwa noch ein Teil der Ephraimiten und Jehudäer. Infolge von Sauls Eifersucht auf seine Königswürde und infolge seiner Torheiten geriet jetzt dagegen die ganze Mitte des Landes, vom Norden der Ebene Jesreël bis zum Süden des Gebirges Ephraim, in schmähliche Abhängigkeit. Die Niederlage war so gewaltig und so unerwartet, daß im ersten Augenblick von keiner Seite an Widerstand gedacht wurde. Aller Mut war geschwunden. Es galt schon als eine Kühnheit, daß einige Männer aus Jabesch-Gilead jenseits des Jordans, aus Dankbarkeit für Saul, welcher ihrer Stadt Rettung gebracht hatte (o. S. 164), es wagten, die Schändung von Sauls Leiche abzuwenden. Sie drangen in der Nacht über den Jordan nach Betschean, schnitten die Leichen Sauls und Jonathans von der Mauer ab, brachten sie nach ihrer Stadt, begruben sie unter einer Terebinthe und stellten eine siebentägige Trauer um sie an. Die diesseitigen Stämme hatten nicht denselben Mut oder empfanden nicht diese Dankbarkeit für Saul, der durch sein Zerwürfnis mit David das Land unglücklich gemacht hatte. Das war das Ende des Königs, auf dessen Wahl das Volk so viel Hoffnung gesetzt hatte.


Fußnoten

1 I. Samuel 9, 21.


2 Das. 9, 1.


3 Über Alter und Regierungsdauer Sauls, s. Note 19 die Chronologie.


4 Die Orte, welche Saul beim Aufsuchen der Eselinnen passierte, sind schwer zu fixieren, da feste Anhaltspunkte fehlen. Soviel ist indessen gewiß, daß der Passus םירפא רהב רבעיו (V. 4) keine Spezialisierung einer Örtlichkeit, sondern eine Einleitung zum folgenden bildet: Er bewegte sich nur auf dem Terrain des Gebirges Ephraim; dadurch ist das Gebirge Juda, von Jerusalem südlich, wohin einige Rama verlegen wollen, ausgeschlossen. Sauls Wanderungen gingen wohl in die Kreuz und Quere. Daher sind die Punkte, die er berührt hat, unbestimmbar. Darum ist es auch schwierig zu fixieren, welche Richtung er eingeschlagen hat, um vom Orte der Zusammenkunft mit Samuel nach Gibea zu gelangen. Allenfalls gibt das »Grab Rahels« einen Anhaltspunkt, das unstreitig in der Gegend des benjaminitischen Rama gelegen hat. – חצלצ I. Samuel 10, 2 ist kein Ort, sondern ein verschriebenes Verbum (LXX ἁλλόμενοι d.h. םיחלצ). – Merkwürdig ist es, daß die syr. Version, die hier auch nicht Zelzach liest, zu II. S. 24, 14 statt עלצ, wo Kischs Familiengrabmal angegeben, חצלצ hat. Dagegen ist schwer anzugeben, wo םיתשלפ (ביצנ) יביצנ םש רשא םיהלא תעבג 10, 5 zu suchen ist, wenn man nicht dafür ןימינב תעבג lesen will. S. Frankel-Graetz, Monatsschr. Jahrg. 1872, S. 67, 433 f.


5 Bei der Erzählung von der Wahlhandlung ist zwar nicht angegeben, daß Saul gesalbt wurde, sondern schon bei der ersten Begegnung I. Sam. 10, 1. Da aber Saul öfter als Gottgesalbter bezeichnet wird, so muß die Salbung wohl öffentlich vorgenommen worden sein. Vgl. weiter unten.


6 I. Samuel 14, 11.


7 Der wirre Knäuel in der Relation von Sauls ersten Kriegstaten, den die Ausleger und Historiker nicht zu entwirren vermochten, kann nur durch die Annahme gelöst werden, daß der Krieg gegen die Philister (Kap. 13-15) chronologisch dem Kriege gegen die Ammoniter voranging (Kap. 11-12). Wie ist es auch anders denkbar! In der Relation über den Philisterkrieg ist angegeben, daß die Israeliten keine Waffen hatten und nur 600 sich um Saul scharten, und in der andern Relation wird ein förmlicher Kriegszug gegen die Ammoniter geschildert mit Waffen und 330,000 Kriegern. Mag die Zahl auch um vieles übertrieben sein, immerhin aber muß die Zahl größer gewesen sein, als im Kriege gegen die Philister. Diese Unvereinbarkeit hat die Ausleger zu dem verbrauchten Auskunftsmittel greifen lassen, daß zwei verschiedene Relationen über die Anfänge der Geschichte Sauls zusammengesetzt worden wären. Es ist aber damit nichts gewonnen und die Schwierigkeit bleibt dieselbe. Außerdem ist angegeben, daß Samuel sogleich bei seiner ersten Unterredung Saul aufgefordert hat, sich nach Gilgal zu begeben und dort auf seine Ankunft zu warten (10, 8). Dann wird erzählt, daß Saul im Beginne des Philisterkrieges sich dahin begab, das Volk ihm nachzog, auch Samuel dort eintraf und Saul wegen seinen eigenmächtigen Handlungen tadelte. Dieses alles ist unvereinbar, wenn zwischen Sauls Wahl und den Philisterkrieg der ammonitische Feldzug fallen soll. Alle diese chronologischen und sachlichen Wirrnisse lassen sich einfacher dadurch lösen, daß der Philisterkrieg dem ammonitischen voranging und bald nach der Wahl erfolgte. Im Beginn jenes Krieges war das Volk hilflos und unbewaffnet, durch den Sieg bei Michmas wuchs ihm der Mut, und es hatte Waffen genug, später gegen Ammon zu ziehen. Der Erzähler dieses Stückes verfolgt aber den didaktischen Zweck (vgl. Note 8), in der Geschichte Sauls zuerst die göttliche Berufung und die Freude darüber und dann die Verwerfung Sauls und die Trauer darüber darzustellen. Hätte er den Philisterkrieg vorangestellt, so hätte er gleich nach der Wahl schon Sauls Verwerfung (Kap. 13-14) erzählen müssen. Darum stellte er die Relation über den ammonitischen Krieg voran, wobei sich besonders die Freude über die Wahl äußerte. Durch diese Betrachtungsweise ist alles in Ordnung. Übrigens gehört 13, 1-2 nicht zur folgenden Relation, sondern schließt sich an 12, 25 an, und dieser Schluß wird durch 14, 32 erläutert. – Kaum braucht man das scheinbare Datum des Ammoniterkrieges, als wenn er (nach LXX) einen Monat nach der Wahl erfolgt wäre (καὶ ἐγενήϑƞ ὡς μετἀ μῆνα 11, 1) zu widerlegen: es ist aus einem fehlerhaften Text entsprungen שדחמכ יהיו statt שירחמכ יהיו. Daß aber Ewald, dem der richtige Text vorliegt, noch behaupten kann, שדחמכ sei die bessere L.-A., gehört zu seinen Absonderlichkeiten, über die mit ihm nicht zu rechten ist. Jeder Hebraist weiß, daß die Form שדחמכ »nach einem Monat« ein grammatisches Monstrum ist.


8 I. Sam. 13, 3-4.


9 I. Sam. 10, 8; 13, 7-15.


10 Das. 13, 17-18. Die Gebiete, welche dort genannt werden, lagen sämtlich im benjaminitischen Anteil. Die Philister hatten es also zunächst auf diesen Stamm abgesehen. Die übrigen Stämme hatten sich also nicht offen gegen sie erklärt.

11 I. Sam. 13, 8-11.


12 Im hebräischen Texte ist im Vers 13, 15 eine Lücke hinter לגלגה ןמ (לאומש) לעיו die durch die griechische Version ergänzt werden kann. Der Ortsname ןמינב תעבג gehört zu einem andern Satze: αὐτῶν (τὸ κατάλιμμα τοῦ λαοῦ) παραγενομένων ἐκ Γαλγάλων εἰς Γαβαἀ Βενιαμείν, d.h. תעבג לא לגלגה ןמ ואב המה ןימינב.


13 Auch das. Vers 16 hat diese Version einen bezeichnenden Zusatz hinter ןימינב עבגב םיבשי nämlich καὶ ἔκλαιον, d.h. וכביו.


14 Das. 13, 22.


15 I. Sam. 14, 3. 18. 37.


16 Das. 13, 23; 14, 4-5. Das Engtal zwischen Geba und Michmas heißt in dieser Relation רבעמ oder תורבעמ, bestimmter שמכמ רבעמ, in Jesaia 10, 29 הרבעמ. Ewald hat es natürlich eben so mißverstanden, wie der griechische Vertent, wenn er aus רבעמ macht רבעמ. In Vers 14, 4-5 werden die spitzzulaufenden Felswände geschildert, welche den schmalen Engpaß begrenzen, nicht wie Robinson annimmt (II, S. 328), die zwei kegelförmigen Hügel, welche westlich im Tale liegen. Das Wort קוצמ, das dabei gebraucht ist, läßt zweifelhaft, ob es ein Nomen oder ein Verbum ist. Jedenfalls will es die engen Felswände bezeichnen, und ןש ist die zackenartige Spitze dieser Felswände.


17 Die griechische Version hat 14, 14 statt הנעמ יצחבכ הדש דמצ ἐν βολίσι καὶ κόχλαξι τοῦ πεδίου, auch die syrische hat אלוספ ךיא wie Steine.


18 In Vers 15 ist das Wort הנחמב הדרח יהתו und זגרתו 'וגו ץראה schwierig. Es scheint damit angedeutet, daß ein Erdbeben stattgefunden hat. Noch schwieriger ist 'וגו ודרח תיחשמהו בצמה. Denn die Streifzügler (תיחשמ) waren doch vom Lager entfernt.


19 In Vers 21 haben die LXX ἀνεστράϕƞσαν καὶ αὐτοί. d.h. המה םג וכפה.


20 In Vers 23 hat die griechische Version einen Zusatz: καὶ πᾶς ὁ λαὸς ἦν μετἀ Σαουλ ὡς δέκα χιλιάδες ἀνδρῶν, καὶ ἦν ὁ πόλεμος διεσπαρμένος εἰς ὅλƞν πόλιν ἐν τῷ ὄρει Ἐϕράϊμ d.h. המחלמה יהתו םירפא רהב ריע לכב תצופנ.


21 I. Sam. 14, 24-31.


22 I. Sam. 11, 5.


23 Folgt aus I. Sam. 1, 7.


24 I. Sam. 11, 15 heißt es םעה לכ וכליו, das ganze Volk, zahlreicher als früher in Mizpah.


25 Die griechische Version hat in demselben Verse einen Zusatz: καὶ ἔχρισε Σαμουὴλ ἐκεῖ τὸν Σαουλ εἰς βασιλέα. Dagegen fehlt bei ihr die notwendige Ergänzung dazu aus dem hebräischen Text: םש וכילמיו לואש תא. Man muß also eine zweimalige Salbung annehmen, die eine, gewissermaßen improvisiert, vor einem Bruchteil des Volkes in Mizpah, und die andere offiziell vor dem ganzen Volke in Gilgal.


26 Vgl. Note 7.


27 In Sam. 12, 14 fehlt der Nachsatz: םכל בטיי זא.


28 I. Sam. 13, 2 und als Ergänzung dazu 14, 52. Von diesen 3000 ist auch die Rede das. 24, 3; 26, 2.


29 Das. 14, 50.


30 Diese werden in der Erzählung לואש ידבע, die Diener, richtiger die Beamten Sauls genannt.


31 I. Sam. 22, 17-18 werden die םיצר und Doëg genannt: 21, 8 wird er לואשל רשא םיערה ריבא genannt, man muß dafür lesen: םיצרה ריבא, wodurch die Verlegenheit der Ausleger beseitigt ist, welche über den Hirtenaufseher nicht hinwegkommen konnten, oder sich von der falschen L.-A. der LXX (21, 7) leiten ließen: νέων τἀς ἡμιόνους d.h. םידרפ.


32 Vgl. Frankel-Graetz, Monatsschrift, Jahrg. 1872, S. 433 f.


33 I. Sam. 15, 33; vgl. das. 14, 48.


34 An Numeri 24, 7 in dem Bileamsspruche wird prophetisch vom König von Israel ausgesagt, םריו וכלמ גגאמ: »er wird noch höher, mächtiger als Agag sein«. Das. 20 wird Amalek: םיוג תישאר genannt.


35 Vgl. Note 10.


36 Folgt daraus, daß nach I. Samuel 30, 1 f. die Amalekiter später noch Ziklag überfallen haben.


37 Das. 15, 9; in den Worten םינשמ Speisen oder Speisevorräte = םינמשמ und in םירכ Weinberge = םימרכ zu finden, konnte nur dem taktlosen griechischen Übersetzer einfallen. Was sollten die Israeliten mit den Weinbergen und den Speisen an fangen? Konnten sie sie mitschleppen? Statt םינשמ muß man lesen םילמג [Andere schlagen םינמשה [haschmenim] statt םינשמה vor], und םירכ sind und bleiben »Fettwidder«.


38 Die griechische Version ist in 15, 12 sehr verdorben, die Namen Saul und Samuel sind hier verwechselt; denn nach diesem Texte müßte Samuel sich ein Denkmal gesetzt haben. Zwischen Vers 12 und 13 ist wohl eine Lücke die aussagte, daß auch Saul nach Gilgal gezogen sei.


39 Aus רצפה םיפרתו ןואו das. 15, 23 macht Ewald Götzen und Teufel. Offenbar ist dies ein Parallelismus zu ירמ םסק תאטח. Man muß demnach lesen םיפרת ןואו רצפה, die Sünde, die Teraphim zu befragen (die damals allgemein verbreitet war) ist nur eine Folge des Widerstandes gegen Gottes Gebot [Nach Symmachus wäre םיפרת ןועו anzunehmen].


40 Vers 15, 29 hat die griechische Version eine plausible L.-A. für לארשי חצנ םגו, das keinen Sinn gibt: καὶ διαιρεϑήσεται Ἰσραὴλ εἰς δύο d.h. הצחי (םא) םגו לארשי.[...jechatze...]


41 Sonderbar, obwohl die Parallele המיכ תונדעמ Hiob 38, 31 es vor Augen legt, daß תונדעמ »Fesseln« bedeutet (transponiert von דנע = תודנעמ), so bleiben die Ausleger noch immer dabei, daß Samuel 15, 32 ךליו תונדעמ גגא וילא fröhlichen Sinnes bedeute! Es ist aber nichts anders als gleich תודנעמב: in Fesseln.


42 Was liest Ewald nicht aus dem Halbvers 15, 32 heraus! Daß Agag, wie von einem hohen Sinne umwandelt, mit Lust und Freude ausgerufen: »Fürwahr verschwunden ist das Bittere des Todes!« Die syrische und griechische Version haben aber das Verbum רס gar nicht, sondern אתומ רירמ תיארירש, εἰ οὕτως πικρὸς ὁ ϑάνατος. Statt רס muß man noch einmal רמ lesen: תומה רמ רמ ןכא.


43 Vers 15, 33 ךקא םישנמ לכשת »mehr als Frauen,« gibt keinen Sinn; es ist aber ein antithetischer Parallelismus:

ךברח םישנ הלכש רשאכ

.ךמא םישנאמ לכשת ןכ



44 Das. Statt ףסשיו, dessen Stamm weiter nicht vorkommt, ist עסשיו zu lesen in der Bedeutung »entzweireißen«. Ewald, der fromme Exeget, hat die Stelle verkannt, wenn er es so darstellt, als sei Agag geopfert worden als hätte Samuel noch Menschenopfer dargebracht. Ein Opfer wurde aber nicht zerrissen. Samuel, der das Opferwesen so entschieden geringstellte, sollte gar Menschenopfer gebracht haben!


45 I. Sam. 14, 47; die L.-A. הבוצ יכלמב kann nicht richtig sein; denn so weit nach Norden bis Aram kann Saul nicht vorgedrungen sein; es ist überhaupt ungewiß, ob die Nordstämme sich ihm untergeordnet haben.


46 Die Stelle Sam. II. 21, 2 הדוהיו לארשי ינבל ותואנקב ist beachtenswert; sie erklärt die Tatsache, warum Saul so sehr gegen die Gibeoniten gewütet hat. Es ergibt sich daraus auch, daß er nicht bloß die Gibeoniten verfolgt hat.


47 Das. 21, 1-6.


48 Die Genealogie eines Teiles der Benjaminiten, die in der Chronik zweimal aufgeführt wird (I. 8, 29-40 und 9, 35-44, mit Varianten) scheint historisch zu sein. Als der älteste Besitzer von Gibeon ist daselbst 9, 35 angegeben Jeïel, לאיעי ןועבג יבא (der Name fehlt in der Parallelstelle). Dieser Jeïel wird als Vater Kischs, des Vaters Sauls, Ners und anderer Söhne aufgeführt. Daraus folgt, daß לאיעי identisch ist mit לאיבא, dem Vater Kischs (I. Samuel 9, 1). Jin der Chronik 8, 33; 9, 39 ist jedenfalls eine Lücke statt רנו שיק תא דילוה anzunehmen, nämlich רנבא תא דילוה רנו לואש תא דילוה שיקו. Der Besitz von Gibeon wird also erst auf Sauls Großvater zurückgeführt. Da anderweitig dagegen angegeben wird, daß Sauls Vater, also wahrscheinlich auch Großvater in Gibea gewohnt haben (die Angabe II. Samuel 21, 14 von עלצ, als Begräbnisort Kischs bedarf ohnehin noch der kritischen Erforschung), so scheinen Sauls Verwandte, d.h. Kischs Brüder und Neffen, sich in Gibeon niedergelassen zu haben, und diese Ansiedlung muß mit dem Gemetzel gegen die Gibeoniten zusammenhängen.


49 I. Sam. 28, 3. 9.


50 I. Sam. 14, 35.


51 II. Sam. 1, 10.


52 Folgt aus II. Samuel 12, 8.


53 Das. 3, 7; 21, 8.

54 II. Samuel 1, 24. Das Wort םינדע das. ist weder formell, noch etymologisch, noch endlich der poetischen Symmetrie nach zu erklären. Man muß also dafür lesen םינידס (der Wechsel von ס und ע kommt auch anderweitig vor: עפא [Jes. 41, 24] = ספא). Nun ist ןידס gleich dem griechischen σινδών, feines Gewebe aus Sind = Indien oder ein ägyptischer feiner Stoff.


55 Das. 13, 18.


56 Vgl. Josua 11, 22. Jeremia 47, 5; wo statt תירעש םיקמע, die griechische Version hat καταλοίποι Ἐνακίμ = םיקנע תיראש zu lesen.


57 S. Note 9.


58 II. Samuel 21, 15-22; I. Chronik 20, 5 f. vgl. dieselbe Note.


59 Folgt aus Micha 5, 1: ריעצ התרפא םחל תיב התאו הדוהי יפלאב תויהל; die Angabe in I. Chronik 2, 10 ff. und Ruth, Ende, daß die Isaïten unmittelbar von Nachschon, dem Stammfürsten der Jehudäer, deszendierten, ist eine Glorifikation des Hauses David.


60 Vgl. Note 19, Chronologie.


61 S. Note 8.


62 Aus dem Passus I. Samuel 17, 34 braucht man nicht eine besondere Regel zu machen: statt בודה תאו las das Targum ףאו.


63 Folgt aus I. Sam. 17, 28.


64 S. Note 8.


65 I. Sam. 19, 5.


66 I. Sam. 21, 10. Wenn es das. 17, 54 heißt: David habe Goliaths Schädel nach Jerusalem gebracht, so bezieht sich dieses auf die spätere Zeit, als David Jerusalem zur Hauptstadt gemacht hatte.


67 Über dieses und das Folgende vgl. Note 8.


68 Das Wort ןוע oder ןיע in I. Sam. 18, 9, das weiter nicht vorkommt, ist nichts anderes als ביא Vers 29.


69 Nicht müßig ist I. Sam. 18, 19 angegeben, daß Merab zur Zeit, als Saul sie David geben wollte, bereits an Adriël vergeben war. Es ist damit angedeutet, daß Saul dadurch den Haß des Ehemannes gegen David reizen wollte.


70 Nach der Überschrift hat David Ps. 59 bei dieser Gelegenheit gedichtet. Das ist aber nur aus dem Inhalt erraten.


71 םיזעה ריבכ I. Sam. 19, 16 ist gewiß nicht ein Fliegennetz, sondern gleich למגה רכ ein Kissen aus Ziegenfell. LXX lesen דבכ ἧπαρ »Leber«. Sie haben auch den Zusatz καὶ ἐκάλυψεν αὐτἀ ἱματίῳ.


72 תיונ, gelesen Najot, in der griechischen Version Nâuath, I. Sam. 19, 18-23; 20, 1 scheint der Ort der המב bei Rama gewesen zu sein, die nicht in Rama selbst war, das. 9, 25. Den Namen etymologisch zu erklären, ist unmöglich. Ewalds Vergleich und Erklärung von תיונ als »Lehrhaus,« eigentlich »Studium« ist wunderlich. Das Targum hat ebenfalls auf תיב אנפלוא geraten.


73 Aus I. Sam. 20, 8. ינאיבת הז המל ךיבא דעו, scheint hervorzugehen, daß Jonathan die Zusammenkunft für eine mögliche Aussöhnung veranlaßt hat. Der Passus scheint im Anfang von Kap. 20 zu fehlen.


74 Aus I. Samuel 22, 10. 15 geht hervor, daß David ein Orakel von Achimelech verlangt und dieser es ihm verkündet hätte. Es war eigentlich eine Übertretung; denn nur der König hatte das Recht, vom Hohenpriester eine Orakelverkündigung zu verlangen. Darum entschuldigte sich Achimelech damit, daß er glaubte, für den Schwiegersohn des Königs dasselbe tun zu dürfen, wie für den König selbst, und daß es das erste Mal gewesen sei. – ךלמיחא, Sohn Achitubs [I. Sam. c. 21 u. c. 22] ist schwerlich identisch mit היחא, Sohn Achitubs [I. Sam. 14, 3, 18].


75 Aus I. Sam. 21, 11-16 geht hervor, daß David auch zum ersten Male dem König Achisch selbst willkommen war, und daß nur seine Diener das erste wie das zweite Mal übelgesinnt gegen ihn waren. Man muß daher V. 13 lesen שיכא ידבע ינפמ דאמ אריו; damit stimmt auch Vers 14: םדיב ללהתיו oder nach der griechischen und syrischen Übersetzung םהיניעב, nämlich vor den Dienern stellte er sich wahnsinnig; der König Achisch brauchte nicht getäuscht zu werden. – Nach der Überschrift soll Ps. 34 von David bei dieser Gelegenheit gedichtet worden sein. Allein er gehört einer viel späteren Zeit an, da er alphabetisches Akrostichon hat. Auch Ps. 56, welchen die Überschrift auf diese Lage gedichtet sein läßt, gehört ihm nicht an [vgl. jedoch Keßlers Bemerkung (in Strack-Zöcklers kurzgef. Komm. VI, 1) S. 124]. Der Überschrift zufolge תגב םיתשלפ ותוא זחאב scheinen die Philister schon Hand an David gelegt zu haben.


76 Über die Lage Adullams s. Note 14 [und Buhl S. 97] – Auch Ps. 142 welchen David in der Höhe Adullam gedichtet haben soll, ist nicht davidisch.


77 Vgl. Note 9.


78 Folgt aus I. Samuel 25, 26-34, daß David sich gescheut habe ול ודי עשוהו םימדב אובמ, sich selbst Hilfe zu schaffen und Blut seiner Stammesgenossen zu vergießen, und auch aus 24, 13 ךב היהת אל ידיו.


79 Folgt aus II. Samuel, 10, 2.


80 In I. Samuel 22, 4-5 hat die syrische Version für das zweimal vorkommende הדוצמ, wie für Vers 3 הפצמ, das Wort איפצמ, als hätte Gad David geraten, nicht in Moab zu bleiben. Dann paßt recht gut Vers 5: הדוהי ץרא ךל תאבו ךל (הפצמב) הדוצמב בשת אל. David klagte auch Saul an, er habe ihn vertrieben, sich dem Erbe Gottes, dem heiligen Lande, anzuschmiegen, und ihn gezwungen, ein heidnisches Land aufzusuchen, als sollte er dort fremden Göttern dienen das. 26, 19.


81 I. Sam. 22, 5 תרח רעי ist schwer zu ermitteln. Der Vaticanus hat dafür ἐν πόλει Σαρείκ der Alexandrinus Ἀριάϑ, der Syrer תויזח. Ob nicht dafür ביזכ oder ביזכא zu lesen ist? Nach Josua 15, 43-44 lagen in der Nähe der Schephela nicht weit voneinander, הליעק, ביצנ השארמ, ביזכא,. Der תרח רעי oder תרח ריע muß unweit Keïla gelegen haben, da David den Einwohnern dieser Stadt von seinem Aufenthalte aus zu Hilfe eilte. Liest man ביזכ oder ביזכא, dann wäre es nahe bei Keïla, vgl. Genesis 38, 1-22. Die Lage von Keïla ist durch van der Velde (Mémoires, p. 328), so ziemlich ermittelt. Von den in Josua nebeneinander aufgeführten Stellen sind Nezib und Marescha bekannt, es finden sich noch heute Nesib und Maresa. Das letztere liegt 20 Minuten südlich von Beit-G'ibrin und das erstere eine Stunde östlich von diesem entfernt. 20 Minuten nördlich von Nesib sind Ruinen, welche die dortigen Bewohner Kilah oder Kila nennen. [Vgl. Buhl a.a.O. S. 192, 193].


82 Folgt aus II. Samuel 3, 13. [S. I. Sam. 25, 44].


83 I. Samuel 25, 44; II. 3, 14-16.


84 Psalm 52, welcher nach der Überschrift gegen Doëg gerichtet sein soll, ist nicht davidisch. Vers 10 setzt den Bestand des Tempels voraus.


85 I. Sam. 22, 18. Die griechische Version hat 305.


86 Aus I. Könige 3, 4 folgt, daß in Gibeon eine המב הלודג war. Dazu gehörte aber ein Hoherpriester, und da wir nicht wissen, wieso בוטיחא ןב קודצ mit einem Male unter David's Regierung auftaucht, (II. Sam. 8, 17), so kann er nur seine Stellung in Gibeon gehabt haben; vgl. I. Chronik 16, 39. Wer hat aber diesen großen, d.h. besuchten, Altar in Gibeon errichtet? Vor Saul war er nicht vorhanden. Folglich kann nur er ihn errichtet haben.


87 I. Sam. 23, 7, über die Lage s.o. S. 189. Anmerk. 2.


88 I. Samuel 23, 7, statt רכנ muß man wohl lesen רכמ [so auch Klostermann z. St.].


89 I. Sam. 23, 14. Wo von רבדמה schlechthin die Rede ist, ist הדוהי רבדמ zu verstehen, d.h. der östliche Abfall des Gebirges Juda bis zum toten Meere.


90 Nach der Überschrift soll Ps. 54 von David gegen die Siphäer gedichtet worden sein. Er ist aber nicht davidisch.


91 S. Note 10.


92 I. Sam. 24, 3.


93 Das judäische Jesreël wird bei Jutta liegend genannt, und dieses liegt westlich geneigt zwischen Siph und Karmel.


94 Folgt aus I. Sam. 27, 10 und 28, 1; 29, 2. 8.


95 Folgt aus I. Sam. 27, 5-6; 29, 3-5.


96 Die Lage von Ziklag ist noch nicht ermittelt; nur im allgemeinen läßt sich angeben, daß sie im Südwesten des Stammes Juda gelegen war, südöstlich von Gaza. Sie wird zugleich als judäische und simeonitische Stadt aufgeführt, und dadurch ist sie als eine Stadt des Negeb markiert. Näher bestimmt sie Eusebius im Onomastikon s.v. Σικελάγ, ϕυλῆς Ἰούδα ἢ Συμεών, ἐν τῷ Δαρωμά. Unter Daroma begreist Eusebius und nach ihm Hieronymus die Gegend nördlich vom ehemaligen Gerar oder von dem spätern Geraritica Γέραρα, ἀϕ᾽ἧς νῦν καλεῖται ἡ Γεραριτικὴ ὑπὲρ τὸ Δαρωμἀ κειμένƞ. Er setzt Gerar 25 röm. Meilen (5 geographische) südlich von Eleutheropolis (Beit G'ibrin). Auch die Stadt Duma (Josua 15, 52) verlegt das Onomastikon in Daroma, als ein noch zu seiner Zeit bestehendes Dorf, 17 röm. M., d.h. 32/5 Meilen südlich von Eleutheropolis: Δουμά, ϕυλῆς Ἰούδα κώμƞ μεγίστƞ νῦν ἐν τῷ Δαρωμά ἐν ὁρίοις Ἐλευϑεροπόλεως ἀπὸ σƞμείων ις. Ob diese Gegend Daroma mit dem in der Geschichte der Kreuzzüge vorkommenden Darom, südlich von Gaza, identisch ist (Robinson P. II, 657 f. Sepp II, 529), ist sehr zu bezweifeln. [S. Buhl S. 88. 196.] Auch mit dem in der talmudischen Literatur vorkommenden םורד, אמורד ist es nicht identisch, da darunter die Gegend von Lydda verstanden wird. Wichtig ist die Lage von Ziklag wegen anderer geschichtlicher Namen; s. Kap. 9.


97 S. Note 9.


98 I. Sam. 27, 8 ist zwischen ירושג und יקלמע genannt יזרג; eine andere L.-A. ist ירזג oder wie LXX. lasen Γεσιρί. Eine solche Völkerschaft ist aber anderweitig nicht bekannt. Man muß wohl dafür lesen יזנק. Die Kenisiter werden in der Nachbarschaft der Keniter genannt. Über רושג s. Note 17.


99 Das. 27, 7-11; 29, 3.


100 Folgt aus II. Sam. 1, 6. Über die Lokalitäten des Krieges, vgl. Note 11.


101 S. Note 11.


102 In I. Sam. 28, 13 muß man wohl lesen שיא הלע ...םיהלא statt םילע ...םיהלא.


103 Aus Vers 18 geht hervor, daß die L.-A. in Vers 16 ךרע יהיו nach der griechischen und syrischen Version in ךער םע יהיו umzuwandeln ist. [Vgl. dazu Klostermann z. St.]


104 Folgt daraus, daß nach I. Sam. 31, 6 und Parallelstellen die Philister erst am darauffolgenden Tage die Leichen plünderten.


105 S. Note 11.


106 Dieselbe Note.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1908], Band 1, S. 201.
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