Die menschliche Seele und die Totenwelt

[115] 58. In allem menschlichen Denken ist, wenn auch für den nicht philosophisch geschulten Menschen völlig unbewußt, die Vorstellung des denkenden Subjekts unmittelbar enthalten: der Mensch kann nichts denken oder vorstellen, ohne sein Ich dabei als denkend oder vorstellend vorauszusetzen. Daher kann er sich auch nicht aus der Welt hinwegdenken; mit der Empfindung und Vorstellung irgend einer Außenwelt oder eines Objekts ist das empfindende und vorstellende Subjekt unmittelbar gegeben. Darauf beruht die Vorstellung von der Beharrlichkeit und Unvergänglichkeit des eigenen Ichs, das, was wir Unsterblichkeitsglauben nennen. Auch der primitivste Mensch kann, wenn seine Gedanken einmal auf seinen eigenen Tod geführt werden, auf das, was sein wird, wenn sein Leib leblos daliegt, gar nicht anders denken, als daß dann sein empfindendes und denkendes Ich, seine Seele, noch weiterexistiert. Freilich in einer trostlosen Existenz; denn sie hat keinen Leib und keine Kraft mehr, sie kann nicht mehr handeln, sie wird hungern, dursten und frieren, sie kann das Licht nicht mehr schauen. Aber trotzdem wird sie doch noch immer in [115] magischer Verbindung mit dem leblosen Körper stehen, den sie verlassen hat, und wird auch in Zukunft von denselben Trieben beherrscht sein wie ehemals im Leben, an derselben Stätte weilen, dieselben Beschäftigungen treiben wie bisher. Das alles führt den Menschen zu dem Streben, rechtzeitig für sein Schicksal nach dem Tode zu sorgen, Mittel zu ersinnen, um sich sein zukünftiges Dasein so günstig wie möglich zu gestalten, Kleidung und Nahrung und alle Genüsse für die Zukunft zu sichern, vielleicht auch die Leiche unversehrt zu erhalten. – Aber diese Vorstellungen über das Schicksal der eigenen Seele stehen im schärfsten Gegensatz zu den Tatsachen der Erfahrung und zu den Vorstellungen, die man sich von den Seelen anderer Menschen macht, deren Tod man erlebt. Zwar ist es klar, daß mit dem Tode die Seele aus dem Leibe herausfährt; und die Leblosigkeit und beginnende Vernichtung, der der Leib anheimfällt, wird sie sobald noch nicht ereilen. Sie kann im Traum oder in Visionen erscheinen, sie ist geworden wie einer der unzähligen Geister, welche die Welt erfüllen; sie mag von der Stätte des Grabes aus noch unheimliche, vielleicht selbst mächtige Wirkungen ausüben, sie hat auch nach dem Tode noch Interesse an ihren Genossen und Nachkommen, und mag ihnen beistehen und Segen spenden; sie mag auch zu Zauberhandlungen dienstbar gemacht werden können. Aber darum ist der kraftvolle Mensch, der im Leben wirkte, doch für alle Zukunft entschwunden; und wenn zunächst die Erinnerung an ihn noch so lebendig war, so erlischt auch diese im Lauf der Zeit rasch genug. Seine Seele erscheint nicht mehr, sie ist kraftlos und bewußtlos, höchstens daß sie durch Zauber, etwa durch Blutgenuß, noch einmal wieder vorübergehend zum Leben erweckt werden kann; so schreckhaft sie zunächst erscheinen mag, sie ist doch nur ein Gespenst, das ohnmächtig ist, sobald man ihm zu Leibe geht und es fassen will. Das Leben ist eben mit dem Tode vorbei und der Tote tot und durch kein Mittel und keinen Zauber wieder zu wirklichem Leben zu erwecken.

59. Auf diesen sich kreuzenden Vorstellungen beruhen [116] alle die Anschauungen und Bräuche, welche in den verschiedensten Formen bei allen Völkern an die Toten anknüpfen. Nirgends sind, bis in unsere Gegenwart hinein, die Vorstellungen der Menschen und die aus ihnen erwachsenden Handlungen so widerspruchsvoll und ungeordnet wie hier; und so ist es überall und zu allen Zeiten gewesen. Aber doch lassen sich auch hier bestimmte Gruppen scheiden. Es gibt Völker, deren Interesse ganz dem Diesseits zugewandt ist, die daher die Dinge realistisch anschauen und sich um die Toten wenig kümmern. So die semitischen Stämme, bei denen daher die Bestattungsgebräuche immer ganz einfach geblieben sind und die Seelen der Toten gar keine Rolle gespielt haben (wenn sie auch gelegentlich einmal als Gespensterschrecken oder durch einen Zauberer zum Leben erweckt werden mögen), bis den Juden in der Makkabaeerzeit und den Arabern zur Zeit Mohammeds die Auferstehungslehre von außen als ein fertiges Dogma zukam – und da ist es bezeichnend, daß beide Völker sich die Wiederbelebung der Toten nur als ein Wunder göttlicher Allmacht, nicht als einen natürlichen Vorgang vorstellen konnten, da ihr die Tatsachen der Erfahrung absolut widersprechen. Höchstens als bewußtlose Schattenwesen führen bei diesen Völkern die Abbilder der Verstorbenen im Dunkel der Erdtiefe noch eine Scheinexistenz – so in der israelitischen Vorstellung vom Scheol und ebenso in der homerischen Welt. Bei anderen Völkern hausen die Seelen der Toten im Grabe und können von hier aus eine helfende und segnende Wirkung auf ihre Nachkommen ausüben. Aber damit verbindet sich doch immer wieder die Vorstellung, daß sie kraftlose, elende Scheinwesen sind, die nicht jagen und ernten, sich nicht kleiden, aus eigener Kraft nichts schaffen können. So ist es die Pflicht der Nachkommen, für sie zu sorgen, ihnen Nahrung und Kleidung zu bringen, ihren Namen anzurufen (oder durch die Schrift zu verewigen) und dadurch sie als lebende Wesen zu erhalten. Aber immer wieder drängen die Aufgaben des irdischen Lebens die Sorge um die Toten zurück: nur bei einzelnen Festen versammeln sich die Angehörigen um sie und lassen sie an Feier [117] und Mahlzeit teilnehmen, und damit hat man ihnen genug getan. Man sucht wohl ihre persönliche Existenz zu wahren, ihren Namen, ihre Gestalt zu erhalten, oft indem man ihre Schädel oder Masken mit ihren Gesichtszügen im Hause anbringt; aber spätestens nach zwei oder drei Generationen entschwinden sie völlig dem Gedächtnis. Dann gehen sie in die unbestimmte Masse der Ahnen, der »Väter« ein, in der jede Existenz als Einzelpersönlichkeit aufgehoben ist. Diese Vorstellung gewinnt da größere Bedeutung, wo das Bewußtsein der Kontinuität der Generationen in den Verbänden (§ 9. 19) stark entwickelt ist, wo die gegenwärtig Lebenden nur als die momentanen Träger des ewigen Verbandes gelten; da werden dann die Feste der Familien, Geschlechter, Clans zugleich zu Festen der Toten. Da glaubt man auch an den Segen und die Hilfe, welche die Ahnen ihren Nachkommen bringen können (vgl. den griechischen Kult der Totengeister oder Heroen); und gerade bei sehr nüchtern denkenden Völkern wie den Chinesen, bei denen die Religion ganz praktisch aufgefaßt wird, kann dieser Glaube eine große Bedeutung gewinnen, weil sich in ihm die Kontinuität der Institutionen verkörpert, auf der der Staat beruht. Aber trotzdem sind auch hier die Ahnen oder Väter durch eine gewaltige und unüberbrückbare Kluft von den Göttern geschieden. Zwar leben auch die Götter innerhalb menschlichen Verbandes und durch dessen Opfer und Gebete; aber sie sind lebendige und lebenschaffende Mächte, durch die das Dasein des Verbandes erst möglich wird, während die Seelen der Toten umgekehrt nur durch die Gaben ihrer Nachkommen existieren und doch immer nur ein schattenhaftes Dasein führen.


Beispiele von Ahnenkult bei Völkern des Altertums: die Nasamonen in der Sahara μαντεύονται ἐπὶ τῶν προγόνων φοιτέοντες τὰ σήματα, καὶ κατευζάμενοι ἐπικατακοιμῶνται. τὸ δ᾽ἂν ἴδῃ ἐν τῇ ὄψι ἐνύπνιον, τούτῳ χρᾶται Herod. IV 172. Πισίδαι δειπνοῦντες ἀπάρχονται τοῖς γονεῦσι, ὡς ἡμεῖς ϑεοῖς παρασπονδείοις Nic. Dam fr. 130.


60. Diese Auffassung ändert sich auch nicht, wenn die individuelle Anschauung, welche dem einzelnen Menschen ein [118] behagliches Fortleben nach dem Tode ermöglichen will, zu voller Entfaltung gelangt, wenn der Einzelne schon bei Lebzeiten für seinen Totenkult sorgt und die Sitte durchdringt, daß die Nachkommen (weil sie sich selbst von ihren Kindern die gleichen Existenzmittel sichern wollen, die sie ihren Vätern gewähren) unverbrüchlich verpflichtet sind, die Leiche ihres Erzeugers mit allem Prunk beizusetzen (oder zu verbrennen) und ihr große Opfer – Diener, Weiber, Pferde, Hunde, Waffen, Kleidung, Hausrat, Schmuck – darzubringen, damit er im Jenseits fortleben kann wie auf Erden (vgl. § 9). Derartige Ausstattungen werden zunächst Königen oder mächtigen Geschlechtshäuptern zu Teil und können von ihnen auch auf andere angesehene Volksgenossen übertragen werden, so in Aegypten, wo sich daraus schließlich das Zauberritual entwickelt hat, durch das jedem Menschen ein genußreiches Fortleben nach dem Tode gesichert wird. Mit steigender Kultur wachsen wie die Lust am Leben und der Wunsch, es künstlich in alle Ewigkeit zu verlängern, so auch die Mittel zu reicher Ausstattung des Grabes und glänzenden Totenfeiern, während zugleich die Barbarei der Menschenopfer schwindet. Denn trotz alles Ernstes, mit dem die Ausstattung für das Jenseits betrieben wird, bricht doch immer wieder das Bewußtsein durch, daß es im besten Falle doch nur ein Scheindasein ist, das der Tote führt, daß er nicht wirklich essen und jagen kann, sondern eben nur ein gespenstischer Schatten ist. Daher braucht er auch nur eine Scheinwelt; Puppen, die durch Zauber belebt werden, genügen ihm als Frauen und Diener, steinerne oder gemalte Speisen oder gesprochene Gebete zu seiner Ernährung und dazu etwa ein bißchen Weihrauch. Und wenn er nicht selbst für die Ausstattung des Grabes und die Stiftung eines reichen Totenkults sorgt, tun seine Nachkommen trotz aller Pietät nicht allzuviel dafür: sie haben dringendere Aufgaben und müssen überdies vor allem für den eigenen Totenkult sorgen. Gerade einem Lande wie Aegypten, in dem die Vorsorge für das zukünftige Leben sich zu Dimensionen entwickelt hat wie sonst nirgends, liegt der [119] Gedanke, daß die Toten mächtige Geister seien, gänzlich fern; so energisch man sie (zunächst den König) durch Zauber mit den Göttern zu identifizieren sucht, so völlig sind sie ihrem Wesen nach von ihnen verschieden, und eine göttliche Verehrung Verstorbener hat sich hier nur in vereinzelten Fällen späterer Zeit und immer aus besonderen Anlässen entwickelt.

61. Mit den verschiedenen Vorstellungen vom Schicksal der Seele kreuzen sich die Unterschiede in der Behandlung der Leichen. Wenn wir von den Fällen absehen, wo die alten Leute erschlagen und verzehrt werden (§ 12 A.), so findet sich bei rohen Völkern vielfach die Sitte, die Leiche den Vögeln und Raubtieren zum Fraß hinzuwerfen. Bei den Indogermanen scheint sie ursprünglich ganz allgemein geherrscht zu haben, wie bei den Mongolen (§ 554); dann ist sie bei den Iraniern von der Religion Zoroasters sanktioniert und religiös motiviert worden (§ 17 A.), während die Inder die halbverkohlten Leichen in den heiligen Strom werfen. Gewöhnlich aber wird die Leiche in der Erde geborgen, zunächst meist in einer kleinen Grube, und daher möglichst zusammengedrängt, in »Hockerstellung«. Daneben ist die Verbrennung weitverbreitet, vor allem bei den Indogermanen (s. § 537. 554. 570. 588). Bei vielen Völkern, z.B. bei den Griechen und in Italien, gehen Verbrennung und Bestattung neben einander her. Der Unterschied beruht zum Teil auf den Traditionen einzelner Geschlechter, zum Teil auf sehr materiellen Gründen; denn die Verbrennung ist weit kostspieliger als die Verscharrung oder gar die Aussetzung der Toten. Diese Sitten vertragen sich mit den verschiedensten Anschauungen; Völker, welche auf das Fortleben der Seele und die dafür nötige Erhaltung der Leiche den größten Wert legen, wie z.B. die Aegypter, bestatten die Toten ebensogut wie solche, bei denen diese Vorstellungen ganz unentwickelt sind, wie die Semiten (speziell die Babylonier). Bei der Leichenverbrennung herrscht allerdings vielfach die Vorstellung (so in der homerischen Welt), daß dadurch die Seele von der irdischen Welt losgelöst wird und im Reich der Toten zur Ruhe kommt: solange der Körper noch existiert, ist das Band, das sie an ihn [120] knüpft, noch nicht gelöst, und sie führt ein qualvolles Dasein in einem Zwischenzustand.

62. Diese Darlegung der tatsächlichen Verhältnisse und ihrer widerspruchsvollen Mannigfaltigkeit zeigt deutlich, wie verkehrt und unüberlegt die herrschende Meinung ist, welche den Glauben an die lebendigen Götter, die Wurzeln und Spender aller Kraft und alles Lebens, aus dem Totenkult, aus der Verehrung der Ahnen ableiten will. Sie wirft drei ganz verschiedene Anschauungen durcheinander: zunächst den eigentlichen Totenkult, der nicht um der Lebenden, sondern um der Toten willen stattfindet, wenn er auch den Glauben erzeugen kann, daß die Seelen der verstorbenen Vorfahren in ihrer Gesamtheit noch an dem Geschick ihrer Nachkommen Interesse haben und segnend auf sie einwirken können; nur dieser Glaube, der aber nie bedeutende religiöse Kraft hat, kann als Ahnenkultus bezeichnet werden. Sodann den davon völlig zu trennenden Glauben, daß die Seele eines lebenden Wesens, eines Menschen oder Tieres, in dem Moment, wo sie aus dem Leibe fährt [oder auch kurz nachher, namentlich wenn der Leib nicht regelrecht bestattet ist, z.B. bei Hingerichteten], noch gewaltige Kräfte hat und daher ebensowohl schädigend wirken, wie zu Zauberzwecken verwendet werden kann; dieser Glaube führt z.B. dazu, einen Feind oder ein Tier noch halb lebendig zu verschlingen, oder sein warmes Blut, der Sitz der ausströmenden Seele, zu trinken. Das dritte ist der schon besprochene Glaube, daß die lebendigen Götter die Erzeuger und Ahnen der sie verehrenden menschlichen Verbände sind, ein Glaube, der mit einem supponierten Ahnenkult, d.h. der Verehrung der Seelen Verstorbener, garnichts zu tun hat. In Wirklichkeit spielt denn auch der Totendienst in der eigentlichen Religion bei den meisten Völkern eine sehr geringe Rolle. In der Zauberei kommt ihm gelegentlich mehr Bedeutung zu; im wesentlichen aber gehört er dem Gebiet der Sitte an, und hier, und darum auch in der kulturellen Entwicklung eines Volkes, kann er von der höchsten Wichtigkeit, ja eine Haupttriebfeder der weiteren Entwicklung werden, wie das Beispiel Aegyptens zeigt.


[121] Die üblichen, Darstellungen des Totendiensts in den ethnologischen und religionsgeschichtlichen Werken der letzten Jahrzehnte enthalten durchweg die schroffsten Widersprüche: einerseits postulieren sie die Ableitung aller Religion aus der dominierenden Kraft der Seelen der Toten, andrerseits müssen sie zugeben, daß der Totenkult nicht um der Lebenden, sondern um der Verstorbenen willen da ist, und die Seelen machtlos und elend sind, wenn ihnen kein Kult eingerichtet wird. So »ist es noch heute die größte Furcht eines Chinesen, er könne das Unglück haben, ohne Nachkommen zu sterben, so daß seine Seele um ihren Kult kommt«. Von den Tlinkit im nordwestlichen Amerika teilt K. BREYSIG, Die Völker ewiger Urzeit, 1907, I, S. 230 nach A. KRAUSE die Erzählung mit, die einem Tlinkit über das Totenland in den Mund gelegt wird [ich füge ein paar kritische Bemerkungen bei ]: »Er kam an einen großen Fluß, an dem er viele Seelen fand; es waren die, denen das Totenreich selbst seine Pforten verschloß. Sie hatten drüben am anderen Ufer keine Freunde unter den Verstorbenen, die sie in ihrem Einbaum übergeholt hätten. Sie warnten den Wanderer hinüberzugehen, denn von dort sei keine Rückkehr mehr [und dabei sollen die Seelen nach dem Postulat die auf Erden wirkenden Götter sein!]. Er solle heimwärts gehen, solange das noch möglich sei, d.h. solange seine Leiche noch nicht verbrannt sei [ganz wie bei Homer]. Sie selbst seien noch übler daran als die Jenseitigen: sie müßten Hunger und Durst leiden. Die drüben Wohnenden befänden sich auch schlimm genug: sie empfingen nur so viel Speise und Trank als von ihren Freunden auf der Erde ihnen gespendet werde [die Götter dagegen sind bekanntlich überall die Spender aller Güter, und sie erhalten überreichliche Opfer, nicht kärgliche Gaben wie die Toten].« Daneben besteht die Vorstellung, daß »die Seelen der Toten wieder auf die Erde zurückkehren und sich auf ein Weib niederlassen, das schwanger ist, jedoch nur innerhalb des Geschlechts, dem sie im Leben angehörten«; und daher wünschen sich die ärmeren Tlinkit »bald zu sterben, damit sie als Kinder eines begüterten Häuptlings wieder zur Welt kommen [also wieder Mensch zu werden ist für die angeblich göttergleiche Seele das Höchste]«. Derartige Bei spiele ließen sich beliebig häufen; sie führen die herrschende Theorie vollständig ad absurdum. Auch hier zeigt sich wieder, wie unwiderstehlich eine momentane Strömung und ein Schlagwort sein kann; hat doch ein so trefflicher Gelehrter wie B. STADE im Anschluß an R. SMITH sogar die israelitische Religion auf Ahnenkult und Totemismus zurückgeführt! Der Schluß aus dem Glauben, daß die Götter die Ahnen des Stammes oder Geschlechts seien, ist eben so oberflächlich, wie wenn man den Madonnenkult und die Heiligenverehrung der christlichen Religionen oder der Mohammedaner daraus ableiten wollte, daß Jesus von Nazareth eine Mutter Maria gehabt hat, und daß die Heiligen vielfach den Namen von frommen [122] Männern tragen, die wirklich gelebt haben. – Auf die zahlreichen psychologischen Vorstellungen, zu denen der Seelenglaube führt [Sitz der Seele im Blut, Atem oder Samen, Spaltung der Seele in eine materielle Seele, die etwa der Lebenskraft und dem Atem entspricht, und einen immateriellen Geist mit einem Scheinleib, Bedeutung des Schattens u.ä.], brauchen wir hier nicht einzugehen.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 71965, Bd. 1/1, S. 115-123.
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