Handel und Verkehr. Das Sabäerreich

[90] Schon früher haben wir die Bahnen und Formen kennengelernt, in denen Handel und Verkehr in Vorderasien seit uralter Zeit sich bewegten. Die Aufrichtung des großen, festorganisierten Assyrerreichs konnte dem Gedeihen des Landhandels nur förderlich sein. In Ninive treffen sich die Kaufleute aller Nationen; »mehr sind ihre Händler denn die Sterne des Himmels«, sagt Nahum (3, 16). Die erste Stelle aber unter den Handeltreibenden nehmen die Aramäer ein. Damaskus, Ḥamât, Karkemiš, Charrân treten uns überall als die großen Handelszentren entgegen, und in den Hauptstädten Assyriens wie in Babylon treffen wir zahlreiche Kaufleute aramäischen Ursprungs. Es ist bezeichnend, daß in Ninive nicht nur nach »königlichem Gewicht«, sondern das Silber daneben auch nach »Minen von Karkemiš« verrechnet wird. So ist das Aramäische – das ja nicht nur in dem weiten Kulturland von Damaskus bis zum Chaboras, [90] sondern auch von zahlreichen Nomadenstämmen Mesopotamiens und Babyloniens gesprochen wurde – dazu gekommen, die allgemeine Verkehrssprache in Vorderasien zu werden, die z.B. den assyrischen wie den jüdischen Staatsmännern geläufig ist (Reg. II 18, 26; o. S. 55). Es kommt hinzu, daß dasselbe mit einem rein phonetischen Alphabet geschrieben wurde und daher die Schrift leicht zu lernen und zu handhaben war. Ganz allmählich beginnt daher das Aramäische in der gesamten semitischen Kulturwelt die einheimischen Sprachen zu verdrängen (vgl. Bd. II 2, 367); neben die von den Assyrerkönigen so gewaltsam betriebene Nivellierung der Völker tritt die langsame Assimilation auf friedlichem Wege190.

Daß handelspolitische Interessen bei den Kriegszügen der Assyrer namentlich in Syrien und gegen die phönikischen Städte eine bedeutende Rolle spielten, liegt auf der Hand. Wie zur Zeit des ägyptischen Weltreichs Cypern seinen Tribut an Thutmosis III. sandte, haben, wie oben (S. 43) erwähnt, schon unter Sargon die Fürsten der cyprischen Städte die Oberhoheit Assyriens anerkannt, um sich den Handelsverkehr mit dem Festland zu sichern. Wenn dann Sanherib berichtet, daß er seine Euphratflotte (s.o. S. 61) mit tyrischen, sidonischen und griechischen (ionischen) Matrosen bemannt habe, so sind mit den letzteren wohl Cyprier gemeint. Unter Assarhaddon und Assurbanipal werden regelmäßig zehn tributäre Herrscher von Cypern aufgeführt, von denen sich der König Etewandros (ass. Itûandar) von Paphos in der Inschrift eines goldenen Armbandes von Kurion wiedergefunden hat. Kition wird in den Listen nie erwähnt, da es jetzt wieder den Tyriern gehorchte.

Auch den zahlreichen Feldzügen gegen die arabischen Grenzstämme, [91] namentlich gegen die wohlhabenden Qedreer, liegt in erster Linie das Streben zugrunde, die Karawanenstraßen durch die Syrische Wüste und nach Südarabien zu sichern, vielleicht auch – darüber erfahren wir leider gar nichts – auf ihnen Zölle zu erheben. Von der Bedeutung dieses Handels legen die Schriften der Propheten zahlreiche Zeugnisse ab. In Südarabien hatte sich um diese Zeit ein größeres Reich gebildet, dessen Anfänge vielleicht in weit frühere Zeit hinaufreichen mögen – es ist denkbar, daß in der Tat schon zur Zeit Ḥirams und Salomos das sabäische Reich bestand und die sagenhafte Figur der den letzteren besuchenden Königin von Saba einen historischen Kern enthält (vgl. oben Bd. II 2, 268). Die Residenz der Herrscher, die sich selbst »Fürsten von Saba« nennen, ist Mariaba im inneren Jemen. Schon die Lage derselben beweist, daß nicht maritime Interessen für das Reich maßgebend gewesen sind, und von einer Schiffahrt nach Jemen ist denn auch in dieser Zeit nie die Rede. Wohl aber wurden die Produkte des Landes, Weihrauch und Gold, auf dem Landwege nach den Handelsstädten Syriens und den Häfen des Mittelmeeres (in erster Linie Gaza, Plin. XII 64) und ebenso zweifellos von den Hafenorten des Roten Meeres nach Ägypten exportiert. Das Interesse der sabäischen Fürsten mußte deshalb darauf gerichtet sein, mit den Nachbarn in friedlichen Beziehungen zu leben und jede politische Kombination auszubeuten. In diesem Zusammenhange ist es sehr bezeichnend, daß nach der Unterwerfung Syriens im J. 732 unter anderen arabischen Stämmen auch die Sabäer eine Gesandtschaft an Tiglatpileser schicken (s.o. S. 22) und ebenso Sargon im J. 715 nach Besiegung mehrerer Araberstämme neben den Gaben des Pharao und der Araberfürstin Šamšie auch die Geschenke des Iatha'-amar (ass. It'amara) von Saba an Weihrauch und Kamelen entgegennimmt (o. S. 43f.). Fürsten dieses Namens finden sich gerade in den ältesten ḥimjarischen Inschriften wiederholt, und wenn sich auch nicht erweisen läßt, daß einer von diesen mit dem von Sargon genannten identisch ist, so ist es doch im höchsten Grade wahrscheinlich, daß sie derselben Dynastie angehören. Die großen Bauten von Mariaba, die Befestigungsmauern der Stadt, der große Damm, [92] welcher die Wasser der Landschaft sammelte und ihre Verteilung regulierte, mögen in der Assyrerzeit begonnen sein. Im übrigen legt auch die Herübernahme babylonischer Gottheiten durch die Sabäer und ihre Abhängigkeit vom babylonischen Kunststil ein gewichtiges Zeugnis ab für den regen Verkehr, in dem sie mit dem assyrischen Reiche gestanden haben.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 3, S. 90-93.
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