27. Das Verhalten der Hilleliten im Kriege gegen die Römer.

[813] Es hat sich aus dem vorhergehenden (Nr. 24 und 26) ergeben, daß die Schammaïten, ihrem Prinzipe getreu, sich zelotisch verhalten haben. Von ihren theoretischen Gegnern, den Anhängern der Schule Hillels, läßt sich im Gegensatz dazu von vornherein annehmen, daß sie nicht für Gewaltmaßregeln und kriegerische Abwehr waren, wenn sie auch den Druck des Römerjoches nicht [813] minder schmerzlich empfunden haben. Es läßt sich aber auch faktisch nachweisen, daß die Hilleliten im Geiste ihres Stifters für Frieden, Ruhe und Ordnung waren. Es hat sich gezeigt, daß sie gegen den Absonderungsbeschluß waren, und daß einige Hilleliten dabei ihr Leben eingebüßt haben. Das Motiv ihrer Antipathie gegen diese Beschlüsse wird nicht angegeben. Die Szene im Tempel vor dem Nikanortore, als es sich um die Einstellung des Opfers für den Kaiser handelte, läßt sich als Differenz der beiden Schulen ansehen. Auf Eleasars Rat hatten die diensttuenden Priester den ersten Schritt zur Revolution, der καταβολὴ πολέμου, getan. Da traten die Gesetzeskundigen unter den Pharisäern, οἱ τῶν Φαρισαίων γνώριμοι, auf und wiesen auf das Gefährliche dieses Schrittes und auf das Abweichen von der Regel hin und machten geltend, daß von jeher Opfer und Gaben von Heiden für den Tempel angenommen worden seien (jüd. Krieg II, 17, 3). Wenn mich mein Sinn nicht ganz täuscht, so ist hierin der Friedensgesang der Hilleliten zu erkennen. Zu den »Ausgezeichneten« der Pharisäer, welche dagegen waren, gehörte gewiß R. Jochanan ben Sakkaï, und dieser war Hillelite. – Sehen wir, wie sich dieser, der Repräsentant der Hilleliten, in diesem Kriege benommen hat. Der haggadische Kommentar Abot di R. Natan hat ein unschätzbares Bruchstück über diesen Punkt gerettet, das durch und durch historisch gehalten ist. Als sich Vespasian Jerusalem nähert, ruft R. Jochanan den Einwohnern Jerusalems zu: »Warum wollt ihr diese Stadt zerstören und den Tempel verbrennen? Der Feind verlangt ja nur von euch einen Pfeil oder eine Lanze und ist nicht abgeneigt abzuziehen.« Sie antworteten: »Wie wir seine beiden Vorgänger besiegt haben, werden wir auch ihn besiegen.« Vespasian hatte aber (befreundete) Männer auf den Mauern Jerusalems, die ihm von jedem Vorfall Kunde gaben, ihn niederschrieben, die Schrift in einen Pfeil steckten und über die Mauer warfen. Unter anderem zeigten sie Vespasian auch an, daß R. Jochanan zu den Freunden des Kaisers gehöre und so und so die Jerusalemer angeredet habe. Die wichtige Stelle lautet im Original: ןנחוי ןבר עמשש ןויכ .... םילשורי תא בירחהל סוניספסא אבשכו םתא המ ינפמ ינב םהל רמאו םילשורי ושנאל ארקו חלש יאכז ןב תיב תא ףורשל םישקבמ םתאו תאזה ריעה תא בירחהל םישקבמ תשק אלא םכמ שקבמ וניא אה ?םכמ שקבמ והמ יכו .שדקמה םינש לע ונאציש םשכ ול ורמא .םכמ ול ךליו תחא ץח וא תחא םישנא סוניספסאל ויה .והגרהנו וילע אצנ ךכ םונגרהו וינפלש ןיעמוש ויהש רבדו רבד לכו םילשורי לש היתומוח דגנכ םיורש ןב ןנחוי ןברש רמול המוחל ץוח ןיקרוזו םיצחה לע ןיבתוכ ויה םילשורי ישנאל ריכזמ היה ךכו אוה רסיק יבהואמ יאכז243 (c. 4). In R. Jochanans Mahnung zur Unterwerfung hören wir das Echo der Reden Agrippas und Josephus'. Man hat in diesem Bruchstücke nur Titus für Vespasian zu emendieren, da ja Vespasian die Belagerung Jerusalems nicht geleitet hat. Wie authentisch diese Notiz ist, geht besonders aus der Erwähnung der beiden Vorgänger hervor. Darunter sind Metilius und Cestius zu verstehen, die beide von den Zeloten besiegt worden sind. Daß diese Notiz aus einer alten Quelle geschöpft ist, beweist ferner der Umstand, daß sie von der hebräischen Benennung der Zeloten, der gräßlichen Hungersnot und der Tapferkeit [814] der Zeloten zu erzählen weiß (c. 6): תא בירחהל רסיק סוניספסא אבשכו אבלכ םהל רמא שאב בוטה לכ ףורשל םיאנק ושקב םילשורי ויה .םישוע םילשורי ישנא ויה המ .וילע וחיגשה אלו .... עובש דועו .טיטב םתוא םיחטו םירגמב םתוא םיררוגו םילגעה םיאיבמ דחא לכו .ותוא ןילכואו ןבתה תא ןיקלוש םילשורי ישנא ושע יל ןתי ימ רמא םילשורי לש היתומוח דגנ יורש לארשימ דחאו דרי םירמת השמח ול ונתנ .םישאר השמח לוטאו םירמת שמח ןתאוצב סוניספסא ץייצה .סוניספסא ישנאמ םישאר השמח לטנו ןילכוא ןיאש ולא המו ולש תולייחל רמאו ןגד ןימ ןהב ןיאש הארו םתאש המ לכ ןילכוא ויה וליא (1. םכב) ןהב ןיגרוה ךכ ןבת אלא םכתא ןיגרוה ויהש המכו המכ תחא לע ןיתושו ןילכוא.

