Nachmittagssitzung.

[607] DR. DIX: Wir sprachen vorhin vom 20. Juli. Ist Ihnen eine Äußerung Hitlers über Sie im Zusammenhang mit dem 20. Juli bekannt?

SCHACHT: Der mitangeklagte Minister Speer ist zugegen gewesen und hat mir darüber berichtet, als Hitler den Haftbefehl für mich an seine Umgebung ausgegeben hat am 22. Juli 1944. Bei dieser Gelegenheit hat er zu seiner Umgebung sehr abfällige Äußerungen über mich gemacht, hat geäußert, daß er in seiner Aufrüstungstätigkeit durch mich, durch meine negative Tätigkeit schwer behindert worden sei und daß er besser getan hätte, mich schon vor dem Kriege erschießen zu lassen.


DR. DIX: Ich komme nun, dem Ende zustrebend, zu einigen zusammenfassenden generellen Fragen: Man hat im Inland und auch im Ausland Stimmen gehört und auch die Anklage, die wiederholt Ihre geistigen Fähigkeiten und auch Ihre Leistungen anerkennt, läßt dies durchblicken, daß man es nicht verstehen kann, daß ein so kluger Mann wie Sie das wahre Wesen und die Absichten Hitlers nicht rechtzeitig und damit nicht früher erkannt hat. Ich bitte Sie, sich zu diesem Vorwurf zu äußern!

SCHACHT: Es wäre mir außerordentlich lieb gewesen, wenn ich die Herren, die so über mich urteilen, schon zu einer Zeit kennengelernt hätte, als es noch Zweck gehabt hätte; es sind die Leute, die nachher immer schon vorher gewußt haben, was eigentlich hätte geschehen müssen. Ich kann nur konstatieren, daß erstens ich von 1920 an bis zur Machtübernahme durch Hitler das Inland und Ausland ständig in einem Sinne zu beeinflussen versucht habe, der das Auftreten und Zurmachtgelangen eines Hitler verhindert hätte. Ich habe das Inland zu sparsamster Finanzwirtschaft ermahnt, man hat mich nicht gehört; ich habe das Ausland immer und immer wieder ermahnt, eine Wirtschaftspolitik zu treiben, die dem deutschen Volke die Lebensmöglichkeit gäbe; man hat auf mich nicht gehört, trotzdem man mich, wie es jetzt den Anschein hat, als einen klugen und weitsichtigen Mann anerkennt. Hitler ist zur Macht gekommen, weil meine Ratschläge nicht befolgt worden sind; das deutsche Volk ist in eine unendliche Wirtschaftsnot geraten, und weder das Inland...


GENERAL RUDENKO: Herr Vorsitzender! Wir hören nun schon zwei Tage lang weitschweifende Erklärungen des Angeklagten Schacht, und ich glaube, daß die Erklärung, die der Angeklagte Schacht jetzt abgibt, keine Antwort auf konkrete Fragen in Bezug auf die ihm vorgelegte Anklage ist, sondern bloße Redensarten. Es scheint mir, daß es nur den Prozeß in die Länge zieht.


[607] VORSITZENDER: Herr Dr. Dix! Der Gerichtshof ist meiner Ansicht nach absolut auf dem lautenden über den Fall des Angeklagten Schacht. Wir wollen ihn nicht an der vollen Ausführung seiner Verteidigung hindern, aber es wäre uns lieb, wenn Sie, sowohl wie er, sich so kurz wie möglich fassen würden.


DR. DIX: Euer Lordschaft! Ich bin überzeugt, daß ich bis zur Pause, vielleicht schon eher, fertig sein werde. Aber ich bitte doch zu bedenken, ihm wird der Vorwurf gemacht, der Machtergreifung geholten zu haben; nun ist doch die Frage: wie kommt es, daß...


VORSITZENDER: Ich habe nicht entschieden, daß diese Beweisführung nicht zulässig ist. Ich bat Sie nur, so schnell wie möglich zu verfahren.


DR. DIX: Also Herr Dr. Schacht, fahren Sie fort und tragen Sie dem Wunsch des Herrn Vertreters der Sowjetischen Anklagedelegation im Rahmen des Möglichen Rechnung.


SCHACHT: So kurz wie möglich. Ich werde gar nicht auf die Einzelheiten eingehen, ich konstatiere nur, daß infolge des Zusammenbruchs von 1918 und der ungeeigneten Bestimmungen des Versailler Vertrags Deutschland in eine schwere Notlage gekommen ist, daß die demokratischen Parteien, die damals das Regime fest in der Hand hatten, nicht imstande gewesen sind, eine Änderung der Zustände herbeizuführen, daß das Ausland nicht erkannt hat, welche Politik es gegenüber Deutschland einschlagen müsse. Ich mache gar keine Vorwürfe, ich konstatiere nur –, und daß infolgedessen in dieser Not Hitler eine solche Reichstagsmajorität erlangte, wie sie seit Bestehen des Reiches nicht dagewesen ist.

Jetzt frage ich diejenigen, die sagen, was ich damals hätte tun müssen, nachdem sie es mir damals nicht gesagt haben, sondern hinterher heute, was sie denn eigentlich getan hätten. Ich habe erklärt, daß ich gegen ein Militärregime war, daß ich einen Bürgerkrieg vermeiden wollte und daß ich auf demokratischer Linie nur den einen Weg sah, den Mann, der die Macht nun einmal erlangt hatte, die Regierung führen zu lassen. Ich habe ferner gesagt, daß ich von dem Augenblick dieser Erkenntnis an versucht habe, mich einzuschalten, nicht in der Absicht, um diesen Mann in seinen extremen Ideen zu fördern, sondern in seinen extremen Ideen zu bremsen und möglichst in eine geordnete Bahn zurückzuführen.


DR. DIX: Dann kam der spätere Zeitpunkt, wo Sie die Gefahr erkannten und wo Sie selbst unter den unerträglichen Zuständen des Terrors und der Meinungsknebelung litten? Da ist doch vielleicht die Frage am Platz und erlaubt: Warum sind Sie nicht emigriert?


SCHACHT: Wenn es sich um mein persönliches Schicksal gehandelt hätte, so wäre nichts leichter gewesen als das, zumal [608] wir ja früher gehört haben, daß es mir angetragen und erleichtert werden sollte. Es handelte sich aber nicht um mich; nachdem ich mich seit dem Jahre 1923 dem deutschen öffentlichen Wohl gewidmet hatte, handelte es sich für mich um die Existenz meines Volkes, meines Landes. Ich habe noch nie in der Geschichte erlebt, daß Emigranten – ich spreche natürlich von den freiwilligen Emigranten und nicht von den ausgewiesenen –, ich habe noch nie erlebt, daß Emigranten ihrem Land irgend etwas genützt haben. Das ist nicht der Fall gewesen im Jahre 1792 in der französischen Revolution, es ist nicht der Fall gewesen 1917 in der russischen Revolution, und es ist auch nicht der Fall gewesen bei der nationalsozialistischen Revolution, die wir durchgemacht haben. Drüben in irgendeinem sicheren Hafen zu sitzen und Artikel zu schreiben, die zu Hause kein Mensch liest...


VORSITZENDER: Herr Dr. Dix! Wir wollen hier keine geschichtliche Vorlesung, nicht wahr?


DR. DIX: Ich glaube, wir können hier abstoppen; aber er wollte ja nur motivieren, warum er nicht emigrierte.


[Zum Zeugen gewandt:]


Aber Sie sind verstanden worden.

SCHACHT: Danke.

DR. DIX: Hier ist auch im Laufe der Verhandlung entweder in einem Brief oder in einem Gedicht, das weiß ich jetzt nicht, von Ihren Gedanken über einen eventuellen Märtyrertod die Rede gewesen; ob Sie da vielleicht der Sache des Friedens oder dem deutschen Volke hätten dienen können, indem Sie noch weiter gegangen wären, als Sie gegangen sind, sich geopfert hätten...


SCHACHT: Ich glaube Sie spielen auf ein Zitat an, welches einer der Herren der amerikanischen Anklagevertreter hier vorgebracht hat, wo ich in einer meiner Aufzeichnungen über das Totschweigen gesprochen habe.


DR. DIX: Jawohl.


SCHACHT: Wenn ich selbst mich aufgeopfert hätte, so hätte das nicht das leiseste genützt, weil die Umstände des Aufopferns nicht bekanntgeworden wären. Entweder wäre ich in irgendeinem Gefängnis verschwunden oder wäre dort gestorben, und kein Mensch hätte mehr gewußt, lebt er oder lebt er nicht; oder ich wäre irgendeines beabsichtigten zufälligen Unglückstodes gestorben, und dann wäre diese Märtyrermöglichkeit auch nicht mehr gewesen. Märtyrer wirken nur, wenn sie der Öffentlichkeit bekannt werden.


DR. DIX: Ich darf jetzt die Aufmerksamkeit des Gerichts einen Moment in Anspruch nehmen. Mir ist gestern eine Frage abgelehnt worden, betreffend die gesellschaftliche Haltung des diplomatischen [609] Korps und deren Wirkung zum Beispiel auf Männer wie Schacht. Die Frage, die ich jetzt stellen will, ist zwar nicht die gleiche – dann würde ich sie nicht stellen –, aber sie hat immerhin einen Gegenstand...


VORSITZENDER: Mein Einwand richtete sich gegen die Anwendung des Wortes »Haltung«, denn ich vermag nicht einzusehen, wie Zeugen die Haltung eines Korps beweisen können. Ich glaube, ich sagte, daß besonders die Tatsache der Anwesenheit des diplomatischen Korps bei dem Parteitag in der Beweisführung unterbreitet werden kann, aber das Wort »Haltung« ist viel zu allgemein. Was wollen Sie also jetzt fragen?


DR. DIX: Gestern war die Frage abgelehnt worden, die ich so präzisiert hatte: »Wie war Schacht beeinflußt durch das Gesamtverhalten des diplomatischen Korps?« Diese Frage ist abgelehnt und ist damit erledigt. Nun möchte ich natürlich vorher Klarheit schaffen, weil ich mich auch nicht dem Anschein aussetzen will, als ob ich eine Frage einschmuggeln will, die vielleicht gegen dieselbe Ratio verstößt. Auf der anderen Seite ist es für meine Verteidigung wesentlich, darzutun, daß auch urteilsfähige Männer des Auslandes dieselbe Einstellung gehabt haben gegenüber dem Regime wie Schacht, die doch über jeden Verdacht erhaben sind, einen Angriffskrieg vorbereiten zu wollen, und auf der anderen Seite ist es eine der Säulen meiner Verteidigung, darzutun, daß die Arbeit dieser oppositionellen Kreise durch die Haltung des Auslandes nicht nur nicht gefördert, sondern auch erschwert worden ist. Das ist das »Thema probandum«, das für mich wichtig ist und zu diesem Thema – aber bitte, antworten Sie nicht, Herr Schacht, bevor nicht das Gericht die Erlaubnis gegeben hat – zu diesem Thema wollte ich...


VORSITZENDER: Wollen Sie bitte die Frage genau formulieren.


DR. DIX: Ja, ich will jetzt die Frage stellen. Ich wollte ihm nach meinen Notizen zu den verschiedenen Ehrungen, die das Nazi-Regime im Ausland erfahren hat, die hier bereits erörtert sind, die zahlreichen repräsentativen und das Regime ehrenden Staatsbesuche nach meinen Notizen vorhalten und ihn dann fragen – jetzt kommt die Frage: welchen Einfluß diese zahlreichen und großen Ehrungen auf die Arbeit und Ziele dieser Verschwörergruppe gehabt haben. Da aber diese Frage sich etwas in derselben Linie bewegt, wie die gestern abgelehnte – und ich mir meine »objections« lieber selber mache, als sie mir machen zu lassen – wollte ich vorher die Frage dem Gericht unterbreiten, ob sie zugelassen wird.


VORSITZENDER: Herr Dr. Dix! Die Frage lautet: »Welche Folgen, welche Wirkung hatte die Anerkennung der Nazi-Regierung seitens des Auslandes auf diese Verschwörergruppe, mit der der Angeklagte Schacht in Verbindung stand?« Das ist die Frage, nicht wahr? Diese Frage dürfen Sie nach Ansicht des Gerichtshofs stellen.


[610] DR. DIX: Wird zugelassen; wenn Anerkennung richtig übersetzt wird »die Ehrung«; Ehrung, nicht Anerkennung im Sinne der Anerkennung einer Regierung im diplomatischen, offiziellen Verkehr, sondern der Ehrung, der Auszeichnung. Es ist eine Schwierigkeit der Übersetzung; ich möchte da kein Mißverständnis... Und vorher darf ich ihm die einzelnen Staatsbesuche vorhalten, die ich mir notiert habe, damit er die Frage beantworten kann? Darf ich das?


VORSITZENDER: Ja. Die tatsächlichen Besuche.


DR. DIX: Also, sie wird nicht vollständig sein, die Liste.


[Zum Zeugen gewandt:]


Ich erinnere Sie daran, daß 1935 der Labour-Party-Abgeordnete Allan Hartwood...

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß Sie die Frage ganz allgemein stellen sollten, wie ich es Ihnen vorgeschlagen habe und sich nicht auf die Einzelheiten jeden Besuches oder auf Einzelheiten über die Anzahl der Besuche einlassen.

JUSTICE JACKSON: Herr Vorsitzender! Ich möchte auch gegen die allgemeine Frage Einspruch erheben, da bereits ersichtlich ist, daß die Vereinigten Staaten an dieser Angelegenheit nicht teilgenommen haben. Ich habe versucht, europäische Politik diesem Falle fernzuhalten, und dies würde den Anfang dazu bilden. Ich möchte mich nicht auf solche Dinge einlassen. Ich halte es für absolut unerheblich, daß einige Ausländer, getäuscht durch die Aufmachung, die auch von Schacht unterstützt wurde, nicht eher einen Krieg begannen. Diese ganze Angelegenheit ist absolut unerheblich. Die Vereinigten Staaten haben solche Dinge aus diesem Verfahren heraushalten wollen, da es endlos dauern würde, wenn wir darauf eingingen. Meiner Ansicht nach sollte, wenn Herr Schacht die Verantwortung für sein Verhalten auf irgendeinen Ausländer abwälzen will, dieser Ausländer beim Namen genannt werde. Er hat schon gesagt, daß die amerikanischen Vertreter, Herr Messersmith und Herr Dodd, nichts damit zu tun hatten; denn sie waren immer dagegen. Wir kommen langsam in eine Lage, die meines Erachtens vor diesem Gerichtshof unmöglich ist, und ich kann durchaus nicht einsehen, wie es im Rahmen der Verteidigung Schachts einen Milderungsgrund darstellen kann, wenn nachgewiesen wird, daß ausländische Regierungen auch während der Degenerationszeit des Deutschen Reiches mit ihm in Verbindung standen.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß die Frage erheblich ist. Sie soll aber nicht in Einzelheiten gestellt werden.


DR. DIX: Ich werde sie ohne Einzelheiten stellen und darf noch vorher bemerken, ich kann mich natürlich nicht in einem Atem mit [611] Amerika nennen, aber auch mein Bestreben ist es, Außenpolitik fernzuhalten; aber das ist keine Außenpolitik, was ich frage.


[Zum Zeugen gewandt:]


Also nun die eine Frage: Wie haben die Ehrungen, welche das Ausland in der ja auch Ihnen bekannten Weise dem Nazi-Regime erwiesen hat, auf Ihre Verschwörungsgruppe gewirkt?

SCHACHT: Es sind in all den Jahren von 1935 an etwa bis einschließlich 1938 unzählige Staatsmänner aus fast sämtlichen Nationen in Berlin bei Hitler zu Besuch gewesen, einschließlich einzelner gekrönter Häupter. Aus Amerika war beispielsweise auch der Undersecretary of State Phillipps da.

DR. DIX: Aber nicht die Namen nennen.


SCHACHT: Nein, ich habe nur, weil hier Namen ausdrücklich genannt worden sind... Es beschränkt sich nicht auf Europa, und ich habe gar nicht die Absicht, politische Ausführungen zu machen, sondern ich sage nur, es sind so viele Besucher dagewesen, die für Hitler nicht nur eine Anerkennung, sondern auch eine Auszeichnung bedeuteten, daß dieser Mann in den Augen des deutschen Volkes als ein ganz großer Mann erschien. Ich erinnere mich noch, wie im Jahre, ich glaube, 1925 oder so etwas der König von Afghanistan, Amanullah, als erster Ausländer bei der sozialdemokratischen Regierung in Berlin erschien und gefeiert wurde, weil endlich einmal ein ausländischer großer Mann zu uns kam. Hier bei Hitler war es so, daß von 1935 an sich die Besuche überstürzten und überschlugen, und Hitler eilte von einem außenpolitischen Erfolg zum anderen, was unsere Aufklärung innerhalb des deutschen Volkes auf das äußerste erschwert hat und es unmöglich machte, innerhalb des deutschen Volkes für diese Aufklärung zu arbeiten.


DR. DIX: Und nun zwei Schlußfragen.

Sie haben die Anklagerede des britischen Kronanwalts Shawcross gehört, welcher sagte, daß einmal der Moment hätte kommen müssen, wo die Diener Hitlers ihm die Gefolgschaft hätten verweigern müssen. Wir wollen uns einmal auf den Boden dieser Auffassung stellen, und ich frage Sie: Sind Sie der Auffassung, für Ihre Person dieses Postulat des Führers der Britischen Delegation erfüllt zu haben?


SCHACHT: Ich stelle mich nicht nur auf den Boden dieser Postulatio, sondern ich billige sie von ganzem Herzen. In dem Augenblick, wo ich erkannt habe, welch ein Schädling Hitler war, welch eine Bedrohung des Weltfriedens, habe ich mich in jeder Form von ihm gewandt, nicht nur heimlich, sondern öffentlich und ihm gegenüber persönlich.


DR. DIX: Sie sind also der Auffassung, das Äußerste an Menschenkraft getan zu haben, um nach Gewinnung der richtigen [612] Erkenntnis das Unheil dieses Krieges der Menschheit zu ersparen und nach Kriegsausbruch sein Ende herbeizuführen?


SCHACHT: Ich kenne in Deutschland niemanden, der es mehr getan hätte als ich. Ich habe vor dem Rüstungsübermaß gewarnt. Ich habe die effektiven Rüstungen mit meiner Wirtschaftspolitik nach Kräften gehemmt und, wenn Sie wollen, sabotiert. Ich habe meinen Rücktritt vom Wirtschaftsministerium gegen den Willen Hitlers durchgesetzt. Ich habe gegen alle Parteiauswüchse protestiert bei Hitler und öffentlich. Ich habe das Ausland ständig gewarnt und unterrichtet. Ich habe den Versuch gemacht, die ausländische Politik gegenüber Deutschland durch Entwicklung der Kolonialfrage zu ändern und damit eine friedliche Atmosphäre herbeizuführen. Ich habe Hitler die Kredite für weitere Rüstungen...


VORSITZENDER: Ich glaube, wir haben das alles schon mehr als einmal gehört.


DR. DIX: Ja.


SCHACHT: Ich bitte einen Satz: Ich habe ihm die Kredite versperrt... und habe schließlich versucht, ihn zu beseitigen.


DR. DIX: Meine Herrn Richter! Ich bin jetzt am Ende meiner Beweisführung im Falle Schacht. Ich habe nur noch eine Bitte. Gerade in den letzten Tagen sind auch mir eine Menge Zuschriften von bekannten Männern, die Schacht kennen, zugegangen, darunter auch Affidavits, Ich werde diese prüfen. Sollte ich der Auffassung sein, daß das eine oder andere Affidavit noch sachdienlich sein sollte, dann würde ich mich mit der Prosecution in Verbindung setzen, mit ihr besprechen, ob sie etwas gegen die Übersetzung einzuwenden hat, um uns dann gemeinsam an das Gericht zu wenden, um eventuell später noch das eine oder andere Dokument nur zur amtlichen Kenntnis, nicht mehr zum Vorlesen, einzureichen; und ich darf bitten, daß Sie mir dieses Recht vorbehalten.

Ich komme ja dann am Schluß der Beweisaufnahme noch kurz mit meinen Dokumenten. Es ist ja nur teilweise erledigt.


VORSITZENDER: Wünscht irgendein anderer Verteidiger Fragen zu stellen?


DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich habe nur einige wenige Fragen an Herrn Dr. Schacht zu richten.


[Zum Zeugen gewandt:]


Seit wann kennen Sie Herrn von Neurath, Herr Doktor?

SCHACHT: Das kann ich aufs Jahr genau nicht sagen; aber jedenfalls seit langer, langer Zeit, seit vielen, vielen Jahren.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Sie waren dann eine Zeitlang, ungefähr vier Jahre, mit ihm als Kollege, als Ministerkollege, in [613] der Regierung. Haben Sie in dieser Zeit mehr mit ihm verkehrt – außer rein offiziell?


SCHACHT: Leider nicht genügend. Aber ich habe ihn natürlich immer von Zeit zu Zeit gesehen. Ich hätte ihn gerne öfter gesehen.


DR. VON LÜDINGHAUSEN: Aber Sie haben aus Gesprächen mit ihm oder was Sie über ihn hörten, sich doch sicherlich eine Meinung über seine politische Einstellung und sein politisches Denken, seine politischen Absichten gebildet.


SCHACHT: Das war mir genau bekannt.


DR. VON LÜDINGHAUSEN: Und wohin ging dieses politische Denken seiner Einstellung?


SCHACHT: Ich habe von Herrn von Neurath den Eindruck gehabt, daß er im Grunde Anhänger einer konservativen Politik war, aber einem aufgeklärten Fortschritt jederzeit zugängig und vor allem für eine internationale friedliche Zusammenarbeit eingestellt war.


DR. VON LÜDINGHAUSEN: Halten Sie es für möglich oder haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß er unter Umständen auch zu kriegerischen Mitteln greifen würde oder das überhaupt in seine Berechnungen einzog, wenn eine friedliche Verständigung, die er erstrebte, wirklich ausgeschlossen war?


SCHACHT: Ich halte nach Empfinden und Verstand Neuraths ihn für jede Kriegspolitik völlig abgeneigt.


DR. VON LÜDINGHAUSEN: Sie haben dann auch miterlebt, wie unter seiner Führung der deutschen Außenpolitik verschiedene...


VORSITZENDER: Herr Dr. Lüdinghausen! Würden Sie bitte die Kopfhörer anlegen. Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß diese Fragen nicht zulässig sind, da sie zu allgemein gehalten sind.


DR. VON LÜDINGHAUSEN: Haben Sie von Herrn von Neurath den Eindruck gehabt, als wenn er verschiedenes, was er erreicht hat, die Rheinlandbesetzung vor allen Dingen...


VORSITZENDER: Herr Dr. von Lüdinghausen! Das ist keine zulässige Frage an einen Zeugen: »Haben Sie den Eindruck von ihm?« Sie können fragen, was er gesagt hat und was er getan hat; was hat Herr von Neurath getan oder gesagt?


DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ja, dann werde ich die Frage nicht stellen.

Dann habe ich noch eine letzte Frage.


[Zum Zeugen gewandt:]


Sie wissen, daß Herr von Neurath am 4. Februar 1938 als Außenminister ausgeschieden ist. Was haben Sie und die Ihnen [614] nahestehenden Kreise zu diesem Ausscheiden des Herrn von Neurath aus der Außenpolitik gesagt? Welchen Eindruck hat das auf Sie gemacht?

SCHACHT: Ich glaube, ich habe schon im Laufe des Verhörs gesagt, daß ich das Ausscheiden des Herrn von Neurath als ein sehr übles Zeichen für das Verlassen der bisherigen Verständigungspolitik in außenpolitischer Beziehung aufgefaßt habe.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich habe keine weiteren Fragen.


VORSITZENDER: Irgendwelche andere Fragen seitens der Verteidigung? Wünscht die Anklagebehörde ein Kreuzverhör anzustellen?


JUSTICE JACKSON: Vielleicht können wir Zeit sparen, Herr Vorsitzender, wenn wir jetzt die Pause eintreten ließen. Ich weiß, es ist etwas früh, aber wir brauchen einige Zeit, um unsere Papiere vorzubereiten.


VORSITZENDER: Sicherlich.

[Pause von 10 Minuten.]


JUSTICE JACKSON: Dr. Schacht! Nach dem Protokoll Ihrer Aussage vom 1. Mai, Vormittagssitzung (Band XII, Seite 502), haben Sie gesagt, daß Sie im Jahre 1938 einer gewissen Dame beim Abendessen gesagt haben: »Gnädige Frau, wir sind in die Hände von Verbrechern gefallen. Wie hätte ich das ahnen können?« Erinnern Sie sich an diese Aussage?

SCHACHT: Nicht ich habe das Zeugnis abgelegt, sondern es ist aus einem Affidavit von meinem Anwalt hier vorgelesen worden; aber es stimmt.


JUSTICE JACKSON: Ich bin sicher, daß Sie dem Gerichtshof helfen wollen, indem Sie uns sagen, wer diese Verbrecher waren?


SCHACHT: Hitler und seine Genossen.


JUSTICE JACKSON: Nun, Sie waren ja dabei. Sie wissen doch, wer die Mitarbeiter waren? Ich möchte, daß Sie alle Angeklagten namhaft machen, die Sie zu diesen Verbrechern zählen. Hitler ist tot, das wissen Sie ja.


SCHACHT: Mr. Justice! Es ist für mich sehr schwer, diese Frage vollständig zu beantworten, weil ich nicht weiß, wer in dieser engeren Verschwörung von Hitler drin gewesen ist. Wir haben aber hier vom Angeklagten Göring gehört, daß er sich zu dieser Gruppe rechnete. Ich rechne zu dieser Gruppe noch Himmler und Bormann; wer aber sonst in diesem engen Vertrauenskreis gewesen ist, weiß ich nicht.


[615] JUSTICE JACKSON: Sie haben nur drei Männer genannt. Ich werde Ihnen die Frage so stellen: Sie haben vier Männer als Verbrecher bezeichnet, drei davon sind tot und einer, von dem Sie sagten, daß er zugab...


SCHACHT: Ich kann noch einen hinzufügen, gestatten Sie, ich nehme an, daß auch der Reichsaußenminister von Ribbentrop über die Pläne Hitlers stets im Bilde gewesen ist; ich muß das annehmen, ich weiß es nicht, ich kann es nicht beweisen.


JUSTICE JACKSON: Wen haben Sie sonst noch dazugerechnet, als Sie mit der Dame sprachen?


SCHACHT: Ich habe an dem Abend keinen Namen genannt.


JUSTICE JACKSON: Aber an wen dachten Sie dabei? Sie haben bestimmt keine Anklagen gegen Ihre eigenen Leute erhoben, die Mitglieder Ihrer eigenen Regierung, ohne dabei an ganz bestimmte Namen zu denken?


SCHACHT: Ich habe mir erlaubt, Ihnen eben diese Namen zu nennen.

JUSTICE JACKSON: Sind das alle?


SCHACHT: Das kann ich nicht wissen; aber ich nehme an, es sind noch mehr gewesen. Also einen Mahn wie Heydrich würde ich natürlich ohne weiteres dazu rechnen. Nicht wahr. Aber ich kann ja nicht wissen, mit wem...


JUSTICE JACKSON: Heydrich ist tot.


SCHACHT: Ich bedauere es, daß die Leute tot sind, ich hätte ihren Tod lieber auf andere Weise gesehen, aber...


JUSTICE JACKSON: Sind dies die einzigen Leute, die Sie dazu rechneten?


SCHACHT: Ich habe keine Beweise dafür, daß irgend jemand anderer mit in dieser Verschwörung gewesen ist, von dem ich sagen könnte, die und die Dinge sprechen dafür, daß du mit drin gewesen sein mußt.


JUSTICE JACKSON: Nun, Herr Dr. Schacht, zur Zeit der Machtergreifung der Nazis hatten Sie Verbindungen in aller Welt und als führender Bankier genossen Sie sehr großes Ansehen in Deutschland und der übrigen Welt, nicht wahr?


SCHACHT: Ich weiß nicht, ob das der Fall ist; aber wenn Sie der Ansicht sind, will ich nicht widersprechen.


JUSTICE JACKSON: Nun, erstmal geben Sie es zu.


SCHACHT: Ich widerspreche nicht.


JUSTICE JACKSON: Und, soweit ich weiß, erschienen Sie trotzdem öffentlich in Deutschland vor dem deutschen Volk, um das [616] Nazi-Regime zu unterstützen, zusammen mit Individuen wie Streicher und Bormann.


SCHACHT: Mr. Justice! Ich habe mir erlaubt, hier auseinanderzusetzen, daß ich bis zum Juli 1932 in keiner Weise öffentlich für Hitler oder die Partei aufgetreten bin, daß ich im Gegenteil in Amerika zum Beispiel gewarnt habe vor Hitler; und daß ich zu jener Zeit – also der Name Bormann war mir damals unbekannt, und der »Stürmer« von Streicher war mir vorher genau so widerlich wie nachher. Ich habe nicht geglaubt, daß ich mit Herrn Streicher irgend etwas gemeinsam hätte.


JUSTICE JACKSON: Ich habe das auch nicht geglaubt, und gerade darum fragte ich mich, warum Sie gemeinsam mit ihm nach 1933 vor dem deutschen Volk auftraten, zu der Zeit, als die Nazi-Regierung gerade ihre Macht festigte? Das taten Sie doch, nicht wahr?


SCHACHT: Was tat ich, Mr. Justice, was habe ich gemacht?


JUSTICE JACKSON: Ich spreche von Ihrem öffentlichen Auftreten vor dem deutschen Volk gemeinsam mit Streicher und Bormann zur Unterstützung des Nazi-Programms nach der Machtergreifung.


SCHACHT: Ich glaube nicht; ich bin niemals äußerlich mit Streicher oder Bormann zusammen gesehen worden. Jedenfalls nicht zu der Zeit. Es ist möglich, daß er auf dem gleichen Parteitag wie ich gewesen ist, daß er vielleicht in meiner Nähe gesessen hat oder so etwas, aber jedenfalls im Jahre 1933 bin ich weder mit Bormann noch mit Streicher irgendwie öffentlich gesehen worden.


JUSTICE JACKSON: Ich werde Ihnen nunmehr eine Photographie aus der Sammlung Hoffmanns zeigen lassen. Sie ist mit Nummer 10 bezeichnet. Sie haben wohl keine Schwierigkeiten, sich darauf zu erkennen, nicht wahr?


SCHACHT: Nein.


JUSTICE JACKSON: Und zu Ihrer Rechten sitzt Bormann?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Und neben ihm der Arbeitsminister?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Und auf der anderen Seite von Ihnen befindet sich Hitler?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Und hinter ihm Streicher?


SCHACHT: Ich erkenne ihn nicht; ich weiß nicht, ob es Streicher ist, vielleicht.


[617] JUSTICE JACKSON: Ich möchte nun diese Photographie als Beweismittel einreichen, und vielleicht wird die Identifizierung genügen.


[Zum Zeugen gewandt:]


Und Frick ist auch auf dem Bilde?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Es wird Beweisstück US-829.


[Zum Zeugen gewandt:]


Ich werde Ihnen nunmehr zeigen lassen...

VORSITZENDER: Justice Jackson! Welches Datum trägt die Aufnahme?

JUSTICE JACKSON: Es ist kein Datum darauf angegeben. Vielleicht kann es uns der Zeuge sagen.

SCHACHT: Mr. Justice! Sie haben gesagt, ich hätte mich im Jahre 1933 mit Streicher und Bormann zusammen öffentlich als Vertreter der Nationalsozialistischen Partei sehen lassen. Ich würde deshalb gern wissen, wo dieses Bild aufgenommen ist und wann. Ich kann es nicht identifizieren.


JUSTICE JACKSON: Ich fragte über die Zeit nach 1933. Schacht, bestreiten Sie, daß dies eine Photographie ist...


SCHACHT: Nein, nein, keineswegs; ich frage mich nur, aus welcher Zeit. Es bezieht sich, glaube ich, nicht auf das Jahr 1933 oder 1934.


JUSTICE JACKSON: Wann war es, wenn Sie es uns sagen wollen?


SCHACHT: Ich weiß es nicht, ich kann es nicht feststellen.


JUSTICE JACKSON: Ich zeige Ihnen nun ein anderes Photo, zwei Photos, Nummer 3 und 4. Photo Nummer 3 zeigt, wie Sie mit Dr. Ley und anderen zusammen marschieren.


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Nummer 4 zeigt, wie Sie in den Saal marschieren und den Nazi-Gruß erweisen.


SCHACHT: Jawohl, jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und Ley war der Mann, der die Gewerkschaften in Deutschland abgeschafft hat?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Das sind einwandfreie Photographien, nicht wahr?


SCHACHT: Natürlich.


[618] JUSTICE JACKSON: Ich biete sie als Beweisstück US-829 an.


[Zum Zeugen gewandt:]


Nun möchte ich Ihnen die Photos Nummer 1, 2, 6 und 7 zeigen. Betrachten wir Photo Nummer 1. Erinnern Sie sich, wo es aufgenommen wurde?

SCHACHT: Ja, einen Moment – wenn es die Nummer ist, die ich hier habe – just a minute, ja.

JUSTICE JACKSON: Wo wurde es aufgenommen?


SCHACHT: Ich glaube, Nummer 1 ist ein Bild aus der Reichskanzlei, wenn ich nicht irre.


JUSTICE JACKSON: Unter den auf Bild Nummer 1 ersichtlichen Personen ist Frick?


SCHACHT: Gürtner, Goebbels, Popitz, Schacht, Papen, Göring und andere und Hitler in der Mitte.


JUSTICE JACKSON: Und Neurath? Erkennen Sie ihn?


SCHACHT: Neurath, ich glaube gleich rechts von Hitler, im Hintergrund.


JUSTICE JACKSON: Und Goebbels?


SCHACHT: Ja, ja, ich nannte Goebbels.


JUSTICE JACKSON: Sie stellen auch Funk auf dem Bild fest, ganz rechts am Rande; es ist nur ein Teil seiner Gestalt sichtbar.


SCHACHT: Wer ist das?


JUSTICE JACKSON: Funk, der Angeklagte Funk.


SCHACHT: Nein, das ist Göring.


JUSTICE JACKSON: Hinter Göring und hinter Neurath?


SCHACHT: Verzeihen Sie, ich habe vielleicht ein anderes Bild. Oh, oh, verzeihen Sie, das ist Nummer 2. Auf Nummer 2 sehe ich von links nach rechts Popitz, Rust, Göring, Neurath, Hitler, Blomberg, Schacht, Gürtner, Krosigk, Eiz von Rübenach und ganz hinten rechts Funk.


JUSTICE JACKSON: Sehen wir uns Nummer 7 an. Wen erkennen Sie auf dieser Photographie in Ihrer Gesellschaft?


SCHACHT: Ganz links meine verstorbene Frau; dann der Vizepräsident der Reichsbank, Dreyse, dann Hitler, dann ich, dann der Adjutant von Hitler, und der dicke Herr rechts – das weiß ich nicht, wer das ist.

Das ist eine Photographie, aufgenommen bei der Grundsteinlegung des neuen Reichsbankgebäudes im Jahre 1934 und hinter mir gleich rechts Blomberg.


JUSTICE JACKSON: Und Aufnahme Nummer 6?


[619] SCHACHT: Einen Moment, das ist das Bild, wo ich neben Hitler gehe, nicht wahr? Das ist der Einmarsch Hitlers in meiner Begleitung bei der Grundsteinlegung des neuen Reichsbankgebäudes. Sie sehen hinter mir, beziehungsweise hinter Hitler, Geheimrat Vocke, der morgen als Zeuge auftreten wird, und einige andere Herren vom Reichsbankdirektorium.


JUSTICE JACKSON: Ich biete die übrigen Aufnahmen Nummer 1, 6 und 7 unter der gleichen Beweisstücknummer an.


[Zum Zeugen gewandt:]


So würde sich dann ergeben, Herr Dr. Schacht, daß ein guter Teil Ihrer derzeitigen Gesellschaft die Gesellschaft ist, die mit Ihnen im Jahre 1933 und 1934 begonnen hatte?

SCHACHT: Ist das eine Frage oder?

JUSTICE JACKSON: Nun, ist das nicht richtig?


SCHACHT: Nein, wenn Sie mich mit meinen anderen Bekannten ebensooft photographiert hätten, würde der Stapel zehnmal so groß sein.


JUSTICE JACKSON: In Ihrer Aussage vom 30. April vormittag (Band XII, Seite 462) erklärten Sie, daß grundsätzliche Erwägungen Sie abhielten, Parteimitglied zu werden und daß die Parteimitgliedschaft nicht im Einklang mit Ihren Grundsätzen stünde.


SCHACHT: Das ist richtig.


JUSTICE JACKSON: Sie sagten weiter aus – ich beziehe mich auf Ihre Aussage vom 30. April, nachmittag (Band XII, Seite 497) –, daß Sie von 1932 bis zum 30. Januar 1933... ich zitiere:

»Ich habe während dieser ganzen Zeit kein Wort für Hitler geschrieben oder öffentlich – publicy – geredet.«


SCHACHT: Ich glaube, das stimmt, wenn Sie den Ton auf »publicy« legen.

JUSTICE JACKSON: Man muß »publicy« betonen?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Dann möchte ich Sie als nächsten Punkt fragen: Sie haben auch ausgesagt:

»Ich habe niemals dazu beigetragen, durch Rücksprache mit irgendeinem der maßgeblichen Herren, sei es nun von Hindenburg, sei es Meißner oder sonst jemanden, irgendeinen Einfluß zugunsten Hitlers auszuüben. Ich bin an der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler völlig unbeteiligt.«

Ist das korrekt?

SCHACHT: Das ist korrekt.

[620] JUSTICE JACKSON: Nun, gibt es hier Worte, die wir zu betonen haben, um sie richtig zu verstehen?


SCHACHT: Nein. In Bezug auf das Kanzlerwerden Hitlers bitte ich, die Worte »competent men« zu beachten.


JUSTICE JACKSON: Gut, ich weiß nicht genau, was Sie damit meinen, aber ich werde Ihnen Gelegenheit geben, das zu erklären.


SCHACHT: Ja, »kompetent« heißen diejenigen Leute, die die Kanzlerschaft bestimmen konnten. Ich habe selbstverständlich gesagt, daß Hitler Kanzler werden würde, Kanzler werden müsse und habe diese Überzeugung in privaten Kreisen zum Ausdruck gebracht.


JUSTICE JACKSON: Sie haben das öffentlich erklärt?


SCHACHT: Nein, ich habe das nur in dem Kreis meiner Freunde, meiner Wirtschaftsfreunde und dergleichen ausgesprochen.


JUSTICE JACKSON: Nun, jetzt möchte ich Ihnen eine Aussage von Papen zitieren:

»Im Juli oder August, es war in meinem Hause, als ich Reichskanzler war, im Jahre 1932, kam Schacht, um mich aufzusuchen. Er sagte: Da ist ein sehr intelligenter Mann – es war in Gegenwart meiner Frau, ich habe es nie vergessen –, geben Sie ihm Ihre Stellung, geben Sie die Stellung Hitler, das ist der einzige Mann, der Deutschland retten kann.«

Haben Sie das gesagt oder nicht?

SCHACHT: Ich weiß es nicht, ob ich das gesagt habe: Er ist der einzige Mann, der Deutschland retten kann. Aber ich habe ihm gesagt, Hitler wird und muß Kanzler werden. Das ist aber schon im August oder Juli 1932 nach den Juliwahlen geschehen und hat mit der Ernennung Hitlers, die ja erst nach dem Kabinett Schleicher in Frage stand, worüber ich hier gefragt worden bin, nichts zu tun.

JUSTICE JACKSON: Nun, Herr Dr. Schacht, ich habe Sie gerade gefragt, ob Sie nicht ausgesagt haben, daß Sie nichts mit seiner Ernennung zum Kanzler zu tun hatten. Sie sagten...


SCHACHT: Das ist wahr.


JUSTICE JACKSON:... und hier sagt man, daß Sie von Papen ersucht haben, den Posten an ihn abzugeben und...


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Und behaupten Sie – und ich will, daß Sie dazu alles sagen, was Sie sagen wollen –, behaupten Sie, daß das Hitler nicht verhalf, Kanzler zu werden?


SCHACHT: Ich weiß nicht, ob es eine Hilfe für Hitler gewesen ist. Ich bin hier im Zeugenverhör gefragt worden, ob ich bei der Wahl Hitlers oder bei der Ernennung Hitlers zum Kanzler im Januar 1933 irgendwelchen Einfluß ausgeübt hätte. Ich habe genannt [621] die Namen Hindenburg, Meißner und so weiter, das heißt den Kreis, der um Hindenburg war. Papen war seit dem Anfang November 1932 nicht mehr Kanzler, hatte also auf diese Dinge gar keinen Einfluß. Ich habe auch in diesen Wochen mit Papen gar nicht gesprochen. Dagegen habe ich nach den Wahlen von 1932 gesagt, es ist unausweichlich, daß ein Mann, der eine solche Stimmenzahl im Reichstag auf sich vereinigt, die politische Führung übernehmen muß; auch Papen gegenüber.


JUSTICE JACKSON: Ich möchte Sie richtig verstehen. Als Sie sahen, daß Hitler gewinnen wird, haben Sie sich ihm angeschlossen?


SCHACHT: Nein.


JUSTICE JACKSON: Ich möchte klarstellen, was Sie eigentlich meinen. Sie haben sich ihm nicht angeschlossen, bis er mehr Stimmen hatte als irgendeine andere Partei im Reichstag?


SCHACHT: Ich habe mich Hitler nicht angeschlossen, als ich sah, daß er gewinnen würde, sondern als ich feststellen mußte, daß er gewonnen hatte.


JUSTICE JACKSON: Nun gut, ich nehme diese Verbesserung an.

Sie haben sich auf den Brief bezogen, den Sie an Hitler am 29. August 1932 geschrieben haben...


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON:... in dem Sie ihm geraten haben, nicht irgendein ins Detail gehendes Wirtschaftsprogramm vorzulegen?

SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Sie erklärten ihm, daß es kein Programm gäbe, mit dem 14 Millionen übereinstimmen könnten?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Und daß eine Wirtschaftspolitik kein Faktor sei, um eine Partei aufzubauen?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Und Sie haben hinzugefügt, »... Sie können auf mich zählen als Ihren zuverlässigen Helfer«. Nicht wahr?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Und das war, nachdem er gewonnen hatte?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Und dann am 12....


SCHACHT: November.


JUSTICE JACKSON: Ja, ich wollte mich gerade auf das Dokument EC-456, US-773, beziehen. Nun, am 12. November 1932 haben Sie an ihn einen Brief geschrieben, in dem Sie unter anderem sagten:

[622] »Es unterliegt für mich gar keinem Zweifel, daß die Entwicklung der Dinge nur das eine Ende haben kann, und das ist Ihre Kanzlerschaft.«


SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON:

»Es scheint, als ob unser Versuch, eine Reihe von Unterschriften aus der Wirtschaft dafür zu bekommen, doch nicht ganz umsonst ist...«


SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Sie haben zu diesem Zweck Unterschriften gesammelt?


SCHACHT: Nicht ich, aber ich habe mich daran beteiligt.


JUSTICE JACKSON: Sie haben also geholfen?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und das war EC-456.

Nun wurde im November 1932 einer großen Anzahl von Industriellen ein Dokument zur Unterschrift vorgelegt, das im wesentlichen darauf abzielte, Hitler als Reichskanzler zu wählen. Stimmt das?


SCHACHT: Ich erinnere mich an das Dokument nicht mehr, aber ich nehme an, es ist das Dokument.


JUSTICE JACKSON: Und Männer wie Schacht, Schröder, Krupp und eine große Anzahl von Industriellen haben dieses Dokument unterschrieben, nicht wahr?


SCHACHT: Das ist möglich, ja.


JUSTICE JACKSON: Und es wurde an von Hindenburg übersandt?


SCHACHT: Das weiß ich nicht.


JUSTICE JACKSON: Das Ziel war doch, Hitler zu helfen, Kanzler zu werden?


SCHACHT: Das ist möglich.


JUSTICE JACKSON: Es ist adressiert an den Reichspräsidenten. Stimmt das nicht? Es ist 3901-PS, US-837.


SCHACHT: Ich habe es nicht gesehen, aber es wird wohl stimmen.


JUSTICE JACKSON: Also, Sie streiten nicht ab, daß dies geschehen ist?


SCHACHT: Ich nehme an, daß es stimmt, ich habe es nicht gesehen, aber ich bezweifle es gar nicht.


[623] JUSTICE JACKSON: Und dann, im November 1932 haben Sie Hitler das Ergebnis Ihrer Wahlfondskampagne mitgeteilt. Nicht wahr?


SCHACHT: Davon weiß ich nichts.

JUSTICE JACKSON: Ich möchte Sie durch Ihr eigenes Verhör daran erinnern. Ich erinnere Sie zuerst an Ihre Aussage, in der Sie sagten, daß Sie wohl nicht für Gelder geworben haben, sondern daß Göring es gemacht hat.

Ich frage Sie, ob Sie nicht am 9. Oktober 1945 auf diese Fragen folgende Antworten gegeben haben bezüglich der Ereignisse vom Februar 1933?


SCHACHT: Events of what?


JUSTICE JACKSON: Ereignisse vom Februar 1933.


SCHACHT: Ja, ich danke sehr.


JUSTICE JACKSON: Gehen wir zurück zu 1933. Hier ist die Frage:

»Vor der Zeit, bevor Hitler Sie zum Präsidenten der Reichsbank ernannt hatte, erinnern Sie sich einer Zusammenkunft im Hause Görings?

Antwort: Ja. Das war eine finanzielle Zusammenkunft. Ich wurde schon darüber verhört, und zwar mehrere Male.

Frage: Können Sie mir darüber etwas sagen?

Antwort: Ja, gern. Hitler mußte, wie Sie sich erinnern werden, am 5. März als Kandidat für die Wahlen aufgestellt werden. Er brauchte Geld für seine Wahlpropaganda. Er ersuchte mich darum, das Geld aufzubringen, und das tat ich auch. Göring ließ diese Herren zusammenkommen, und ich hielt eine Rede – nicht eine Rede, denn Hitler hielt ja die Rede –, und dann bat ich sie, die Beträge aufzuschreiben und für die Wahlen zu zeichnen. Das taten sie auch. Insgesamt zeichneten sie drei Millionen, und den Betrag teilten sie unter sich auf.

Frage: Wer waren die Leute, die diese Gelder aufbrachten?

Antwort: Ich glaube, sie waren alle Bankiers und Industrielle, sie waren von der chemischen Industrie, Eisenindustrie, Textilindustrie, alle haben es gemacht.

Frage: Alle Industrien waren vertreten?

Antwort: Alle, alle Schwerindustrien.

Frage: Erinnern Sie sich an irgendeinen Namen?

Antwort: Sicherlich. Krupp war anwesend, der alte Herr Gustav. Er stand auf, dankte Hitler und war für ihn damals [624] sehr begeistert. Und dann war da noch Schnitzler. Ich glaube, er war es, und Vögler von den Vereinigten Stahlwerken.«


[Zum Zeugen gewandt:]


Haben Sie diese Aussagen gemacht?

SCHACHT: Certainly.

JUSTICE JACKSON: Nun, bei dieser Zusammenkunft, auf die Sie sich beziehen – es ist Beweisstück D-203, das Protokoll der Zusammenkunft –, hat Göring im wesentlichen folgendes gesagt, nicht wahr?:

»Das erbetene Opfer würde der Industrie sicherlich um so leichter fallen, wenn sie wüßte, daß die Wahl am 5. März die letzte sicherlich innerhab zehn Jahren, voraussichtlich aber in hundert Jahren sei.«

Sie hörten das, nicht wahr?

SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Nun, gestern oder vorgestern wurden Sie über Ihre Unterstützung und über die Anerkennung, die Ihnen Goebbels zollte, gefragt. Sie sagten dem Gerichtshof: »Es ist nicht meine Schuld, wenn Goebbels einen Irrtum beging.« Erinnern Sie sich daran?


SCHACHT: Yes.


JUSTICE JACKSON: Und ich frage Sie in Bezug auf die Aussage über Dr. Goebbels, ob Sie dem amerikanischen Vernehmungsoffizier folgendes erklärt haben, und zwar am 17. Oktober 1945; es ist Dokument US-616. (Dokumentennummer 3729-PS.)

»Frage: Wann interessierten Sie sich dafür, mit Hitler zusammenzuarbeiten?

Antwort: Ich möchte sagen in den Jahren 1931/32.

Frage: Und das war, als Sie sahen, daß er eine Massenbewegung hinter sich hatte, die wahrscheinlich die Macht ergreifen würde?

Antwort: Ganz recht, die wurde ständig größer.

Frage: Und haben Sie in diesen Jahren öffentlich Ihre Unterstützung für Hitler erklärt?

Antwort: Ich glaube, ich gab im Dezember 1930 eine Erklärung ab, als ich von Amerika zurückkehrte, und zwar in der Bayerischen Volkspartei. Ich sagte, es gäbe für jede zukünftige Regierung nur die Wahl: Entweder aushalten gegen 25 Prozent Sozialisten oder gegen 20 Prozent Nationalsozialisten.

Frage: Aber was ich meine – um es ganz kurz zu machen –, haben Sie Ihren angesehenen Namen dazu hergegeben, um Hitler zur Macht zu verhelfen?

[625] Antwort: Ich habe öffentlich erklärt, daß ich erwarte, daß Hitler an die Macht kommt, und zwar das erstemal, soweit ich mich erinnere, im November 1932.

Frage: Und Sie wissen, oder vielleicht wissen Sie es nicht, daß Goebbels in seinem Tagebuch mit großer Genugtuung...

Antwort: Ja.

Frage: Die Hilfe, die Sie ihm zu der Zeit gegeben haben?

Antwort: Ja, ich weiß das.

Frage: November 1932?

Antwort: Sie sagen, das Buch heißt: ›Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei‹?

Frage: Das ist richtig, haben Sie das gelesen?

Antwort: Ja.

Frage: Und Sie streiten nicht ab, daß Goebbels recht hatte?

Antwort: Ich glaube, sein Eindruck war, daß er damals recht hatte.«


[Zum Zeugen gewandt:]


Haben Sie dieses Zeugnis abgegeben?

SCHACHT: Ich habe nie bezweifelt, daß Goebbels unter diesem Eindruck stand. Ich habe nur gesagt, er hat sich geirrt.

JUSTICE JACKSON: Also haben Sie es nicht getan. Nun, ich werde nicht weiter darauf eingehen. Sie haben ausgedehnte Zitate aus Botschafter Dodds Tagebuch gebracht, und zwar vorgestern. Stimmt das?


SCHACHT: Yes.


JUSTICE JACKSON: Und seien wir uns ganz klar darüber Botschafter Dodd war ständig und zu allen Zeiten gegen die gesamten Nazis. Nicht wahr?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Also, Sie haben von ihm keine Anregung bekommen, bei dieser Gesellschaft zu bleiben?


SCHACHT: O nein.


JUSTICE JACKSON: Nun, Sie haben ausgesagt, so wie ich Sie verstanden habe, daß Botschafter Dodd Sie eingeladen hatte, nach den Vereinigten Staaten von Amerika zu kommen und Sie sagen... aus Ihrer Aussage vom 30. April, nachmittag (Band XII, Seite 479), zu der Zeit –, und zwar 1937 –:

»... kam er noch einmal zu mir und legte mir dringend nahe, ich möge doch mit oder sobald wie möglich nachkommen, meinen Wohnsitz nach Amerika verlegen. Ich würde eine ausgezeichnete Aufnahme in Amerika finden. Ich glaube auch, [626] das hätte er mir nie gesagt, wenn er nicht auch für mich eine gewisse freundschaftliche Empfindung gehabt hätte.«

Sie haben das dem Gerichtshof gesagt, nicht wahr?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Ich glaube, Sie wollten dem Gerichtshof den Eindruck geben, daß Botschafter Dodd großes Vertrauen und große Freundschaft zu Ihnen hatte?


SCHACHT: Ich hatte den Eindruck.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie das ganze Tagebuch gelesen oder nur Auszüge?


SCHACHT: Ich kenne auch den Passus, wo er sagt, »you would make a very bad American« or something like that. (Es würde ein sehr schlechter Amerikaner aus Ihnen werden, oder so etwas Ähnliches.)


JUSTICE JACKSON: Ja, ja, Sie haben das vor dem Gerichtshof nicht erwähnt.


SCHACHT: Ich glaube, das wäre Sache der Anklage.


JUSTICE JACKSON: Gut, wir wollen Sie dann nicht enttäuschen. Kennen Sie nicht auch seine Eintragungen vom 21. Dezember 1937, wo er von dem Essen sprach, bei dem Sie waren. Er sagt:

»Schacht sprach davon, daß Deutschlands Niederlage im Jahre 1918 nur darauf zurückzuführen sei, daß Woodrow Wilson Amerika in den Krieg brachte. Ich erwiderte, daß Wilsons 14 Punkte die einzige große Hoffnung für internationalen Frieden und Zusammenarbeit seien und daß alle Nationen auf beiden Seiten dazu beigetragen hätten, seine Ziele zu vereiteln. Glauben Sie nicht, daß man Wilson in 50 Jahren für einen der größten Präsidenten, den die Vereinigten Staaten je gehabt haben, halten wird? Er vermied es, darauf zu antworten, fing dann an, über den japanisch-chinesischen Krieg zu sprechen und nahm gegen das Bündnis Deutschlands mit Japan Stellung. Dann zeigt er das wahre deutsche Gesicht...«

und jetzt zitiert er Sie:

»Wenn die Vereinigten Staaten dem japanischen Krieg ein Ende setzen und Deutschland in Europa nicht im Wege stehen würden, dann würden wir den Weltfrieden haben.«


SCHACHT: What is the question? (Wie lautet die Frage?)

JUSTICE JACKSON: Haben Sie das gesagt?


SCHACHT: Ich weiß nicht, ob ich es gesagt habe. Aber es erscheint mir auch heute noch ein außerordentlich vernünftiges [627] »statement« zu sein. Ich bin völlig der Meinung, daß es richtig war, nur mit einer Ausnahme, ich glaube...


JUSTICE JACKSON: Nun, ich möchte das ganz klarstellen. Wenn ich Sie richtig begreife, kann man Frieden haben, wenn man Deutschland in Europa nicht im Wege stehen würde.


SCHACHT: Ja. Darf ich nur fragen, über diesen Weg Deutschlands sind ja die Leute verschiedener Meinung gewesen. Mein Weg war ein friedlicher.


JUSTICE JACKSON: Nun, jetzt fährt er fort:

»Ich erwiderte darauf nichts, und die anderen hatten auch nichts dazu zu sagen. Schacht meinte dasselbe, was die deutschen Armeekommandeure im Jahre 1914 meinten, als sie, in der Hoffnung, Frankreich in sechs Wochen zu erobern, in Belgien einfielen; nämlich die benachbarten kleinen Länder zu beherrschen und zu annektieren, besonders die im Norden und Osten.«


SCHACHT: Soll ich antworten?

JUSTICE JACKSON: Haben Sie das gesagt?

SCHACHT: Nein, nein.


JUSTICE JACKSON: Hat das Dodd über Ihre Unterhaltung geschrieben?


SCHACHT: Aber ich habe es nicht gesagt.


JUSTICE JACKSON: Und Sie...


SCHACHT: Nein, darf ich bitte...


JUSTICE JACKSON: Was für einen Eindruck...


SCHACHT: Nein, darf ich bitte erwidern?


JUSTICE JACKSON: Nun frage ich Sie: Was für einen Eindruck hat ein Mann, den Sie einen anständigen Menschen und Ihren Freund nennen, im Laufe Ihrer Bekanntschaft von Ihnen gewonnen?


SCHACHT: Darf ich darauf erwidern, daß ich schon ausgeführt habe, daß Herr Dodd zahlreichen Mißverständnissen zum Opfer gefallen ist. Und er sagt auch hier nicht, daß ich das gesagt habe, sondern er sagt: »Schacht meinte.« Das war seine Auffassung, die er mir unterschob. Ich habe das nie gesagt.


JUSTICE JACKSON: Ich habe es so verstanden; aber es war die Einschätzung eines Ihrer Erklärung nach freundlich gesinnten Beobachters.


SCHACHT: Ein freundschaftlich gesinnter Beobachter, der ständig mißverstand, wie Ambassador Henderson in seinem eigenen Buch ja bewiesen hat.


JUSTICE JACKSON: Es mag sein, daß er Henderson mißverstanden hat. Aber es besteht kein Zweifel, daß er die Nazi-Gefahr von Anfang an verstanden hatte, nicht wahr?


[628] SCHACHT: Ja, aber er hat mich mißverstanden.


JUSTICE JACKSON: Nun; als Sie zuerst den Außenminister und dann Hitler ersuchten, nach den Vereinigten Staaten fahren zu dürfen oder jemanden in die Vereinigten Staaten zu schicken, – es steht in Ihrer Aussage vom 1. Mai vormittag, (Band XII, Seite 510) haben Sie zu Hitler folgendes gesagt:

»... daß es nur wesentlich erschiene, daß man dauernd jemanden drüben in Amerika hätte, der in aufklärendem Sinne über die deutschen Interessen in der Öffentlichkeit, in der Presse und so weiter wirken könne.«

Haben Sie das gesagt?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Haben Sie wirklich das zu Hitler gesagt?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Ich möchte jetzt Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren eigenen Brief an den Reichsmarschall lenken, – es ist Dokument 3700-PS:

»Anfang 1940 habe ich dem Führer angeboten, nach den Vereinigten Staaten zu gehen, um den Versuch zu machen, die Rüstungsunterstützung Englands durch Amerika zu verlangsamen und Amerikas tiefere Verstrickung in den Krieg womöglich zu verhindern.«

Jetzt frage ich Sie: Welches von diesen beiden ist die Wahrheit?

SCHACHT: Beide.

JUSTICE JACKSON: Beide? Dann haben Sie also gestern, als Sie diese Unterhaltung wiedergaben, dem Gerichtshof nicht alles erzählt, was Sie vorgaben, was Sie in den Vereinigten Staaten tun würden.


SCHACHT: Nein, sicherlich nicht. Ich wollte zum Beispiel auch versuchen, die Vermittlung des Präsidenten für einen Friedensschluß herbeizuführen. Auch das habe ich hier nicht mitgeteilt.


JUSTICE JACKSON: Sie haben auch gestern ausgesagt, daß Ihnen niemals über die Größe, die Art und die Schnelligkeit der Aufrüstung berichtet wurde? Erinnern Sie sich daran?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Aber obwohl Sie keine solche Auskunft hatten, haben Sie doch gesagt, daß es zu viel war?


SCHACHT: Ich habe das Gefühl gehabt, man müsse langsam gehen.


JUSTICE JACKSON: Jetzt möchte ich Sie an eine Aussage das Generals von Blomberg erinnern; sie betrifft das Jahr 1937:

[629] »Antwort: Zu der Zeit war der Aufbau der geplanten Wehrmacht nahezu abgeschlossen.

Frage: Wann? Im Jahre 1937?

Antwort: Ich glaube, es war im Jahre 1937.

Frage: War dies ein Plan, der mit Dr. Schacht im Zusammenhang mit der Finanzierung und der zukünftigen Größe der Wehrmacht erörtert worden war?

Antwort: Jawohl. Schacht kannte den Plan für den Aufbau der Wehrmacht sehr wohl, da wir ihm in jedem Jahr die Aufstellung neuer Formationen, für die wir Geld ausgegeben hatten, mitteilten. Ich erinnere mich, daß im Jahre 1937 eine Aussprache darüber stattfand, was die Wehrmacht für laufende Ausgaben benötigen würde, nachdem ein großer Betrag für den Aufbau als solchen ausgegeben worden war.

Frage: Das bedeutet, daß Sie Schacht eine klare Aufstellung über den Geldbetrag gaben, der in jedem Jahr zur Schaffung neuer Truppenteile, neuer Anlagen und so weiter verausgabt worden war, und darüber, wieviel Sie für die laufenden Unkosten der Wehrmacht brauchten?

Antwort: Das ist sehr richtig.

Frage: Wenn Sie sagen, daß bis zum Jahre 1937 der Plan schon durchgeführt war, meinen Sie da im großen und ganzen?

Antwort: Ja, im großen und ganzen.«

Eine weitere Frage: Ich überspringe zwei oder drei unerhebliche Fragen.

»Wenn Sie behaupten, daß Schacht diese Zahlen kannte, wie erfuhr er davon?

Antwort: Die Geldforderungen wurden Schacht schriftlich zugeleitet.

Frage: Das bedeutet, daß im Zusammenhang mit den Geldern, die er für die Aufrüstung aufbrachte, ihm mitgeteilt wurde, wieviele Divisionen und Tanks und so weiter mit diesen Geldern angeschafft werden konnten?

Antwort: Ich glaube nicht, daß wir die Summen, die wir für jeden Tank und so weiter brauchten, niederlegten; aber wir sagten, wieviel Geld jeder Wehrmachtsteil, wie zum Beispiel Marine und Luftwaffe und so weiter, benötigte; und dann wurde angegeben, wieviel die Neuaufstellungen und wieviel die laufenden Operationen kosten würden. Das heißt, Dr. Schacht konnte jedes Jahr ersehen, wie sich die Wehrmacht als Ergebnis des von ihm beschafften Geldes vergrößerte. Das ist sicher.«

[630] Ich frage Sie, ob Sie die Erklärungen ableugnen, die General von Blomberg so gemacht hat, wie ich Ihnen diese hier vorgelegt habe?

SCHACHT: Ja, ich muß leider sagen, daß mir das völlig unbekannt ist. Und ich würde bitten, es wird ja ein Mitglied des Reichsbankdirektoriums, der Geheimrat Vocke, morgen hier noch als Zeuge auftreten, daß Sie dem auch mal diese Frage vorlegen, denn es handelte sich nicht darum, daß ich informiert wurde, sondern daß das Reichsbankdirektorium informiert wurde. Alles, was ich wußte, wußte selbstverständlich auch das Reichsbankdirektorium.

JUSTICE JACKSON: Herr Dr. Schacht! Es ist mir ganz gleich, soweit es die Anklage angeht, ob Sie etwas darüber wissen oder nicht. Ich stelle Ihnen diese Frage nur, um zu erfahren, inwieweit wir uns auf Ihre Aussage verlassen können.


SCHACHT: Ja, ich verstehe.


JUSTICE JACKSON: Damit kein Mißverständnis darüber entsteht: Sie leugnen ab, daß von Blomberg die Wahrheit sagte als er sagte, daß er Ihnen schriftlich diese Tatsache mitteilte?


SCHACHT: Ja, das muß ich leider abstreiten. Er erinnert sich hier offenbar nicht.


JUSTICE JACKSON: Ja, Sie haben gestern oder vorgestern ausgesagt, daß der sogenannte »Neue Plan« nichts mit dem Aufrüstungsprogramm zu tun hatte, nicht wahr?


SCHACHT: Nichts Spezielles mit der Aufrüstung.


JUSTICE JACKSON: Oh, nichts Spezielles.


SCHACHT: Nein, ich meine selbstverständlich... das Gericht ist ja ausdrücklich gefragt worden, ob ich über den »Neuen Plan« hier sprechen sollte oder nicht, und das Gericht hat dann entschieden, daß es bei Ihrer »cross-examination« zur Sprache kommen sollte. Ich bin gern bereit, hier über den »Neuen Plan« Auskunft zu geben, bevor Sie...


JUSTICE JACKSON: Nun, Herr Dr. Schacht, Sie haben doch nichts dagegen, meine Frage zu beantworten, nicht wahr?


SCHACHT: Sicher nicht.


JUSTICE JACKSON: Ich beziehe mich auf die Antwort, die Sie gegeben haben – nicht auf die, die Sie nicht geben durften, auf Ihre Aussage vom 1. Mai vormittag (Band XII, Seite 529):

»Frage: Nun war ein Teil Ihrer Wirtschaftspolitik als Wirtschaftsminister, wie Ihnen ja vorgeworfen wird, als Kriegsvorbereitung der sogenannte ›Neue Plan‹. Was war das?

Antwort: Ich darf vorausschicken, daß der ›Neue Plan‹ mit der Aufrüstung gar nichts zu tun hatte.«

[631] Und dann schickten Sie sich an, eine Erklärung über den ›Neuen Plan‹ abzugeben, die der Gerichtshof nicht hören wollte.

Ich stelle nun die Frage an Sie:

Haben Sie nicht in Ihrer Rede über das Finanzwunder am 29. November 1938, nachdem Sie eine große Menge Zahlen genannt hatten, gesagt:

»Aus diesen Zahlen ergibt sich, wieviel der ›Neue Plan‹ zur Durchführung der Aufrüstung, wie zur Sicherung unserer Ernährung, beigetragen hat.«

Haben Sie das gesagt oder nicht?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Das ist Dokument EC-611, US-622. Ich habe Ihrer Aussage entnommen, daß Sie sagten, daß Sie wirklich nichts gesellschaftlich mit Hitler oder mit den anderen Nazis zu tun hatten, und daß Sie Einladungen zum Mittagessen in der Reichskanzlei abgeschlagen haben; und daß einer der Hauptgründe dafür war, daß die Anwesenden so eine kriecherische Unterwürfigkeit Hitler gegenüber zeigten. Sagten Sie das?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Ich möchte Ihnen jetzt aus Ihrer Rede vorlesen. Es ist Dokument EC-501. Ihre Eröffnungsrede anläßlich des Führers Geburtstag. Es war übrigens eine öffentliche Rede nicht wahr?

SCHACHT: I don't know, I don't remember. (Ich weiß nicht ich erinnere mich nicht.)


JUSTICE JACKSON: Sie haben am Geburtstag des Führers am 20. April 1937 eine Rede gehalten, die in den Zeitungen erschien.


SCHACHT: Maybe (vielleicht).


JUSTICE JACKSON: »Wir haben uns hier zusammengefunden, um in Hochachtung und Liebe des Mannes zu gedenken, dem das deutsche Volk vor mehr als vier Jahren die Leitung seiner Geschicke anvertraut hat.«

Und dann nach einigen anderen Bemerkungen sagen Sie:

»Mit der unbändigen Leidenschaft eines glühenden Herzens und mit dem unfehlbaren Instinkt des geborenen Staatsmannes hat Adolf Hitler in einem vierzehnjährigen, mit unbeirrbarer Folgerichtigkeit geführten Kampfe die Seele des deutschen Volkes für sich gewonnen.«

War das ein Teil Ihrer veröffentlichten und öffentlichen Rede?

SCHACHT: Ich nehme an, daß es von Ihnen völlig richtig zitiert ist und glaube nicht, daß jemand an der Geburtstagsfeier des Staatsoberhauptes etwas anderes, viel anderes, sagen kann.

[632] Darf ich Mr. Justice nur um etwas bitten. Sie sind über den »Neuen Plan« jetzt ganz hinweggegangen, während das Gericht darauf gewartet hatte oder darauf verwiesen hatte, daß es hier in der »cross-examination« diskutiert werden würde. Ich darf bitten, wenn Sie nicht darauf kommen, daß dann in der »re-examination« der »Neue Plan« von meinem Anwalt noch einmal angeschnitten wird.


JUSTICE JACKSON: Ich habe Sie nicht gefragt, was der »Neue Plan« war. Ich habe gefragt, ob Ihre Aussage, daß er mit Aufrüstung nichts zu tun hatte, der Wahrheit entsprach oder nicht. Aber wenn Ihr Verteidiger Sie darüber fragen will, kann der Gerichtshof darüber entscheiden. Sie haben heute Hitlers Brief vom 19. Januar 1939 zitiert, durch den Sie als Reichsbankpräsident entlassen wurden; Sie haben den abschließenden Satz nicht zitiert, der folgenden Wortlaut hat, soweit ich mich erinnere:

»Ich freue mich, Sie in Ihrer Eigenschaft als Reichsminister nunmehr zur Lösung neuer Aufgaben einsetzen zu können.«

Das Zitat ist korrekt, nicht wahr?

SCHACHT: Ich verweise auf die Aussage des Zeugen Gisevius hier, der bereits ausgesagt hat, daß Hitler niemals nach außen erkennen ließ, daß irgendeine Dissonanz mit seinen bisherigen Mitarbeitern vorhanden sei, sondern daß er immer versuchte, der Welt ein anderes Bild zu geben als es wirklich bestand. Ich bin nicht ein einziges Mal nach dem Januar 1939 von Hitler um meine Meinung, Mitarbeit oder sonst etwas angegangen worden.

JUSTICE JACKSON: Ersuchte Sie jemand anders darum?


SCHACHT: Nein, ich habe die Male, wo ich gefragt worden bin, heute vormittag zitiert. Das ist im Falle Belgien gewesen, im Falle der Zeitschrift »Das Reich«; ich glaube, das war alles.


JUSTICE JACKSON: Und Sie haben keine Funktionen bezüglich Belgiens ausgeübt?


SCHACHT: Nein.


JUSTICE JACKSON: Ich zitiere Ihren Brief vom 17. Oktober 1940 an den Reichswirtschaftsminister, Dokument EC-504, US-830. Zu der Zeit waren Sie nicht mehr Reichsbankpräsident, nicht wahr?


SCHACHT: Jawohl, ich war nur noch Minister ohne Portefeuille.


JUSTICE JACKSON: »Um ein Neben- beziehungsweise Gegeneinanderarbeiten der deutschen Banken in den besetzten westlichen Gebieten zu vermeiden, hatten Sie der Deutschen Bank die Aufgabe zugewiesen, den Weg für ein engeres wirtschaftliches Zusammenarbeiten mit Holland freizumachen und der Dresdner Bank die gleiche Aufgabe für Belgien gestellt.«

[633] Und Sie gehen dann dazu über, die Lage zu beschreiben und sagen:

»Um zunächst einmal diese Schwierigkeit aus dem Wege zu räumen, erklärten Sie sich, Herr Minister, damit einverstanden, daß der Unterzeichnete dem Wunsche der beiden Banken um eine schiedliche Meinungsäußerung in dieser Vorfrage nachkam.

Ich habe daraufhin mit den beiden Banken die Lage durchgesprochen und in der Unterhaltung bestätigt gefunden, daß zur Zeit grundsätzlich keine Neigung bei den holländischen oder belgischen Finanzinstituten besteht, generelle Bindungen gegenüber den deutschen Geschäftsfreunden einzugehen...«

Erinnern Sie sich daran?

SCHACHT: Ja, ich erinnere mich jetzt, nachdem Sie das vorgelesen haben. Darf ich mich dazu äußern, oder was ist die Frage?

JUSTICE JACKSON: Ich wollte nur wissen, ob Sie sich daran erinnern.


SCHACHT: Ja, und ich bitte, mich dazu äußern zu dürfen. Es handelt sich um...


JUSTICE JACKSON: Wenn Sie glauben, daß es einer Erklärung bedarf...


SCHACHT: Ich möchte doch glauben; aber das bitte ich, dem Gericht zu überlassen. Wenn ich sprechen darf: Es handelt sich um eine Rivalität zwischen zwei Großbanken, und diese beiden Großbanken waren an mich als ehemaligen »banker« und Reichsbankpräsidenten herangetreten, diese Angelegenheiten zwischen ihnen beiden zu entscheiden, und das habe ich getan. Was das mit der offiziellen Beteiligung an der belgischen Verwaltung zu tun hat, ist mir nicht ersichtlich.


JUSTICE JACKSON: Und der Zweck Ihrer Intervention war, Mißverständnisse in den besetzten Ländern zwischen den Bankinteressen in den besetzten Gebieten und den deutschen Banken zu vermeiden, nicht wahr?


SCHACHT: Sicherlich. Sie sollten friedlich zusammenarbeiten.


JUSTICE JACKSON: Ja. Obwohl Sie dem Gerichtshof gesagt haben, daß Sie vollkommen dagegen waren, daß die Deutschen überhaupt dort waren.


SCHACHT: Selbstverständlich, aber nachdem sie mal da waren, habe ich zum Frieden geredet.


JUSTICE JACKSON: Auch Krupp von Bohlen hat sich an Sie gewandt bezüglich einer Geldsammlung, die als »Hitler-Spende« bekannt war. Stimmt das?


[634] SCHACHT: Nein.

JUSTICE JACKSON: Das geschah nicht?


SCHACHT: Niemals.


JUSTICE JACKSON: Aber das ist höchst unangenehm, daß Ihr Name verbunden ist mit...


SCHACHT: Ja, ich kenne den Brief.


JUSTICE JACKSON: Sie haben nie einen solchen Brief empfangen?


SCHACHT: Doch, ich kenne den Brief, aber ich bin nicht beauftragt worden mit der Erhebung dieser Spende.


JUSTICE JACKSON: Aber Sie haben doch dabei geholfen, nicht wahr?


SCHACHT: Nein.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie dazu beigetragen?


SCHACHT: Ich persönlich sicherlich nicht. Ich weiß nicht, was Sie mir vorwerfen!


JUSTICE JACKSON: Ich dachte, Sie wußten von dem Brief von Krupp von Bohlen?


SCHACHT: Jawohl, ich bitte, was werfen Sie mir vor? Fragen Sie mich!


JUSTICE JACKSON: Haben Sie irgendwelches Geld aufgebracht oder haben Sie im Mai 1933 Krupp von Bohlen geholfen, eine Spende zu organisieren... die Hitler-Spende?


SCHACHT: Nein.


JUSTICE JACKSON: Wie haben Sie auf den Brief von Krupp von Bohlen geantwortet, in dem er Sie darum bat?


SCHACHT: Bitte, wollen Sie mir in die Erinnerung zurückrufen, was Herr von Krupp mir geschrieben hat, damals?


JUSTICE JACKSON: Haben Sie den Brief vom 29. Mai?


SCHACHT: Jawohl, einen Augenblick, ich bin gleich durch. Darf ich jetzt dazu antworten? Aus diesem...


JUSTICE JACKSON: Vor allem, haben Sie so einen Brief erhalten?


SCHACHT: Selbstverständlich!


JUSTICE JACKSON: Gut, erzählen Sie uns, was geschehen ist.


SCHACHT: In diesem Brief unterrichtet mich Herr von Krupp, daß die Industrie und die übrigen Wirtschaftskreise, wie Landwirtschaft und so weiter, die Absicht haben, eine gemeinschaftliche Hitler-Spende zu organisieren, um die wilden Parteisammlungen, [635] die an allen Ecken und Enden das Land unsicher machten, in einer Sammlung aufzufangen.

Er hat mir davon Mitteilung gemacht und teilt mir hier in diesem Briefe ferner mit, daß ein Kuratorium für diese Hitler-Spende eingesetzt werden solle, und ich bemerke, daß ich diesem Kuratorium niemals beigetreten bin oder angehört habe. Er macht ferner davon Mitteilung, daß die Vertreter der Banken, nämlich Dr. Fischer und Dr. Mosler, sich mit mir über diese Dinge in Verbindung setzen werden und mich über die Dinge unterrichten werden. Das ist alles, was in dem Brief drin steht.


JUSTICE JACKSON: Ich lege das Dokument als US-831 vor.


[Zum Zeugen gewandt:]


Wollen Sie sich den nächsten Brief vom 30. Mai 1933 ansehen, der besagt, daß die Genannten Gelegenheit hatten, die Angelegenheit Ihnen gegenüber zu erwähnen?

SCHACHT: Einen Moment, bitte. Der Brief ist, glaube ich, nicht hier drin. Nein, der ist nicht drin hier.


[Ein Schriftstück wird dem Zeugen überreicht.]


JUSTICE JACKSON: Ich ersuche Sie, zunächst den Brief vom 29. Mai zu lesen. Da ist einer vom 29. Mai und einer vom 30. Mai. Der vom 29. Mai ist nicht übersetzt worden.

SCHACHT: I see, just a minute. I read. (Ich sehe schon. Einen Augenblick, ich lese.)

Dieser Brief ist nicht in meine Hände gelangt; er ist ja hier auch durchgestrichen und offenbar nicht abgeschickt worden, weil ja eine mündliche Unterhaltung zwischen Krupp und mir stattgefunden hat, auf die sich Krupp im Brief des folgenden Tages – nämlich des 30. Mai – bezieht,... vom 30 Mai, wo der Brief anfängt:

»Wie ich Ihnen gestern gemeinschaftlich mit Herrn Dr. Köttgen kurz mitzuteilen Gelegenheit hatte...«

Das war offenbar eine mündliche Konversation.

JUSTICE JACKSON: Ja, und Sie sagten auch:

»Sie hatten die Freundlichkeit mir zuzusagen, sich durch die Herren Dr. Otto Christian Fischer und Dr. Mosler... über alle Einzelheiten und insbesondere darüber unterrichten zu lassen, inwieweit die öffentlichen Banken sich an diesem Werk beteiligen können.«


SCHACHT: Nein, Justice Jackson! Das steht in dem Brief nicht drin. Wollen Sie die Güte haben, den Brief vom 29. Mai zu lesen; wo steht darin etwas, daß ich mit Dr. Fischer sprach und Dr. Mosler sprechen würde? Wo steht das?

JUSTICE JACKSON: Bestreiten Sie, daß Sie den Brief vom 29. erhalten haben?


[636] SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie ihn niemals erhalten?


SCHACHT: Nein:


JUSTICE JACKSON: Bestreiten Sie, daß Sie eine Unterredung mit Krupp von Bohlen-Halbach hatten, die sich mit dem Gegenstand dieses Briefes befaßte?


SCHACHT: Nein... Einen Moment, lassen Sie mich ruhig antworten; ich wünsche nur keine Beschuldigung unwidersprochen zu lassen.

Ich habe am 29. Mai diesen Brief nicht erhalten und auch später nicht, sondern dieser Brief ist ersetzt worden durch eine mündliche Unterhaltung. Der Gegenstand dieser mündlichen Unterhaltung ist in dem Brief vom 30. Mai enthalten den wir vorhin gelesen haben und den ich bekommen habe. Sie haben eben behauptet, ich hätte Herrn Krupp von Bohlen versprochen, mit Dr. Fischer und Dr. Mosler zu sprechen; das steht nicht in dem Brief drin.

JUSTICE JACKSON: Aber steht das nicht in dem Memorandum, das – wie Sie sagten – durch eine mündliche Besprechung ersetzt wurde? Eben das frage ich Sie.


SCHACHT: Gut. Jedenfalls habe ich nicht versprochen, mit den Herren zu sprechen.


JUSTICE JACKSON: Wollen Sie noch etwas darüber sagen?


SCHACHT: Nein, ich habe genug!


JUSTICE JACKSON: Nun, ich glaube, Sie hatten gestern ausgesagt, daß Sie eine öffentliche Erklärung abgegeben hatten gegen die Terrorpolitik des Regimes, und als Beweis haben Sie aus Ihrer Königsberger Rede zitiert.


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Unglücklicherweise haben Sie, Herr Dr. Schacht, in dem Moment aufgehört, als ich anfing, mich dafür zu interessieren.


SCHACHT: Ja, das ist in der Regel so.


JUSTICE JACKSON: Nachdem Sie ausgesagt hatten, daß es Menschen gab, die Deutschland regierten... Ich will Ihnen den Teil vorlesen, den Sie zitierten, denn er ist wichtig in Verbindung.

SCHACHT: Quote the whole thing. (Zitieren Sie das Ganze.)


