1. Das Fest der Beschneidung.[77] 1

Dieß Fest gehört unter die neuern Feste. Denn nur erst im elften Jahrhunderte finden [77] wir dieses Festes erwähnt; und es scheint nur alsdann aufgekommen zu seyn, da man, statt das Jahr mit dem Osterfeste anzufangen, wie es sonst gebräuchlich war, es nach dem julianischen Kalender mit dem 1sten Januar anfing. Es wäre sonst wol passender und natürlicher, das Jahr mit einer von den Sonnenwenden, oder[78] mit einer von den Nachtgleichen anzufangen, so wie es auch viele Völker des Alterthums gethan haben. So fingen die Aegypter in den ältesten Zeiten es gegen die Sonnenwende mit dem Aufgange des Hundssterns ober Syrius an, worin ihnen die Athenienser und übrigen Griechen, die von ihnen die Einrichtung des Jahrs bekamen, folgten. Andre Völker fingen das Jahr mit einer von den Nachtgleichen an. Einige asiatische Völker fingen es mit der Herbstnachtgleiche an, welches auch der Anfang des neufränkischen Jahrs ist. Die Juden hatten ein doppeltes Jahr, ein bürgerliches und ein Kirchenjahr, das bürgerliche fing sich gegen den Herbst mit dem Monat Tisri, und das Kirchenjahr mit dem Monat Nisan gegen die Frühlingsnachtgleiche an. Aber die Römer fingen es ganz willkührlich nach der Einrichtung des Romulus mit dem 1sten März an; und als der König Numa noch zwei Monate, den Januar und Februar hinzuthat: so nahm das Jahr mit dem 1sten Januar seinen Anfang. Julius Cäsar, der Verbesserer des römischen Kalenders, machte hierin keine Abänderung, obgleich die Römer [79] das Unschickliche und Willkührliche in Ansehung des Anfanges eines neuen Jahres fühlten, und glaubten, daß die Bruma, d.i. der kürzeste Tag, wo die Wintersonnenwende eintritt, weit schicklicher zum Anfange eines neuen Jahres sey, als der 1ste Januar.

Die Römer begingen den ersten Tag des Jahrs mit vielen Feierlichkeiten. Sie schickten einander an diesem Tage Geschenke, welche sie mit Glückwünschen begleiteten. Die Christen, welche den ersten Tag des Jahrs gleichfalls feiern wollten, widmeten ihn dem Andenken der Beschneidung Jesu. Die Gewohnheit der Römer einander Geschenke zu schicken, behielten sie gleichfalls bei, welche in der Folge dahin abgeändert wurde, daß nur die Reichen an die Armen Geschenke austheilten. Daher kommt die noch jetzt am Neujahrstage gewöhnliche Bettelei.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 77-80.
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