Bündnis zwischen Karthagern und Etruskern. Schlacht bei Alalia

[653] So gehörte ein großer Teil der italischen Westküste den Etruskern; nach ihnen nennen die Griechen das Meer westlich von Italien das tyrrhenische. Die Etrusker versuchten, den Namen zur Wahrheit zu machen. Fortwährend lagen sie mit den griechischen Kauffahrern und Piraten in Fehde. Wie Karthago nach Sardinien, so streckten sie die Hand nach Korsika954 aus; ebenso haben sie, [653] wohl von Kampanien aus, die Liparischen Inseln wiederholt angegriffen. Das sind offenbar nicht nur Piratenzüge, sondern Versuche gewesen, sich hier an der Straße nach Osten, nahe der südlichen Küste, festzusetzen. Uns wird von einem großen Siege berichtet, den die Liparäer über die etruskische Übermacht davontrugen; zum Dank für die zwanzig den Feinden abgenommenen Schiffe weihten sie dem delphischen Apollo ebenso viele Statuen955. Es ist begreiflich, daß der gemeinsame Gegensatz gegen die Griechen Etrusker und Karthager zusammenführte; das einer festen Geschlossenheit und Einheitlichkeit entbehrende Streben der etruskischen Städte und ihres Adels nach Machterweiterung wurde dadurch dem zielbewußten Vorgehen der karthagischen Handelspolitik untergeordnet956. Etwa zu Anfang des 6. Jahrhunderts mögen die Karthager mit den Etruskerstädten – wohl mit jeder Küstenstadt einzeln – feste Verträge abgeschlossen haben; »es waren Bestimmungen über Einfuhr und Rechtssatzungen für den Handelsverkehr (σύμβολα περὶ τοῦ μὴ ἀδικεῖν) und Bündnisverträge«, sagt Aristot. pol. III 5, 11. Sie werden ungefähr dieselben Bestimmungen enthalten haben, wie der zu Ende des 6. Jahrhunderts mit Rom geschlossene Vertrag957 (u. S. 755). In diesem wird Freundschaft und Bündnis vereinbart und der gegenseitige Besitzstand anerkannt. In Libyen, d.h. in den karthagischen Besitzungen östlich vom Eingang des Golfs von Karthago, und auf Sardinien wird den Fremden der Abschluß von Geschäften nur unter Vermittlung eines vom Staat anerkannten Notars (ἐπὶ κήρυκι ἢ γραμματεῖ) gestattet; dann aber [654] übernimmt der karthagische Staat die Garantie, so daß der fremde Anspruch klagbar und die in dem Verkehr der griechischen Staaten unvermeidliche Selbsthilfe (o. S. 329) unnötig wird. Dagegen die afrikanische Küste westlich vom Schönen Vorgebirge (Kap Farina, auch Ras Sidi Ali el Mekki genannt)958 wird den Fremden gesperrt. Nur wenn der Sturm oder feindliche Verfolgung sie hierher verschlägt, dürfen sie anlaufen, aber lediglich kaufen, was sie für ihr Schiff brauchen; und in fünf Tagen müssen sie den Hafen wieder verlassen. Im schärfsten Gegensatz dazu wird in den sizilischen Besitzungen Karthagos der Verkehr völlig freigegeben – natürlich, denn hier gilt es, den griechischen Städten möglichst wirksam Konkurrenz zu machen. Diese Bestimmungen bilden den Anfang des später restlos durchgeführten karthagischen Handelssystems; sie zeigen zugleich, daß Karthago damals in Spanien noch nicht Fuß gefaßt hatte.

Zur Betätigung der karthagisch-etruskischen Bundesgenossenschaft fand sich bald Gelegenheit. Als Phokäa im J. 545 den Persern untertan wurde, wanderte ein großer Teil der reichen Kaufherrn aus, zum Teil nach Massalia, zum Teil nach der vor zwanzig Jahren auf Korsika gegründeten Kolonie Alalia. Diese Bildung eines seemächtigen Gemeinwesens inmitten ihres Machtbereichs konnten die Verbündeten nicht dulden; im J. 540 griffen die Etrusker und Karthager mit je 60 Schiffen Alalia an. Die Phokäer konnten ihnen nur mit 60 Schiffen entgegentreten. In der Schlacht schrieben sie sich zwar den Sieg zu, aber der größte Teil ihrer Flotte und ihrer Mannschaft war vernichtet oder gefangen, ihre Stellung unhaltbar. So räumten sie Alalia und gingen mit Weib und Kind nach Unteritalien, zunächst nach Rhegion. Von hier[655] aus haben sie an der Önotrerküste südlich von Posi donia die Stadt Elea (Hyele) gegründet. Seitdem ist Alalia in etruskischem Besitz; auch eine Siegesstadt Nikaia sollen sie auf der Insel gegründet haben. – Die Schlacht bei Alalia bezeichnet den ersten entscheidenden Rückschlag gegen die bis dahin nirgends gehinderte Ausbreitung der hellenischen Nation. Die glänzende Stellung, welche Phokäa gewonnen hatte, war erschüttert. Was zu retten war, hat Massalia gerettet und nicht nur mit Erfolg die Ligurerküste behauptet, sondern auch in Spanien festen Fuß zu fassen gesucht; als Karthago vielleicht schon bald nach der Schlacht bei Alalia die Massalioten angriff, haben sie sich erfolgreich verteidigt. Aber der Hauptteil des halberschlossenen Gebiets im Westen blieb dem griechischen Handel und der griechischen Kolonisation verloren, und bald konnten die einheimischen Gegner zu neuen Angriffen übergehen959.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 3, S. 653-656.
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