Der hebräische Name für die kriegerischen Zeloten (םיאנק) kommt nur an dieser Stelle vor.

Wir haben also den Abot di R. Nathan zwei interessante Bruchstücke über den Krieg gegen die Römer zu verdanken, die um so schätzbarer sind, als Josephus' Nachrichten gerade über diese Epoche anerkanntermaßen parteiisch sind. Von Verrätern in Jerusalem, die dem römischen Feldherrn von allen Vorgängen in der belagerten Hauptstadt Kunde gaben, erzählt Josephus mit keiner Silbe. – Eine ähnliche Notiz hat Midrasch Threni (zu 1, 5) aufbewahrt: אצי םימי 'ג ןיתושו ןבת ןיקלושש םתוא הארו קושב לייטל יאכז ןב ןנחוי ןבר דומעל ןילוכי וימימ ןיתושו ןבת ןיקלושש םדא ינב רמא וימימ 1.) ול קופינ אתלימד אמס לכ רמא ?סונאיספסא לש ויתוליחב אכהמ (ןל. Wie dieses Fragment ohne Zweifel einer alten historischen Haggada angehört, so auch die beiden Notizen in Abot di R. Nathan.

R. Jochanan b. Sakkaï, der Führer der Hilleliten, gehörte also entschieden zu den Friedensfreunden, gewiß also auch diese Schule oder mindestens viele Mitglieder derselben.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1906, Band 3.2, S. 813-815.
Lizenz:
Faksimiles:
813 | 814 | 815
Kategorien:

Buchempfehlung

Lessing, Gotthold Ephraim

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die tugendhafte Sara Sampson macht die Bekanntschaft des Lebemannes Mellefont, der sie entführt und sie heiraten will. Sara gerät in schwere Gewissenskonflikte und schließlich wird sie Opfer der intriganten Marwood, der Ex-Geliebten Mellefonts. Das erste deutsche bürgerliche Trauerspiel ist bereits bei seiner Uraufführung 1755 in Frankfurt an der Oder ein großer Publikumserfolg.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon