Beerdigung eines Neger-Ministers.

[11] Sobald ein Neger im Königreich Congo gestorben ist, zieht man ihm seine kostbarsten Sachen an. Man legt ihn auf ein Paradebette, das in der Mitte eines großen Hofes steht, und über dem sich ein Dach befindet, das auf hölzernen Säulen ruht; inwendig stopft man es mit den besten Waaren des Verstorbenen aus. Seine [11] Familie und seine Freunde finden sich hier täglich zweimal ein, um ihn zu beweinen, und da man dabei Branntwein austheilt, so kommen auch bloße Bekannte und weinen mit, um durch ihre Thränen einige Tropfen von diesem köstlichen Getränke zu verdienen. Herr Grandpré, der dieses erzählt, wollte sehen, ob sie wirklich weinten, und zu seinem Erstaunen fand er, daß sie mit einer bewundernswürdigen Leichtigkeit Thränen vergossen. Sie brauchten weiter nichts zu thun, als daß sie die Augen recht fest zuschlossen und zusammendrückten und sogleich schwammen sie in Thränen.

Die Frauen des Verstorbenen stellen sich um den Leichnam herum und machen denen die sich zum Weinen einstellen, tiefe Sagnilos oder Complimente. Reiche Leute kommen niemals ohne eine kleine Gabe von Früchten oder andern Dingen. Gedungene Klageweiber machen die Leidtragenden und gehen um das Schirmdach herum, unter dem die Leiche liegt, wobei sie allerlei Geberden machen, die Hände gen Himmel heben, [12] das Lob des Verstorbenen herheulen, und ihn bei ihren Gesängen fragen, warum er seine Familie verlassen habe: worüber sie ihm alle möglichen Vorwürfe machen. Der Schlußvers ist eine Klage, die der ganze Chor wiederholt. Diese Klageweiber führen zugleich eine Art von Tanz auf, indem sie sich sanft dabei umdrehen; die Beistehenden schließen sich bei ihrer Ankunft hinten an und wiederholen den Chor. Zuletzt wird die Anzahl so groß, daß sie einen ansehnlichen Kreis bildet, der den ganzen Hof einnimmt, und der sich beständig um den Todten herumdreht.

Wenn ein Freund fünf- bis sechsmal die Runde mitgemacht hat, geht er weg, nachdem er vorher einen Schluck Branntwein getrunken hat. Nunmehr kommen wieder Andre hinzu, die seine Stelle einnehmen, der Kreis wird daher niemals kleiner. Dies würde eine lästige Sache seyn, wenn sie ununterbrochen fortdauerte, allein so dauert sie ungefähr zwei Stunden des Morgens und eben so lange Nachmittags.

[13] Den andern Tag bauet man hinter dem Schirmdache eine andre Hütte für den Todten, an dessen Stelle man sein Bildniß setzt, dem man die nämliche Ehre erweist, das man täglich regelmäßig auch zweimal beweint und dem man zu den gewöhnlichen Stunden zu essen giebt. Indessen bringt man die Leiche in dieses zweite Haus, und fängt damit an, daß man sie mit einem starken Dekokt von der Maniockwurzel abwäscht. Diese Wurzel hat eine beizende Kraft, das Wasser davon zieht zusammen, trocknet die Haut aus und macht sie weiß, wie Kalk. Hierauf stellt man den Leichnam in eine Stellung auf, welche der Fetisch, d.i. das Götzenbild, vorschreibt: das Gesicht gegen Westen gekehrt, die beiden Knie leicht gebogen, den linken Fuß nach hintenzu aufgehoben, den rechten Arm der Länge nach herunterfallend, die rechte Hand geschlossen und nach Osten gekehrt, den linken Arm in die Höhe gehoben, die linke Hand offen, die Finger auseinander stehend, gebogen, und nach Westen gedreht, so wie jemand, der eine Fliege im Fluge fangen will.

[14] In diese Stellung zwängt man den Leichnam und mit Hülfe eines ununterbrochenen, aber schwachen Feuers, das man unter seinem Hintern anzündet, leert man die Eingeweide aus, schrumpft sie zusammen und trocknet den Körper wie Pergament. Ist er hinlänglich gebleicht, so überzieht man ihn mit einer dicken rothen Erdrinde, und wenn alles trocken ist, fängt man ihn mit Zeugen zu bedecken an, welches man einpacken nennt.

Man bekleidet ihn zuerst mit Korallen, wenn er dergleichen hat, und mit allen seinen Kostbarkeiten. Dies alles wird mit ihm begraben. Wenn man nun die Leiche so angekleidet hat, so wickelt man den Leib und die Glieder in zusammengenähete Macuten oder inländische Zeuge. Ueber diese wickelt man andre und fährt so lange damit fort, bis man keine Gestalt mehr unterscheiden kann und alles eine unförmliche Masse ist.

Je reicher der Todte ist, desto mehr packt man ihn ein; bald ist das Haus zu klein, man [15] bauet ihm ein anderes, und da die Masse tagtäglich zunimmt, so muß man noch ein größeres bauen, bis endlich der Erbe findet, daß sein Verwandter dick genug ist. – Diese Größe steht allemal mit der Größe der Erbschaft, die er hinterläßt, im Verhältnisse. Alsdann hört man auf, ihn in Macuten einzupacken und thut noch europäische Zeuge, blaue Leinewand, Cattun, wollene und seidene Zeuge hinzu.

Hat endlich diese unförmliche Masse den gehörigen Umfang, den ihr der Erbe geben will, so gräbt man in einer ziemlichen Entfernung ein ungeheures Loch, auf dessen Grunde man ein Haus ohne Dach errichtet, das aber groß genug für den Todten ist. Man bestimmt alsdann den Beerdigungstag. An diesem Tage legt man die Trauer ab und die Frauen werden mit alle ihrem Vermögen ein Eigenthum des Erben.

An dem bestimmten Tage schleppt man die Leiche nach der Grube, man läßt sie in das Haus hinab, über das man ein Dach macht; man reicht [16] ihr noch auf eine bestimmte Zeit zu Essen und zu Trinken, bedeckt das Ganze mit Erde, und errichtet einige Steine oder sonst etwas, um die Begräbnißstelle zu bezeichnen. Man glaubt nämlich, der Fetisch irre beständig um das Grab herum und bewache dasselbe, damit sich niemand an demselben vergreife. Führt daher die Neger ihr Weg vor einigen Ruhestätten der Todten vorbei; so eilen sie schnell vorüber und wenden die Augen vor Furcht und Aberglauben davon weg.

Als sich Herr Degrandpré in den Jahren 1786 und 1787 zu Cabenda aufhielt, starb ein angesehener Mann, der Andris Pacuta hieß. Er war Mofuck, d.i. Oberaufseher des ganzen Handels, und hernach Macaye, d.i. erster Minister, in Cabenda gewesen. Degrandpré war neugierig, seine Beerdigung mit anzusehen, und theilt davon folgende Beschreibung mit.

Die Masse war wenigstens 20 Fuß lang, vierzehn Fuß breit und acht Fuß dick. Oben darauf befand sich ein kleiner Kopf, der den Kopf [17] des Verstorbenen vorstellte. Man hatte ein Jahr mit seinem Einpacken und Beweinen zugebracht; auch sahen diejenigen, die ihn betrauerten, ganz gräßlich aus; er war so schwer, daß man nie im Stande gewesen wäre, ihn bis zu seinem Grabe zu schleppen, das über eine halbe Stunde von seinem Hause entfernt war; wenn nicht europäische Zimmerleute eine Art Fuhrwerk gebauet hätten, das man gewöhnlich den Teufel nennt. Mit unbeschreiblicher Mühe brachte man ihn endlich auf dieser Maschine, und als er darauf war, wußte man wieder nicht, wie man ihn fortbringen solltt. Die Sklavenschiffskapitaine borgten den Erben ein neues Tau von fünf, und ein neues Seil von drei Zoll Dicke. Man spannte über fünfhundert Personen auf einmal an diese Seile; allein das Ganze riß mehrmals, und erst nach einer unglaublichen Anstrengung brachte man den Leichnam an seinen Bestimmungsort. Die Räder, die aus einem einzigen Stücke bestanden, sanken jeden Augenblick in das Erdreich, das man zu einem Wege geebnet hatte, und konnten nur mit Mühe wieder heraus gebracht werden; die [18] Achsen, die von grünem Holz waren, brachen mehrmals. Endlich langte man nach einer viertägigen Anstrengung an dem bestimmten Orte an: wie aber die Neger den Leichnam in die Gruft hinabbringen könnten, dies ging über ihre Einsicht: sie mußten das Haus einreissen, und liessen die Leiche über Hals und Kopf in die Grube hinabstürzen; denn sie waren nicht im Stande, sie ordentlich zu stellen. Sie baueten alsdann das Haus rund herum wieder auf, setzten ein Dach darauf, und brachten so die Beerdigung zu Stande. Auf das Grab legten sie zwei prächtige Elephantenzähne, wovon der kleinste fünf Fuß lang war; an der Wurzel derselben bohrte man zwei Löcher, durch welche man zwei Stücke Eisen steckte, die man zwei Fuß tief in die Erde schlug.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 11-19.
Lizenz: