Nachmittagssitzung.

[121] M. QUATRE: Ich habe heute die Ehre, die Schlußausführungen der Französischen Anklagevertretung vorzutragen, indem ich die Anklagen gegen die Angeklagten Wilhelm Keitel und Alfred Jodl zusammenfasse.

Bevor ich mich diesen Ausführungen zuwende, bitte ich den Gerichtshof um Erlaubnis, einige Bemerkungen machen zu dürfen.

Wir haben, um dem Gerichtshof Zeit zu sparen, die Anklage gegen die beiden Angeklagten in denselben Schriftsatz zusammengefaßt. Ihre Tätigkeiten haben so viel Gemeinsames, daß man bei getrennter Behandlung Wiederholungen bringen würde. Dasselbe Streben nach Zeitgewinn hat mich auch veranlaßt, meine Ausführungen auf ein Minimum zusammenzudrängen.

Diese Ausführungen werden drei Teile umfassen. In einer Einleitung werde ich versuchen, die beiden Angeklagten im Rahmen ihrer Tätigkeit zu zeigen. Der erste Teil wird der Vorbereitung der Angriffspläne gewidmet sein. Er ist kurz gehalten, da darüber bereits ausführliche Erläuterungen vorgetragen worden sind.

Ich werde meine Aufmerksamkeit vor allem dem zweiten Teile zuwenden, der sich mit der Verantwortlichkeit der Angeklagten für die Begehung von Kriegsverbrechen befaßt. Zu diesem Zwecke werde ich nicht alle Dokumente, Aussagen und Vernehmungen, die diese beiden Angeklagten berühren, vorbringen. Wenn ihre Schuld von der Wiederholung ihrer Verbrechen abhängt, wird sie vor allem durch die verbrecherische Absicht gekennzeichnet, die ihre Ausführung bestimmt hat. Dieser verbrecherische Vorsatz erscheint ganz besonders in einigen Dokumenten, auf die ich mich beschränken werde. Ich möchte den Gerichtshof bitten, einige Zitate daraus verlesen zu dürfen, die absichtlich nur ganz kurz sein werden.

Ich werde die Dokumente zuerst unter ihren Verhandlungsnummern erwähnen, die Sie, Herr Vorsitzender, am Rande des Ihnen überreichten Exemplars rot angestrichen finden. Ich werde alsdann die ursprüngliche Nummer angeben. Wenn es sich um ein bereits vorgelegtes Dokument handelt, werde ich das Datum der Vorlage und die Nummer, unter der es eingereicht worden ist, angeben.

Als Führer der Nationalsozialistischen Partei, dann als Kanzler des Reiches, bemühte sich Hitler die Deutsche Wehrmacht lediglich seinen Willen zu unterwerfen. Die Einheit, die er zwischen der Partei und dem Staat geschaffen hatte, sollte nach seiner Absicht auch zwischen Wehrmacht, Staat und Partei herrschen. Nur so würde die Kriegsmaschine in der Lage sein, ihre Aufgabe zu erfüllen. Die Partei würde den Antrieb geben, der Staat würde diesen Antrieb in Taten umsetzen und die Wehrmacht würde ihn [121] mit Gewalt durchführen, falls es innerhalb oder außerhalb des Landes notwendig werden sollte.

Um dieses Ziel zu erreichen, mußte zuerst ein Gesetz erlassen werden, durch das die gesamte militärische Organisation dem Führer untergeordnet wurde. Es mußten auch diejenigen Personen entfernt werden, die sich diesen Maßnahmen nicht gern beugen wollten. Die Hinrichtung Schleichers im Jahre 1934 und die Entlassung Blombergs im Jahre 1938 sind zwei Beispiele dafür. Es handelte sich nunmehr darum, sie durch Befehlshaber zu ersetzen, deren elastisches Gewissen sie zu treuen Handlangern machen würde. Keitel und Jodl gehören zu diesen.

Ihre persönliche Überzeugung und der plötzliche Aufstieg in ihrer beruflichen Laufbahn sind beredte Zeugen hierfür. Bei seiner Vernehmung am 3. August 1945 durch Oberst Eèer vom tschechoslowakischen Militärgericht sagte der Angeklagte Keitel über seine Beziehungen zu Hitler und der Nationalsozialistischen Partei folgendes aus, es ist Dokument RF-1430:

»Innerlich war ich ein treuer Gefolgsmann von Adolf Hitler, und meine politische Einstellung war eine nationalsozialistische... Als mir aber der Füh rer sein Vertrauen schenkte, habe ich mich durch den persönlichen Kontakt zum Nationalsozialisten entwickelt. Ich bin heute noch ein überzeugter Anhänger von Adolf Hitler, was nicht ausschließt, daß ich mich mit manchen Punkten des Parteiprogramms und der Parteipolitik nicht identifiziere.«

Anläßlich einer am 7. November 1943 in München vor den Reichs- und Gauleitern gehaltenen Rede erklärte Jodl, um ihnen die strategische Lage der Deutschen Wehrmacht zu Beginn des fünften Kriegsjahres darzulegen, am Ende seiner Ausführungen folgendes, es ist dies Dokument RF-1431, L-172, das am 27. November 1945 von der Amerikanischen Anklagebehörde als US-34 vorgelegt worden ist:

»Ich möchte in dieser Stunde nicht mit dem Munde, sondern aus tiefstem Herzen bekennen, daß unser Vertrauen und unser Glaube an den Führer ein grenzenloser ist.«

Keitel, der 1901 in die Armee eingetreten ist, war 1931 noch immer Oberst. Der drei Jahre jüngere Jodl wurde erst im Jahre 1932 zum Oberstleutnant ernannt, trotz der Aufstiegsmöglichkeiten, die er im Kriege 1914 bis 1918 gehabt hatte. Diese Jahre hatten ihnen nur mittelmäßige Beförderungen gebracht, die nächsten sollten sie zu höchsten Ehren und größter Verantwortung erheben. Sie sahen ihren Stern mit dem Stern des neuen Herrschers Deutschlands aufgehen. Gleich zu Anfang traten sie in das öffentliche Leben ein. Während der Vorkriegsjahre bekleidete Keitel ununterbrochen hohe Ämter an obersten Stellen der Deutschen Wehrmacht. [122] Er genoß ein ganz besonderes Ansehen bei dem neuen Herrscher Deutschlands, und seit Hitlers Machtergreifung wandte er alle Mittel an, um den Einfluß der Nazi-Ideologie innerhalb der Wehrmacht zu verstärken. Seine Tätigkeit im Wehrmachtsamt war besonders fruchtbar. Es handelte sich bei diesem Amte um das ministerielle Organ, das eine Zeitlang das Reichskriegsministerium ersetzte, und das unter anderem die Aufgabe hatte, die mit der Deutschen Wehrmacht zusammenhängenden Pläne vorzubereiten und zu koordinieren.

Die Tätigkeit des Angeklagten in dieser Stellung war umso bedeutsamer, als soeben eine tiefgreifende Strukturwandlung stattgefunden hatte. Die Reichswehr der Berufssoldaten machte der Wehrmacht Platz, die durch allgemeine Dienstpflicht rekrutiert wurde. Es genügte nicht, die gesamte deutsche Jugend zu den Fahnen zu rufen, man mußte sie auch ernähren, bekleiden und ihr moderne und mächtige Waffen geben. Diese Erhöhung des Effektivbestandes, diese Anfänge einer Wehrwirtschaft und Rüstungspolitik, sind zum Hauptteil die Früchte der Anstrengungen des Angeklagten, der zu jener Zeit, wenn auch nicht rechtlich, so doch jedenfalls tatsächlich die Vorrechte eines Kriegsministers genoß.

Als Hitler am 4. Februar 1938 das Kriegsministerium abschafft und sich zum Obersten Befehlshaber ernennt, überträgt er die Hauptressorts des Ministeriums auf das Oberkommando der Wehrmacht, dessen Chef Keitel zu gleicher Zeit Chef des persönlichen Stabes des Führers wurde.

Der Angeklagte sollte diese Ämter bis zur Kapitulation der Deutschen Wehrmacht behalten.

In seiner Eigenschaft als Chef des Oberkommandos der Wehrmacht übte Keitel allerdings keine unmittelbare Befehlsgewalt auf die drei Wehrmachtsteile: Heer, Luftwaffe und Kriegsmarine aus, die Hitler unmittelbar unterstellt waren. Seine eigentliche Aufgabe war es, die die drei Waffengattungen betreffenden Fragen zu koordinieren; er war der Verbindungsmann zwischen Hitler und diesen drei Wehrmachtsteilen, aber er war noch mehr als das. Seine Rolle war vor allem die eines Beraters. Er faßte die Nachrichten, die er von den verschiedenen ihm untergeordneten Dienststellen erhielt, zusammen. Es sind dies die Berichte des Wehrmachtführungsstabes, der Jodl unterstand, die Auskünfte, die von dem Dienst des Admirals Canaris kamen, sowie die Berichte der Wirtschaftsabteilung der Wehrmacht, der Verwaltungs-, Finanz- und Rechtsstellen. So persönlich und eigenmächtig auch Hitlers Arbeitsmethoden waren, so schlossen sie doch die regelmäßige und dauernde Teilnahme Keitels an den Taten seines Herrn nicht aus. Er ist es, der in der Lage war, den Forderungen seines Chefs zu entsprechen, auf dessen Entscheidungen Einfluß zu nehmen und sie vorzubereiten oder [123] umzuändern. Wenn man sich vor Augen hält, daß er Mitglied des Reichsverteidigungsrats und des Geheimen Kabinettsrats war, und wie schwerwiegend deren politischer Charakter war, ist es leicht, den Umfang der Rolle zu begreifen, die der Angeklagte auf allen Gebieten gespielt hat, sei es, daß es sich um Vorbereitungen von militärischen Plänen im eigentlichen Sinne, um das Leben oder Verhalten der Deutschen Wehrmacht, oder um den Arbeitseinsatz und die Verwendung der wirtschaftlichen Mittel handelte.

So oft Besprechungen im Hauptquartier oder in der Reichskanzlei stattfinden, ist Keitel anwesend. Er ist jedesmal anwesend, wenn Hitler wichtigste Entscheidungen trifft, er ist an seiner Seite beim Einmarsch in die anzugliedernden Gebiete und, wenn es sich darum handelt, die Befehle Hitlers weiterzugeben, erteilt er Befehle, in welchen er die Gedanken seines Chefs entwickelt und mit persönlichen Beiträgen verbindet. Durch Gegenzeichnung der Erlasse Hitlers verstärkte Keitel im Sinne des Rechtsbegriffes des Dritten Reiches die Gültigkeit dieser Texte zwar in keiner Weise, aber er garantierte Hitler gegenüber deren Nützlichkeit für die Wehrmacht und ihre sorgfältige Ausführung. Hierfür hat er sich zu verantworten.

Ebenso wie Keitel gehörte auch Jodl zu den Männern, die auf den Erfolgen des neuen Regimes und dessen Schöpfern aufbauten.

Befehle, Verhalten und Tätigkeit zeigen, daß er ein politischer General war, welcher Hitler, der ihn mit Gnadenbezeugungen überschüttete, ergeben war. Als Chef des Wehrmachtführungsstabes hatte er sehr aktiven und wichtigen Anteil an der Ausarbeitung der Befehle seines Führers. Hitler war zwar der Mittelpunkt jeder Willensäußerung, Seite 9 meiner Ausführungen, aber die zwei Angeklagten, die während der Feindseligkeiten das tägliche Leben mit ihm teilten, führten seine Entscheidungen herbei, arbeiteten sie aus und stellten ihre Ausführungen sicher.

Jodl hat diese Beraterrolle gespielt, obwohl seine theoretischen Kenntnisse bei weitem nicht mit denjenigen von Keitel zu vergleichen waren. Trotzdem griff er unter eigener Verantwortung in Gebiete ein, die den Rahmen eigentlicher militärischer Operationen überschritten.

Diese Verantwortlichkeit der beiden Angeklagten bezieht sich in erster Linie auf Vorbereitung und Ausführung der Angriffspläne. Ich brauche auf diesen Punkt nicht zurückzukommen, denn unser englischer Kollege, Herr Roberts, hat die von den beiden Angeklagten auf diesem Gebiet gespielte Rolle ausgezeichnet erläutert, und wir wollen uns jetzt ganz besonders mit ihrer Verantwortung für die Kriegsführung befassen. Zuerst mit ihrer Verantwortung für Morde, Mißhandlungen von Zivilpersonen, Kollektivstrafen und Ermordung von Geiseln; Seite 13 meiner Ausführungen.

[124] Seit Beginn des Krieges wurden, sobald neue Gebiete von der Deutschen Wehrmacht besetzt worden waren, unter Verletzung des Kriegs- und Völkerrechts Maßnahmen gegen die Zivilbevölkerung ergriffen: von scheinbar ganz unbedeutenden Verletzungen bis zu schärfsten Strafen, schwersten Mißhandlungen und unmenschlichen sowie völlig sinnlosen Hinrichtungen.

Man mag sich den besetzten Ostgebieten, Norwegen oder dem Westen zuwenden, überall zeigt sich dieselbe Reaktionsweise, dieselbe sorgfältige Ausführung der gleichen Richtlinien.

Am 16. September 1941 unterzeichnet Keitel einen Befehl über die Unterdrückung von kommunistischen Aufstandsbewegungen in den besetzten Gebieten, das ist Dokument RF-1432, 389-PS. Der Gerichtshof wird mir erlauben, ganz kurze Stellen daraus zur Verlesung zu bringen. Die Anweisungen Keitels lauten wie folgt:

»Bei jedem Vorfall der Auflehnung gegen die deutsche Besatzungsmacht, gleichgültig wie die Umstände im einzelnen liegen mögen, muß auf kommunistische Ursprünge geschlossen werden.

Um die Umtriebe im Keime zu ersticken, sind beim ersten Anlaß unverzüglich die schärfsten Mittel anzuwenden, um die Autorität der Besatzungsmacht durchzusetzen und einem weiteren Umsichgreifen vorzubeugen. Dabei ist zu bedenken, daß ein Menschenleben in den betroffenen Ländern vielfach nichts gilt, und eine abschreckende Wirkung nur durch ungewöhnliche Härte erreicht werden kann. Als Sühne für ein deutsches Soldatenleben muß in diesem Falle im allgemeinen die Todesstrafe gelten.«


VORSITZENDER: Das wurde schon verlesen.

M. QUATRE: Ich bedauere, Herr Präsident. Am 5. Mai 1942 wendet sich Keitel besonders Belgien und Frankreich zu und befiehlt für diese beiden Länder Festnahme und Hinrichtung von Geiseln. Diese sollen unter Nationalisten, Demokraten und Kommunisten ausgesucht werden. Es ist Dokument RF-1433, 1590-PS. Das Original ist in den Händen der Anklagevertretung der Sowjetunion, die es im Laufe ihrer Anklagerede vorlegen wird.

Dieser Befehl bestätigt nur frühere Richtlinien, da im August und im September 1941 Befehle des Oberbefehlshabers in Frankreich sich bereits auf die Hinrichtung von Geiseln bezogen haben. Es ist dies Dokument RF-1434 und 1588-PS, von der französischen Anklage am 29. Januar 1946 als RF-274 unterbreitet.

Um Ruhe in den besetzten Gebieten zu erzwingen und die Mitglieder der Deutschen Wehrmacht gegen diese Angriffe zu schützen, hat Keitel nicht gezögert, die Bestimmungen der Artikel 46 und 50 der Anlage des Haager Abkommens zu verletzen, das den [125] Besatzungsarmeen den Gebrauch von Zwangsmitteln und Vergeltungsmaßnahmen kollektiven Charakters verbietet und die sie im Gegenteil zur Achtung des Einzellebens verpflichtet.

Es handelt sich hier nicht um einzelne Verletzungen; in allen besetzten Gebieten fanden dieselben Handlungen statt. Die Schutzhaft wird zum System erhoben. Sie entspricht ausgezeichnet dem Ziele, das sich das Oberkommando der Wehrmacht gesetzt hatte: sich nämlich auf diese Weise einer bestimmten Haltung der Bevölkerung zu vergewissern, die vom militärischen Gesichtspunkt aus vorteilhaft ist.

Der Wortlaut des Dokuments RF-1433, das ich eben erwähnt habe, ist sehr eindeutig:

»... daß es angebracht ist, daß die Militärbefehlshaber ständig über eine Anzahl Geiseln der verschiedenen politischen Richtungen verfügen...

Es kommt dabei darauf an, daß sich darunter bekannte führende Persönlichkeiten... befinden... je nach Zugehörigkeit des Täters sind bei Überfällen Geiseln der entsprechenden Gruppe zu erschießen.«

Diese Errichtung einer Terrorherrschaft fand ihre vollste Entfaltung in der Ausführungsverordnung zum Erlaß »Nacht und Nebel«, die am 12. Dezember 1941 von Keitel unterzeichnet wurde. Dies ist Dokument 669-PS, das ich heute als RF-1436 vorlege.

Mit Erlaubnis des Gerichtshofs möchte ich einige bezeichnende Absätze verlesen, die die Absichten Keitels klar darstellen.

VORSITZENDER: Ich glaube, wir haben dies schon mehr als einmal gehört.

M. QUATRE: Ich bitte um Verzeihung, Herr Präsident, ich gehe weiter. Dieses Gesetz ist die Rechtsquelle jener Deportationen, unter denen Frankreich unter anderem so sehr gelitten hat. Ich will nicht näher darauf eingehen, Sie kennen die Behandlung, die diesen Frauen und Männern, die aus ihren Heimen unter Mißachtung allen Rechtes weggerissen wurden, zuteil geworden ist, und die an ihnen begangenen Greueltaten sind uns allen wohlbekannt.

Ich möchte auf Dokument UK-20, RF-1437, hinweisen, das bereits am 9. Januar 1946 als GB-163 vorgelegt worden ist. Dieses Dokument enthält einen Befehl Keitels vom 26. Mai 1943, der in seinem Auftrag gezeichnet wurde. Keitel schreibt in Absatz 3 vor, daß genaueste Nachforschungen in all den Fällen gemacht werden sollen, in denen Franzosen, deren Eltern im besetzten Gebiet Frankreichs leben, auf Seite der Russen kämpfen. Wenn die Nachforschungen ergeben, daß die Eltern ihnen bei ihrer Flucht aus Frankreich geholfen haben, sollen scharfe Maßnahmen ergriffen werden.

[126] Am 22. September 1943 sandte das Oberkommando der Wehrmacht, diesmal mit der Unterschrift von Jodl, an den Oberbefehlshaber in Dänemark ein Telegramm, das in doppelter Hinsicht interessant ist. Es ist Dokument RF-1438, UK-56, am 31. Januar 1946 als RF-335 vorgelegt.

Der erste Absatz behandelt die Erfassung von dänischen Staatsangehörigen in militärische Formationen der Besatzungsarmee, vor allem in SS-Verbände. Abgesehen davon, daß diese Tatsache im Widerspruch mit der Ehre des Individuums steht, verstößt sie auch gegen die Bestimmungen der Präambel des Haager Abkommens, die vorsieht, »daß in den Fällen, die in den Bestimmungen der von ihnen angenommenen Ordnung nicht einbegriffen sind, die Bevölkerung und die Kriegführenden unter dem Schutze... bleiben, wie er sich ergibt... aus den Gesetzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens.«

Dieser Germanisierungsversuch stellte eine Mißachtung der Forderungen des öffentlichen Gewissens dar. Was den Absatz 2 dieses Telegramms betrifft, der die Deportation der dänischen Juden vorschreibt, so ist dies die Durchführung des allgemeinen Grundsatzes der Deportation der jüdischen Bevölkerung mit dem Ziele ihrer völligen Ausrottung. Der Gerichtshof weiß darüber genügend Bescheid, ich brauche darauf nicht weiter einzugehen.

Ich komme jetzt zu den ungerechtfertigten Verwüstungen und Zerstörungen von Städten und Dörfern. Das ist Seite 20 meiner Ausführungen.

Die Terrorpolitik, die die Deutsche Wehrmacht gegen die im Innern aufgestellten französischen Streitkräfte, gegen die Mitglieder der Widerstandsbewegung in Frankreich führte, überschritt jedes Maß, als die Besatzungsmacht sich nunmehr nicht nur gegen die Mitglieder der Widerstandsbewegung, sondern auch gegen die Bewohner von Dörfern und Städten wandte, die im Verdacht standen, diesen Patrioten Hilfe oder Unterkunft zu gewähren. Ich zitiere hier eine Broschüre vom 6. Mai 1944, die vom OKW stammt und die im Auftrag des Chefs des OKW die Unterschrift Jodls trägt. Es ist F-665, als RF-411 am 31. Januar 1946 vorgelegt. Punkt 161 dieser Schrift lautet wie folgt:

»Das Überholen bandenverdächtiger Dörfer erfordert Erfahrung. SD oder GFP-Kräfte sind heranzuziehen. Die wirklichen Bandenhelfer müssen erkannt und mit aller Härte gefaßt werden, Kollektivmaßnahmen gegen die Einwohnerschaft ganzer Dörfer (dazu gehört auch das Abbrennen der Ortschaften) dürfen nur in Ausnahmefällen und ausschließlich durch Divisionskommandeure oder SS- und Polizeiführer angeordnet werden.«

[127] Aber diese von dem Angeklagten Jodl angeordnete Sondermaßnahme sollte im Frühling und Sommer 1944 in Frankreich zur allgemeinen Regel werden. Während sie, als Jodl diesen Befehl unterzeichnete, nur Einzelmaßnahmen darstellte, erhielt sie mit der Zeit den Charakter von weitgreifenden Operationen, die von Einheiten der Wehrmacht mit völkerrechtswidriger Unterstützung durch Einsatzkräfte des SD und der Geheimen Feldpolizei durchgeführt wurden. Unter dem Vorwand von Untersuchungen oder Vergeltungsmaßnahmen gegen lokale Elemente der Widerstandsbewegung, beobachteten die deutschen Offiziere und Soldaten peinlichst genau die Anweisungen, die ihnen vom Chef des Führungsstabes gegeben worden waren.

So hinterließen die zurückgedrängten deutschen Truppen in Frankreich eine Spur von nun toten Städten und Dörfern, wie unter anderen Oradour-sur-Glane, Maillé, Cerisay, Saint-Dié und Vassieux-en-Vercors. Jodl trägt die Verantwortung für diese Säuberungsaktionen, die mit den willkürlichsten Festnahmen anfingen, um mit Folterungen, mit der Niedermetzelung der Bewohner, Männer, Frauen, Greise, Kinder, sogar ganz kleiner Kinder und mit der Plünderung und dem Abbrennen der Ortschaften zu enden. Keinerlei Unterschied gab es zwischen den Bewohnern. Alle, selbst die kleinsten Kinder, waren »tatsächliche Helfershelfer«.

Niemals haben die Notwendigkeiten des Krieges derartige Maßnahmen gerechtfertigt, die in gleicher Weise eine Verletzung der Artikel 46 und 50 des Haager Abkommens darstellen.

Ich komme jetzt auf Seite 23 meines Schriftsatzes zur Mobilisierung der Zivilarbeiter, zu ihrer Deportation zur Zwangsarbeit.

Der Erlaß vom 21. März 1942, durch den Sauckel zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ernannt wurde, trägt die Unterschriften von Hitler, Lammers, Chef der Reichskanzlei, und des Angeklagten Keitel. Es ist Dokument RF-1440, 1666-PS, das am 12. Dezember 1945 dem Gerichtshof als US-208 von der Amerikanischen Anklagevertretung vorgelegt worden ist.

Dieser Erlaß sieht im ersten Punkt die Rekrutierung aller erfaßbaren zivilen Arbeitskräfte zum Zwecke des Einsatzes für die deutsche Kriegsindustrie, besonders für die Rüstungsindustrie vor. Dieser Verpflichtung werden alle nicht beschäftigten Arbeiter in Deutschland, im Protektorat, im Generalgouvernement und in den besetzten Gebieten unterworfen. Dies ist eine Verletzung des Artikels 52 der Haager Konvention.

Im Laufe seiner am 7. November 1943 gehaltenen Rede, die ich schon erwähnt habe, erklärt der Angeklagte Jodl, indem er auf die Aufgaben hinweist, die der Bevölkerung der besetzten Gebiete zufallen, Dokument RF-1431:

[128] »Ich glaube aber, daß heute der Zeitpunkt gekommen ist, sowohl in Dänemark, Holland, Frankreich und Belgien mit rücksichtsloser Energie und Härte die tausende Nichtstuer zu Befestigungsarbeiten zu zwingen, die allen anderen Aufgaben vorangehen. Die notwendigen Befehle hierzu sind erlassen.«

Sauckel hätte sich nicht anders ausgedrückt. Jodl machte sich ebenfalls zum Vorkämpfer dieser Dienstleistungen, um das Arbeiterpotential der besetzten Westgebiete in den Dienst der deutschen Kriegsmaschine zu stellen. Es machte ihnen nichts aus, daß die Haager Konvention derartige Verfahren untersagt.

Auch für ihn stehen die Sorge um den Sieg Deutschlands und der totale Krieg vor der Achtung internationaler Abkommen und Kriegsgebräuche.

Ich komme jetzt zur Verantwortung des Angeklagten Keitel auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Kunstplünderung. Ich werde mich mit drei Dokumenten, die bereits vorgelegt worden sind, kurz fassen; ich werde lediglich die Nummern in Erinnerung bringen. Es sind dies RF-1441, F.A.-1, gestern von meinem Kollegen von der Wirtschaftsabteilung als RF-1301 vorgelegt und RF-1400, am 18. 12. 45 von der Amerikanischen Anklagebehörde als US-379 vorgelegt. Schließlich ist es das Dokument RF-1443, 138-PS, bei der gestrigen Sitzung als RF-1310 vorgelegt.

Auf diesem Gebiet werde ich heute dem Gerichtshof nur einen kleinen Brief von fünf Zeilen vorlegen, den der Angeklagte Keitel an den Einsatzstab Rosenberg gerichtet hat. Es ist Dokument 148-PS, RF-1444:

»Sehr verehrter Herr Reichsminister!

Auf Ihr Schreiben vom 20. Februar teile ich Ihnen mit, daß ich das Oberkommando des Heeres beauftragt habe, die für die Arbeit Ihrer Einsatzkommandos im Operationsgebiet notwendigen Vereinbarungen mit Ihrem Beauftragten zu treffen.«

Man kann also sagen, daß die Tätigkeit Rosenbergs von Anfang an von der Wehrmacht ständig unterstützt worden ist. In dieser Hinsicht hat Keitel ebenfalls an der Plünderung der Kunstwerke in Frankreich und den westlichen Gebieten persönlich mitgewirkt. Diese Maßnahmen waren am Anfang von einer Art juristischer Rechtfertigung umhüllt. Sie sind nach den Worten Keitels nicht als Ausdruck eines Beuterechtes aufzufassen, sondern als einfache Sicherheitsmaßregeln angesichts der zukünftigen Friedensverhandlungen. Aber sie entarteten in eine allgemeine Plünderung der Kunstobjekte in den westlichen Ländern entgegen den Bestimmungen der Artikel 46, 47 und 56 des Haager Abkommens, die die Beschlagnahme von Privateigentum und Plünderung oder [129] Beschlagnahme von Kunstgegenständen durch Mitglieder des Besatzungsheeres verbieten.

Jetzt komme ich, meine Herren, zum letzten Hauptteil meiner Ausführungen, Seite 28, zu den Verletzungen der Abkommen und des Kriegsrechtes im Hinblick auf die Kriegsgefangenen.

Auf diesem Gebiet haben sich Keitel und Jodl Maßnahmen zuschulden kommen lassen, die völlig ungerechtfertigt waren und Verstöße gegen die Kriegsgesetze darstellten.

Es handelt sich hier zuerst um die Verletzung des Artikels 6 der Anlage zur Haager Konvention, die vorsieht, daß »Arbeiten, die von Kriegsgefangenen ausgeführt werden, nicht übermäßig sein dürfen und in keiner Beziehung zu den Kriegsunternehmungen stehen dürfen.«

In einem am 31. Oktober 1941 unterzeichneten Memorandum zwingt Keitel in seiner Eigenschaft als Chef des OKW internierte russische Kriegsgefangene im Reich zu einer Arbeit, die in Beziehung zu den Kriegsunternehmungen steht. Es ist Dokument RF-1445, EC-194, das die Amerikanische Anklagevertretung bereits am 12. Dezember 1945 als US-214 vorgelegt hat. In diesem Dokument sagt Keitel folgen des:

»Der Führer hat nunmehr angeordnet, daß auch die Arbeitskraft der russischen Kriegsgefangenen durch ihren Großeinsatz für die Bedürfnisse der Kriegswirtschaft weitgehend auszunutzen ist.«

Und das bedeutet die Inangriffnahme eines Programms der Eingliederung der Gefangenen in die deutsche Kriegswirtschaft. Dieses Dokument bezieht sich im Jahre 1941 nur auf die russischen Kriegsgefangenen; aber schon am 21. März 1942 wird der Einsatz aller Kriegsgefangenen in die deutsche Kriegsindustrie und insbesondere für die Rüstungsindustrie verwirklicht. Der von Hitler unterzeichnete Erlaß, den wir eben erwähnt haben, durch welchen Sauckel zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ernannt wird, sieht ebenfalls den Einsatz aller Kriegsgefangenen in der deutschen Rüstungsindustrie vor. Es ist Dokument RF-1440 und zeigt die Verletzung der Artikel 27, 31, 32 und 33 der Genfer Konvention. Einen Monat später spricht Sauckel am 20. April 1942 über sein Programm der Mobilisierung der Arbeitskräfte. Es ist Dokument RF-1446, 016-PS, das bereits von der Amerikanischen Anklagevertretung am 11. Dezember 1945 als US-168 vorgelegt worden ist. Ich zitiere:

»Die restlose Beschäftigung aller Kriegsgefangenen sowie die Hereinnahme einer Riesenzahl neuer ausländischer Zivilarbeiter und Zivilarbeiterinnen ist zur undiskutierbaren Notwendigkeit für die Lösung der Aufgaben des Arbeitseinsatzes in diesem Kriege geworden.«

[130] Auf diese Art und Weise ist es Sauckel am 6. Februar 1943 gelungen, wie er in einem Vortrag in Posen ankündigte, 1658000 Kriegsgefangene in die Kriegswirtschaft des Reiches einzugliedern. Dies geht aus Dokument RF-1447, 1739-PS, hervor, das am 8. Januar 1946 von der Französischen Anklagebehörde als RF-10 vorgelegt worden ist. Diese Zahl 1658000 setzt sich wie folgt zusammen: 55000 Belgier, 932000 Franzosen, 45000 Engländer, 101000 Jugoslawen, 33000 Polen, 488000 Russen, 4000 Sonstige: insgesamt 1658000.

Der Einsatz eines solchen Kontingents von Kriegsgefangenen in die deutsche Kriegswirtschaft setzt eine vollkommene Zusammenarbeit voraus zwischen den Arbeitseinsatzdienststellen von Sauckel und Keitel, dem Chef des OKW auf der anderen Seite, der in dieser Eigenschaft für jene Arbeitskräfte und deren Ausnutzung verantwortlich war.

Diese flagranten Verletzungen der Haager und Genfer Abkommen wurden von noch ernsteren Maßnahmen begleitet, die von den Angeklagten veranlaßt oder genehmigt worden sind; diesmal berührten sie nicht nur die Rechte der Kriegsgefangenen, sondern konnten auch Eingriffe in ihren physischen Zustand nach sich ziehen, die selbst den Tod herbeizuführen vermochten.

Die erwähnten Verletzungen beziehen sich in erster Linie auf die Mißachtung der Pflicht, den Kriegsgefangenen Sicherheit zu gewähren, Seite 32 meines Schriftsatzes.

Dokument RF-1448, 823-PS, das am 30. Januar 1946 als RF-359 vorgelegt worden ist, gibt uns einen Bericht, der von den Dienststellen des Wehrmachtführungsstabes verfaßt worden ist und für den Chef des OKW bestimmt war. Er bezieht sich auf die Errichtung von Lagern für Kriegsgefangene der englischen und amerikanischen Luftstreitkräfte in bombardierten deutschen Städten. Der Führungsstab, der Luftwaffe schlägt dieses Projekt vor, um durch Anwesenheit von alliierten Kriegsgefangenen die deutsche Bevölkerung der in Frage kommenden Städte vor möglichen englischen und amerikanischen Luftangriffen zu schützen und um in diese Orte alle schon vorhandenen Fliegerlager verlegen zu können.

Dieser Einrichtung stimmt der Führungsstab des OKW durch Jodl zu. Er ist der Ansicht, daß es keinen Verstoß gegen das Internationale Recht darstelle, wenn man sich auf die Errichtung neuer Lager beschränke.

Wenn wir den eigentlichen Grund für diese Entscheidung nicht wüßten, könnten wir, wie der Angeklagte Jodl, annehmen, daß hier kein Verstoß gegen das Internationale Recht vorliege. Aber diese Maßnahmen werden vor allem, wie die ersten Zeilen des Dokuments es beweisen, zum Schutz der deutschen Stadtbevölkerung [131] ergriffen. Die alliierten Kriegsgefangenen waren nur ein Mittel, um eventuelle Luftangriffe abzuwenden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird man nicht zögern, ihre Verhältnisse zu verschlimmern, indem man sie der Kriegsgefahr aussetzt. Dies ist eine schwere Mißachtung der Verpflichtung, den Kriegsgefangenen Sicherheit zu gewähren, wie dies in der Genfer Konvention im Artikel 9 verlangt wird, nach dem diejenige Macht, die die Gefangenen unter ihrem Schutze hält, hierfür verantwortlich ist.

Keitel hat auf die erste Seite des Dokuments nur zwei Worte geschrieben: »Kein Einwand.« Es folgen seine Initialen.

Ich komme jetzt auf Seite 34 meines Manuskripts zu den Maßnahmen, die gegen entkommene Kriegsgefangene ergriffen wurden.

Diese Maßnahmen weisen einen besonders ernsten Charakter auf. Das zeigt Dokument RF-1449, 1650-PS, das von der Amerikanischen Anklagevertretung am 13. Dezember 1945 als US-246 vorgelegt wurde. Ich glaube, es ist nicht unbedingt notwendig, daß ich es verlese; der Gerichtshof weiß darüber genügend Bescheid.

Dieses Dokument enthüllt die Anwendung der so genannten »Kugel-Aktion«, um die Flucht von gefangenen Offizieren und Unteroffizieren zu verhindern. Ihr einziger Zweck ist es, diese Offiziere und Unteroffiziere der Polizei zu übergeben, und das ist die »Sonderbehandlung«, von der die offiziellen Befehle und Berichte sprechen. Diese »Sonderbehandlung« aber, wie Sie wissen, bedeutete nichts anderes als Vernichtung.

Nach den Bestimmungen des Artikels 47 und folgender der Genfer Konvention dürfen lediglich Disziplinarstrafen, in diesem Fall also Arrest, den flüchtigen Kriegsgefangenen von dem betreffenden Staate auferlegt werden. Keitel hat nicht gezögert, davon abzusehen und hat statt dessen radikalere Mittel ergriffen.

DR. OTTO NELTE, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN KEITEL: Der französische Herr Anklagevertreter ist im Begriff, auf eine Urkunde Bezug zu nehmen, die Ihnen als Vernehmung Westhoff in dem Urkundenbuch als RF-711 unterbreitet ist. Dieses Schriftstück ist bezeichnet als Résumé über die Vernehmung des deutschen Generals Westhoff, wobei es sich um einen besonders schweren Vorwurf gegen den Angeklagten Keitel handelt, nämlich um die Erschießung der englischen Fliegeroffiziere, die aus dem Lager Sagan entflohen waren.

Ich widerspreche der Verwendung dieses Schriftstückes als Beweisurkunde aus folgenden Gründen:

  • 1. Die vorgelegte Urkunde ist kein Affidavit, sondern nur ein zusammenfassender Bericht über Aussagen des Generals Westhoff.

  • 2. Der vorgelegte Bericht ist nicht von dem vernehmenden Oberst Williams unterzeichnet, er ist überhaupt nicht unterzeichnet, sondern trägt nur den Vermerk des Übersetzers.

  • [132] 3. Es ist aus dem Dokument nicht zu erkennen, wer der Verfasser dieses Berichtes ist.

  • 4. Es ist ferner aus dem Bericht nicht zu erkennen, ob General Westhoff eidlich vernommen worden ist.

  • 5. General Westhoff befindet sich, soweit ich unterrichtet bin, hier in Nürnberg.

  • 6. Es liegt auch ein Protokoll über die Vernehmung des Generals Westhoff vor. Aus diesen Gründen bitte ich den Gerichtshof zu prüfen, ob das vorgelegte Dokument, gezeichnet als Résumé über Vernehmung des Generals Westhoff, als Beweisdokument zulässig ist.

VORSITZENDER: Was erwidern Sie auf die verschiedenen Einwände, die Dr. Nelte vorgetragen hat?

M. QUATRE: Herr Vorsitzender, ich erkenne durchaus an, daß der Einspruch der Verteidigung berechtigt ist, und ich werde am Ende dieser Sitzung in der Lage sein, dem Gerichtshof ein genaues Protokoll der Vernehmung General Westhoffs vorzulegen, dem ein Affidavit von Sir David Maxwell-Fyfe beigefügt ist.

Ich bedauere, es im Augenblick nicht vorlegen zu können, aber ich habe es zu spät erhalten, und aus technischen Gründen habe ich es meinem Dokumentenbuch nicht beigefügt.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß das Dokument, das Sie uns vorgelegt haben, nicht zulässig ist. Es ist nur eine Zusammenfassung, und wir glauben, daß wir das Vernehmungsprotokoll nur zulassen können, wenn ein Exemplar davon dem Verteidiger ausgehändigt wird und der Zeuge, der dem Verhör unterzogen wurde, dem Verteidiger zu einem eventuellen Kreuzverhör zur Verfügung gestellt wird. Sonst müssen Sie General Westhoff vorladen und ihn im Verlauf der Sitzung vernehmen. Ist Ihnen das klar? Ich kann es wiederholen, wenn Sie wollen.

Das Dokument, das Sie uns vorgelegt haben, wird abgelehnt. Sie können entweder General Westhoff als Zeugen vorladen, und dann kann er natürlich einem Kreuzverhör unterzogen werden, oder Sie können das Verhör vorlegen, nachdem Sie ein Exemplar davon dem Verteidiger zugestellt haben, und dann wird General Westhoff, der diesem Verhör unterworfen wurde, auch der Verteidigung zum Kreuzverhör zur Verfügung stehen.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof, würden Sie mir gestatten, einen Augenblick zu unterbrechen?

Das Dokument, von dem mein geehrter Kollege eben sagte, daß es von mir beglaubigt wurde, ist ein Bericht der Kriegsverbrechenkommission der Vereinten Nationen, den ich als beglaubigtes Dokument erhalten habe. Ich halte es daher nach Artikel 21 des Statuts für zulässig.

[133] Das Verhör, das mein Kollege, der Französische Anklagevertreter, dem Gerichtshof zur Prüfung unterbreitet, ist nicht nur ein einfaches Vernehmungsprotokoll, sondern es stellt ein Dokument dar.


VORSITZENDER: Ich verstehe das vollkommen, Sir David, aber es kommt noch etwas anderes hinzu. Wenn es wahr ist, daß General Westhoff sich jetzt in Nürnberg befindet, so wäre es ziemlich ungerecht, ein derartiges Dokument vorzulegen, ohne die Person, die die Erklärung abgegeben hat, oder aus deren Verhör die Erklärung zusammengestellt wurde, einem Kreuzverhör durch die Verteidiger zu unterwerfen.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gestatten Sie, Herr Vorsitzender, ich möchte bitten, diese Frage genau zu erwägen, denn der Gerichtshof hat das Dokument noch nicht vor sich, und es handelt sich um einen Bericht an die Kriegsverbrechenkommission der Vereinten Nationen über die fragliche Vernehmung und ist daher gemäß Artikel 21 des Statuts zulässig.

Der Gerichtshof kann also nach diesem Artikel des Statuts von diesem Dokument Kenntnis nehmen.


VORSITZENDER: Denken Sie, daß es das richtige Verfahren wäre, diesen Bericht in Betracht zu ziehen, und den Verteidigern die Vorladung von General Westhoff zu überlassen, wenn es ihr Wunsch ist?


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, das würde ich vorschlagen. Wir müssen den Artikel 21 des Statuts in diesem Sinne auslegen.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof möchte wissen, ob das Verhör von der Anklagebehörde in Nürnberg vorgenommen wurde?


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mir wird soeben mitgeteilt, daß das Verhör in London stattfand. Ich wußte dies nicht und auch nicht, daß General Westhoff in Nürnberg sein soll.


VORSITZENDER: Sir David, können Sie uns mitteilen, ob das Verhör in Nürnberg oder in London vorgenommen wurde?


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mir wurde mitgeteilt, daß es in London vorgenommen wurde.


VORSITZENDER: Wissen Sie, wo sich der Zeuge jetzt befindet?


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich wußte nicht, daß er in Nürnberg ist, bis Sie es sagten, Herr Vorsitzender.


DR. NELTE: Ich habe in der vergangenen Woche von Herrn General Westhoff aus dem hiesigen Zeugenhaus einen Brief, Antworten auf andere Fragen, erhalten. Er war also in der vergangenen Woche hier.


[134] VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird die Sitzung jetzt unterbrechen.


[Pause von 10 Minuten.]


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte nur ein oder zwei Worte hinzufügen, um die Lage klarzustellen. Ich will dies, weil es sich hier um eine Frage handelt, auf die die Britische Regierung sehr großen Wert legt. Der Vorgang war so: Am vergangenen 25. September sandte die Britische Regierung einen vollen Bericht über diesen Zwischenfall an die Kriegsverbrechenkommission der Vereinten Nationen. Dieser Bericht enthielt Erklärungen vor einem Untersuchungsgerichtshof, Erklärungen alliierter Zeugen, Aussagen von deutschen Zeugen, einschließlich General Westhoffs, Abschriften der offiziellen Totenlisten und einen Bericht der Schutzmacht. All das wurde vergangenen September von der Britischen Regierung an die Kriegsverbrechenkommission der Vereinten Nationen geschickt. Die Erklärungen des Generals Westhoff, die ich als einen Bericht der Kriegsverbrechenkommission der Vereinten Nationen beglaubigte, waren ein Teil des Anhangs zu diesem Bericht, der sich damals im Besitz der Kriegsverbrechenkommission der Vereinten Nationen befand; eine Abschrift davon wurde mir hierher zugeschickt.

Ich habe diese Abschriften meinen französischen Kollegen zur Verfügung gestellt und sie beziehen sich auf einen früheren Bericht, der von General Westhoff bei einem Verhör in London gemacht wurde und einen Teil dieses Berichtes bildet. Das Dokument, das mein Kollege angeführt hat, war eine Zusammenfassung eines darauffolgenden Verhörs von General Westhoff, das in Nürnberg vorgenommen wurde.

Eure Lordschaft! Ich wollte die Lage vor dem Gerichtshof vollkommen klarstellen; denn der Zwischenfall ist, wie ich sagte, von einiger Bedeutung und der Bericht der Britischen Regierung wird, wie ich hoffe, von meinem russischen Kollegen dem Gerichtshof vorgelegt werden, da der Zwischenfall sich östlich der Linie ereignete, die wir durch die Mitte Berlins gezogen haben. Deshalb ist die Russische Anklagebehörde dafür zuständig.

Ich will aber nicht, daß der Gerichtshof eine falsche Vorstellung hinsichtlich des früher abgegebenen Berichtes hat, den mein Kollege später vorlegen will, sollte es der Gerichtshof verlangen.


VORSITZENDER: Aber Sie geben zu, daß das Dokument, das man jetzt dem Gerichtshof vorlegen will, kein amtliches Dokument im Sinne des Artikels 21 des Statuts ist?


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich stimme damit überein, daß das nicht das Dokument ist, von welchem ich sprach. Ich sprach von dem zweiten.


[135] VORSITZENDER: Jetzt interessieren wir uns aber nicht für das Dokument, von dem Sie sprechen, sondern für dasjenige, gegen das Einwand erhoben worden ist.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das begreife ich, aber ich wollte nur sagen, daß mein Kollege das zweite Dokument zur Vorlage bringen wollte.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof gibt dem Einspruch des Dr. Nelte statt. Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß das vorgelegte Dokument kein amtliches Dokument im Sinne des Artikels 21 des Statuts ist und infolgedessen abgelehnt wird. Der Gerichtshof hält sich an die kurz vor unserer Vertagung von mir bekanntgegebene Entscheidung, daß die Anklagebehörde, wenn sie es wünscht, das Protokoll des Verhörs, als dessen Zusammenstellung sie das ihr vorgelegte Dokument ansieht, vorlegen kann. Wenn sie aber dieses Dokument vorlegt, muß sie gleichzeitig den Zeugen General Westhoff zum Kreuzverhör durch den Verteidiger vorladen. Als Alternative kann sie natürlich General Westhoff selbst vorladen, und dann kann der Verteidiger den Zeugen ins Kreuzverhör nehmen.


M. QUATRE: Ich möchte erklären, daß ich gern jeden unnötigen Zeitverlust vermeiden möchte, um so mehr als wir heute schon viel Zeit verloren haben.

Wir werden uns bis auf weiteres nicht auf dieses Dokument beziehen und auch General Westhoff bis auf weiteres nicht hier vorladen lassen. Ich bitte nur den Gerichtshof, mir im Bedarfsfall das Recht vorzubehalten, General Westhoff später hierher kommen lassen zu können, wenn das Verhör der Angeklagten stattfindet. Darf ich fortfahren, Herr Vorsitzender?


VORSITZENDER: Ja.


M. QUATRE: Ich bin, meine Herren, auf Seite 36 meiner Ausführungen angelangt, bei der Behandlung der gefangenen alliierten Flieger. Ich werde mich über diesen Punkt kurz fassen, da er Ihnen schon ausführlich auseinandergesetzt wurde.


VORSITZENDER: Darf ich unterbrechen? Ich will Ihnen mitteilen, daß der Gerichtshof bereit ist, heute Abend bis um 5.30 Uhr zu tagen, damit die Anklage gegen den Angeklagten Heß beendet werden kann. Es ist nämlich sehr wichtig, daß der Fall Heß heute Abend abgeschlossen wird, denn der Russische Anklagevertreter benötigt morgen den ganzen Tag für seine eigenen Ausführungen.


M. QUATRE: Herr Vorsitzender! Ich werde mich äußerst kurz fassen. Ich werde sofort zu unseren Schlußfolgerungen übergehen. Ich werde mich nicht weiter über die Behandlung der alliierten Flieger auslassen, ebensowenig über die Behandlung der Kommandotruppen, da Sie dies alles ja schon kennen, und indem ich mich [136] nochmals entschuldige, daß ich mich nicht kürzer fassen konnte, komme ich jetzt zum Schluß.

Es ist letzten Endes der Begriff der verbrecherischen Absicht, der der Ausarbeitung und Abfassung der Befehle und Richtlinien, die von mir soeben erwähnt wurden, zugrunde lag. Da man die Wirklichkeit der Handlungen, die auf Grund dieser Entscheidungen vorgenommen worden sind, nicht ableugnen kann, so darf man auch jenes moralische Element nicht verkennen oder unterschätzen, das das französische Strafrecht mit den Worten eines bedeutenden Juristen als die »dem Handelnden bewußt gewordene Erkenntnis des unerlaubten Charakters der von ihm begangenen Handlung« bezeichnet. Diese Erkenntnis des unerlaubten Charakters ihrer Befehle, deren peinlich genaue Ausführung ihnen bewußt war, haben die beiden Angeklagten in vollem Umfang gehabt.

Die systematische Verwerfung der Gesetze und Gewohnheiten, die die Härte des Krieges mildern sollen, und die Tatsache, daß sie völlig barbarische Verfahren zum Grundsatz erhoben haben, sind im Falle von Keitel und Jodl nur der Abglanz der Vorschriften und Normen des Nationalsozialismus und seines Führers, für die jedes Internationale Recht, jedes Abkommen, jede moralische Regel nur unerträglicher Zwang und ein Hindernis auf dem Wege zum gesetzten Ziel waren, sobald sie dem höheren Interesse der deutschen Gemeinschaft widersprachen. Es ist nicht gleichgültig zu wissen, ob Keitel und Jodl von der Sucht nach Befriedigung ihres Ehrgeizes getrieben wurden oder ob sie getreu dem traditionellen Pangermanismus des deutschen Generalstabs dem Taumel des Nationalsozialismus erlegen sind, um eines Tages die stolzen Ansprüche Deutschlands triumphieren zu sehen.

Worauf es jedoch unserer Ansicht nach in erster Linie ankommt, ist der persönliche Beitrag, den sie freiwillig und wissentlich zu den zerstörenden Eingriffen, die durch das Dritte Reich vorgenommen wurden, geleistet haben. Zehn Jahre lang war Keitel die Haupttriebfeder der Deutschen Wehrmacht, und seit 1936 war Jodl sein ständiger treuer Mitarbeiter. Vor dem Kriege haben sie für den Krieg gearbeitet und während des Krieges haben sie vorsätzlich die Regeln des Rechtes und der Gerechtigkeit mißachtet, die den einzigen Schutz der Männer darstellten, die sich im Kampf befanden. Sie trugen die tiefste Verachtung der menschlichen Würde und Person zur Schau und haben sich daher gegen ihre Soldatenehre vergangen.

Der »Nacht- und Nebel-Erlaß«, die »Kugelaktion«, die »Sonderbehandlung«, die Zerstörung unserer Städte werden immer am Namen dieser Männer haften, insbesondere an dem Keitels, der zu erklären wagte, daß ein Menschenleben weniger als nichts wert sei.

[137] Und zu dieser Stunde können wir nicht umhin, unsere Gedanken den Unzähligen zuzuwenden, die nicht hier sein können, weil sie ihr Leben zum Opfer gebracht haben.


OBERSTLEUTNANT J. M. G. GRIFFITH-JONES, HILFSANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Hoher Gerichtshof! Es ist meine Pflicht, heute Beweismaterial bezüglich Anklagepunkt 1 und 2 gegen den Angeklagten Heß vorzubringen.

Eure Lordschaft! Der Schriftsatz, der, wie ich glaube, dem Gerichtshof vorliegt, hat die Form ziemlich vollständiger Beweisangaben. Ich werde daher auf ihn Bezug nehmen, und es wird für den Gerichtshof angebracht sein, ihn während der Sitzung vor sich zu haben.

Ich werde als Beweis zuerst die verschiedenen Stellungen aufzählen, die der Angeklagte Heß innehatte und die im Anhang A zur Anklageschrift zu finden sind, und werde dann ein Wort über sein Vorleben sagen.

Der Angeklagte Heß ist 1894 geboren. Er ist jetzt 52 Jahre alt. Er diente während des letzten Krieges in der deutschen Armee. 1919 besuchte er die Münchener Universität und wurde Führer der Nazi-Organisation an dieser Universität. Im Jahre 1920 wurde er Mitglied der Nationalsozialistischen Partei. Er war unter den ersten Mitgliedern der SA und wurde Führer der Studenten-Hundertschaft. Im Jahre 1923 nahm er am Münchener Putsch teil und wurde deshalb zu achtzehn Monaten Gefängnis verurteilt, von denen er die Hälfte zusammen mit Hitler absaß. Ich betone das, denn gerade während dieser siebeneinhalb Monate diktierte Hitler sein Buch »Mein Kampf«.


VORSITZENDER: Haben Sie auch...


OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich glaube, ich weiß, worin die Schwierigkeit besteht. Dieser Tatbestand sollte ursprünglich von der Amerikanischen Delegation vorgelegt werden, und sie hat einen eigenen Schriftsatz verfaßt. Das ist vielleicht der Schriftsatz, den Herr Biddle vor sich hat. Ich werde eine Abschrift überreichen.


VORSITZENDER: Bitte, fahren Sie fort!


OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Während dieser Zeit diktierte Hitler diesem Angeklagten das Buch »Mein Kampf«.

Ich möchte mich zunächst mit seinen tatsächlichen Stellungen beschäftigen. Von 1925 bis 1932 war er Privatsekretär und Adjutant Hitlers. Im Jahre 1932 wurde er Vorsitzender der Politischen Zentralkommission der Partei als Nachfolger Gregor Strassers. Nachdem die Nazi-Partei zur Macht gekommen war, wurde er im März 1933 Mitglied des Reichstages, und am April des gleichen Jahres wurde er zum Stellvertreter des Führers ernannt, eine [138] Stellung, die er bis zu seinem Flug nach England im Mai 1941 bekleidete.

Dieses ganze Beweismaterial findet man in zwei Dokumenten, eines ist ein Buch »Daten der Geschichte der Nazi-Partei« von Volz, das bereits als Dokument 3132-PS, US-592, vorgelegt wurde. Das zweite Dokument ist das »Deutsche Führerlexikon«, 3191-PS, US-593.

Am 1. Dezember 1933 wurde er Reichsminister ohne Geschäftsbereich, ein weiteres Amt, das er bekleidete, bis er Deutschland verließ. Dies ist im Reichsgesetzblatt zu finden. Es ist Dokument 3178-PS und ich lege es nun als GB-248 vor. Am 4. Februar 1938 wurde er Mitglied des Geheimen Kabinettsrates und das, Eure Lordschaft, finden Sie im Dokument 3189-PS, welches GB-249 wird.

Am 30. August 1939 wurde er Mitglied des Ministerrates für die Reichsverteidigung. Das ist 2018-PS, welches jetzt GB-250 wird. Am 1. September 1939 wurde er zum Nachfolger des Führers nach Göring ernannt. Göring war, wie Sie sich erinnern, Nachfolger Nummer 1, und während dieser Zeit hatte Heß die Stellung eines Obergruppenführers in der SS und SA inne.

Das vervollständigt den formellen Beweis bezüglich der Stellungen, die ihm in der Anklageschrift vorgeworfen werden. Ich möchte jedoch noch einige Worte über die Machtbefugnisse sagen, die er auf Grund dieser Stellungen innehatte. Der Gerichtshof wird sich daran erinnern, daß, als Hitler den Angeklagten Heß zu seinem Stellvertreter ernannte, dieser Erlaß folgendermaßen lautete:

»Ich ernenne hiermit Rudolf Heß zu meinem Stellvertreter und bevollmächtige ihn, Entscheidungen in meinem Namen in allen Fragen der Parteiführung zu treffen.«

Das Ausmaß seiner Machtbefugnisse als Stellvertreter des Führers kann dem Parteijahrbuch des Jahres 1941, auf das ich den Gerichtshof kurz hinweisen möchte, entnommen werden, und zwar auf Seite 104 im Dokumentenbuch des Gerichtshofs. Es ist 3163-PS und wurde schon als US-324 vorgelegt. Ich zitiere aus diesem Jahrbuch:

»Durch Erlaß des Führers vom 21. April 1933 hat der Stellvertreter des Führers die Vollmacht erhalten, ›in allen Fragen der Parteiführung im Namen des Führers zu entscheiden‹. Damit ist der Stellvertreter des Führers bevollmächtigter Vertreter des Führers für die gesamte Führung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. Die Dienststelle des Stellvertreters des Führers ist daher eine Dienststelle des Führers.

Dem Stellvertreter des Führers obliegt im wesentlichen die Aufgabe, die Parteiarbeit grundsätzlich zu lenken, die Richtlinien zu geben und Vorsorge zu treffen, daß die gesamte [139] Parteiarbeit nach nationalsozialistischen Grundsätzen ausgerichtet bleibt.

Beim Stellvertreter des Führers laufen alle Fäden der Parteiarbeit zusammen. Alle parteiinternen Planungen und alle für den Bestand des deutschen Volkes lebenswichtigen Fragen werden von ihm in letzter Parteiinstanz entschieden. Der Stellvertreter des Führers gibt für die gesamte Parteiarbeit die erforderlichen Richtlinien, um die Einheit, Geschlossenheit und Schlagkraft der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei als Trägerin der nationalsozialistischen Weltanschauung zu er halten.

Dem Stellvertreter des Führers sind neben der Aufgabe der Parteiführung weitgehende Befugnisse im Bereich des Staates zugewiesen, und zwar:

1. Beteiligung an der Reichs- und Landesgesetzgebung (Gesetze und Verordnungen) einschließlich der Vorbereitung von Führererlassen. Der Stellvertreter des Führers bringt dabei die Auffassung der Partei als Hüterin der nationalsozialistischen Weltanschauung zur Geltung.

2. Zustimmung des Stellvertreters des Führers zu Ernennungsvorschlägen für Beamte und Arbeitsdienstführer.

3. Sicherung des Einflusses der Partei auf die Selbstverwaltung der Gebietskörperschaften.«

Ich möchte den Gerichtshof auf Seite 119 des Dokumentenbuches hinweisen, die eine Tabelle über die Organisation des Amtes des Stellvertreters des Führers zeigt. Es ist 3201-PS und wird GB-251. Ich möchte den Gerichtshof besonders auf das Viereck in der Mitte aufmerksam machen, das den Verbindungsoffizier der Wehrmacht zeigt und somit seine enge Zusammenarbeit mit der Wehrmacht dokumentiert. Auf der rechten Seite an der Spitze sehen Sie den Leiter der Auslandsorganisation. Ich werde den Gerichtshof in Kürze darüber unterrichten. »Der Beauftragte für auswärtige Fragen« zeigt seihe Verbindung mit der auswärtigen Politik des Deutschen Staates. »Der Beauftragte für alle Fragen der Technik und ihrer Organisationen«, »Der Beauftragte für alle Hochschulangelegenheiten«, »Kommission für Hochschulpolitik«, zeigen, daß er auch mit der Erziehung Deutschlands zu tun hatte; und weiter unten das »Rassenpolitische Amt«, das seine Verbindung mit der antijüdischen Politik der Nazi-Regierung zu tun hatte. Weiter unten finden Sie das »Amt des Sachwalters für Schulfragen«.

Wenn wir ganz kurz auf diese Tabelle blicken, so sehen wir, daß er wirklich in jeder Hinsicht mit jedem Zweige des Nazi-Lebens und der Staatsorganisation und -verwaltung verknüpft war. Im Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom [140] 1. Dezember 1933 stand, daß er als Reichsminister ohne Geschäftsbereich die Aufgabe hatte, die enge Zusammenarbeit der Partei und der SA mit den öffentlichen Behörden sicherzustellen. Ich lege dieses Dokument als 1395-PS vor, das GB-252 wird.

Er ist zu weitgehender gesetzgeberischer Vollmacht aufgestiegen, was wir schon aus dem Auszug ersehen haben, den ich aus dem Nazi-Jahrbuch 1941 zur Verlesung brachte. Ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs besonders auf eine Verordnung Hitlers vom 27. Juli 1934 lenken. Den Auszug, den ich hier verlesen will, finden Sie in dem Schriftsatz. Er wurde schon verlesen und deshalb möchte ich jetzt nur die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs nochmals auf ihn lenken. Das Dokument ist D-138 und wurde als US-403 vorgelegt. Sie werden sich erinnern, daß Hitler und sein Kabinett durch das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933 die vollen gesetzgeberischen Vollmachten erhielten, und zwar unabhängig vom Reichstag; dieser Angeklagte hatte als Mitglied des Kabinetts natürlich Anteil an diesen Vollmachten.

Seine Zustimmung zu dieser Handlungsweise kann aus einer Rede ersehen werden, die er am 16. Januar 1937 hielt, ein kurzer Auszug davon wird in dem dem Gerichtshof vorliegenden Schriftsatz gebracht:

»Der Nationalsozialismus hat dafür gesorgt, daß heute nicht mehr Lebensnotwendigkeiten der Nation von einem Reichstag zerredet und zum Schacherobjekt der Parteien gemacht werden können. Sie haben gesehen, daß im neuen Deutschland Entscheidungen von historischer Tragweite innerhalb weniger Stunden durch den Führer und sein Kabinett getroffen werden, Entscheidungen, die in anderen Ländern tage- und wochenlange Parlamentsdebatten vorausgehen lassen müssen.«

Dieser letzte Auszug ist aus Dokument 2426-PS, das GB-253 wird. Daß diese Vollmachten und Ämter in keiner Weise nur Sinekuren waren, kann aus Heß' eigenem Befehl ersehen werden, den er im Oktober 1934 herausgab. Ich werde ihn jetzt nicht verlesen, denn er wurde schon verlesen. Das ist Dokument D-139 und wurde als US-404 vorgelegt. Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß dort eine Verordnung stand, nach der ihm vom Führer das Recht verliehen wurde, an der Gesetzgebung des Reiches teilzunehmen und nach der jedes Amt, das ein Gesetz vorschlägt, an dem er teilnehmen soll, ihm den Entwurf so rechtzeitig zuleiten muß, daß er Zeit hat einzugreifen, wenn er damit nicht einverstanden ist.

Ich glaube, daß der Auszug, den ich aus dem Jahrbuch gelesen habe, seine Machtbefugnisse genügend umreißt, ohne daß ich mich auf mehr als zwei diesbezügliche weitere Dokumente beziehen muß. Auf Seite 5 des Schriftsatzes werden Sie sehen, daß er mit Machtbefugnissen an der Organisation und Erzeugungen des Vierjahresplanes teilnahm.

[141] Ich zitiere aus einer Vorlesung, die der Angeklagte Frick am 7. März 1940 hielt. Es ist 2608-PS, und wurde schon als US-714 vorgelegt. Aber die kurze Stelle, die ich jetzt zitiere, war eigentlich nicht verlesen worden. In dieser Vorlesung sagte Frick:

»Um die notwendige Zusammenarbeit der zum Geschäftsbereich des Beauftragten für den Vierjahresplan gehörenden Wirtschaftsressorts zu gewährleisten, wurden diese Ressorts im Generalrat zusammengefaßt, dessen Vorsitz Generalfeldmarschall Göring führt und dem die Staatssekretäre der an der Kriegswirtschaft beteiligten Ressorts, der Chef des Wehrwirtschaftsamtes und ein Beauftragter des Stellvertreters des Führers angehören.«

Und schließlich ein Zitat aus der »Nationalzeitung« vom 27. April 1941, M-102, GB-254. Eure Lordschaft! Es ist auf Seite 4 des Schriftsatzes zu finden. Ich zitiere diese Auszüge, um dabei dem Gerichtshof einen Hinweis auf das Dokumentenbuch, also einen Zeitverlust, zu ersparen. Es erscheint auf Seite 12 des Dokumentenbuches, wenn der Gerichtshof sich den ganzen Auszug ansehen will:

»Vor geraumer Zeit – es war noch vor Ausbruch dieses Krieges – ist Rudolf Heß einmal das ›Gewissen der Partei‹ genannt worden. Wenn wir fragen, weshalb dem Stellvertreter des Führers dieser gewiß ehrenvolle Name gegeben worden ist, dann liegt der Grund hierfür klar auf der Hand: Es gibt keine Erscheinung unseres öffentlichen Lebens, um die sich der Stellvertreter des Führers nicht zu kümmern hat. So ungeheuer vielseitig und mannigfach ist sein Arbeits- und Aufgabengebiet, daß es sich mit ein paar Worten gar nicht umreißen läßt, und in der Natur der dem Stellvertreter des Führers gestellten Obliegenheiten liegt es, daß die breite Öffentlichkeit eigentlich wenig von dem Wirken Rudolf Heß' hört. Die wenigsten wissen, daß viele Maßnahmen unserer Staatsführung, auch gerade auf kriegswirtschaftlichem Gebiet und der Partei, die bei der Öffentlichkeit dann, wenn sie verkündet werden, so starken Anklang finden, weil sie dem wahren Volksempfinden in so starkem Maße Rechnung tragen, auf die persönliche Initiative des Stellvertreters des Führers zurückgehen.«

Vielleicht sollte ich den Gerichtshof nun daran erinnern, daß in der Verordnung, die einen Geheimen Kabinettsrat geschaffen hatte, dieser Rat von Hitler eingesetzt wurde, um ihn in der Führung der auswärtigen Politik zu beraten. Der Gerichtshof wird im Anhang des Dokumentenbuches einige Photographien finden, die weniger Bedeutung haben. Sie sind lediglich dazu da, um den Gerichtshof an den Film zu erinnern, der im Laufe dieses Verfahrens vorgeführt wurde. In diesem Film »Der Aufstieg der Nazi-Partei zur Macht« [142] erschien der Angeklagte Heß fast in jeder Szene. Diese Photographien sind nicht direkt ans diesem Film, sie sind aber ziemlich ähnlich, und hier ist eine eidesstattliche Erklärung, die beweist, daß sie von dem Privatphotographen Hitlers stammen. Diese eidesstattliche Erklärung ist die Nummer GB-255.

Das ist Beweismaterial bezüglich seiner Stellung und seiner Machtbefugnisse. Vielleicht darf ich dazu noch kurz etwas vorbringen; ich tue dies im Hinblick auf den Angeklagten Heß, obwohl es sich eigentlich auf jeden einzelnen Angeklagten beziehen kann.

Die Anklagebehörde hat die Anklageschrift gegen die einzelnen Angeklagten in der Form einer Sammlung von Dokumenten vorgebracht, die sich direkt auf diese Angeklagten beziehen, und die sie mit bestimmten Beispielen der Teilnahme an den mannigfaltigen vom deutschen Volk begangenen Verbrechen belasten. Meines Erachtens genügt zur Rechtfertigung der Bestrafung dieses Mannes und seiner Kollegen der einfache Beweis ihrer Stellungen im Nazi-Staat und der Beherrschung dieses Staates, sowie der allgemeine Beweis der vom deutschen Volk begangenen Verbrechen. Es wird vielleicht erst im jetzigen Zeitpunkt des Verfahrens, da der Umfang und die Reichweite dieser Verbrechen immer klarer werden, möglich, zu erkennen, daß diese Verbrechen sich nicht von selbst ereignet haben können. Verbrechen in diesem Ausmaß müssen organisiert, zusammengefaßt und geleitet werden. Wenn die Regierung des Nazi-Deutschlands oder die Regierung irgendeines Landes nicht die Organisation ist, die diese Verbrechen leitete und koordinierte, wer sollte es sonst gewesen sein? Wenn die Angehörigen der deutschen Nation, die diese Verbrechen verübten, für sie nicht verantwortlich sind, dann muß ich fragen: Wer ist es sonst?

Es kann also kein Zweifel darüber bestehen, daß diese Männer von ihnen Kenntnis hatten, und daß sogar jedermann in Deutschland wissen mußte, was sich ereignete, und wenn jedermann darüber unterrichtet war, dann behaupte ich, daß diese Leute sicherlich davon gewußt haben. Ich möchte also den Gerichtshof dringend ersuchen, sich zu vergegenwärtigen, daß die Verurteilung dieser Leute nicht von der Zahl der zufällig beschlagnahmten Dokumente, die ihre Unterschriften tragen, abhängt. Es wäre möglich gewesen, daß überhaupt kein Dokument aufgefunden worden wäre, aber nach der Ansicht der Anklagebehörde hätten diese Leute zweifellos ebensogut und ebenso rechtmäßig für schuldig befunden werden können in Anbetracht der Stellungen, die sie innehatten, und auf Grund des Umfanges und Ausmaßes der Verbrechen, die von den ihnen unterstellten Leuten begangen wurden.

Da dies auch meine Ansicht ist, möchte ich mich nur kurz mit vielen kleinen Angelegenheiten befassen, durch welche Heß in fast [143] jeder Seite der Verbrechen und des Lebens Nazi-Deutschlands verwickelt ist.

Ich wende mich Seite 6 meines Schriftsatzes zu.

DR. SEIDL, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN HESS: Es wurde soeben vom Herrn Anklagevertreter eine eidesstattliche Versicherung erwähnt, GB-255. Ich kann diese eidesstattliche Versicherung weder im Trialbrief noch in dem Dokumentenbuch finden. Ich kann daher zu der eidesstattlichen Versicherung nicht Stellung nehmen und kann insbesondere nicht die Frage prüfen, ob gegen diese Versicherung irgendwelche Bedenken in Bezug auf die Vorschriften des Statuts zu erheben sind. Ich bitte dem Anklagevertreter aufzugeben, daß mir diese eidesstattliche Versicherung vorgelegt wird.

VORSITZENDER: Wir konnten das Ende der Übersetzung nicht hören. Nun setzen Sie fort!

DR. SEIDL: Ich weiß nicht, Herr Präsident, wieviel Sie überhaupt übersetzt bekommen haben.


VORSITZENDER: Da ist irgendein Dokument, von dem Sie sprechen, das nicht im Dokumentenbuch ist?


OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich möchte sagen, daß die Photographien in dem Buch sind. Die eidesstattliche Erklärung des Photographen wurde durch einen Fehler ausgelassen. Das Original ist hier; ich habe eine Abschrift, die ich Dr. Seidl zur Verfügung stelle. Ich bedauere, daß das nicht früher geschah. Es war kein sehr wichtiges Dokument.

Eure Lordschaft! Wie es erwartet werden konnte, spielte der Angeklagte Heß durch seine Stellung eine führende Rolle bei der Machtübernahme der Partei und bei der Festigung ihrer Kontrolle der Staatseinrichtungen. Durch das Gesetz vom 1. August wurde das Amt des Reichspräsidenten...


VORSITZENDER: 1934?


OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: 1934, ja. Entschuldigen Sie. Laut Gesetz vom 1. August 1934 wurde das Amt des Reichspräsidenten und das des Reichskanzlers in Hitler vereinigt. Hitler bekleidete beide Stellungen. Dieses Gesetz wurde von dem Angeklagten Heß und von anderen unterzeichnet. Heß hat am 20. Dezember 1934 auch ein Gesetz unterschrieben, das den Titel trägt »Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei.« Nach Artikel 1 dieses Erlasses sollten Strafen denjenigen auferlegt werden, welche das Ansehen der Regierung, der NSDAP oder ihrer Gliederungen durch Verbreitung falscher Gerüchte beeinträchtigten. Durch Artikel 2 wurden Strafen für Erklärungen auferlegt, die eine böswillige Einstellung gegenüber der Partei oder deren führende Persönlichkeiten bewiesen. Die Verordnung wurde von Heß unterzeichnet, [144] und es war der Angeklagte Heß, der die notwendigen Ausführungsbestimmungen dazu erlassen hatte.

Er spielte eine führende Rolle bei der Übernahme der Kontrolle von Ernennungen zu Staatsstellen. Ich zitiere in allen diesen Fragen nur ein paar Beispiele, denn, wenn ich jede Verordnung zitieren wollte, die der Angeklagte unterschrieben hat, jede hierhergehörige Handlung, an der er teilnahm, dann würden wir eine Geschichte der Nazi-Partei von 1920 bis 1941 und eine Geschichte Deutschlands von 1933 bis 1941 zu schreiben haben. Auf Seite 7 meines Schriftsatzes finden Sie verschiedene Verordnungen, die alle von Heß unterschrieben wurden: am 24. September 1935 eine Verordnung, die vorsah, daß Heß bei Ernennung von Reichs- und Länderbeamten befragt werden mußte; am 3. April 1936 eine Verordnung, die vorsah, daß Heß an der Ernennung von Arbeitsdienstbeamten teilnehmen mußte; und ich beziehe mich wieder auf den 10. Juli 1937, auf eine andere Verordnung, nach der er auch bei Ernennung von Staatsbeamten geringerer Rangstufen gefragt werden mußte.

Hinsichtlich der Kontrolle, die die Nazi-Partei über die deutsche Jugend ausübte, gibt es wieder eine Reihe von Verordnungen, die von dem Angeklagten Heß unterzeichnet sind. Ich erwähne in meinem Schriftsatz besonders einen Hinweis auf das Buch, das schon vorgelegt wurde, das Buch von Volz über die Daten der Nazi-Partei, in dem die Tatsache zu finden ist, daß er eine Universitätskommission der Partei unter seiner Überwachung einsetzte. Der Gerichtshof wird sich daran erinnern, daß wir schon aus der Tabelle seines Stabes ersehen haben, daß ihm ein Amt für Universitätsfragen und Unterricht unterstellt war. Ich zitiere aus demselben Dokument:

»Am 18. Juli 1934 wurde der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund direkt dem Stellvertreter des Führers unterstellt.«

Der Angeklagte war, wie sich der Gerichtshof erinnern wird, Obergruppenführer der SS und SA. Seine Verantwortlichkeit für die Verbindung mit diesen Organisationen kann aus drei Dokumenten ersehen werden.

Unter den Papieren, die im Krupp-Archiv gefunden wurden, war auch ein Rundschreiben, das von dem Angeklagten Heß anscheinend an verschiedene Industrielle gesandt wurde, und in dem er zur »Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft« aufforderte. Das Dokument ist D-151, das ich nun als GB-256 vorlege, den wesentlichen Auszug finden Sie im Schriftsatz:

»Die ›Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft‹ beruht auf einer Vereinbarung zwischen der Reichsleitung der NSDAP und dem Beauftragten der deutschen Wirtschaft. Zweck der Spende ist: einerseits der Reichsleitung die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur zentralen Durchführung von den [145] Aufgaben, die SA, SS, SD, HJ, der politischen Organisationen usw. zugute kommen, benötigt werden.«

Ich möchte noch sagen, daß dieses letzte Dokument auf Seite 5 des Dokumentenbuches gefunden werden kann.

Heß hat am 9. Juni 1934 eine Verordnung unterzeichnet, durch die der Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS als einziger politischer Nachrichten- und Abwehrdienst der Partei eingesetzt wurde.

Am 14. Dezember 1938 hat er eine andere Verordnung erlassen, durch die der SD, den Himmler aufgestellt hatte, unabhängig von der Partei wurde und von der SS zu organisieren war. Beide Verordnungen rühren von Heß her und stellen das gleiche Dokument 3385-PS dar, das GB-257 wird; sie erscheinen auf Seite 172 des Dokumentenbuches.

Eure Lordschaft! Es wurde schon viel Beweismaterial über den Kampf gegen die Kirchen vorgebracht, der die Beseitigung jeder als nazifeindlich angesehenen Partei zum Ziele hatte. Heß hat auch an dieser Gesetzgebung teilgenommen, und Sie finden im Schriftsatz auf Seite 8 und 9 eine ganze Reihe von Verordnungen, die schon während des Verfahrens gegen Bormann dem Gerichtshof vorgelegt wurden.

Sie werden sich erinnern, daß Bormann bis zu dem Zeitpunkt, als Heß nach England flog, sein Stellvertreter war, und deshalb bin ich der Ansicht, daß für die Verordnungen, die von Bormann als Stellvertreter des Stellvertreters des Führers herausgegeben wurden, der Angeklagte Heß ebenfalls verantwortlich ist.

Um Zeit zu gewinnen, werde ich nicht weiter darauf eingehen und möchte mich darauf beschränken, den Gerichtshof darauf hinzuweisen und das Beweismaterial im Gedächtnis zu behalten, das sich gegen den Angeklagten Bormann richtete.

Ich komme nun zu seiner Tätigkeit im Zusammenhang mit der Verfolgung der Juden. Sie werden sich wieder erinnern, daß Heß nach der graphischen Darstellung seiner Organisation ein eigenes rassenpolitisches Amt unterstellt war. Seine eigenen Ansichten über diese Frage finden Sie in einer Rede, die er am 16. Januar 1937 hielt, und die in dem Buch seiner Reden, 3124-PS, steht. Es ist schon als GB-253 vorgelegt worden. Der Auszug, den ich zitieren möchte, befindet sich im Schriftsatz. Das Dokument finden Sie auf Seite 98 des Dokumentenbuches:

»Die Organisationen der NSDAP werden eingesetzt zur Aufklärung des Volkes über Rasse- und Gesundheitsfragen mit dem Ziele der Besserung von Volksgesundheit und Rasse und der Erhöhung der Volkszahl...

Wie in der Heimat, so werden auch draußen durch die nationalsozialistischen Landesgruppen und Ortsgruppen der [146] NSDAP die Deutschen im nationalsozialistischen Sinne beeinflußt. Sie werden wieder zu stolzem Bewußtsein ihres Deutschtums, zum Zusammenhalt untereinander, zur Achtung voreinander erzogen – werden erzogen, daß sie den Deutschen stets hoher stellen als Angehörige einer fremden Nation, Ohne Rücksicht auf Stand oder Herkunft.«

Es war Heß, der das Gesetz zum Schutz von Blut und Ehre unterzeichnete, eines der Nürnberger Gesetze vom 15. September 1935. Es ist 3179-PS und liegt bereits als Beweisstück US-200 vor. Sie werden sich erinnern, daß nach diesem Gesetz sowie nach dem Reichsbürgergesetz vom gleichen Datum der Stellvertreter des Führers es war, der die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Durchführung und Ergänzung dieser Nürnberger Gesetze zu er lassen hatte.

Am 14. November 1935 war es Heß, der eine Verordnung erließ, wonach das Reichsbürgergesetz derartig erweitert wurde, daß den Juden das Stimmrecht und das Recht, öffentliche Ämter zu bekleiden, genommen wurde. Das ist 1417-PS, GB-258.

Durch eine weitere Verordnung vom 20. Mai 1938 wurden diese Nürnberger Gesetze auf Österreich ausgedehnt. Dieses Ausdehnungsgesetz wurde wieder von diesem Angeklagten unterzeichnet: 2124-PS, GB-259.

Wie ich schon vorher sagte, sind dies nur einige wenige Beispiele für die Verordnungen, die dieser Mann erlassen hat, und für sein aktives Vorgehen zur Erwerbung und Festigung seiner Machtposition innerhalb der Nazi-Partei. Ich werde jetzt dem Gerichtshof noch ein Dokument vorlegen, das er seinen Dokumentenbüchern beifügen kann, und hier ist noch eine Abschrift in französischer Sprache für den Herrn französischen Richter. In diesem Beweisstück und in anderen, die ich noch nicht erwähnt habe, die dem Gerichtshof aber schon im Fall Bormann vorgelegt wurden, sind, wie ich schon vorher sagte, Taten zu finden, für die dieser Angeklagte die Verantwortung übernehmen muß.

Sie werden sehen, daß unter verschiedenen Titeln, es sind eine oder zwei Abschriften in deutsch, das übrige ist in englisch, einige Dokumente die Überschrift »Verbindung mit dem SD und der Gestapo«, »Verfolgung der Kirchen« und andere wieder »Verfolgung der Juden« tragen.

Ich komme nun zu der Rolle, die Heß in der tatsächlichen Vorbereitung und, Planung des Angriffskrieges gespielt hat. Wir finden, daß er sich schon 1932 mit der Wiederaufrüstung und dem Wiederaufbau der Luftwaffe beschäftigte. Der Gerichtshof wird sich an Dokument 1143-PS und US-40 vom 20. Oktober 1932 erinnern. Dieses Dokument zeigt, daß ein Bericht über die Bereitstellung von Material und die Ausbildung von Fliegerpersonal zur Aufrüstung [147] der Luftwaffe von Rosenbergs Stabschef an Heß gesandt wurde. Dieses Dokument erscheint auf Seite 43 des Dokumentenbuches des Gerichtshofs.

Das war im Jahre 1932. In all den Jahren sehen wir ihn eng verbunden mit der Wiederaufrüstung der Deutschen Wehrmacht. Am 16. März 1935 war es Heß, der die Verordnung über die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht unterzeichnete. Am 11. Oktober 1936 hat er Görings Ruf: »Kanonen statt Butter« aufgenommen:

»Wir sind bereit, auch künftig – wenn notwendig – mal etwas weniger Fett, etwas weniger Schweinefleisch, ein paar Eier weniger zu verzehren, weil wir wissen, daß dieses kleine Opfer ein Opfer auf dem Altar der Freiheit unseres Volkes bedeutet. Wir wissen, daß die Devisen, die wir dadurch sparen, der Aufrüstung zugute kommen. Auch heute gilt die Parole: ›Kanonen statt Butter!‹«

Dieses Dokument ist M-104 und wird GB-260; wir finden es auf Seite 14 des Dokumentenbuches des Gerichtshofs. Im Mai 1941 hat er eine Rede in den Messerschmitt-Werken gehalten, wovon der Gerichtshof schon eine Photographie erhielt. Es ist eine der vier Photographien, die wir eben gesehen haben. Damals sagte er:

»Der deutsche Soldat wisse: die Einzigartigkeit und die Fülle seiner Waffen und seines Materials, die danke er der unermüdlichen, jahrelangen Anstrengung Adolf Hitlers.«

Einen Teilbericht über diese Rede finden wir in dem »Völkischen Beobachter« vom 2. Mai 1941. Es ist Dokument M-105, das GB-261 wird, auf Seite 15 des Dokumentenbuches des Gerichtshofs.

Einer der wichtigsten Schritte, die dieser Angeklagte in der Vorbereitung dieses Angriffskrieges unternahm, war die Organisierung der berühmten deutschen Fünften Kolonne. Er war als der Stellvertreter des Führers die verantwortliche Person für die Auslandsorganisation der Partei. Eine sehr kurze Geschichte dieser Organisation finden Sie in einer Veröffentlichung des Amerikanischen Staates, Nummer 3258-PS, nun GB-262, auf Seite 147 des Dokumen tenbuches.

Ich möchte jetzt nur zwei Angelegenheiten erwähnen. Im Oktober 1933 wurde diese Organisation direkt der Kontrolle von Heß unterstellt, und ein Jahr später war es Heß selbst, der dieser Organisation ihren gegenwärtigen Namen, nämlich »Auslandsorganisation der NSDAP« gab. Um dem Gerichtshof wiederum behilflich zu sein, wurde eine Tabelle im Organisationsbuch für 1938 wiedergegeben, Dokument 2354-PS, US-430; wir finden es auf Seite 69 des Dokumentenbuches. Ich glaube, es ist unnötig, mich jetzt im einzelnen darauf zu beziehen. Es zeigt die verschiedenen Ämter, Zivilämter, kulturelle Ämter, Propagandaämter, Arbeitsfrontämter und Außenhandelsämter und verschiedene Ämter, die die [148] deutsche Handelsmarine betrafen, und die natürlich ein ausgezeichnetes Mittel zur Verbreitung der Nazi-Propaganda in der ganzen Welt darstellten.

Der Gerichtshof hat sehr viel über eine ähnliche Organisation, Rosenbergs APA, gehört. Sehr kurz gesagt: Ich glaube, der Unterschied war der, daß sich das APA mit der Werbung und Propaganda unter Nichtdeutschen, also Ausländern, befaßte, während die Auslandsorganisation die deutschen Staatsbürger im Ausland erfaßte, die natürlich die Grundlage für die Tätigkeit einer Fünften Kolonne in den folgenden Jahren bilden sollten.

Ich glaube, der Gerichtshof wird erkennen, daß unter der Überschrift »Umfang der Organisationsarbeit«, zwei Dokumente zu finden sind. Vielleicht ist es genug, sich auf das erste zu beziehen, 3401-PS, das GB-263 wird, und das der Gerichtshof auf Seite 173 in seinem Dokumentenbuch finden wird.

VORSITZENDER: Welche Seite in der Anklageschrift?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Auf Seite 12. Es ist ein Artikel aus dem »Völkischen Beobachter«, der so beginnt:

»Nationalsozialismus ist Weltanschauung, er erfaßt unsere Volksgenossen und stärkt sie in dem Festhalten an deutscher Art und Sitte.«

Und er fährt dann fort:

»Die Stelle für die praktische Durchführung dieser Grundsätze ist die Auslandsorganisation der NSDAP, die dem Stellvertreter des Führers, Reichsminister Rudolf Heß, unmittelbar unterstellt ist.«

Ich zitiere die letzten Zeilen dieses Absatzes:

»Das Wirken der Auslandsorganisation erstreckt sich buchstäblich rund um den Erdball, und mit Fug und Recht könnte der Wahlspruch an ihrer Arbeitsstätte am Harvestehuder Weg in Hamburg stehen: ›Mein Feld ist die Welt‹. Die Auslandsorganisation unter Leitung von Gauleiter E. W. Bohle, dem ein großer Stab sachkundiger und be fähigter Mitarbeiter zur Seite steht, umfaßt heute über 350 Landesgruppen und Stützpunkte der NSDAP in allen Weltteilen und betreut darüber hinaus eine große Anzahl Einzelparteigenossen an den verschiedensten Plätzen.«

Eure Lordschaft! Angesichts der vorgeschrittenen Zeit werde ich nicht auf weitere Dokumente über die Tätigkeit und den Umfang dieser Organisation eingehen. Aber Sie finden sie in dem folgenden Dokument 3258-PS auf Seite 170 des Dokumentenbuches, GB-262; es ist ein weiterer Auszug aus dem britischen grundlegenden Handbuch über Deutschland, das Sie im Nachtrag zum [149] Dokumentenbuch finden. Es wurde in meinen Schriftsatz nicht aufgenommen. Es ist M-122 und wird GB-264.

Zwei der verschiedenen anderen Organisationen, die von der Auslandsorganisation geleitet wurden, waren bekannt als der »Volksbund für das Deutschtum im Ausland, VDA, und Bund Deutscher Osten, BDO.«

Ich möchte den Gerichtshof auf ein Dokument aufmerksam machen, das er auf Seite 38 des Dokumentenbuches als 837-PS und GB-265 finden wird. Es ist ein Brief, der, wie Sie auf der nächsten Seite sehen, von Heß unterzeichnet ist. Er trägt das Datum des 3. Februar 1939. Es ist eine als Rundschreiben herausgegebene Anordnung: »Nicht zur Veröffentlichung«. Der Gegenstand ist der Volksbund für das Deutschtum im Ausland und Bund Deutscher Osten.

Ich zitiere aus dem ersten Absatz:

»Der Leiter der Volksdeutschen Mittelstelle, SS-Gruppenführer Lorenz...«

Die Volksdeutsche Mittelstelle war eine andere ähnliche Organisation, die aber von Himmler und der SS geleitet wurde. Alle diese Herren hatten anscheinend ihre eigenen Auslandsorganisationen. Sie verfolgten bestimmt alle denselben Zweck. Himmlers Organisation hieß »Volksdeutsche Mittelstelle«.

Ich zitiere weiter:

»Der Leiter der Volksdeutschen Mittelstelle, SS-Gruppenführer Lorenz, hat in meinem Auftrage auf dem Gebiete der Volkstums- und Grenzlandarbeit folgende Neuregelung vorgenommen:

Der Volksbund für das Deutschtum im Ausland (VDA) ist der zuständige Verband für die Volkstumsarbeit jenseits der Grenzen.«

Ich komme jetzt zu den letzten zwei Zeilen dieses Absatzes:

»Der VDA gliedert sich in Landesverbände, die regional den Gauen der NSDAP entsprechen,«

und die ersten zwei Zeilen des nächsten Absatzes:

»Der Bund deutscher Osten ist der zuständige Verband für die Grenzlandarbeit.«

Ich wende mich nun der nächsten Seite zu, Absatz 4 des Rundschreibens:

»Für Volkstumsarbeit jenseits der Grenzen ist aus schließlich der VDA zuständig. Ich verbiete hiermit der Partei, ihren Gliederungen und angeschlossenen Verbänden jede Betätigung in der Volkstumsarbeit im Ausland. Allein zuständig für diese Aufgabe ist die Volksdeutsche Mittelstelle und als deren getarntes Werkzeug der VDA. Im Innern des Reiches hat der [150] VDA im allgemeinen die Aufgabe der Beschaffung von Mitteln für die Volkstumsarbeit jenseits der Grenzen. Hierin ist der VDA seitens der Parteistellen in jeder Weise zu unterstützen. Eine nach außen in Erscheinung tretende Bindung des VDA an die Partei ist dabei jedoch zu vermeiden.«

Dann wird über die Tätigkeit des BDO gesprochen und im letzten Absatz heißt es:

»Die Tätigkeit des BDO und des VDA ist seitens der Parteistellen in jeder Weise zu unterstützen. Die nationalsozialistische Führung der beiden Verbände gewährleistet ihren tatkräftigen Einsatz für die ihnen von der NSDAP gestellten Aufgaben. Ihre Form ist durch außenpolitische Rücksichten bestimmt, worauf bei öffentlichem Auftreten der Verbände Rücksicht zu nehmen ist.«

Ich wende mich nun der Tätigkeit der Auslandsorganisation zu, die, wie ich sagte, die Grundlage für die Fünfte Kolonne war, als der Krieg schließlich ausbrach. Ich wende mich nun der Betrachtung der Rolle zu, die Heß bei der Besetzung von Österreich und der Tschechoslowakei spielte, die dann später den Angriffskrieg auslöste.

Heß hat an den Vorbereitungen für die Besetzung Österreichs von Anfang an teilgenommen. Im Herbst 1934 war er es, der Reinthaller nach dem Mißerfolg des Putsches vom Juli 1934 zum österreichischen Bauernführer innerhalb der Nazi-Partei Österreichs ernannt hat. Das ist schon als 812-PS, US-61, vorgelegt worden. Die wesentliche Stelle finden Sie im Protokoll Band II, Seite 412.

Ein weiteres Dokument, das schon vorgelegt wurde, ist 3254-PS, US-704, in dem Seyß-Inquart am 10. Dezember 1945 erklärt, daß er schon 1936 Besprechungen mit Göring und Heß hatte.

An dem Morgen, als die deutschen Truppen schließlich in Österreich einmarschierten, am 12. März 1938, waren Heß und Himmler zusammen die ersten unter den Führern der Deutschen Regierung, die in Wien erschienen, und zwar ungefähr zu Mittag jenes Tages.

Es war Heß, der am nächsten Tage das Gesetz vom 13. März über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich unterzeichnete. Der Gerichtshof wird sich sicher an die von Herrn Alderman ausführlich gegebene Schilderung erinnern, nach der am Jahrestag der Ermordung von Dollfuß, das heißt am 24. Juli 1938, eine empörende Feier stattfand, bei der eine Rede von Heß den Höhepunkt bildete.

Ich möchte den Gerichtshof auf ein Dokument verweisen, das auf Seite 165 des Dokumentenbuches erscheint, und das in seinen eigenen Worten seine Tätigkeit in Österreich und in der Tschechoslowakei beleuchtet. Diese Rede, die er am 28. August 1938 auf der Jahrestagung der Auslandsorganisation gehalten hat, ist Dokument [151] 3258-PS und wurde schon als GB-262 vorgelegt. Ich zitiere aus den letzten drei Absätzen auf Seite 165 des Dokumentenbuches:

»Rudolf Heß gedenkt zum Abschluß seiner Rede der Stuttgarter Tage des vergangenen Jahres, als hier in Stuttgart deutsche Männer und Frauen, deutsche Buben und Mädel in ihren heimischen Trachten erschienen waren, glühend beseelt vom großdeutschen Gedanken, leidenschaftlich bewegt vom Nationalsozialismus, aber doch eben äußerlich Volksdeutsche, Deutsche fremder Staatsangehörigkeit.

›Heute‹, so fährt Rudolf Heß fort, ›stehen sie auch äußerlich in unseren Reihen. Sie werden stolz und glücklich in den Formationen der nationalsozialistischen Bewegung an ihrem Führer in Nürnberg vorbeimarschieren – diesmal als Reichsdeutsche. Und wir alle sind von Herzen glücklich, wenn wir sie sehen. Sie haben einen langen und zähen Kampf gekämpft, einen Kampf mit einem hinterhältigen und verlogenen Gegner‹ und so weiter.«

Auf der nächsten Seite, wo er sich mit dem Kampf der Sudetendeutschen beschäftigt, sagt er:

»Mit tiefster Anteilnahme für ihre Leiden sieht das deutsche Volk auf die deutschen Volksgenossen in der Tschechoslowakei. Niemand auf der Welt, der sein eigenes Volk liebt und stolz auf sein Volk ist, wird es uns verdenken, wenn wir auch hier von dieser Stelle aus unsere Gedanken zu den Sudetendeutschen wenden, wenn wir ihnen sagen, daß wir voller Bewunderung sehen, wie sie trotz schlimmster Schikane, trotz Terror und Mord, eiserne Disziplin wahren. Hätte es überhaupt eines Beweises bedurft...«

Ich glaube nicht, daß es notwendig ist, weiter aus diesem Dokument zu verlesen, aber es zeigt sein Interesse an der Tschechoslowakei, und das Dokument 3061-PS, das schon als US-126 vorgelegt wurde, gibt zu erkennen, daß diese Rede im August gehalten wurde und daß während des ganzen Sommers ständig Unterredungen zwischen Henlein, Hitler, Heß und Ribbentrop stattfanden, die die Reichsregierung über die allgemeine politische Lage in der Tschechoslowakei informierten. Dieses Dokument wurde schon verlesen und ist auf Seite 932 im Protokoll zu finden. Aber, wenn etwas die Teilnahme von Heß an dieser Aktion erkennen läßt, so ist es ein Schreiben vom 27. September 1938, das dem Gerichtshof schon vorgelegt wurde, und in dem Keitel Heß um die Teilnahme der Partei an der geheimen Mobilisierung bat, die ohne Ausgabe des geheimen Kennworts für Mobilisierung stattfinden sollte. Dieses Schreiben wurde am 27. September 1938 geschrieben. Es ist 388-PS und wurde schon als US-26 vorgelegt, und Sie finden es auf Seite 30 des Dokumentenbuches.

[152] Ich möchte ferner auf ein kurzes Dokument auf Seite 120 des Dokumentenbuches verweisen; es handelt sich um eine weitere Rede des Angeklagten, die er am 7. November 1938 bei der feierlichen Übernahme der Sudetendeutschen Partei in die NSDAP hielt:

»Wenn wir aber hätten antreten müssen, unser Recht zu verteidigen, man hätte uns erst wirklich kennengelernt, uns, die nationalsozialistischen Deutschen, die Kämpfer des Führers.

›Der Führer‹, so erklärte Rudolf Heß unter dem tobenden Jubel der Massen, ›aber zog die Lehre. Er rüstete mit einer Schnelligkeit, wie es niemand für möglich gehalten hätte.

Als der Führer sich die Macht geschaffen hat, und besonders seit der Führer die Entschlossenheit des deutschen Volkes geweckt hat, seine Macht hinter das Recht zu stellen – da wird Deutschland sein Recht zugebilligt!‹«

Man konnte sich wundern, worin damals, im November 1938, all diese Rechte bestanden, da doch Hitler schon am 26. September gesagt hatte, er habe keine weiteren territorialen Forderungen in Europa mehr zu stellen.

Ich wende mich nun einem Teil des Beweismaterials zu, der die Rolle zeigt, die er bei dem Angriff gegen Polen spielte. Auf Seite 16 des Dokumentenbuches finden Sie einen Bericht über eine Rede, die Heß am 27. August 1939 hielt; sie zeigt zumindest, daß er an der offiziellen Propaganda, die in jenen Tagen, zwei Tage vor der Kriegserklärung, der Welt entgegengeschleudert wurde, beteiligt war. Ich zitiere aus dem zweiten Absatz:

»Rudolf Heß, der von den Auslandsdeutschen und deutschen Volksgenossen des gastgebenden Gaues Steiermark immer wieder von stürmischem Beifall unterbrochen wurde, unterstrich die beispiellose Langmut, die Deutschland Polen gegenüber an den Tag gelegt habe und das großzügige Angebot des Führers, das den Frieden zwischen Deutschland und Polen gesichert hätte. Ein Angebot, das Herr Chamberlain vergessen zu haben scheint. Denn er sagt, er habe nichts davon gehört, daß Deutschland versucht habe, gewisse heute akute Fragen durch friedliche Erörterungen zu lösen.

Was war denn das deutsche Angebot anders als dieser Versuch!«

Dann klagt er Polen wegen Kriegshetze, wegen Mangels an Verantwortungsgefühl und so weiter an. Aus Zeitmangel will ich nicht weiter aus diesem Dokument zitieren; es ist schon als Beweisstück M-107 vorgelegt worden und wird GB-266.

Nach der Eroberung Polens war es wiederum Heß, der die Verordnung unterzeichnete, die Danzig dem Reich einverleibte, eine [153] Verordnung vom 1. September 1939; weiter tragen seine Unterschrift: eine Verordnung über die Einverleibung polnischen Gebietes in das Reich vom 8. Oktober 1939 und am 12. Oktober 1939 eine Verordnung über die Verwaltung polnischer Gebiete, in der erklärt wurde, daß weitere Verordnungen zur Planung des deutschen Lebensraumes und wirtschaftlichen Einflußgebietes erlassen werden sollten. Diese Verordnungen sind alle im Reichsgesetzblatt enthalten. Die letzten zwei befinden sich leider nicht im Dokumentenbuch, aber ihr Ergebnis geht aus meinem Schriftsatz hervor. Angesichts des Beweismaterials, das schon im Hinblick auf die Tätigkeit seiner Fünften Kolonne gegeben wurde, soll nichts weiter über Polen vorgebracht werden. Aber ich behaupte, daß er in stärkster Weise mit der Planung und Vorbereitung des Angriffskrieges verbunden war.

Ich komme jetzt zu einem Beispiel seiner Teilnahme an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und ich möchte den Gerichtshof auf zwei Dokumente verweisen, zuerst auf eines, das auf Seite 18 des Schriftsatzes als 3245-PS, GB-267 steht. Es ist ein Befehl, der von Heß durch die Parteikanzlei herausgegeben wurde und von der Partei Unterstützung für die Werbung von Leuten für die Waffen-SS verlangte. Ein Absatz, der im Schriftsatz enthalten ist, lautet wie folgt:

»Die aus Nationalsozialisten bestehenden Einheiten der Waffen-SS sind infolge ihrer intensiven nationalsozialistischen Schulung über Fragen der Rasse und des Volkstums für die besonderen, in den besetzten Ostgebieten zu lösenden Aufgaben geeigneter als andere bewaffnete Verbände.«

Aber auch im Hinblick auf die von der Waffen-SS damals und später in den besetzten Ostgebieten begangenen Taten, dürfen wir vor allem nicht vergessen, welche Rolle sie bei der Vernichtung des Ghettos von Warschau gespielt hat. Der Schluß, der aus jenem Schreiben gezogen werden kann, ist ein Verdammungsurteil.

Ein weiteres Dokument finden Sie auf Seite 121 Ihres Dokumentenbuches. Ein weiteres Dokument, auf das ich mich nun beziehe, ist R-96, welches GB-268 wird. Es befindet sich auf Seite 175 des Dokumentenbuches. Es ist ein Schreiben, das am 17. April 1941 vom Reichsjustizminister an den Chef der Reichskanzlei gerichtet wurde und das Strafgesetze für Juden und Polen in den besetzten Ostgebieten vorschlägt. Es zeigt ganz klar, daß Heß in Diskussionen über diese Frage verwickelt war, denn er bezieht sich auf gewisse Vorschläge, die er selbst gemacht hatte. Ich möchte mir erlauben, die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf ein oder zwei Stellen zu lenken. Ich zitiere vom Beginn dieses Schreibens auf Seite 175:

[154] »Von vornherein bin ich davon ausgegangen, daß die ganz besonders gearteten Verhältnisse der eingegliederten Ostgebiete auch besondere Maßnahmen für die Strafrechtspflege gegen Polen und Juden erforderlich machen.«

Dann wende ich mich dem zweiten Absatz zu, den ersten zwei Zeilen:

»Das Ziel, ein Sonderrecht gegenüber den Polen und Juden der Ostgebiete zu schaffen, wurde durch die Verordnung vom 6. Juni 1940, die das von Anfang an in den Ostgebieten schon angewandte deutsche Strafrecht auch förmlich in Kraft setzte, planmäßig weiterverfolgt.«

Dann lasse ich die drei nächsten Zeilen aus:

»Das Klageerzwingungsverfahren (Par. 172 ff. StPO) wurde abgeschafft, weil es unerträglich erscheint, daß Polen und Juden auf diesem Wege den deutschen Staatsanwalt zur Erhebung einer Anklage zwingen können. Polen und Juden wurde auch die Erhebung der Privatklage und Nebenklage untersagt.

Diesem Sonderrecht auf verfahrensrechtlichem Gebiet schlossen sich in Artikel II der Einführungsverordnung Sondertatbestände an, die auf Grund des hervorgetretenen Bedürfnisses mit dem Herrn Reichsminister des Innern vereinbart waren. Von vornherein war vorgesehen, diese Sondertatbestände zu vermehren, sobald ein Bedürfnis dafür zutage trat. Diesem inzwischen bekanntgewordenen Bedürfnis sollte die in dem Schreiben des Stellvertreters des Führers erwähnte Verordnung zur Ausführung und Ergänzung der Einführungsverordnung dienen,...«

Ich wende mich der nächsten Seite, ganz oben zu:

»Nachdem ich von der Willensäußerung des Führers Kenntnis erhalten hatte, daß die Polen (und wohl auch die Juden) auf strafrechtlichem Gebiete grundsätzlich anders wie die Deutschen zu behandeln sind, habe ich nach vorbereitenden Besprechungen mit den Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälten der eingegliederten Ostgebiete den anliegenden Entwurf über die Strafrechtspflege gegen Polen und Juden in den eingegliederten Ostgebieten und im Gebiet der ehemaligen Freien Stadt Danzig aufgestellt.

Dieser Entwurf bedeutet ein völliges Sonderrecht, sowohl auf dem Gebiete des sachlichen Strafrechts als auf dem des Verfahrensrechtes. Dabei sind weitgehend die Anregungen des Stellvertreters des Führers berücksichtigt worden. Nr. 1, Absatz 3 enthält einen allgemein gefaßten Tatbestand, durch den künftig jedes strafwürdige, gegen das Deutschtum [155] gerichtete Verhalten eines Polen oder Juden der Ostgebiete strafrechtlich erfaßt werden und mit jeder Art von Strafe belegt werden kann.«

Dann wende ich mich dem nächsten Absatz zu:

»Schon bisher bin ich in Übereinstimmung mit der Auffassung des Stellvertreters des Führers davon ausgegangen, daß der Pole gegen den Vollzug einer gewöhnlichen Freiheitsstrafe weniger empfindlich ist...«

Und ein paar Zeilen weiter unten:

»Bei diesen neuen Strafarten sollen die Gefangenen außerhalb der Strafanstalten in Lagern untergebracht und dort mit schwerer und schwerster Arbeit beschäftigt werden...«

Ich wende mich der nächsten Seite, Absatz b, zu:

»Nicht aufgenommen in den Entwurf ist die vom Stellvertreter des Führers zur Erörterung gestellte Einrührung der Prügelstrafe, und zwar weder als kriminelle Strafart noch als Disziplinarstrafe. Mit dieser Strafart kann ich mich deshalb nicht einverstanden erklären, weil ihre Verhängung nach meinem Dafürhalten nicht dem Kulturstande des deutschen Volkes entspricht.«

Eure Lordschaft! Wie ich sagte, ist der Zweck dieser Dokumente, zu zeigen, daß der Stellvertreter des Führers über das, was in den besetzten Ostgebieten vorging, wohl unterrichtet war und sogar noch strengere Maßnahmen vorschlug als die, welche der Reichsjustizminister selbst billigen wollte.

Ich werde nun mein Beweismaterial über den Flug des Angeklagten Heß nach England am 10. Mai 1941 vorbringen.

An diesem Abend landete Heß in Schottland zwölf Meilen von dem Wohnsitz des Herzogs von Hamilton, und gleich nach der Landung verlangte er, zu dem Herzog gebracht zu werden, mit dem er sprechen wollte. Er gab einen falschen Namen an, wurde verhaftet und am nächsten Tag, am 11. Mai 1941, hatte er eine Unterredung mit dem Herzog von Hamilton. Einen Bericht darüber finden Sie in dem Anhang zum Dokumentenbuch. Wollen Sie sich jetzt, bitte, diesem kleinen Anhang zuwenden.

VORSITZENDER: Wurde es schon vorgelegt oder nicht?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Nein, ich lege es jetzt gerade als Beweisstück vor.


VORSITZENDER: Ist es in vorgeschriebener Weise beglaubigt?


OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ja, es ist beglaubigt, und das Original enthält eine Beglaubigung, die es als Regierungsbericht des Außenministeriums in London kennzeichnet. Es sind hier insgesamt vier Berichte, die alle aus dem Archiv dieses Außenministeriums stammen und als solche beglaubigt wurden.

[156] Der erste Bericht, dem ich mich zuwenden möchte, ist M-116, welcher GB-269 wird. Es ist ein Bericht über die Unterredung, die er am 11. Mai 1941 mit dem Herzog von Hamilton hatte. Ich kann das meiste daraus mit den Worten zusammenfassen, daß er sich als »Heß« vorstellte und sagte, daß er den Herzog von Hamilton bei den olympischen Spielen 1936 getroffen habe, und daß sein alter Freund, Haushofer, bei welchem er nach dem letzten Weltkrieg an der Münchener Universität studiert hätte, ihm vorgeschlagen habe, mit dem Herzog von Hamilton in Verbindung zu treten.

Er sagte, daß er, um dies zu erreichen, schon dreimal vorher versucht hätte zu fliegen, das erstemal im Dezember 1940 des vorigen Jahres. Die Gründe, die er für seinen Besuch angab, finden Sie auf der zweiten Seite dieses Dokuments; ich zitiere aus dem Ende der vierten Zeile:

Verzeihen Sie, ich hätte noch sagen sollen, daß er in der Unterredung vorher gesagt hatte, daß Deutschland bereit sei, Frieden mit England zuschließen, daß Deutschland bestimmt den Krieg gewinnen werde, und er selbst das unnötige Niedermetzeln vermeiden wolle, das unvermeidlich damit verbunden sein würde:

»Er fragte mich, ob ich führende Mitglieder meiner Partei zusammenbringen könne, um die Lage zu besprechen und Friedensvorschläge zu machen. Ich antwortete ihm, daß es jetzt nur eine Partei in diesem Lande gebe. Er sagte dann, daß er mir Hitlers Friedensbedingungen mitteilen könne. Er würde erstens auf einer Abmachung bestehen, wonach unsere zwei Länder nie wieder Krieg führen würden. Auf meine Frage, wie denn eine solche Vereinbarung herbeigeführt werden könne, antwortete er, eine der Bedingungen sei natürlich, daß England seine traditionelle Politik, der stärksten Macht in Europa stets feindlich gegenüberzustehen, aufgeben müsse.«

Ich glaube nicht, daß ich mehr von diesem Dokument verlesen muß, denn in den weiteren Unterredungen, die er am 13., 14. und 15. Mai mit Herrn Kirkpatrick vom Londoner Außenministerium hatte, sprach er wieder ausführlich über diese Vorschläge.

Ich wende mich M-117 zu, das GB-270 wird. Es ist ein weiterer amtlicher Bericht der Unterredung mit Herrn Kirkpatrick am 13. Mai, und ich kann hier wieder alles zusammenfassen.

Er begann mit der Erklärung der Kette von Umständen, die zu seiner gegenwärtigen Lage geführt haben und die eigentlich in einer Geschichte Europas vom Ende des letzten Krieges bis zu dem gegenwärtigen Zeitpunkt bestand. Er sprach über Österreich, die Tschechoslowakei, Polen, Norwegen und sagte, daß Deutschland in allen Fällen Recht gehabt hatte und daß nur England und Frankreich schuld daran waren, daß sie einmarschieren mußten. Er machte [157] England für den Kriegsbeginn absolut verantwortlich. Er sagte, und diese Zeile ist von besonderem Interesse, als er sich mit München befaßte:

»Das Eingreifen Chamberlains...«

VORSITZENDER: Wo lesen Sie?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich lese aus dem fünften Absatz, Herr Vorsitzender; er beginnt:

»Die tschechoslowakische Krise sei durch den französischen Entschluß hervorgerufen worden, der durch den französischen Luftfahrtminister Cot zum Ausdruck gebracht wurde, nämlich die Tschechoslowakei zu einem Luftstützpunkt gegen Deutschland zu machen. Es sei Hitlers Pflicht gewesen, diesen Plan zunichte zu machen. Das Eingreifen Chamberlains und die Münchener Zusammenkunft seien für Hitler eine wesentliche Erleichterung gewesen.«

Man erinnert sich, daß im Laufe dieses Verfahrens erwähnt wurde, Hitler habe gesagt, daß er natürlich nicht die Absicht habe, dieses Abkommen auch wirklich einzuhalten; daß dies niemals möglich sei.

Ich fahre mit jenem Dokument fort. Er sagte dann, daß Deutschland den Krieg gewinnen müsse; er sagte, daß die Bombardierung von England gerade erst begonnen habe, und zwar mit der größten Zurückhaltung. Er sagte zu Anfang der zweiten Seite, daß die deutsche U-Boot-Erzeugung enorm groß sei, daß ungeheure Rohmaterialquellen in den besetzten Gebieten zur Verfügung ständen, und das Vertrauen in Hitler und in den Endsieg innerhalb Deutschlands vollkommen sei, und nicht die geringste Aussicht auf eine Revolution innerhalb des deutschen Volkes bestünde.

Er gab dann die Gründe für seinen Flug an, wieder waren es seine persönlichen Gründe, und er sagte, daß ihm der Gedanke an einen langen Krieg schrecklich sei, daß England nicht gewinnen könne und lieber jetzt Frieden machen solle. Er sagte, daß der Führer keinerlei Absichten auf England habe und keineswegs die Welt beherrschen wolle, und daß er den Zusammenbruch des Britischen Weltreiches sehr bedauern würde.

Ich zitiere nun die letzten drei Zeilen des großen Absatzes in der Mitte der Seite:

»Hier versuchte Heß, mein Blut zum Wallen zu bringen, indem er betonte, daß die gierigen Amerikaner Absichten auf unser Weltreich hätten. Kanada würde sicherlich den Vereinigten Staaten einverleibt werden.

Dann wandte er sich Hitlers Haltung zu und sagte, daß Hitler ihm erst kürzlich nach seiner Reichstagsrede am 3. Mai [158] erklärt habe, er wolle England keine drückenden Forderungen stellen.

Die Lösung, die Heß vorschlug, war, daß England Deutschland freie Hand in Europa und Deutschland England vollkommen freie Hand innerhalb des Weltreiches gewähren würde, unter der einzigen Bedingung, daß wir Deutschland seine früheren Kolonien zurückgeben sollten, deren Rohmaterialquellen es unbedingt brauche. Um etwas über Hitlers Einstellung gegenüber Ruß land zu erfahren, fragte ich, ob er Rußland zu Europa oder Asien rechne; er antwortete: zu Asien. Ich erwiderte darauf, daß im Rahmen der vorgeschlagenen Bedingungen Deutschland nicht in der Lage wäre, Rußland anzugreifen, weil es nur in Europa freie Hand hätte. Herr Heß reagierte sofort und erklärte, daß Deutschland gewisse Forderungen an Rußland zu stellen habe, die entweder auf dem Verhandlungswege oder durch einen Krieg befriedigt werden müßten. Er fügte jedoch hinzu, daß die Gerüchte über einen baldigen Angriff Hitlers auf Rußland, die augenblicklich umliefen, jeder Grundlage entbehrten.

Ich fragte ihn dann über die italienischen Ziele, und er sagte, daß er diese nicht kenne. Ich antwortete ihm, daß dies eine ziemlich wichtige Angelegenheit sei. Er ging darüber hinweg und sagte, er sei sicher, die italienischen Forderungen würden nicht übermäßig sein. Ich machte den Einwand, daß meiner Ansicht nach Italien es kaum verdiene, irgendwie berücksichtigt zu werden. Aber er erlaubte sich anderer Ansicht zu sein. Italien habe Deutschland beachtenswerte Dienste geleistet, und außerdem habe England nach dem letzten Kriege besiegte Nationen wie Rumänien entschädigt. Als wir im Begriffe waren, den Raum zu verlassen, feuerte Herr Heß seinen letzten Schuß ab, er erklärte, er habe vergessen zu bemerken, daß der Vorschlag an die Bedingung gebunden sei, daß eine andere als die gegenwärtige englische Regierung mit Deutschland verhandle. Churchill, der seit 1936 den Krieg geplant habe und seine Mitarbeiter, die sich seiner Kriegspolitik angeschlossen hätten, seien nicht die Persönlichkeiten, mit denen der Führer verhandeln könne.«

Als Heß zu uns herüberflog, wollte er wahrscheinlich keinen Spaß machen, man kann aus diesem Bericht nur den Schluß ziehen, daß das Volk in Deutschland und die Deutsche Regierung vom wirklichen Zustand in England keine Ahnung hatten. Dieser Mann dachte, England werde von Churchill und einer kleinen Clique von Kriegshetzern regiert, und er brauche nur hinüber zu kommen, um durch ein Friedensangebot zu erreichen, daß Churchill innerhalb zweier oder dreier Tage abgesetzt werde.

[159] Ich wende mich nun dem nächsten Dokument zu, Eure Lordschaft. Es tut mir leid, es ist jetzt 5.30 Uhr; ich möchte nur noch auf die anderen Berichte und ein weiteres Dokument verweisen.

VORSITZENDER: Wollen Sie bitte fortsetzen. Wir wollen heute abend fertig werden.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Es tut mir leid, daß es so lange gedauert hat. Ich wende mich dem nächsten Interview vom 14. Mai zu; dies ist Dokument M-118 und wird GB-271. Er begann diese Unterredung, indem er eine Anzahl von Beschwerden über seine Behandlung vorbrachte, und einige Sachen verlangte, wie zum Beispiel: »3 Männer in einem Boot«, das Buch, dessen Lektüre durch Heß vielleicht als eines der wenigen Zeichen von Kultur oder normalen Gefühlen seitens eines der Angeklagten zu würdigen ist. Er beschrieb zuerst seine Flucht nach England, und dann zitiere ich vom dritten Absatz:

»Er ging dann zu politischen Fragen über. Er sagte, er habe sich überlegt, daß er vergessen habe zu bemerken, daß zwei weitere Bedingungen an seine Friedensvorschläge geknüpft seien.

Deutschland könne erstens den Irak nicht im Stiche lassen. Der Irak habe für Deutschland gekämpft, und Deutschland würde deshalb die Forderung an uns zu stellen haben, den Irak zu räumen. Ich bemerkte, daß dies den ursprünglichen Vorschlag, daß Deutschlands Interessen auf Europa beschränkt bleiben sollten, beträchtlich überschreite. Er entgegnete jedoch, daß seine Vorschläge in seiner Gesamtheit mehr als fair seien. Die zweite Bedingung war, daß das Friedensabkommen eine Klausel über die gegenseitige Entschädigung britischer und deutscher Staatsangehöriger, deren Eigentum infolge des Krieges enteignet worden war, enthalten solle.

Herr Heß schloß, indem er sagte, er möchte uns völlig klar machen, daß Deutschland den Krieg durch Blockade gewinnen müsse. Wir hätten keine Ahnung von der Anzahl der U-Boote, die Deutschland zur Zeit baue. Hitler habe immer Dinge in großem Rahmen unternommen und ein von neuen Flugzeugtypen unterstützter, vernichtender U- Boot-Krieg, würde in kurzer Zeit zu einer völligen Blockade Englands führen. Es sei sinnlos, sich vorzustellen, daß England kapitulieren würde und der Krieg vom Empire aus geführt werden könne. Es sei Hitlers Absicht, in einem solchen Falle die Blockade gegen England fortzusetzen, wenn auch die Insel kapituliert hätte, so daß wir mit dem planmäßigen Aushungern der Inselbevölkerung zu rechnen hätten.«

Ich glaube, daß ich mich von dieser Aussprache abwenden kann. Weiter wurde nichts gesagt und ich wende mich daher nun dem [160] Dokument M-119 zu, das ich als GB-272 vorlege. Es ist der Bericht über die Unterredung vom 15. Mai, die dritte und letzte Aussprache mit Herrn Kirkpatrick. Ich zitiere aus dem dritten Absatz. Zu Beginn der Aussprache wurde der Irak erwähnt, sodann schreibt Herr Kirkpatrick:

»Sodann fragte ich ihn über Irland. Er sagte, daß in all seinen Gesprächen mit Hitler der Gegenstand Irland nur zufällig erwähnt worden sei. Irland habe in diesem Krieg nichts für Deutschland getan, und es müsse daher angenommen werden, daß sich Hitler in die englisch-irischen Beziehungen nicht einmischen würde. Wir hatten ein kurzes Gespräch über die Schwierigkeit der Versöhnung zwischen Süden und Norden. Dann gingen wir auf das amerikanische Interesse in Irland über und damit auf Amerika selbst. Bezüglich Amerika nahm Heß den folgenden Standpunkt ein:

Die Deutschen rechneten mit amerikanischer Einmischung und fürchteten sich nicht davor. Sie wüßten über die amerikanische Flugzeugfabrikation und die Qualität der Flugzeuge genau Bescheid. Deutschland konnte mehr produzieren als England und Amerika zusammen. Deutschland habe keine Absichten auf Amerika. Die sogenannte deutsche Gefahr sei eine lächerliche Erdichtung und Phantasie. Hitlers Interessen lägen in Europa. Wenn wir jetzt Frieden schlössen, wäre Amerika wütend. In Wirklichkeit wolle Amerika das Britische Weltreich erben.

Heß schloß mit der Erklärung, daß Hitler in Wirklichkeit eine dauernde Verständigung mit uns auf einer Grundlage wünschte, die das Weltreich unversehrt ließe. Er habe diesen Flug unternommen, um uns die Möglichkeit zur Einleitung von Gesprächen, ohne Prestigeverlust zu geben. Wenn wir diese Chance abwiesen, so wäre das ein deutlicher Beweis, daß wir keine Verständigung mit Deutschland wünschen und Hitler würde berechtigt sein – ja es würde sogar seine Pflicht sein – uns vollständig zu vernichten und uns nach dem Krieg in einem Zustand ständiger Unterwerfung zu halten.«

Eure Lordschaft! Dieser Bericht zeigt das Wesentliche, ja, den ganzen Inhalt des Besuches. Die menschenfreundlichen Gründe seines Kommens, die zwischen dem 10. und 15. Mai so verständlich klangen, bekamen einen ganz anderen Sinn, als Deutschland ungefähr einen Monat später die Sowjetunion angriff.

Man kann nicht umhin, sich die genaue Parallele zwischen diesem Ereignis und jenen Vorgängen ins Gedächtnis zurückzurufen, die vor dem Angriff Deutschlands auf Polen stattfanden. Auch damals versuchte man auf jede Art, England vom Kriege fernzuhalten, [161] damit Deutschland nur an einer Front zu kämpfen habe. Es scheint, daß derselbe Fall auch hier vorliegt, ja noch mehr, Heß selbst sagte in diesen Unterredungen, daß Deutschland zu jener Zeit keinerlei Absichten habe, Rußland überhaupt anzugreifen. Dies muß aber unwahr sein, denn, wie wir uns erinnern und wie das Beweismaterial in meinem Schriftsatz zeigt, waren schon im November 1940 erste Pläne für den Einfall in Rußland aufgestellt worden.

Am 18. Dezember 1940 wurde angeordnet, daß die Vorbereitungen bis zum 15. Mai 1941 beendet sein müßten. Am 3. April 1941 wurden Befehle ausgegeben, die das Unternehmen »Barbarossa« um fünf Wochen verschoben haben. Am 30. April 1941, zehn Tage bevor Heß in England ankam, war der Tag zum Einfall in Rußland auf den 22. Juni festgesetzt worden.

Ich behaupte, daß niemand, der eine solche Stellung bekleidete, wie dieser Angeklagte zu jener Zeit – er war mit der Auslandsorganisation beauftragt, Stellvertreter des Führers, erst ein Jahr zuvor zum Nachfolger Nummer 2 ernannt –, daß niemand in dieser Stellung in Unkenntnis dieser Vorbereitungen und Pläne bleiben konnte.

Eure Lordschaft! Ich behaupte daher, daß sein Flug nach England nicht durch irgendeine Rücksicht auf Menschenleben bedingt war, sondern nur darauf hinzielte, Deutschland die Möglichkeit zu geben, im Krieg gegen Rußland nur an einer einzigen Front kämpfen zu müssen.

Wir haben, und ich wage kaum, den Gerichtshof auf irgendein weiteres Dokument zu verweisen, wir haben ein Dokument, das von vielen Gesichtspunkten aus äußerst interessant ist und welches erst jetzt entdeckt wurde. Ich bat darum, es am Schlusse des Dokumentenbuches des Gerichtshofs einzufügen. Sollte dies aber nicht geschehen sein, so habe ich noch einige Exemplare, die der Gerichtsdiener jetzt überreichen kann.

Es handelt sich um Dokument 1866-PS, das wir als GB-273 vorlegen. Es ist ein Bericht über Gespräche zwischen Ribbentrop, Mussolini und Ciano am 13. Mai 1941, unterzeichnet von Schmidt.

Es bringt unsere Untersuchung wenig weiter, doch steht immer noch die Frage offen, ob der Flug nach England mit Kenntnis und Zustimmung von Hitler oder irgendeines anderen Regierungsmitgliedes oder auf seine eigene Initiative hin völlig geheim unternommen wurde. Er selbst hat immer behauptet, daß er im geheimen erfolgte. Andererseits ist es schwer, sich vorzustellen, wie er ihn monatelang vorher planen, üben und dreimal versuchen konnte, ohne daß irgendjemand Kenntnis davon hatte.

Dieser Bericht über die Gespräche mit den Italienern wirft wenig Licht hierauf, doch er enthält all das, was Ribbentrop den verbündeten Italienern drei Tage später sagte. Ich bitte den Gerichtshof [162] die erste Seite dieses Dokuments und den Abschnitt auf der nächsten Seite zu lesen:

»Der Reichsaußenminister überbrachte zunächst die Grüße des Führers an den Duce. Er würde auch dem Duce demnächst einen Zeitpunkt für die in Aussicht genommene Zusammenkunft, die er möglichst bald stattfinden lassen möchte, vorschlagen. Als Ort der Begegnung würde ihm wahrscheinlich der Brenner am liebsten sein. Im Augenblick sei er, wie der Duce wohl verstehen könne, noch mit der Angelegenheit Heß und mit einigen militärischen Fragen beschäftigt, könne aber danach zu einer Besprechung zur Verfügung stehen.

Der Duce erwiderte, daß er mit allen Vorschlägen des Führers in Bezug auf Ort und Zeit dieser Begegnung einverstanden sei...

Der Reichsaußenminister erklärte sodann, daß ihn der Führer zum Duce entsendet habe, damit er diesen über die Angelegenheit Heß und die Besprechungen mit Admiral Darlan unterrichten könne.

Zur Angelegenheit Heß bemerkte er, daß der Führer und seine Mitarbeiter von dem Unternehmen Heß wie vor den Kopf geschlagen worden seien. Es handle sich um die Tat eines Wahnsinnigen.

Heß habe schon längere Zeit an einer Gallenkrankheit gelitten und sei Magnetiseuren und Naturheilkundigen in die Hände gefallen, die seinen Zustand immer schlimmer werden ließen. Alle diese Dinge würden im Augenblick gerade untersucht, ebenso die Verantwortung der Adjutanten, die von den verbotenen Flügen von Heß gewußt hätten. Heß hätte seit Wochen auf einer Me 110 heimliche Übungsflüge vorgenommen. Er habe selbstverständlich nur aus idealen Motiven gehandelt. Eine Untreue dem Führer gegenüber sei völlig ausgeschlossen. Sein Vergehen sei aus einer gewissen Weltfremdheit, sowie aus den durch seine Krankheit hervorgerufenen Gemütszuständen zu erklären.«


VORSITZENDER: Wollen Sie nicht den Anfang des nächsten Abschnittes verlesen?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES:

»Bei seinen Sympathien für England habe er den wahnsinnigen Gedanken gefaßt, über faschistische Kreise Großbritanniens die Engländer zum Nach geben zu bewegen. Er habe all dies in einem langen und wirren Schreiben an den Führer dargelegt. Als dieser Brief beim Führer eintraf, sei Heß schon in England gewesen. Man hatte in Deutschland [163] gehofft, daß er vielleicht unterwegs verunglücken würde. Er sei aber nun tatsächlich doch in England und habe versucht, mit dem früheren Marquis of Clydesdale, dem jetzigen Herzog von Hamilton, in Verbindung zu treten. Er betrachte diesen völlig zu Unrecht als einen großen Freund Deutschlands und sei in die Nähe von dessen Schloß in Schottland geflogen.«

VORSITZENDER: Besten Dank.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Dies sind die Worte Ribbentrops zu Mussolini. Wir wissen, daß Ribbentrop ein Lügner ist und seine Aussprüche in einer späteren Unterredung beweisen dies in der Tat. Ich möchte Sie auf Seite 5 oder vielmehr auf Seite 4 unten, verweisen. Ich bitte den Gerichtshof um Geduld, während ich es verlese. Ich hätte das Dokument früher vorgelegt, wenn wir es bereits gekannt hätten. Da ich es nunmehr zur Vorlage bringe, bitte ich um Erlaubnis, diesen einen Absatz zu verlesen, der vor allem den Angeklagten Ribbentrop betrifft:

»Der Duce nahm seine Bemerkung wegen der Einheitsfront Europas gegen England und den beiden darin fehlenden Ländern Spanien und Rußland mit der Bemerkung wieder auf, daß es ihm vorteilhaft erscheine, wenn man eine Politik der Zusammenarbeit mit Rußland durchführen könne. Er richtete an den Reichsaußenminister die Frage, ob Deutschland eine solche Möglichkeit, das heißt Zusammenarbeit mit Rußland ausschließe. Der Reichsaußenminister erwiderte, daß Deutschland mit Rußland Verträge habe und daß die Beziehungen beider Länder im übrigen korrekte seien. Er persönlich glaube nicht, daß Stalin etwas gegen Deutschland unternehmen würde. Täte er es doch oder führe er eine Politik, die für Deutschland nicht tragbar sei, so wäre er innerhalb von 3 Monaten vernichtet. – Hier stimmte der Duce zu –. Der Führer würde bestimmt keinen Streit suchen, habe jedoch für alle Eventualitäten Vorsorge getroffen;« hier spricht wiederum Ribbentrop. »Er habe in keiner Weise irgendwelche Entschlüsse gefaßt, sei jedoch infolge gewisser Vorkommnisse und Unklarheiten auf russischer Seite mißtrauisch geworden. So hätten z.B. die Russen an ihrer Westgrenze die Truppen verstärkt, was natürlich Deutschland dazu veranlaßte, auch seinerseits Truppenverstärkungen vorzunehmen, jedoch erst nachdem die Russen damit angefangen hätten.«

Die Deutsche Regierung muß sich in der Tat in einer eigenartigen Situation befunden haben, wenn, was nicht zu bezweifeln ist, der Führer und der Außenminister am 13. Mai 1941 wußten, daß Deutschland Rußland einen Monat später angreifen würde.

[164] Eure Lordschaft, dies ist das Beweismaterial, das ich dem Gerichtshof über diesen Gegenstand vorzutragen habe. Ich bedaure, daß es so lange Zeit in Anspruch genommen hat und bin dankbar für die Geduld, die Sie mir entgegengebracht haben.


[Das Gericht vertagt sich bis

8. Februar 1946, 10.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 7, S. 121-166.
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