JUSTICE JACKSON: Ja, das ist das, was Sie zitieren:

»Das sind Leute, die nächtlicherweile heldenhaft Fensterscheiben beschmieren, die jeden Deutschen, der in einem jüdischen Geschäft kauft, als Volksverräter plakatieren, [637] die alle ehemaligen Freimaurer für Lumpen erklären und die im berechtigten Kampf gegen politisierende Pfarrer und Kapläne nun ihrerseits die Unterscheidung zwischen Religion und Kanzelmißbrauch nicht machen können. Das Ziel, das diese Leute im Auge haben, ist überall richtig und gut...«

Das haben Sie zitiert?

SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Wollen wir fortfahren:

»Das Ziel, das diese Leute im Auge haben, ist überall richtig und gut. Für Geheimbünde, auch wenn sie harmlos sind, ist kein Platz im Dritten Reich. Die Pfarrer und Kapläne sollen Seelsorge treiben und keine Politik machen. Die Juden müssen sich damit abfinden, daß ihr Einfluß bei uns ein für allemal vorbei ist.«

Das war auch ein Teil dieser Rede. Stimmt das?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Und Sie haben in dieser Rede ausgeführt, daß für das »Judenproblem«, wie Sie es nannten, eine Gesetzgebung in Vorbereitung sei und daß man darauf warten müsse.


SCHACHT: Ja, das hatte ich gehofft.


JUSTICE JACKSON: Sie hatten es ihnen doch versichert?


SCHACHT: Wie bitte? Ja, das war die Absicht und die Aussicht, die ich aus der Unterhaltung mit Hitler hatte.


JUSTICE JACKSON: Und sie wußten, daß die Gesetze über die Juden in Vorbereitung waren?


SCHACHT: Nicht die Gesetze, die nachher kamen, sondern ich habe immer bei Hitler gedrängt, den Juden einen Rechtsschutz zu geben, und diesen wollte ich gerne durchgesetzt haben und nahm an, daß er kommen würde. Statt dessen kamen die Rassegesetze vom November oder September, ja November 1935.


JUSTICE JACKSON: Ich habe aus US-832 zitiert; es ist Dokument EC-433. Sie behaupten, daß die Gesetze, die Sie prophezeit und versprochen haben, Gesetze zum Schutz der Juden waren?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Wir werden das noch später besprechen.

Sie haben Ihre Gründe vor dem Gerichtshof angegeben, die, wie Sie sagten, grundsätzlicher Natur waren, warum Sie nicht Parteimitglied geworden sind.


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Gestern im Gerichtshof, erinnern Sie sich daran?


[638] SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Ist es nicht richtig, daß Sie der Anklagevertretung der Vereinigten Staaten gegenüber erklärt haben, daß Sie Hitler fragten, ob Sie der Partei beitreten sollen und daß zu Ihrer großen Erleichterung Hitler nein sagte.


SCHACHT: Ja, ich wollte das feststellen, bevor ich in irgendeine Zusammenarbeit mit ihm hineinkäme, ob er etwa verlangte von mir, daß ich Mitglied der Partei würde. Das hat er abgelehnt; darüber war ich sehr beruhigt.


JUSTICE JACKSON: Sie sind außerhalb der Partei verblieben mit Hitlers Zustimmung und Billigung?


SCHACHT: Aber selbstverständlich. Ich glaube, das ist ein Grund mehr, um auszuweisen, daß ich nie Parteimitglied gewesen bin.

JUSTICE JACKSON: Aber das haben Sie dem Gerichtshof gegenüber nicht erwähnt, als Sie darüber sprachen, daß Hitler diese Erlaubnis gegeben hatte?


SCHACHT: Nein, ich habe geglaubt, das Gericht würde mir auch so glauben.


JUSTICE JACKSON: Als Sie das Goldene Parteiabzeichen erhalten haben, haben Sie erklärt, daß es die höchste Auszeichnung war, die man vom Dritten Reich erhalten konnte. Nicht wahr?


SCHACHT: Das habe ich, ja.


JUSTICE JACKSON: Und während Sie es im täglichen Leben nicht trugen, haben Sie es doch bei offiziellen Gelegenheiten getragen, wie Sie sagten, nicht wahr?


SCHACHT: Ja, es gab einem große Bequemlichkeit bei Eisenbahnfahrten, Automobilbestellungen und dergleichen.


JUSTICE JACKSON: Von 1933 bis 1942 haben Sie zur Nazi-Partei jährlich tausend Reichsmark beigesteuert.


SCHACHT: Nein, ja, pardon, von 1937 bis 1942.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie nicht bei Vernehmungen von 1933 bis 1942 gesagt?

SCHACHT: Nein, das ist ein Irrtum. Von 1937, nachdem ich die Swastika bekommen hatte. Das ist ein Mißverständnis offenbar. Aber nachdem ich es bekommen hatte, habe ich mir gesagt: »Es ist anständig, gib den Leuten tausend Mark jährlich, fertig.«


JUSTICE JACKSON: Seit zehn Jahren, seit nicht ganz zehn Jahren haben Sie verschiedene Ämter unter diesem Regime angenommen und bekleidet. Nicht wahr?


SCHACHT: Von 17. März 1933 bis 21. Januar 1943.


[639] JUSTICE JACKSON: Und, soweit ich Sie verstehe, wurden Sie während dieser Zeit, mindestens einem Teil dieser Zeit, von Hitler betrogen, und während der ganzen Zeit betrogen Sie Hitler.


SCHACHT: Nein, o nein.


JUSTICE JACKSON: Ich habe Sie falsch verstanden?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Gut. So...


SCHACHT: Ich glaube, daß in den ersten Jahren jedenfalls ich Hitler nicht betrogen habe; das glaube ich nicht nur, sondern das weiß ich; ich habe ihn erst betrogen von 1938 an. Bis dahin habe ich ihm ja meine Meinung stets ehrlich gesagt, habe ihn gar nicht betrogen, im Gegenteil.


JUSTICE JACKSON: Was wird dann aus Ihrer Erklärung, daß Sie in seine Regierung eintraten, um sein Programm zu bremsen? Haben Sie ihm das erzählt?


SCHACHT: O nein, ich werde mich hüten. Dann hätte er mich ja nie reingelassen, aber ich habe ihn ja darüber nicht betrogen.


JUSTICE JACKSON: Wußte er, daß der Zweck Ihres Eintritts in die Regierung war, sein Programm durch Sabotage zu vereiteln?


SCHACHT: Ich habe ja nicht gesagt, daß ich sein »program defeat« wollte, sondern ich habe gesagt, ich wollte es in geordnete Bahnen lenken.


JUSTICE JACKSON: Sie haben doch gesagt, daß Sie es bremsen wollten, Sie haben den Ausdruck gebraucht?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Das heißt »verlangsamen«, nicht wahr?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und er wünschte es zu beschleunigen, nicht wahr?


SCHACHT: Jawohl, vielleicht.


JUSTICE JACKSON: Und Sie haben darauf geachtet, daß er nie erfuhr, daß Sie seiner Regierung zu dem Zweck beigetreten waren, sein Aufrüstungsprogramm zu verlangsamen, nicht wahr?


SCHACHT: Ich habe doch nicht nötig, ihm zu sagen, was ich denke. Ich habe ihn nicht betrogen. Ich habe ihm nichts Falsches gesagt. Ich werde ihm doch nicht sagen, was ich innerlich denke und will. Er hat es mir ja auch nicht gesagt. Sie sagen das Ihren politischen Gegnern ja auch nicht. Betrogen habe ich Hitler nie, außer von 1938 ab.


[640] JUSTICE JACKSON: Ich möchte doch sagen, daß ich Sie nicht nach einem politischen Gegner frage. Ich frage Sie nach dem Mann, in dessen Regierung Sie eingetreten sind und deren Mitglied Sie wurden.


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Man sagt seinem Gegner nichts; aber ist es in Deutschland üblich, einer Regierung beizutreten mit der Absicht, das Programm des Chefs der Regierung zu vereiteln?


SCHACHT: Ich habe Ihnen ja eben bereits das Wort »defeat« zurückgewiesen, Mr. Justice. Ich habe nicht die Absicht gehabt »to defeat him«. Ich habe die Absicht gehabt, ihn zu bremsen; und das ist in der Tat üblich; denn daraus besteht jede Koalitionsregierung.

Wenn Sie in eine Koalition hineintreten, so heißt das, Sie müssen sich mit Ihren Nachbarparteien über gewisse Dinge verständigen und müssen gewisse Dinge, die der andere will, durch Ihren Einfluß zu hemmen suchen. Das ist kein Betrug, sondern das ist der Versuch einer Kompromißlösung.


JUSTICE JACKSON: Also, Sie behaupten, daß Sie wie in eine Koalition hineingegangen sind?


SCHACHT: Jawohl, das habe ich ja deutlich und eingehend auseinandergesetzt.


JUSTICE JACKSON: Sie haben das Wort selbst heute gebraucht, als Sie Ihre Tätigkeit als Sabotage seines Aufrüstungsprogramms beschrieben haben, nicht wahr?


SCHACHT: Jawohl, das habe ich von – sagen wir mal – 1936 an getan. Aber das hat er ja auch gemerkt. Das war ja kein Betrug.


JUSTICE JACKSON: Sie übernehmen einen Teil der Verantwortung dafür, nehme ich an, daß Deutschland den Krieg verloren hat?


SCHACHT: Das ist eine sehr merkwürdige Frage. Verzeihen Sie, wenn ich sage, ich übernehme dafür keine Verantwortung. Weil ich ja keine Verantwortung dafür trage, daß der Krieg angefangen worden ist, kann ich ja auch für den Verlust keine Verantwortung tragen. Ich wollte ja keinen Krieg.


JUSTICE JACKSON: Wann fingen Ihre ersten Zweifel an über Hitler als Mensch – über seine Redlichkeit?


SCHACHT: Darüber habe ich mich in dem ganzen Verhör so ausführlich ausgelassen, daß ich nicht glaube, daß ich das hier nochmal wiederholen muß.


JUSTICE JACKSON: Geschah es... Ich werde die Frage so stellen, wie es in Ihrer Vernehmung heißt, denn Ihr Verhör ist ein bißchen deutlicher. Da heißt es in Ihrer Vernehmung:

[641] »1934 hat er viele Leute umgebracht oder viele Leute umbringen lassen, ohne einen juristischen Grund dafür zu haben, und ein paar Tage später hat er im Reichstag gesagt, er wäre der Oberste Richter in Deutschland. Das war er ganz bestimmt nicht, und zum ersten Male fühlte ich mich durch seine Auffassung erschüttert. Es schien mir absolut unmoralisch und unmenschlich.«

Stimmt das?

SCHACHT: Das habe ich hier bereits gestern ausgeführt, oder vorgestern, genau das gleiche.

JUSTICE JACKSON: Ich möchte diese Daten festlegen, Herr Dr. Schacht. Sie begreifen, Ihr Ziel und mein Ziel in diesem Prozeß ist nicht gerade dasselbe.

SCHACHT: No, no, I know that. (Nein, nein, ich weiß das.)


JUSTICE JACKSON: Nun, Sie haben auch über die Tätigkeit der Gestapo im Jahre 1934 und 1935 volle Auskunft von Gisevius bekommen nach dem was er hier ausgesagt hat, nicht wahr?


SCHACHT: Nein, das hat er nicht gesagt. Er hat gesagt, daß er über diese Dinge Bescheid wußte. Er hat mir nicht alles erzählt; aber ich habe ja vorhin, heute früh zugegeben, daß mir manches von ihm mitgeteilt wurde und daß ich daraus ja meine Folgerungen gezogen habe. Ich habe ja Anfang Mai 1935 bereits mit Hitler über diese Sache gesprochen.


JUSTICE JACKSON: Sie wußten von dem Gestapoterror, dem Reichstagsbrand...


SCHACHT: The Reichstag Fire?


JUSTICE JACKSON:... von der Falschheit der Behauptung einer Säuberungsaktion...


SCHACHT: Bitte einen Moment, darf ich der Reihe nach gehen? Über den Reichstagsbrand bin ich erst Jahre später aufgeklärt worden, und zwar durch den verstorbenen Grafen Helldorf, der hier auch von Gisevius erwähnt ist.


JUSTICE JACKSON: Sie wollen sagen, daß Ihnen Gisevius niemals davon erzählt hat?


SCHACHT: Ich glaube, ich habe es von Helldorf, ich kann es auch von Gisevius haben. Aber ich glaube, es war Helldorf; jedenfalls bin ich erst nach 1935 darüber aufgeklärt worden. Ich habe das bis dahin nicht für möglich gehalten.


JUSTICE JACKSON: Sie haben doch niemals an Gisevius' Worten gezweifelt, als er Ihnen 1934 und 1935 das erzählte, was er hier ausgesagt hat, nicht wahr?


[642] SCHACHT: Einen Moment. Er hat es mir entweder 1934 oder 1935 erzählt; aber bitte nicht 1934 und 1935 und, wenn er es mir erzählt hat – wenn Gisevius das gesagt hat –, nehme ich an, daß es stimmt.


JUSTICE JACKSON: Also dann wußten Sie von der Verfolgung der Kirchen und der Vernichtung der Gewerkschaften, nicht wahr?


SCHACHT: Die »destruction of the labor unions« war ja bereits im Mai 1933 geschehen.


JUSTICE JACKSON: Sie wußten über all dies Bescheid, nicht wahr?

SCHACHT: Ich weiß nicht alles – das, was bekannt wurde. Ich habe genau das gewußt, was jeder Deutsche darüber gewußt hat und was die »labor unions« selbst darüber wußten.


JUSTICE JACKSON: Das war doch nun einer der Gründe für Ihren Beitrag und den der anderen Industriellen zur Nazi-Partei?


SCHACHT: O nein, o nein! Davon ist nie die Rede gewesen.


JUSTICE JACKSON: Sie wollen behaupten, daß Versammlungen von Industriellen abgehalten wurden und daß eine für die Industrie so wichtige Sache wie die Abschaffung der Gewerkschaften in ihren Zusammenkünften niemals erwähnt wurde?


SCHACHT: Ich weiß davon nichts. Bitte wollen Sie mich an irgend etwas erinnern?


JUSTICE JACKSON: Beschlagnahme des Vermögens;... daß die Gewerkschaftsführer in Konzentrationslager gebracht wurden?


SCHACHT: Das habe ich erfahren – einen Moment. Wer in das Konzentrationslager gekommen ist, weiß ich nicht. Über die Konfiskation der Vermögen bin ich unterrichtet gewesen; denn das wurde öffentlich bekanntgemacht. Aber was die Industriellenversamm lungen damit zu tun haben, wenn ich Sie recht verstanden habe, das weiß ich nicht.


JUSTICE JACKSON: Sie wußten doch auch schon sehr früh von der Verfolgung der Juden, nicht wahr?


SCHACHT: Ich habe ganz genau gestern hier ausgeführt, was ich von der Judenverfolgung wußte, wie ich mich in der Judenverfolgung verhalten habe und daß, solange ich Minister war, ich alles getan habe, um diese Dinge zu verhindern.


JUSTICE JACKSON: Ich habe Ihre allgemeinen Erklärungen darüber gehört und ich möchte ein paar Einzelheiten darüber hören. Herr Dr. Schacht, haben Sie nicht folgendes in Ihrem Verhör vom 17. Oktober 1945 ausgesagt:

»Antwort: Die Nationalsozialisten hatten die Absicht, wie es auch in ihrem Programm stand, nicht einen so hohen [643] Prozentsatz von Juden in Regierungsämtern und kulturellen Behörden Deutschlands zu behalten, womit ich auch einverstanden war.«


SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON:

»Frage: Nun also, Sie haben doch ›Mein Kampf‹ gelesen, nicht wahr?

Antwort: Ja.

Frage: Und Sie kannten die Ansichten Hitlers be züglich der Judenfrage, nicht wahr?

Antwort: Ja.«

Haben Sie so ausgesagt?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON:

»Frage: Also gut, während Ihrer Zeit als Reichsminister wurden Gesetze herausgegeben, nicht wahr, welche zum Beispiel allen jüdischen Rechtsanwälten verboten, vor den Gerichten aufzutreten.

Antwort: Ja, das ist, was ich gesagt habe.

Frage: Waren Sie damit einverstanden?

Antwort: Ja.«

Haben Sie das gesagt?

SCHACHT: Yes.

JUSTICE JACKSON: Und Sie waren damit einverstanden, mit der Ausschließung...?


SCHACHT: Ja, ich habe immer mit dem Prinzip übereingestimmt.


JUSTICE JACKSON: Und Sie waren auch einverstanden mit dem Grundsatz, alle Juden aus Beamtenstellungen auszuschließen, nicht wahr?


SCHACHT: Nein. Ich möchte hier ausdrücklich sagen, ich habe...


JUSTICE JACKSON: Jawohl...

SCHACHT: Darf ich aussprechen?


JUSTICE JACKSON: Jawohl.


SCHACHT: Ich habe mit dem Prinzip des überwiegenden jüdischen Einflusses in Regierungs-, Rechts-und Kulturfragen stets mich dahin geäußert, daß ich diesen überwiegenden Einfluß nicht für günstig halte, weder im Interesse Deutschlands und des deutschen Volkes, welches ein christlicher Staat und auf der christlichen Weltanschauung aufgebaut ist, noch im Interesse der Juden, weil es [644] die Animosität gegen die Juden lenkt. Ich habe deshalb immer für eine gewisse Beschränkung, eine zahlenmäßige Beschränkung der Juden auf all diesen Gebieten meine Stimme erhoben, nicht absolut nach der Bevölkerungszahl, aber immerhin ein gewisser Prozentsatz.


JUSTICE JACKSON: Also setzen wir fort mit den Vernehmungen. Die Vernehmungen sind immer so viel kürzer als die Antworten, die vor diesem Gerichtshof gemacht werden, wo die Presse zugegen ist, wenn ich so sagen darf.

Haben Sie nicht diese Antworten gegeben?

»Frage: Nun, bezüglich der Staatsbeamten. Es wurde ein Arierparagraph hineingebracht. Waren Sie mit dieser Gesetzgebung einverstanden?

Antwort: Mit denselben Einschränkungen.

Frage: Haben Sie sich im Kabinett oder irgendwo anders dahin geäußert, daß Sie diese Einschränkungen, von denen Sie sprechen, wünschten?

Antwort: Ich glaube nicht, das war unnötig.

Frage: Sie sagen ›unnötig‹, das zu tun?

Antwort: Jawohl.

Frage: Ich dachte, daß Sie mal gesagt haben, daß der Grund Ihres Dableibens war, daß Sie hofften, die Politik beeinflussen zu können?

Antwort: Jawohl.

Frage: Sie dachten nicht, daß das wichtig genug war, Stellung dazu zu nehmen?

Antwort: Nicht wichtig genug, darüber abzubrechen.

Frage: Abzubrechen?

Antwort: To break. That's right. (Abzubrechen, das ist richtig.)«

Dann wurden Sie folgendes gefragt:

»Frage: Sie haben bestimmt ein Gesetz unterzeichnet, das verbot, Juden die Genehmigung zu erteilen, mit Devisen zu handeln.«

Erinnern Sie sich dessen?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON:

»Antwort: Ja, das mag sein.

Frage: Sie billigten das?

Antwort: Ich erinnere mich nicht, was die Einzelheiten über diese Frage waren.

Frage: Es ist nicht die Frage von Einzelheiten, es ist die Frage der Diskriminierung.

[645] Antwort: Jawohl.

Frage: Sie sagten das?

Antwort: Yes certainly. (Ja, ganz sicher.)«

Sie billigten diese Gesetzgebung oder nicht?

SCHACHT: Is that a question now or from the interrogation? (Ist das jetzt eine Frage, oder ist das aus der Vernehmung?)

JUSTICE JACKSON: Ich frage Sie jetzt.


SCHACHT: Ja, einverstanden, jawohl.


JUSTICE JACKSON: Also, Sie billigten es? Sie sagten das nicht als Sie verhört wurden?


SCHACHT: You can see how difficult it is. (Sie können sehen, wie schwer es ist.)


JUSTICE JACKSON: Die Frage war damals, ob Sie es billigten, und Sie sagten:

»Ich war nicht dafür, aber ich mußte es unterzeichnen.

Frage: Sie waren der einzige, der es unterzeichnet hat, Sie waren der Reichswirtschaftsminister?

Antwort: Jawohl.

Frage: Und offenbar war es ein Gesetz, das von Ihrem Ministerium ausging, nicht wahr?

Antwort: Jawohl.«

Ist das korrekt?

SCHACHT: Ja, ich nehme an. Nicht wahr, in diesen Dingen handelte es sich ja um unterschiedliche Grade. Im Prinzip habe ich meine Politik hier eben entwickelt, und bis zu welchem Grad die einzelnen Gesetze gegangen sind, ist eine Frage der Politik; heute kann man dazu so und so sagen.

JUSTICE JACKSON: Sie befürworteten ein Gesetz und haben es auch unterzeichnet, das verbot, Juden zum Beispiel zu den Wirtschaftsberaterprüfungen für Genossenschaften zuzulassen?


SCHACHT: Ja, möglich. Ich erinnere mich nicht, aber es wird schon richtig sein.


JUSTICE JACKSON: Und Sie billigten auch ein Gesetz, das die Todesstrafe für deutsche Staatsangehörige vorsah, die deutsches Eigentum ins Ausland schafften oder deutsches Eigentum im Ausland ließen?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und Sie wußten natürlich, daß das am meisten und am schlimmsten die Juden traf, die ins Ausland gingen?


[646] SCHACHT: Ich hoffe doch nicht, daß die Juden mehr betrogen haben als die Christen.


JUSTICE JACKSON: Also, die Todesstrafe für deutsche Staatsangehörige, die deutsches Eigentum ins Ausland brachten –, das war Ihre Idee von einem gerechten Gesetz?


SCHACHT: Ich verstehe nicht, meine Idee?


JUSTICE JACKSON: Ja.


SCHACHT: Es war eine Idee vom Finanzminister, und ich habe sie mitunterzeichnet.


JUSTICE JACKSON: Die nächste Frage, die anschließend an Sie gestellt wurde:

»War Ihr Gewissen dabei beteiligt oder nicht?«,

und Sie haben geantwortet:

»In gewissem Maße, ja; aber nicht wichtig genug, um einen Bruch zu riskieren.«


SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Und dann kommt die Frage:

»Jawohl. Mit anderen Worten, hatten Sie einen ganz anderen Zweck, einen viel wichtigeren?«


SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON:

»Frage: So, was war dann dieser Zweck, Herr Dr. Schacht?«

Ich lese immer noch, das spart Zeit.

SCHACHT: Oh, pardon.

JUSTICE JACKSON:

»Antwort: Der Zweck war, an der Macht zu bleiben und zu helfen, dieses auf einem üblichen und vernünftigen Weg durchzuführen.

Frage: Das heißt, die Wiederherstellung der deutschen Wirtschaft?

Antwort: Das stimmt.

Frage: Und die vollständige Durchführung des Rüstungsprogramms?

Antwort: Die Vollendung der zwischenstaatlichen Gleichberechtigung der politischen Gleichstellung für Deutschland.

Frage: Durch Aufrüstung, wie Sie selbst gesagt haben?

Antwort: Auch durch Aufrüstung.«


SCHACHT: All correct and I stand by that today. (So war es, und ich stehe auch heute noch dazu).

[647] JUSTICE JACKSON: Ja. Also die Rüstungsfrage war so wichtig, daß Sie wegen der Juden keinen Bruch riskieren wollten?


SCHACHT: Not the armament question but the equality of Germany. (Nicht die Rüstungsfrage, aber die Gleichstellung Deutschlands.)


JUSTICE JACKSON: Gut, aber ich fragte Sie eben »durch die Aufrüstung«, wie Sie selbst gesagt haben.


SCHACHT: And I say also by means of armament, it was one of the means. (Und ich sage, auch durch Rüstung. Das ist eines der Mittel.)


JUSTICE JACKSON: Ja, und es ist das einzige, von dem dann schließlich Gebrauch gemacht wurde, nicht wahr?


SCHACHT: No, it was not, there were other ones. (Nein, das war es nicht. Es gab auch andere.)


JUSTICE JACKSON: Wir werden noch rechtzeitig darauf zurückkommen. Nun, ist es nicht eine Tatsache, daß Sie auch dem Gesetz zustimmten, auf Grund dessen alle jüdischen Beamten und Notare entlassen wurden?


SCHACHT: Das ist möglich.


JUSTICE JACKSON: Und Sie haben auch am 24. Dezember 1935 an Blomberg geschrieben. Sie gaben Ihre Beweggründe an, nicht wahr? Sie sagten:

»Die wirtschaftliche und rechtspolitische Behandlung der Juden, die antikirchliche Bewegung gewisser Parteiorganisationen, und die Rechtswillkür, die sich um die Gestapo gruppiert, bilden eine Beeinträchtigung unserer Rüstungsaufgaben, die durch die Anwendung verständiger Methoden ohne Preisgabe des Zieles zum mindesten ganz erheblich herabgemindert werden könnten.« (Schacht Exhibit Nummer 13.)

Sie schrieben das, nicht wahr?

SCHACHT: Jawohl, ich habe es gestern selber zitiert.

JUSTICE JACKSON: Also, was das Aufrüstungsprogramm betrifft, so nahmen Sie in drei verschiedenen Funktionen daran teil, nicht wahr?


SCHACHT: Ich weiß nicht, welche Sie meinen, aber bitte, fahren Sie fort.


JUSTICE JACKSON: Ich will sie aufführen. Erstens waren Sie Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Das war zunächst ein geheimes Amt?


[648] SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Sie waren Reichsbankpräsident. Das war das finanzielle Amt?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und Sie waren Wirtschaftsminister, und damit hatten Sie die Kontrolle des Ministeriums über die allgemeinen Wirtschaftsfragen.


SCHACHT: Ja, dieses Wort »control« ist ja so ein allgemeines Wort, daß ich das nicht so ohne weiteres unterschreiben möchte; aber ich war Wirtschaftsminister.


JUSTICE JACKSON: Betrachten wir zuerst die Stellung als Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft. Sie haben ausgesagt, daß diese Stellung für zwei Zwecke geschaffen wurde a) Vorbereitung für den Krieg, b) Kontrolle der Wirtschaft im Falle eines Krieges.

Ist das richtig?


SCHACHT: Das heißt, eine Vorplanung für den Fall, daß ein Krieg eintreten sollte, und die Lenkung der Wirtschaft, wenn der Krieg eingetreten sein sollte. Das heißt so eine Vorbereitungs-Aera und eine künftige Aera im Falle eines Krieges.


JUSTICE JACKSON: Und Sie wurden über Ihre Tätigkeit befragt und gaben folgende Antworten, nicht wahr:

»So wie ein Stabschef für die Mobilisierung vom militärischen Standpunkt aus sorgt...«

so hatten Sie vom wirtschaftlichen Standpunkt aus damit zu tun.


SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Sie antworteten: »sicherlich«.

Und Ihre Stellung als Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft hatte den gleichen Rang wie das Kriegsministerium, nicht wahr?

SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und, wie Sie uns gesagt haben, diejenigen, die die Verantwortung im Falle eines Krieges hatten, waren erstens der Kriegsminister und der Chef des Generalstabes der Wehrmacht, und zweitens auf gleicher Stufe Dr. Schacht, als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft. Ist das richtig?


SCHACHT: Ich nehme an, ja.


JUSTICE JACKSON: Im Januar 1937 haben Sie folgendes geschrieben, nicht wahr?

[649] »Ich bin mit der Vorbereitung der Kriegswirtschaft betraut nach dem Grundsatz, daß unsere Kriegswirtschaftsorganisation so eingeführt sein muß in Friedenszeiten, daß im Notfall die Kriegswirtschaft direkt aus dieser Friedensorganisation umgewandelt werden kann, so daß dies nicht nach Ausbruch des Krieges zu geschehen braucht?«


SCHACHT: Ich nehme an, das ist korrekt.

JUSTICE JACKSON: Und wer war Ihr Stellvertreter in diesem Amt, Wohlthat?


SCHACHT: I think Wohlthat.


JUSTICE JACKSON: Nun, dies waren Ihre Aufgaben als Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft. Wenden wir uns jetzt Ihrer Tätigkeit als Reichsbankpräsident zu.

Sie haben gesagt, daß die Durchführung des Rüstungsprogramms die Hauptaufgabe der deutschen Politik im Jahre 1935 war, oder nicht?


SCHACHT: Zweifellos.


JUSTICE JACKSON: Es gibt keinen Zweifel darüber, daß Sie freiwillig die Verantwortung für die Ausfindigmachung finanzieller und wirtschaftlicher Mittel übernommen haben.


SCHACHT: Ohne Zweifel.


JUSTICE JACKSON: Und Sie waren der führende finanzielle und wirtschaftliche Verwalter für die Entwicklung der Rüstungsindustrie in Deutschland?


SCHACHT: Nein.


JUSTICE JACKSON: Waren Sie nicht?


SCHACHT: Nein. In keiner Weise.


JUSTICE JACKSON: Nun, ich mag Sie mißverstanden haben.

»Frage: Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung...«

Ich beziehe mich auf Ihr Verhör vom 16. Oktober 1945, US-636, Seite 44.

»Nun, im Zusammenhang mit dieser Entwicklung der Rüstungsindustrie wurden Sie deren finanzieller und wirtschaftlicher Verwalter.«

Sie nickten mit dem Kopf?

SCHACHT: Wie bitte?

JUSTICE JACKSON: Sie nicken mit dem Kopf.


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: »Sie wurden...« Ich werde Ihnen die ganze Frage nochmals vorlegen, so daß Sie sie verstehen.


[650] SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON:

»Nun, im Zusammenhang mit dieser Entwicklung der Rüstungsindustrie wurden Sie deren finanzieller und wirtschaftlicher Verwalter.«

Das Protokoll sagt, daß Sie mit dem Kopf nickten.

Die nächste Frage war:

»Und in diesem Zusammenhang haben Sie verschiedene Schritte unternommen. Wollen Sie uns bitte die wichtigsten Schritte näher beschreiben, die Sie in Richtung auf die erstrebte Wiederaufrüstung unternahmen; erstens intern, und zweitens in Bezug auf andere Nationen?

Antwort: Intern habe ich versucht, alles Geld, das zur Verfügung stand, zusammenzufassen, um die Mefo-Wechsel zu finanzieren. Nach außen hin habe ich versucht, den Außenhandel soweit wie möglich aufrechtzuerhalten.«

Haben Sie diese Antworten gegeben, und sind sie richtig?

SCHACHT: I am sure you are correct. (Ich bin sicher, es stimmt.)

JUSTICE JACKSON: Und mit der Aufrechterhaltung des Außenhandels beabsichtigten Sie, genügend Devisen für die Einfuhr von Rohstoffen zu bekommen, die für das Wiederaufrüstungsprogramm notwendig waren. Ist das nicht richtig?


SCHACHT: Das war die Frage, die mir gestellt wurde. Jetzt kommt die Antwort. Ja, wollen Sie bitte auch die Antwort sagen.


JUSTICE JACKSON: Und was ist jetzt Ihre Antwort?


SCHACHT: Meine Antwort heute ist, daß es nicht das einzige Ziel war.


JUSTICE JACKSON: Nicht das einzige Ziel?


SCHACHT: Richtig.


JUSTICE JACKSON: Aber das war das wichtigste Ziel, nicht wahr?


SCHACHT: Nein, durchaus nicht.


JUSTICE JACKSON: Gut, was war das andere Ziel?


SCHACHT: Deutschland am Leben zu erhalten, die Beschäftigung Deutschlands zu sichern, genügend Nahrungsmittel für Deutschland hereinzuholen.


JUSTICE JACKSON: Was war Ihr Hauptziel?


SCHACHT: Die Ernährung Deutschlands und die Beschäftigung für die Exportindustrie.


[651] JUSTICE JACKSON: Ich möchte in Bezug auf Ihr Ziel eins oder zwei dieser Dokumente mit Ihnen durchgehen, und zwar Dokument 1168-PS vom 3. Mai 1935.


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Überschrift »Finanzierung der Rüstung«; US-37.

»Die nachfolgenden Ausführungen gehen davon aus, daß die Durchführung des Rüstungsprogrammes nach Tempo und Ausmaß die Aufgabe der deutschen Politik ist, daß demnach alles andere diesem Ziel untergeordnet werden muß, soweit nicht durch Vernachlässigung anderer Fragen das eine Hauptziel etwa gefährdet wird.«

Haben Sie das geschrieben?


SCHACHT: Ich habe das nicht nur geschrieben, sondern ich habe das ja Hitler persönlich überreicht. Es ist eines von den beiden Zwillingsdokumenten, von denen das eine hier bereits als Beweisstück eingerührt ist und in der Anklage ja durchaus eingehend behandelt worden ist, während ich das zweite Dokument nicht bekommen habe.

Ich habe im Verhör durch meinen Anwalt hier bereits ausgesagt, daß es mir darauf ankam, die Parteisammlungen und die Parteigelder, die überall aus dem deutschen Volke herausgezogen wurden, abzustoppen, weil es für mich außerordentlich schwierig war, die Gelder für die Rüstung zu bekommen, für die Kassierung der Mefo-Wechsel und dergleichen.

Ich konnte das natürlich nur bei Hitler durchsetzen, wenn ich ihm sagte: »Es ist selbstverständlich, daß das im Interesse der Rüstung geschieht.« Wenn ich hier gesagt hätte, daß es geschieht zum Beispiel...


JUSTICE JACKSON: Ja, aber...


SCHACHT: Nein, ich bitte, mich ausreden zu lassen. Wenn ich ihm gesagt hätte, das geschieht im Interesse des Baues von Theatern oder sonst etwas, dann hätte das keinen Eindruck auf ihn gemacht. Aber wenn ich ihm sagte, es muß geschehen, weil wir sonst nicht rüsten können, so war das der Punkt, an dem ich Hitler anfassen konnte, und deshalb habe ich das gesagt. Das habe ich in dem Verhör meinem Anwalt hier zugegeben und auseinandergesetzt.


JUSTICE JACKSON: Und das nannten Sie nicht, ihn irreführen?


SCHACHT: Ich würde das nicht »misleading«, sondern »leading« nennen.


JUSTICE JACKSON: Aber ein »Führen«, ohne ihm die wahren Motive zu sagen, die Sie antrieben – zu mindestens.


[652] SCHACHT: Ich glaube, Sie können viel mehr Erfolge erzielen, wenn Sie jemand leiten wollen, wenn Sie ihm nicht die wahren Gründe sagen, als wenn Sie sie ihm sagen.


JUSTICE JACKSON: Ich danke Ihnen für diese offene Darlegung Ihrer Ideologie, Herr Dr. Schacht. Ich danke Ihnen verbindlichst.

Nun haben Sie verschiedene Pläne entworfen, einen zur Kontrolle von Devisen, von gesperrten ausländischen Guthaben und – die Mefo-Wechsel waren eines Ihrer Hauptfinanzierungsmittel, nicht wahr?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Nun, die Einzelheiten über die Mefo-Wechsel interessieren mich nicht; doch möchte ich Sie folgendes tragen. Ist es nicht richtig, daß Sie im Verhör vom 16. Oktober 1945 folgendes ausgesagt haben – US-636:

»Frage: Lassen Sie mich jetzt tatsächlich folgendes fragen: Als Sie zum Beispiel mit den Mefo-Wechseln anfingen, hatten Sie keine verfügbaren Mittel für die Finanzierung der Rüstung?

Antwort: Ganz richtig.

Frage: Das heißt, aus den regulären Budgetfinanzierungsquellen.

Antwort: Nicht genügend.

Frage: Außerdem waren Sie seinerzeit durch eine Verfügung der Reichsbank beschränkt, die Ihnen nicht erlaubte, auch nur annähernd genügenden Kredit für das Rüstungsprogramm zu geben.

Antwort: Ganz richtig.

Frage: Und trotzdem haben Sie einen Weg gefunden.

Antwort: Jawohl.

Frage: Und den Weg fanden Sie, indem Sie ein Mittel fanden, das es in der Tat der Reichsbank ermöglichte, der Regierung auf krummem Wege das zu leihen, was sie, die Reichsbank, gesetzlicher- und normalerweise nicht tun durfte.

Antwort: Richtig.«

Ist das richtig?

SCHACHT: Das habe ich geantwortet.

JUSTICE JACKSON: Die folgenden Fragen wurden dann gestellt:

»Frage: Ich entnehme, daß grundsätzlich das, was in Deutschland in der Rüstungsindustrie, in einer an sich gesunden heimischen Wirtschaft, sowie in der Wehrmacht aufgebaut wurde, daß die Anstrengungen, die Sie von 1934 bis [653] zum Frühjahr 1938 machten, als die Mefo-Finanzierung aufhörte, hauptsächlich für den Erfolg des ganzen Programmes verantwortlich waren.

Antwort: Ich weiß nicht, ob sie dafür verantwortlich waren, aber ich habe einen großen Teil zum Erfolg beigetragen.«


SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Und am 17. Oktober 1945 wurden Sie wie folgt befragt:

»Frage: Mit anderen Worten: Sie behaupten nicht, daß Sie für die Aufrüstung der Deutschen Wehrmacht nicht in hohem Maße verantwortlich sind?

Antwort: O nein, ich habe das nie getan.

Frage: Ich nehme an, daß Sie immer stolz auf diese Tatsache gewesen waren?

Antwort: Ich würde nicht sagen stolz, aber zufrieden.«

Sind Sie noch der gleichen Ansicht?

SCHACHT: Ich möchte dazu folgendes eben sagen: Die Mefo-Wechselfrage ist sicherlich eine Finanzierungsart gewesen, die normalerweise niemals eingetreten wäre. Ich habe mich hier beim Verhör durch meinen Anwalt ausführlich darüber geäußert. Ich kann aber auf der anderen Seite sagen, daß diese Frage bei der Reichsbank von allen Juristen genau geprüft worden ist und daß vermittels dieser »subterfuge« wie Sie sagen, ein Weg gefunden wurde, der »legally« möglich war.

JUSTICE JACKSON: Nein, ich habe das nicht so gesagt; Sie sagten es.

SCHACHT: Nein, nein, ich meine, was Sie eben nun zitiert haben, als meine Antwort – ich bitte um Entschuldigung –, als diese Sache juristisch geprüft worden ist und wir uns gesagt haben, so geht es. Im übrigen bin ich auch heute noch zufrieden, daß ich zur Aufrüstung beigetragen habe. Dabei hätte ich nur gewünscht, daß Hitler davon einen anderen Gebrauch gemacht hätte.


JUSTICE JACKSON: Nun, anläßlich Ihres 60. Geburtstages wurde Ihnen vom Kriegsminister Blomberg gesagt: »Ohne Ihre Hilfe, mein lieber Herr Schacht, könnte diese Aufrüstung nicht stattgefunden haben.« Hat er das nicht gesagt?


SCHACHT: Ja, das sind wohl diese Höflichkeiten, die man bei solchen Gelegenheiten austauscht. Aber es ist ein gutes Stück Wahrheit darin. Ich habe das nie abgestritten.


JUSTICE JACKSON: So scheint es mir auch.

Nun, als Sie schließlich einige Vorschläge machten, die Aufrüstung abzustoppen, oder sie zu verlangsamen, wie ich Sie verstehe, [654] haben Sie diese Vorschläge gemacht, ohne den Stand der Rüstung zu kennen?

SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Sie konnten dies nur durch die finanziellen Umstände feststellen oder nicht?


SCHACHT: O nein.


JUSTICE JACKSON: Nun, woran denn?


SCHACHT: Ich habe natürlich eine allgemeine Übersicht über diese Dinge gehabt, weil ja der General Thomas mit mir über diese Dinge immer gesprochen hat. Aber das, was General von Blomberg glaubt, dessen entsinne ich mich nicht, daß er mir genaue Unterlagen gegeben hat. Dagegen bin ich im allgemeinen natürlich darüber unterrichtet gewesen, welchen ungefähren Fortschritt die Rüstung gemacht hat, und das hat mich ja dazu veranlaßt zu sagen: »langsamer«. Bestärkt worden bin ich darin durch die allgemeinen Verhältnisse.


JUSTICE JACKSON: Nun wollen wir einmal sehen, welche Gründe Sie im Beweisstück EC-286 geben; ich lege es als US-833 vor:

»Ich bin infolgedessen der Meinung, daß wir unseren Export unter zeitweiliger ›Minderung der Rüstung mit allen Mitteln fördern sollten...‹ Ich betone das Wort ›zeitweilig‹.«


SCHACHT: ›Decrease‹ (Minderung).

JUSTICE JACKSON: ›Minderung‹, ja, ›zeitweilig‹.


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Ich betone »zeitweilig«, und Sie betonen »Minderung«.


SCHACHT: Oh no, no, I agree with you. (Ich stimme mit Ihnen überein.)


JUSTICE JACKSON:

»... und daß wir ferner in Bezug auf den Vierjahresplan nur diejenigen Aufgaben sofort lösen sollten, die am dringlichsten erscheinen. Dazu rechne ich das Treibstoffprogramm, das Bunaprogramm und das Programm der inneren Aufschließung von Erzen, soweit diese Aufschließung ihrerseits nicht zu große Rohstoffmengen benötigt, die dem Export entzogen werden. Dagegen wären alle sonstigen Maßnahmen des Vierjahresplans zunächst zurückzustellen. Ich bin überzeugt, daß durch eine derartige Politik unser Export so stark gesteigert werden könnte, daß unsere erschöpften Lagervorräte eine gewisse Aufbesserung erfahren würden und daß die Wiederaufnahme einer verstärkten Rüstung in nicht allzu [655] ferner Zukunft von der Rohstoffseite her wieder möglich werden würde. Inwieweit eine zeitliche Hinausschiebung der Rüstung auch militärische Vorteile haben würde, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich könnte mir jedoch denken, daß eine solche Rüstungspause nicht nur für die nachzuho lende Ausbildung von Offizier und Mann vorteilhaft wäre, sondern, daß diese Pause auch Gelegenheit geben würde, die technischen Ergebnisse der seitherigen Rüstung zu überprüfen und die technische Seite der Rüstung zu vervollkommnen.«

Haben Sie das nicht an Göring geschrieben?

SCHACHT: Durchaus möglich. Ich kenne den Brief nicht mehr, aber es sieht ganz nach mir aus.

JUSTICE JACKSON: Und Sie haben Göring Ihre wahren Ansichten ganz richtig mitgeteilt – oder nicht?


SCHACHT: Nein, ich glaube, daß es ein bloßer taktischer Brief war; denn ich glaube, daß es mir darauf ankam, zunächst mal die Rüstung etwas zu beschränken. Hätte ich ihm gesagt, wir wollen mit den Rüstungen stoppen, dann hätte mich Göring wahrscheinlich beim Führer entsprechend denunziert, und infolgedessen habe ich ihm gesagt: »Wir wollen das mal vorläufig stoppen«, »temporary«. Ich betone also auch das »temporary«. Das war eine taktische Maßnahme, um Göring zu überzeugen, daß es zunächst nur vorläufig sei.


JUSTICE JACKSON: Dann haben Sie Ihren Kollegen in der Regierung gegenüber auch nur taktische Feststellungen gemacht, die Ihren wahren Ansichten nicht entsprachen.


SCHACHT: Oh, das war im höchsten Maße notwendig.


JUSTICE JACKSON: Wann hörte dies auf, notwendig zu sein, Dr. Schacht?


SCHACHT: Cease? (Aufhören?)


JUSTICE JACKSON: Ja, wann hörte dies auf, notwendig zu sein?


SCHACHT: Ich glaube, es ist wichtiger zu fragen, wann es »commenced«, wann es anfing.


JUSTICE JACKSON: Nun?


SCHACHT: Ich habe in den ersten Jahren das natürlich nicht getan, aber später sehr erheblich. Ich kann eigentlich sagen: permanent. Aufgehört hat es nie.


JUSTICE JACKSON: Hat es jetzt aufgehört?


SCHACHT: Ich habe keine Kollegen mehr, sondern habe hier vor dem Gericht nichts als die Wahrheit zu sagen.


JUSTICE JACKSON: Am 24. Dezember 1935 schrieben Sie – es ist Dokument EC-293, US-834 – folgendes:

[656] »Wenn jetzt darüber hinaus verstärkte Rüstung verlangt wird, so liegt es mir selbstverständlich völlig fern, meine seit Jahren, vor und nach der Machtergreifung, ausgesprochene Befürwortung einer möglichst starken Aufrüstung verleugnen oder ändern zu wollen; ich muß aber pflichtmäßig auf die wirtschaftlichen Grenzen hinweisen, die dieser Politik gesteckt sind.«


SCHACHT: Das ist sehr gut.

JUSTICE JACKSON: Und auch wahr?


SCHACHT: Sicher.


JUSTICE JACKSON: Dann kam nun der Vierjahresplan im Jahre 1936?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Sie haben die Ernennung Görings zu dieser Stellung nicht gern gesehen?


SCHACHT: Ich habe ihn für ungeeignet gehalten. Außerdem begann natürlich damit eine Politik, die gegen die meine gerichtet war; denn ich wußte jetzt ganz genau, jetzt beginnt die übermäßige Rüstung, während ich für maßvolle Rüstung war.


JUSTICE JACKSON: Warum sagen Sie, daß Görings Ernennung übermäßige Rüstung bedeutete? Können Sie mich auf irgend etwas hinweisen, was Göring zugunsten einer Wiederaufrüstung gesagt hat, das extremer ist als das, was Sie gesagt haben?


SCHACHT: O ja.


JUSTICE JACKSON: Wollen Sie es sagen?


SCHACHT: Ja. Ich glaube, wenn Sie die Protokolle des sogenannten »Kleinen Ministerrats« aus dem Jahre 1936 lesen, die Sie selber eingereicht haben, und dann namentlich die aus dem Jahre 1938, so werden Sie sofort sehen, daß hier die Notwendigkeit stärkerer Rüstung betont wurde, zum Beispiel vom November oder Oktober 1936, glaube ich.


JUSTICE JACKSON: Nun, wurde dies denn nicht auch in allen von Ihnen verfaßten Schriftstücken betont?


SCHACHT: Nein.


JUSTICE JACKSON: Sie sagen, daß Ihre diesbezüglichen Erklärungen nur taktischer Art waren.


SCHACHT: Nein, verzeihen Sie, ich habe gesagt, Rüstung im Rahmen des wirtschaftlich Vernünftigen und Möglichen; und Göring, wenn ich doch nun mal im Extremen sagen darf, wollte diese Grenzen überschreiten.


[657] JUSTICE JACKSON: Das ist genau das, was ich sagen will. Der Unterschied zwischen Ihnen und Göring in Bezug auf die Aufrüstung war nur eine Frage, wieviel die deutsche Wirtschaft aushalten konnte, nicht wahr?


SCHACHT: Nein, sondern ich habe gesagt: Die Hauptsache ist, daß Deutschland lebt und einen Außenhandel hat, und im Rahmen dieser Dinge können wir rüsten. Daß aber Deutschland mehr rüstet, bloß um zu rüsten und seine Wirtschaft ruiniert, das ist ausgeschlossen.


JUSTICE JACKSON: Nun, das war eben der Unterschied zwischen Ihnen und Göring: Was konnte die Wirtschaft aushalten, nicht wahr?


SCHACHT: Nein, sondern was die Rüstung, den Umfang der Rüstung anlangt. Denn es ist ja so, Mr. Justice, daß das, was Göring gemacht hat, ja auch von der deutschen Wirtschaft ertragen worden ist. Es fragt sich nur, vernünftigerweise oder unvernünftigerweise. Wenn ich es ganz kraß sagen darf, so habe ich Görings Wirtschaftspolitik für unvernünftig gehalten, das heißt für eine Beschwerung des deutschen Volkes, während bei mir voranstand, daß die Rüstung nicht weitergehen dürfe, sondern, daß das deutsche Volk einen normalen Friedensstandard einzunehmen hätte.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich nunmehr.


[Das Gericht vertagt sich bis

3. Mai 1946, 10.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 13.
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